zur Parascha Korach: Numeri 16,1 – 18,32 am 2. Tammus 5781; 12. Juni 2021

Die Haftara steht im Kontext von Kap. 10, wo das Volk Israel seinen König bekommt, der jedoch nicht zu seiner Königswürde steht.

Am Anfang von Kap. 11 lesen wir, dass der Ort Jabesch (Trockenland von יָבֵשׁ jawesch = trocken) vom Ammoniter Nachasch (נָחָשׁ = Schlange), belagert und bedrängt wird. Die Ammoniter und die Moabiter sind Erzfeinde Israels, denn sie entstammen dem Inzest von Lot und seinen Töchtern. (Gen. 19,37f)

Die Boten, die zu König Scha’ul kommen, finden ihn, wie er hinter den Rindern vom Feld kommt. Sie müssen ihn über die bedrohliche Lage erst aufklären. Er ist nicht in seinem Königsamt, sondern in seiner Privatsphäre versteckt. Der Geist Gottes kommt ihm zur Hilfe, als er die Botschaft hört. Dadurch kann er erstmalig und einmalig richtige und gute, militärische Entscheidungen treffen. Durch seinen Siegesrausch und Egoismus wird es eine solche Situation nicht wieder geben, weil er damit von Gott abfällt.

Scha’ul mustert die Israeliten und Judäer.
1.Sam. 11,8 Er musterte sie in Basek, der Söhne Jissraels waren dreihunderttausend, der Mannschaft Jehudas dreißigtausend.
In den Zahlen 300 000 und 30 000 liegt die Bedeutung der Transformation. Durch diesen Kampf wird ein Sieg errungen und somit den Bewohnern von Jabesch Rettung (תְּשׁוּעָה teschu’a) zuteil. Und diese Hilfe kommt schnell, was der Ortsname Basek (בָּזָק Blitz) verrät. Vom Morgen bis zum Mittag wird der Sieg schnell errungen!
Die Quersumme 6 zeigt uns, dass Scha’ul sich voll in die Realität der Schöpfung begeben muss, raus aus seinem Versteck, und dass er sich seinem Tagwerk und der Herausforderung als König stellen muss. Wer in der 6 wirkt, darf Hoffnung auf die 7 haben, auf die Fülle, die der Sieg darstellt.
Die Menschen sind nach dem Kampf, den Scha’ul mit Autorität von den noch immer zerstrittenen Stämmen der Richterzeit einforderte, von ihrem König so begeistert, dass sie diejenigen, die ihn verunglimpft hatten, töten wollten.
1.Sam. 10,27 Heillose Buben aber sprachen: Wie will uns der befrein! Sie spotteten sein und ließen Spende ihm nicht zukommen. Er aber war wie ein Tauber.
Aber jetzt setzt sich Scha’ul in seiner Dankbarkeit und Euphorie für seine Widersacher ein, indem der sagt:
1.Sam. 11,13 Scha’ul sprach: Nicht werde ein Mann getötet am heutigen Tag, denn heut hat ER Rettung in Jissrael getan.

Mit dem folgenden Vers beginnt die Haftara.
1.Sam. 11,14 Schmuel sprach zum Volk: Laßt uns gehn, wir wollen nach Gilgal gehn, wollen dort das Königtum erneuern.

Schmuel ist der erste Navi, der erste Künder, auf dem versprochenen Heimatboden und verkörpert den Namen Gottes. Sein Name שְׁמוּאֵל Schmu’el setzt sich zusammen aus Schmo שְׁמו = sein Name und El אֵל = Gott, was bedeutet: Sein Name ist Gott. Für das Volk Israel tritt er als Anwalt Gottes auf, der das Wort Gottes klar und deutlich verkündet und dessen Befolgung überprüft, und er tritt als Anwalt für das Volk gegenüber Gott auf durch Fürbitte.

Nun gilt es, nach Gilgal, einer Hügellandschaft und einem Ort, an dem Opfer dargebracht wurden, zu gehen. Dort hatte bereits die Salbung Scha’uls stattgefunden, und dort sollte nach dem Sieg sein Königtum erneuert werden. Mein Mann machte mich darauf aufmerksam, dass es bei Scha’ul wie bei David noch eine dritte Erneuerung der Königherrschaft gibt:
1.Sam. 14,47 So ergriff Scha’ul das Königtum über Jissrael.
Diese 3. Krönung wurde nötig, weil das Volk noch zerrissen war. In der Richterzeit lebten sie nur als einzelne Stämme, die es nicht schafften, Zusammenhalt unter den von Gott eingesetzten Richtern dauerhaft zu praktizieren. Scha’ul selbst war innerlich zerrissen und lebte zusätzlich mit seinem Sohn Jonathan in Spannung. Diese  Triade der Zerrissenheit schreit nach Erneuerung und Bestätigung.

Schmuel hält dort in Gilgal eine wichtige Rede, weil er alt geworden ist und noch immer mit der Entscheidung des Volkes hadert, das sich einen König wünschte.
1.Sam. 8,20  daß wir werden, auch wir, wie die Erdstämme alle, richten soll uns unser König, ausfahren soll er vor uns her und unseren Kampf kämpfen.
„Wir wollen sein wie die anderen Völker!“ – Ein Wunsch des Volkes, der ihnen so gar nicht in den Sinn kommen dürfte, denn Israel ist nicht irgendein Volk! Es ist Gottes Volk! Gott hat Israel erwählt, um mit diesem Volk Geschichte zu schreiben. Indem dieses Volk IHN als König über sich akzeptiert, sollten die anderen Völker von diesem besonderen Volk lernen, wie gesegnet und erfüllt diese Beziehung zum Ewigen ist. Es sollte durch seine Einzigartigkeit anderen Völkern Lust auf die Beziehung mit dem Einen machen.
1.Sam. 8,7 ER aber sprach zu Schmuel: Höre auf die Stimme des Volks in allem, was sie zu dir sprechen, nicht dich ja haben sie verworfen, mich ja haben sie verworfen, König über sie zu sein.
Das war die Antwort Gottes auf das Begehren Israels. Aber hier ist Schmuel ganz Anwalt des gekränkten Gottes. Er selbst ist gekränkt, worüber ihm auch Gottes Antwort nicht hinweghilft. Fühlt er sich schuldig, dass er dem Volk im Angesicht eines neuen Feindes keine Sicherheit, kein Vertrauen vermitteln konnte?

So greift Schmuel in Gilgal das Thema nochmals auf und ruft Gott wie auch den Gesalbten Gottes, König Scha’ul, zu Zeugen auf, dass er selbst das Volk in Weisheit, Umsicht und Gerechtigkeit führte. Schmuel muss sich keine Vorwürfe machen und machen lassen, diese Bestätigung wird ihm zuteil.

So nimmt er das Volk mit auf eine Erinnerungsreise durch die eigene Geschichte. Mosche und Aaron führten das Volk aus Ägypten hinauf, wohin Jaakob gekommen war, als er Jossef wiedergefunden hatte. Was immer wieder im Tanach auffällt, ist der Wechsel der Namen Jaakob und Israel. Als er nach Ägypten hinabzog, ging er als der Stammvater Jaakob in das fremde Land. Als Mosche das Volk zurückführte, hatte es noch kein Israel-Bewusstsein, denn es musste dazu als entflohene Sklaven, die sie waren, erst ermutigt werden. So ist der Gebrauch der Namen Jaakob und Israel immer ein Zeichen dafür, dass die Identität des Gottesstreiters ständig neu errungen werden muss.

Schmuel zeigt dem Volk nacheinander auf, wie Gott sie in die Hände der Feinde gab, wenn sie dem Baal und der Astarte nachliefen, anstatt Gott treu zu bleiben. Sobald sie bereuten und umkehrten, rettete der Ewige sie wieder.
1.Sam. 12,11 ER schickte Jerubbaal und Barak und Jiftach und Schmuel, er rettete euch aus der Hand eurer Feinde ringum, ihr siedeltet in Sicherheit.
Gott berief Männer, die die Rettung Gottes brachten. Unter ihnen war Gideon, der wie Elija  gegen die Baalsanhänger kämpfte und nach der Zerstörung des Baalsaltars eine Namensänderung erfuhr:
Ri. 6,32 Und man nannte ihn an jenem Tag Jerubbaal, was besagt: Mag der Baal mit ihm streiten, weil er seinen Altar niedergerissen hat.
Die erste Silbe von Jerubbaal  kommt von לָרִיב la‘ariw – streiten, kämpfen.

Er erinnert an Barak, der mit Debora die Kanaaniter besiegte und an Jiftach, der die Stämme zur Einheit und zum gemeinsamen Kampf gegen die Ammoniter rief. Dann nennt er sich in der dritten Person. Während seiner Amtszeit als Prophet trat Nachasch auf, und gegen diesen Feind wollten sie einen König, den sie schließlich bekamen. Er durfte obendrein siegreich sein. Aber für Schmuel stellt sich die Frage, warum das Volk nicht weiterhin auf seinen obersten König vertraute.

Schmuel redet dem Volk ins Gewissen, dass es auch mit dem König nicht besser werden wird, wenn nicht beide, König und Volk, dem Ewigen gehorsam sind. Und er redet nicht nur, er lässt auch ein Zeichen von oben geschehen, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen.

Das Volk zeigt sich einsichtig und braucht Schmuel jetzt als Anwalt für ihre Umkehr gegenüber Gott.
1.Sam. 12,19 sie sprachen, alles Volk, zu Schmuel: Leg dich ins Mittel für deine Knechte bei IHM deinem Gott, laß nimmer uns sterben, ja, wir haben zu all unsern Sünden eine Bosheit gefügt, uns einen König zu wünschen.

Schmuel weiß, dass Gott treu ist und um Seines großen Namens willen Israel nicht preisgeben wird.
1.Sam. 12,22 Denn nicht wird ER sein Volk verstoßen, um seines großen Namens willen, denn ER hat sich unterwunden, euch zu einem Volk sich zu machen.

Dieser Satz gehört zwar nicht mehr zur Haftara, ist jedoch von großer Wichtigkeit, denn auch Schmuel übernimmt Verantwortung für das Volk und wird ihm die Kraft Gottes nicht entziehen.
1.Sam. 12,23 So auch ich selber, – weitab mir, gegen IHN zu sündigen, vom Mitteln für euch abzulassen! Unterweisen will ich euch auf dem guten und graden Weg.

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