vorgeschlagen für Sonntag, d. 21.06.2020 , 2. Sonntag nach Trinitatis
25 Zu jener Zeit sagte Jeschua auch: „Ich danke dir, Vater, Herr des Himmels und der Erde, dass du diese Dinge vor denen, die sich etwas auf ihre Klugheit zugutetun, und vor den Gebildeten verborgen und sie dem einfachen Volk offenbart hast! 26 Ja, Vater, ich danke dir, dass es dir gefallen hat, das zu tun. 27 Mein Vater hat alles in meine Hände gelegt. Wahrhaftig, niemand kennt den Sohn wirklich außer dem Vater; und niemand kennt den Vater wirklich außer dem Sohn und denen, welchen der Sohn es offenbaren will. 28 Kommt her zu mir, ihr alle, die ihr kämpft und beladen seid, und will ich euch Ruhe geben! 29 Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir, denn ich bin freundlich und von Herzen demütig, und ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen! 30 Denn mein Joch drückt nicht und meine Last ist leicht.“
Das Jüdische Neue Testament, David H. Stern, Hänssler-Verlag 1994
- Die Zeit Jesu vergleichbar mit der heutigen
- Jesu Botschaft von Gott, dem Vater
- Was trennt von Gott und was verbindet mit IHM?
- Jesus verspricht ein leichtes Joch
- „Sprüche der Väter“ zur Tora
Die Zeit Jesu vergleichbar mit der heutigen
Die Zeit Jesu ist eine sehr angespannte Zeit. Eine Zeit der Gewalt und Unterdrückung, eine Zeit der religiösen Orientierungslosigkeit. Die Judenheit ist aufgespalten in unterschiedliche Gruppen, die sehr ungleiche Vorstellungen davon haben und leben, wie mit der politischen Situation umzugehen ist. Diese Gruppen habe ich in der Predigt zu Lk.18 erklärt. Die politische Lage spielt auch in der Pfingstpredigt eine große Rolle.
Fast möchte ich die damalige Zeit mit heute vergleichen. Rassistische und menschenverachtende Ansichten feiern fröhliche Urständ in zivilisierten Gesellschaften. Kriege treiben Millionen von Menschen in die Flucht, mehr als jemals zuvor in der Geschichte. Diktaturen und Gewaltherrschaft holen sich Länder zurück, die Schritte in die Freiheit gegangen waren. Religiöser Hass verursacht Gewalt und Gottes- und Menschenverachtung.
Die Frage nach Gott- wo wird sie gestellt?
Die Umwelt und der Klimawandel rufen die Menschheit zur Verantwortung auf, nämlich genau zu der, die der Schöpfer seinem Geschöpf auftrug, zu behüten, nicht zu beherrschen und auszubeuten!
Gen.2,15 ER, Gott, nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten von Eden, ihn zu bedienen und ihn zu hüten.
Naturkatastrophen überziehen die Erde sowie unheilbare Krankheiten. Der Mensch hat nicht alles im Griff, aber er lässt sich auch nicht von Gott zur Umkehr rufen.
Jesus sieht die Leiden in seiner Zeit. Er ruft zurück zu Gott. Im Namen Gottes, seines himmlischen Vaters, wirkt er Wunder. Aber viele Herzen sind nicht bereit zur Umkehr.
Er sieht die religiöse Verwirrung. Wer vertritt die richtige Botschaft? Wer verführt mit seinen Worten, Gott untreu zu werden?
Heute ist es nicht anders. Lange Traditionsketten, auch wenn sie von der Quelle wegführten, bieten eine vermeintliche Sicherheit. Umdenken? Zurück zur Wurzel und Quelle der Botschaft – führt uns das nicht weg von unserer Erlösung? Es ist leichter, die bekannte Brille aufzubehalten, selbst wenn damit ein Weg fortgesetzt wird, der in seinem Ursprung von Hass und Zerwürfnis getragen war. Die Trennung der Christen von der jüdischen Wurzel seit dem 3. Jh. wurde in dieser Darstellung sicher erkannt.
Ebenso gibt es unter gläubigen Juden die Sorge, durch vermeintlichen Ungehorsam Gottes Zorn zu provozieren. Die rabbinischen Schulen zurzeit Jesu zeigen den Konflikt. Hillel wollte in der Diskussion zur Verschriftlichung der Mischna, der ersten Stufe des Talmuds, die Tora so auslegen, dass sie von jedem leicht zu befolgen sein würde. Schammai dagegen erschwerte die Gebote der Tora, um den bedingungslosen Gehorsam des Juden zu steigern. Die „Zäune“, welche die Gebote der Halacha[1] umgeben, sollen aus Liebe zu Gott einen Schutz bieten, ein Gebot nicht versehentlich zu brechen. Sieben verschiedene Pharisäer-Schulen gab es damals laut Schalom Ben Chorin. Jede suchte ihre Antwort für den Umgang mit der Fremdherrschaft durch die Auslegung der Tora und durch das Einhalten der Gebote, um Gottes Hilfe zu erlangen.
Jesu Botschaft von Gott, dem Vater
Jesu Botschaft war eindeutig: Kommt einfach zum Vater! ER ist der Eine und Einzige Gott! Kehrt um zu IHM und ER wird euch gnädig sein! Seht doch die Wunder, die ER durch mich wirkt! ER will euch Seine Liebe zeigen! ER wirbt um euch!
Jesus weiß, wie gerne Gott Seinem Volk Vater ist.
Jer.31,8 Wohlan, aus dem Nordland lasse ich sie kommen, …, unter ihnen Blinde und Lahme, Schwangre und Gebärende zumal, – eine große Versammlung, kehren hierher sie zurück. 9 Mit Weinen werden sie kommen, mit Gnadenrufen leite ich sie, gängle sie zu Wasserbächen, auf ebenem Weg, darauf sie nicht straucheln. Denn zum Vater bin ich Jissrael worden, mein Erstling ist Efrajim.
Jesus befindet sich in einer vergleichbaren Situation wie der Prophet Jesaja. Er weiß, wie leicht es ist, zu Gott zu gehen, Seine Vaterliebe und Sein Herz zu berühren, aber jeder ist so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass sich nur wenige aufraffen, Jesu Botschaft vom Vater zu hören und ernst zu nehmen.
Jes.63,16 Du ja bist unser Vater! Abraham ja kennt uns nicht, Jissrael merkt nicht auf uns, DU selber bist unser Vater, Unser-Löser-seit-Urzeit dein Name!
Jes.64,6 Keiner ist, der deinen Namen noch anruft, der sich aufrafft, dich festzuhalten, denn du hast uns dein Antlitz verborgen, … 7 Jetzt aber, DU – du bist unser Vater! wir sind der Ton, du bist unser Bildner, allsamt sind wir Tat deiner Hände – 8 grolle nimmer, DU, maßlos fort, nimmer noch fort gedenke der Verfehlung! Blicke doch nun her, allsamt sind wir dein Volk!
Wie sich die Zeiten ähneln! Keiner ruft Gott an, keiner kehrt um, obwohl die bedrückende Lage in Gottes Händen doch gerade dazu dienen soll, Seine Kinder nach Hause zu rufen. Die Not in unserem Leben ist nicht unumkehrbar. Ging es nicht dem „verlorenen Sohn“ ebenso, dass er in die Abgründe des Lebens fallen musste, bevor er umkehrte und zu seinem Vater lief?!
Zu allen Zeiten gilt diese Botschaft – bis heute!
Jesus steht mit Gott, dem Vater, in einer innigen Beziehung, wie sie der Idealtyp der Gottesbeziehung im Judentum war und ist. Wie viele Gebete im jüdischen Gebetbuch „Siddur“ sprechen in dieser Tradition Gott so liebevoll und vertraut an. Nachdem sich die Behauptung unter Christen lange hielt, Juden könnten Gott nicht mit „Vater“ anreden, machte ich mir die Mühe, alle Vater-Anreden im SIddur gelb zu markieren. Die Innigkeit in dieser Vater-Sohn-Beziehung ist berührend und straft alle Vorurteile Lügen.
Ob es einfach nur die Anrede ist „unser Vater“ oder „Unser Vater, unser König“ oder die Anrede im Schabbat-Lied: „Innigster Freund meiner Seele, barmherziger Vater“ (Jedid nefesch).
Im Schabbatgottesdienst heißt es: „Gelobt seist du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, der Gott, der barmherzige Vater, der gerühmt wird durch den Mund seines Volkes,…“
Immer wieder steht Gott als der Erlöser, der ewige König, der barmherzige Vater und vergebende Gott im Mittelpunkt aller Gebete. Es lohnt sich, ein solches Gebetbuch zu erwerben und diese Gebete mitzubeten.
Im Gegensatz dazu sprachen wir in Lod/ Israel mit einem Imam, der uns erklärte, dass es für einen Moslem verboten sei, Gott Vater zu nennen, weil Gott damit vermenschlicht und zu einem sexuellen Wesen herabgestuft würde.
Jesus aber lehrte das, was er aus seiner Tora kannte, nämlich Gott als den liebenden Vater.
1.Chr 29:10 Dawid segnete IHN angesichts aller Versammlung, Dawid sprach: Gesegnet du, Gott Jissraels, DU, unser Vater, von Weltzeit in Weltzeit!
Jesu Beziehung zum Vater erinnert an die von Mose, mit dem Gott von Angesicht zu Angesicht redet. So lasen wir es in der Schabbatlesung der vergangenen Woche.
Eine ebenso innige Beziehung bestand zwischen David und Gott. So sprach Gott über David:
Ps.89,25 Meine Treue und meine Huld ist bei ihm, … 27 Der soll mich rufen: ‚Mein Vater bist du, mein Gott, der Fels meiner Befreiung!‘ 28 Ich auch mache ihn zum Erstling, zuhöchst den Königen der Erde. 29 Auf Weltzeit wahre ich ihm meine Huld, mein Bund bleibt ihm getreu.
Vor David und Mose hatte Gott keine Geheimnisse. Alles offenbarte ER ihnen wie schon Seinem Freund Abraham, als ER Sodom und Gomorra vernichten wollte.
Es ist möglich, diese tiefe und innige Beziehung zu Gott zu leben. Jesus lädt mit aller Intensität und allem Engagement dazu ein.
Was trennt von Gott und was verbindet mit IHM?
Es ist immer dasselbe Muster, derselbe Anlass: Der Mensch nimmt Gott nicht mehr wichtig. Er setzt sich selbst zum Maßstab. Entweder wendet er sich ganz von Gott ab und folgt seinen Machtfantasien oder er hält formal an der Religion und der Tradition fest. Manchmal folgt er dem Motto: Schaden kann’s ja nichts, und so hinkt er auf beiden Seiten, wie schon Elija anprangerte. Aber bei Gott gibt es kein Dazwischen! Mit ganzem Herzen, ganzer Seele und ganzem Verstand – oder gar nicht (Dtn.6,4)!
Jer.29,13 Weiter spricht der Herr: Weil sich dieses Volk mit seinem Mund mir naht und mich mit seinen Lippen ehrt, während es doch sein Herz fern von mir hält und ihre Furcht vor mir nur angelerntes Menschengebot ist, 14 siehe, so will auch ich künftig mit diesem Volk wundersam, ja überaus wundersam und verwunderlich umgehen; und die Weisheit seiner Weisen soll zunichtewerden und der Verstand seiner Verständigen unauffindbar sein.
Wundern wir uns also nicht: Wenn wir von Gott getrennt leben, selbst wenn die äußere Form stimmt, tritt Verwirrung auf. Die Orientierung geht verloren. Selbst die Klugen und Verständigen und vermeintlichen Ratgeber gehen ihrer Weisheit verlustig. Wie oft staunen wir negativ berührt über „Influenzer“, die mit dem größten Unsinn Aufmerksamkeit erlangen und nicht vertretbare, sogar gefährliche Meinungen verbreiten. Mordlisten im Internet! Verdrehungen von Fakten vom rechten bis zum linken Rand, weltweit.
Ps. 9,21 Furcht weise, DU, ihnen zu, die Stämme sollens erkennen: das Menschlein sind sie.
Raschi warnt unter Bezugnahme auf Midrasch Tehillim zu Ps.9:
„Die Grenze zwischen dem Fühlen eines Menschen und dem Sein eines Idols ist sehr dünn, und so zwischen Nationen, Staaten, Klumpen – jeder kann sich selbst zum Götzendiener machen, besonders wenn ihm vor allem kein Joch auferlegt wird, kann er vergessen „Mensch“ mit Begrenzungen zu sein.
Für Raschi ist klar, dass ein korrigierendes Joch allein den Menschen davon abhält, sich zu überschätzen. Das entspricht dem Wort des Propheten Jeremia:
Klg. 3,25 Der Ewige ist gütig gegen die, welche auf ihn hoffen, gegen die Seele, die nach ihm sucht.26 Gut ist’s, schweigend zu warten auf die Rettung des Ewigen.27 Es ist gut für einen Mann, das Joch zu tragen in seiner Jugend.28 Er sitze einsam und schweige, wenn Er es ihm auferlegt! 29 Er stecke seinen Mund in den Staub; vielleicht ist noch Hoffnung vorhanden.30 Schlägt ihn jemand, so biete er ihm die Wange dar und lasse sich mit Schmach sättigen! 31 Denn der Herr wird nicht auf ewig verstoßen;32 sondern wenn er betrübt hat, so erbarmt er sich auch nach der Fülle seiner Gnade;33 denn nicht aus Lust plagt und betrübt Er die Menschenkinder.
Ein Joch, das Gott auferlegt, ist eine „Rückrufaktion“ zu IHM, wie ich es oben schon erwähnte.
Gott sehnt sich danach, uns vom bedrückenden Joch zu befreien. Jedoch gibt es da wiederum den Punkt der Eigenverantwortung. Oder wie es im Vater-unser heißt: „Vergib uns nachdem wir vergeben haben“. Darum mahnt der Prophet Jesaja:
Jes 58:6 Ist nicht das ein Fasten, wie ich es liebe: dass du ungerechte Fesseln öffnest, die Stricke des Joches lösest? dass du Misshandelte ledig lässest und jedes Joch zerbrichst? … 9 Wenn du dann rufst, so wird der Herr antworten; wenn du schreist, so wird er sprechen: Siehe, hier bin ich! Wenn du das Joch entfernst aus deiner Mitte, nicht mehr mit Fingern zeigst und aufhörst, ruchlos zu reden, …
Jesus verspricht ein leichtes Joch
Wer Jesus folgt, findet Ruhe für seine Seele. Wie kann das gehen? Ist damit ein leichtes Leben gemeint?
Jesus ist fest eingebunden in die Nähe zum Vater und in die enge Beziehung zu Gottes Wort. Jesus ruft nicht auf zu etwas Neuem, sondern zur Umkehr zum Bewährten und Bekannten. Die Frage ist: Wollen wir oder wollen wir nicht? Zurück zur lebendigen Quelle oder im alten Fahrwasser der menschlichen Überheblichkeit?
Jer.6,16 So sprach der Herr: Tretet an die Wege und sehet, forschet nach den Pfaden der Vorzeit, welches der Weg des Heils sei; den geht, so werdet ihr Ruhe finden für eure Seele. Sie aber sprachen: Wir wollen ihn nicht gehen!
Gott wartete und wartet immer, Seinen Kindern Gutes zu tun, ihre verfahrenen Situationen zu wenden, aus ihrem Chaos Leben und Segen zu erschaffen, sodass sie wieder gesunden und erholsamen Schlaf finden.
Jer.31,23 So spricht der Herr der Heerscharen, der Gott Israels: Noch wird es dazu kommen, dass man im Lande Juda und in seinen Städten, wenn ich ihr Geschick wende, dieses Wort spricht: Der Herr segne dich, du Flur der Gerechtigkeit, du heiliger Berg, 24 und die Bewohner Judas zu Stadt und Land insgesamt, die Ackerbauer und die mit der Herde ziehen. 25 Denn ich tränke die ermattete Seele, jede schmachtende Seele sättige ich. –
26 Darüber erwachte ich und sah auf, und mein Schlaf war mir süß gewesen.
Besonders in der talmudischen Tradition, die Jesus prägte, gilt die Tora als das Joch Gottes. Ein Joch spannt in der Landwirtschaft zwei Tiere zusammen, sodass sie gemeinsam ihrem Herrn dienen und die Last gleichmäßig auf ihre Schultern verteilt wird. Darum müssen immer Tiere von einer Art in ein Joch gespannt werden. Eins darf nicht größer sein als das andere, beide sollten einen ähnlichen Körperbau aufweisen, damit nicht eins dem anderen unterliegt.
So ist die Tora ein Joch für den Menschen, der mit Gott leben will. Dieses Joch dokumentiert klar und verständlich den Willen Gottes auf Erden und verbindet den Menschen so mit Gott. Wir können mit Glaubensgeschwistern im Joch gehen und uns so im Glauben voranbringen, weil wir gemeinsam in der Tora lernen und leben. Gemeinsam geht es im Leben besser durch Höhen und Tiefen, denn das Leben wird auch in der Beziehung zu Gott durch Probleme führen. David freute sich am Joch der Tora, denn so nur entsteht die Verbindung zu Gott. Nur so erfahren wir unser Wachstum in Krisen. Das erfuhr David mehr als einmal. Sein großes Loblied auf die Tora (NICHT Gesetz!) und Gottes Gebote ist Psalm 119.
Der Tora zu folgen, ist ein Vorrecht, keine Last. Tora heißt Weisung und hilft, mit den berühmten Leitplanken die richtige Wegweisung zu bekommen. Das erleichtert das Leben, denn die Tora stärkt unseren Glauben, unser Festsein in Gott.
Jesus selbst liebte die Tora und maß ihr Ewigkeitscharakter zu.
Matth.5,17 MEINET nicht, dass ich gekommen sei, die Tora oder die Propheten aufzulösen. Ich bin nicht gekommen, aufzulösen, sondern zu erheben. 18 Denn wahrlich, ich sage euch: Bis der Himmel und die Erde vergehen, wird nicht ein einziges Jota oder Strichlein von der Tora vergehen, bis alles geschehen ist. 19 Wer nun eins dieser kleinsten Gebote auflöst und die Menschen so lehrt, wird der Kleinste heißen im Reich der Himmel. Wer sie aber tut und lehrt, der wird groß heißen im Reich der Himmel.
Was Jesus überwiegend ablehnte, war die Verschärfung von Geboten in einigen pharisäischen Schulen. Diesem Weg der Beschwernis schloss er sich nicht an, denn er wusste um das so leicht zu erreichende Vaterherz Gottes. Dazu brauchte es keine besonderen Erweiterungen durch schwerere Gebote. Was die Tora sagt, reicht aus. Die Erklärungen dürfen sich an der Liebe zum Vater orientieren, nicht an einer skurrilen Angst vor einem strafenden Gott.
Was die Tora in der Mischnazeit, also zur Zeit Jesu bedeutete, möchte ich im letzten Kapitel darlegen durch entsprechende Zitate aus den „Sprüchen der Väter“, die ein Bestandteil der Mischna sind.
„Sprüche der Väter“ zur Tora
4. Kapitel
6 Rabbi Jose sagte: Wer die Tora ehrt, dem erweisen auch die Mitmenschen Ehre.
Wer die Tora geringschätzt, den schätzen auch die Menschen gering.
6. Kapitel
1 Rabbi Meir sagte: Wer sich mit der Tora um seinetwillen beschäftigt, der erlangt vieles und nicht nur dies, sondern er ist auch der ganzen Welt wert. Er heißt Freund und Geliebter. Er liebt Gott und die Menschen.
Er erfreut Gott und die Menschen. Dies kleidet ihn in Demut und Furcht und macht ihn fähig, gerecht, fromm, gerade und aufrichtig zu sein, und entfernt ihn von der Sünde und führt ihn zur Tugend.
Und man erhält von ihm Rat, Hilfe, Einsicht und Kraft.
Es heißt ja (Spr 8, 14): „Mir eignet Rat und Hilfe, Einsicht und Stärke.“
Es verleiht ihm auch königliche Würde und Herrschaft, Ergründung des Rechts und Enthüllung der Geheimnisse des Gesetzes. Er wird dadurch zu einem nie versiegenden Quell und einem immer stärker fließenden Strom; er ist bescheiden, geduldig und verzeiht Beleidigungen. Es macht ihn größer und erhabener als alle Geschöpfe.
2 „Die Tafeln [Anm: vom Sinai] sind ein Werk Gottes, und die Schrift ist Gottesschrift, auf die Tafeln eingegraben.“ Lies aber nicht Charut (eingegraben), sondern Cherut (Freiheit), denn du findest keinen Freien außer dem, der sich mit dem Studium der Tora beschäftigt. Und jeder, der sich mit dem Studium der Tora beschäftig, siehe, der erhebt sich immer höher, denn es wird gesagt: „Und vom Geschenk und vom Gotteserbe zu den Höhen.“ (Num.21,19)
[Beide Wörter zeigen ohne Punktierung keinen Unterschied: חֵרוּת]
3 … Ehre kommt aber bloß von der Tora; es heißt ja (Spr 3, 35; 28, 10): „Ehre erben die Weisen,
und die Frommen erben Gutes.“ Gutes aber kommt bloß von der Tora; es heißt ja (Spr 4, 2): „Ich gab euch eine gute Lehre: verlasset meine Tora nicht!“
4 … Leb kümmerlich! Aber beschäftige dich mit der Tora! Tust du so, dann „Heil sei dir! Und wohl dir“ (Ps 128, 2). Heil dir in dieser Welt, und wohl dir in der künftigen Welt.
b) Streb nicht für dich nach Ruhm! Laß dich nicht nach Ehre gelüsten! Tu mehr, als du gelernt hast! Begehr nicht nach Speise der Könige! Deine Speise ist jener vorzuziehen und dein Diadem dem ihrigen. Zuverlässig ist der Meister deines Werkes; er bezahlt dir den Lohn deiner Arbeit.
7 Groß ist die Tora. Sie gibt seinem Befolger Leben in dieser und der künftigen Welt.
Es heißt ja (Spr 4, 22): „Sie ist Leben für die, die sie finden, und bringt ihrem ganzen Leibe Heilung.“
Ferner heißt es (Spr 3, 8): „Heilung ist für deinen Leib und für deine Glieder Erquickung.“
Ferner heißt es (Spr 3, 18): „Sie ist ein Lebensbaum für alle, die sie ergreifen, und selig sind, die sie erfassen.“ … Ferner (Spr 3, 16): „Langes Leben ist in ihrer Rechten und in ihrer Linken Reichtum und Ehre.“
Endlich (Spr 3, 2): „Viele Lebenstage und Jahre fügt sie dir hinzu.“
9 Rabbi Jose, Kismas Sohn, sagte: Ich machte einst eine Reise; da begegnete mir ein Mann, der mich grüßte. Als ich den Gruß erwiderte, fragte er mich: „Rabbi, woher bist du?“
Ich sagte: „Aus einer großen Stadt mit Weisen und Schriftgelehrten.“
Da sprach er zu mir: „Rabbi! Wärest du gewillt, bei uns zu weilen? Ich gäbe dir tausendmal tausend Denare, Gold, Edelsteine und Perlen.“
Ich sprach zu ihm: „Mein Sohn! Gäbst du mir auch eine ganze Welt voll Silber, Gold, Edelsteine und Perlen, so will ich doch nur an der Stätte der Tora wohnen. Denn wenn der Mensch stirbt, dann begleiten ihn weder Silber, noch Gold, noch Edelsteine, noch Perlen, sondern nur die Tora und die guten Werke.“
Es heißt ja (Spr 6, 22): „Wenn du gehst, so begleitet sie dich; wenn du liegst, bewacht sie dich;
wenn du erwachst, spricht sie mit dir.“
Das will sagen: Wenn du gehst, so begleitet sie dich in diese Welt; wenn du liegst, bewacht sie dich im Grab; wenn du erwachst, spricht sie mit dir in der künftigen Welt.
So heißt’s im Buch der Psalmen (119, 72) Davids, des Königs von Israel: „Besser ist mir deines Bruders Lehre als Tausende von Gold und Silber.“
Es heißt auch:„ Mein ist das Silber und das Gold; ein Spruch des Herrn der Heerscharen.“
[1] Halacha bezeichnet das jüdische Gesetz, das durch die Mehrheitsentscheidung der Rabbiner entstand und aus dem Talmud extrahiert wurde. Wörtlich bedeutet Halacha „ das zu Gehende“, denn die jüdische Religion versteht sich als eine Religion, die sich „auf dem Weg“ befindet, auf dem Weg mit Gott durch dieses Leben hin zu IHM.