Predigttext vorgeschlagen für So., d. 21.04.2024

14Denn wir wissen, dass der, der den Herrn Jesus auferweckt hat, wird uns auch auferwecken mit Jesus und wird uns vor sich stellen samt euch. 15Denn es geschieht alles um euretwillen, auf dass die Gnade durch viele wachse und so die Danksagung noch reicher werde zur Ehre Gottes.
16Darum werden wir nicht müde; sondern wenn auch unser äußerer Mensch verfällt, so wird doch der innere von Tag zu Tag erneuert. 17Denn unsre Bedrängnis, die zeitlich und leicht ist, schafft eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit, 18uns, die wir nicht sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare. Denn was sichtbar ist, das ist zeitlich; was aber unsichtbar ist, das ist ewig.

Scha’ul Paulus, Schüler des großen jüdischen Gelehrten Rabban Gamaliel, verbreitet die Lehre von der Auferweckung Jehoschuas unter den Heiden, indem er ihnen verkündet, dass dieses große Ereignis um ihretwillen stattfand. Damit sollen sie hineingenommen werden in die Gnade Gottes und ihre Bedrängnis unbedeutend werden im Angesicht der Herrlichkeit und Ewigkeit, an welcher sie Anteil erhalten sollen. Er will ihnen Hoffnung auf ihre eigene Auferweckung geben, die sie dadurch bekommen werden, dass Gott sie mit Jehoschua auferwecken wird und Heiden und Juden vor sich stellen wird – wird uns (Juden) vor sich stellen samt euch (Heiden). Dadurch macht Scha’ul Paulus klar, dass die Auferweckung Jehoschuas zuerst ins Judentum gehört und wird damit zum Licht der Völker לְאוֹר גּוֹיִם le’or gojim, wie es der Prophet Jesaja ankündigte:
Jes. 42,6 … ich will dich begeben zu einem Volksbund, zu einem Weltstämme-Licht,

Scha‘ul Paulus hatte nie das Vorrecht, Jehoschua persönlich kennen zu lernen, worunter er sein Leben lang litt. Umso mehr liegt ihm am Herzen, die Heiden durch Jehoschua für Gott zu gewinnen.

Um zu belegen, wie sehr die Auferstehung ein jüdisches Thema ist, das Juden und Christen eben nicht trennt,  möchte ich aus dem Tanach und dem Buch meines Schwiegervaters Pinchas Lapide zitieren: Auferstehung. Ein jüdisches Glaubenserlebnis. Mein Mann und ich durften es im LIT-Verlag neu auflegen.

Dass die Auferstehung Jehoschuas zuerst den Juden galt, erläutert Pinchas folgendermaßen:


„Die ältesten Berichte im Neuen Testament … betonen nämlich wiederholt nicht nur die greifbare Leiblichkeit des Auferstandenen, sondern auch seine nahtlose Identität mit demselben Jesus von Nazaret, dessen Leben und Streben seinem Volk Israel galt. Und schließlich erschien er nach seinem Kreuzestod ausnahmslos Juden, denn unter den zahlreichen Zeugen des Auferstandenen finden wir keinen einzigen Heiden. …
So sagt Petrus zu seinen Volksgenossen am Tempelplatz Jerusalem: „Und indem Gott seinen Knecht (Jesus) auferweckte, hat er ihn zuerst für euch gesandt, damit er euch segne” (Apg 3,26). Der Auferstandene kam also, um Israel zu segnen. Die unvermeidliche Schlußfolgerung, die sich aus diesem Tatbestand aufdrängt, ist, daß das Osterereignis, …, vor allem und hauptsächlich ein jüdisches Glaubenserlebnis war. …
Die Auferstehung Jesu ist letztlich nur aus jüdischen Quellen belegbar – oder widerlegbar -, da ja der Nazarener, sowohl zu Lebzeiten als auch nach Karfreitag, nur innerhalb seiner Heimat und seines Volkes Israel gewirkt hat.“ (S.19/20)

Pinchas weist darauf hin, dass das Judentum schon vor den Schriften des Neuen Testaments sowohl die Entrückung Henochs (Gen. 5,24) kannte als auch die Himmelfahrt des Elija (2.Kö 2,11) und Auferweckungen durch Elija (1.Kö 17,17-24) und Elischa (2.Kö 4,18-37). Sogar nach Elischas Tod sind seine Knochen in der Lage, Tote zum Leben zu erwecken (2.Kö 13,20f).

„Die historische Tatsache, daß die Wiederauferstehung von den Toten erst relativ spät zu einer Lehre des Judentums erhärtet wurde, erklärt auch ihre Vernunftmäßigkeit. Ungleich den Mysterienkulten Ägyptens, Griechenlands und Vorderasiens, die auch an eine Auferstehung glaubten, ist sie frei von Zauberei, Mystik, Mirakulismus und langwierigen Begräbnisriten, die häufig in Totenverehrung entarteten.
Wenn Gott allgerecht und allbarmherzig ist, kann der Tod in dieser Welt kein Schlußpunkt sein.“ (S.26)
„Würde man die Rabbiner um einen Aphorismus bitten, der in lakonischer Kürze ihrer Weltanschauung gerecht wird, so bekäme man vielleicht zu hören: Der Unglaube an den Tod als Schlusspunkt des Daseins ist der Vater aller Lebensbejahung. Wie wäre sonst zu erklären, daß die Chassidim am Todestag ihres Rabbis um dessen Grab tanzen – aus Freude darüber, daß er „heimgekehrt ist“? Daß der rabbinische Ausdruck für „er ist gestorben“ nichts vom Hinscheiden weiß, sondern schlicht besagt: „Er ist in seine Welt gegangen“, wobei die damit gemeinte „Welt der Wahrheit“ nur sehr unzulänglich mit „Jenseits“ übersetzt werden kann. So ist es auch kein Zufall, dass im Totengebet des Judentums – dem Kaddisch der „Heiligung“ -, …, kein Wort zu hören ist von Tod, Sterben, Trauer oder Ableben, sondern ganz im Gegenteil: vom Gottesreich, vom Lob des Vaters im Himmel, von Seiner Schöpfung, von der Hoffnung auf Erlösung, vom Frieden der Endzeit und, nicht zuletzt, vom Ewigen Leben.“ (S.32/33)

Darin findet sich der Satz V15 wieder: und so die Danksagung noch reicher werde zur Ehre Gottes. Zum Lob und Dank des himmlischen Vaters sollen auch die Heiden angestachelt werden, die sich bis dahin vielen Göttern gegenübersahen, die sie wegen ihrer Unberechenbarkeit durchaus fürchteten. Immer und allem voran geht es Scha’ul Paulus um die Ehre und das Lob Gottes. Denn die Toten stehen nicht aus eigener Kraft auf, sondern Gott erweckt sie, er belebt sie neu. Das bekennen wir in jedem Morgengebet und in jeder Amida (18-Bitten-Gebet, welches stehend gebetet wird): Gelobt seist du, unser Gott, König der Welt, der du die Toten wieder belebst!“ מְחַיֵּה הַמֵּתִים mechaie ha’metim.

Der Glaube an die Auferweckung bzw. Wiederbelebung der Toten gibt unserem irdischen und vergänglichen Leben einen Sinn, wenn wir, wie der Psalmist, über unser begrenztes Leben nachdenken:

Ps. 89,48 Gedenke, wie kurz meine Lebenszeit ist! Wie vergänglich hast du alle Menschenkinder erschaffen!

Nicht nur, dass das menschliche Leben vergänglich ist, es ist zudem noch gekennzeichnet durch Bedrängnisse und Leiden, die uns das Leben schwer machen. 

Jes. 63,9 In aller ihrer Drängnis drängt es ihn, durch seinen eignen Boten half er ihnen, in seiner Liebe, seiner Güte löste er sie und nahm sie auf und höhte sie allewige Tage. (Thur-Sinai)

„Er legte ihnen keine Leiden gemäß ihren Taten auf, die sie zu leiden verdienten, denn der Engel seiner Gegenwart, d. h. Michael, der Fürst der Gegenwart, derer, die vor ihm dienten, rettete sie immer als Agent des Allgegenwärtigen.“, erklärt Raschi zu diesem Vers Jesajas. Leiden und Bedrängnisse legt Gott also nicht zur Strafe auf oder willkürlich wie die heidnischen Götter, sondern zu unserem Wachstum.

Wir sind in Bedrängnis, aber der Ewige errettet uns! Wie sehr wir in Nöte geraten können, dazu schreibt Pinchas das folgende Beispiel, nachdem er den Propheten Hesekiel und die Erweckung der toten Gebeine (Hes. 37) ausführte:

„Wie Juden zu allen Zeiten auf diese Vision reagierten, mögen drei Beispiele erhellen.
Die Bergfestung Masada, in der über 900 jüdische Männer, Frauen und Kinder den Selbstmord einer Kapitulation vor der X. Römischen Legion vorzogen, ist zu einem Symbol der Glaubenskraft in ganz Israel geworden. Jigal Jadin, …, berichtete, daß jener heldenhafte Freitod am Vorabend des Paschafestes im Jahre 73 stattfand und daß das einzig wohlerhaltene Schriftfragment, das unter dem Fußboden des zerstörten Bethauses, behutsam zusammengerollt, entdeckt wurde, Ezechiels Vision der Auferstehung der toten Gebeine war.
Knapp 1900 Jahre später, am Vorabend der Hitler-Katastrophe, predigte Joseph Carlebach, der Oberrabbiner von Altona, ebenfalls zur Paschazeit über dieselbe unsterbliche Frohbotschaft jüdischer Zuversicht:
‚Die Vision von der Auferstehung Ezechiels gehört zu dem Gewaltigsten und Großartigsten, was jemals Menschenzunge verkündet hat. Von ihr, …, ging das beseligende Wort aus, das noch heute unzählige Herzen in Hoffnung und Zuversicht aufatmen lässt! …‘
Hinzuzufügen ist nur noch, daß der aussichtsloseste Verzweiflungskampf in der Geschichte des jüdischen Widerstandes – der Aufstand im Warschauer Ghetto – am 18. April 1943 begann, genau beim Anbruch des ersten Paschaabends. …
Die Pascha-Hoffnung auf die nahende Erlösung, der Traum vom Sieg über den Tod, die Trost spendenden Psalmen des Hallels und Ezechiels Vision der Wiederbelebung und Auferstehung der toten Gebeine – diese vier Grundelemente prägten die Stimmung der galiläischen Jüngerschar an jenem Karfreitag, der zweifelsohne zur schwersten Glaubenskrise der Jesusgemeinde werden musste.“ (S. 45/46)

So gab die Hoffnung, dass unser Leben nicht für immer aus und vorbei ist, den Menschen zu aller Zeit Hoffnung und Sinn. Gott rettet aus Glaubenskrisen und weltlichen Bedrängnissen, die wir heute sehr konkret erleben. Die Angst vor Krieg in Europa und dem Nahen Osten ist groß geworden, denn die Bedränger zeigen deutlich ihre Zähne. Da hilft es, wenn wir auf die Glaubenserfahrungen des Psalmisten hören können:
Ps. 34,18 Jene schrien und ER hörte, aus all ihren Bedrängnissen צָרוֹתָם rettete er sie.
Gott rettete Sein Volk im jüdischen Monat Nissan, dem Monat der Wunder (ness נֵס = Wunder) aus Ägypten = Mizraim מִצְרַיִם, von der Wurzel zar צַר = eng, dem Land der doppelten Enge. Darum verstehen wir auch, dass Gott uns immer wieder aus Bedrängnissen צָרוֹת zarot retten wird. Da Jehoschuas Tod und Auferweckung ebenfalls in den Monat Nissan fielen, erfüllt sich schon da die jüdische Maxime:
„Im Monat Nissan wurden wir erlöst, im Monat Nissan werden wir erlöst werden.“ (Gemara Traktat Rosh Hashana 11a)

Erlösung von Bedrängnis durch die Gnade Gottes ist Scha’ul Paulus in seiner Botschaft wichtig. Er lenkt deshalb den Blick seiner Adressaten vom Sichtbaren, von ihren Nöten und Lasten, vom Verfall des Menschen, hin auf das Unsichtbare und Ewige. Gott ist unsichtbar und dadurch für die Heiden, die Götzenbildern dienen, nicht fassbar. Wenn aber durch die Auferweckung eines Menschen Gottes gnadenvolles Handeln erfahrbar wird, kann er die Heiden für diesen Gott gewinnen.

Hos. 6,1 »Laßt uns gehn, wir wollen umkehren zu IHM, denn selber er hat zerfleischt, er wird uns heilen, er hat geschlagen, er wird uns verbinden, 2 nach einem Tagepaar belebt er uns wieder, läßt erstehn uns am dritten Tag, daß wir in seinem Angesicht leben.

„Dazu bemerken die Rabbinen im Midrasch Rabba: ‚Der Heilige, gesegnet sei sein Name, läßt den Gerechten nie länger als drei Tage in Bedrängnis verharren.‘
‚Am dritten Tag‘ hat also nichts mit dem Datum oder der Zeitrechnung zu tun, enthält aber für biblisch geschulte Ohren einen deutlichen heilsgeschichtlichen Hinweis auf Gottes Barmherzigkeit und Gnade, die sich nach zwei Tagen von Not und Tod erlösend offenbart.
Die Auferstehung gehört also, meines Erachtens, zur Kategorie der wahrhaft wirklichen und wirksamen Ereignisse, denn ohne Fakt der Geschichte gibt es keinen Akt des wahren Glaubens. …
Mit anderen Worten: Ohne Sinai-Erlebnis – kein Judentum; ohne Ostererlebnis – kein Christentum.
Beide waren jüdische Glaubenserfahrungen, deren Ausstrahlungskraft, in verschiedentlicher Weise, für die Völkerwelt bestimmt war. Aus unerforschlichen Gründen bedurfte es Auferstehungsglaubens von Golgota, um die Botschaft vom Sinai in die Welt hinein zu tragen.“ (S.52)

So wurde, auch nach dem Willen des Scha’ul Paulus, der Glaube an die Auferweckung Jehoschuas der Glaube der Heiden an den Gott Israels, an das Licht des Lebens, an dessen Gnade inmitten menschlichen Leids, die sich durch die ganze Hebräische Bibel zieht. Die ewige Herrlichkeit wird durch diesen Glauben das elende, leidvolle, sichtbare Leben überstrahlen. Das Unsichtbare wird zur tragenden Realität.

Jes 26,19 Aber deine Toten werden leben, auch mein Leichnam [Jesajas Leichnam]; sie werden auferstehen! Wacht auf und jubelt, ihr Bewohner des Staubes! Denn dein Tau ist ein Morgentau, und die Erde wird die Toten wiedergeben. (Schlachter)

Verwendete Quelle: Lapide, Pinchas; Auferstehung. Ein jüdisches Glaubenserlebnis. Calwer-Kösel 19834

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