Grab von Rachel, unserer Mutter

Schabbat 19. Kislew 5781, 5. Dezember 2020

Der Kampf am Jabbok

Jaakob sendet Boten aus, da eine Begegnung mit seinem Bruder Esau ansteht. Vor dieser Begegnung fürchtet er sich, denn er hat noch die Morddrohungen im Ohr. Ob sich der Bruder in den 20 Jahren beruhigt hat? Seine Angst wird nicht geringer, als ihm seine Boten berichten, Esau käme ihm mit 400 Mann entgegen. Interessant ist, dass im Hebräischen das Wort für Boten dasselbe ist wie für Engel, nämlich mal’achim מַּלְאָכִים. Die Boten haben die Funktion von Engeln, denn sie übermitteln Botschaften und Warnungen. Mit dem Wissen der Engel  kann Jaakob sich an Gott wende.
Gen. 32,10 Dann sprach Jaakob: Gott meines Vaters Abraham, Gott meines Vaters Jizchak, DU, der zu mir sprach: Kehre zu deinem Land, zu deiner Verwandtschaft, ich will dir Güte erweisen! 11 Zu klein bin ich all den Hulden und all der Treue die du an deinem Knechte tatest, mit meinem Stab ja überschritt ich diesen Jordan, und jetzt bin ich zu zwei Lagern geworden! 12 O rette mich doch aus der Hand meines Bruders, aus Essaws Hand! Denn ich bin in Furcht vor ihm, daß er kommt und mich schlägt, Mutter über Kindern. 13 Du selbst aber hast gesprochen: Güte will ich dir, Güte erweisen, will deinen Samen machen wie Sand des Meers, der vor Menge nicht gezählt werden kann.
Diesen Gott, den er anspricht, kennt Jaakob gut. ER hat Seine Verheißungen an den Vorvätern erfüllt, und Jaakob ist IHM bereits zweimal begegnet. Nun nennt er IHN zweimal Gott, Gott Abrahams und Gott Jizchaks. Auch in unseren jüdischen Gebeten sprechen wir zu dem Gott Abrahams, zu dem Gott Jizchaks und zu dem Gott Jaakobs. Ist das nicht eine unnötige Wiederholung des Wortes „Gott“, besonders in der wortkargen Bibelsprache? Nein, denn dadurch wird deutlich, dass Gott sich jedem Menschen anders offenbart, ihn anders begleitet, eben genau so, wie es jeder einzelne braucht. Das galt auch für die Patriarchen.
Jaakob hält seinem Gott jedes Wort vor, das ER ihm verheißen hat. Trotz allem fürchtet er sich, was er ebenso deutlich aussprechen darf. Jaakob braucht einen „Befreiungsschlag“, um aus dieser Angst herauszukommen.
In seiner Angst um die Frauen und Kinder denkt er strategisch. Zuerst nimmt er von seinen Herden und lässt davon Geschenke für Esau zusammenstellen.
Gen. 32,15 zweihundert Ziegen und zwanzig Böcke, zweihundert Mutterschafe und zwanzig Widder, 16 dreißig säugende Kamele samt ihren Jungen, vierzig Färsen und zehn Farren, zwanzig Graustuten samt zehn Fohlen,
200 und 20 zeigt an, in welcher Zerrissenheit Jaakob steckt. Mit der Stückzahl 30 deutet er die Hoffnung auf Veränderung an, auf Transformation. 40 Jungkühe deuten auf die weltumspannende Bedeutung dieser Begegnung hin. 10 Stiere und 10 Eselsfohlen sind Zeichen der Hoffnung auf das Eingreifen Gottes und ein Beleg für sein Vertrauen in den EINEN Gott. Die 20 Graustuten zeigen wieder seine Zerrissenheit bzw. die Zerrissenheit der beiden Brüder. Jaakob will seinen Bruder gnädig stimmen, aber er ist sich nicht sicher, in welche Richtung es mit ihm gehen wird. Das verraten uns die vielen Zahlen.
Doch der Auftrag, den er seinen Knechten gibt, ist wiederum ein Beleg dafür, dass Jaakob noch nicht gelernt hat, seine Zunge im Zaum zu halten. Er macht sich klein vor seinem Bruder! Wenn er sich vor Gott klein macht und IHN groß, dann ist das Demut und Dankbarkeit. Wenn er sich vor seinem Bruder klein macht, ist das falsche Unterwürfigkeit. Hier gibt er drei Knechten, nicht Boten, den Auftrag, sich selbst als Knecht zu bezeichnen und Esau als Herrn. Aber er darf nur Knecht Gottes sein, sonst verknechten wir uns an Götzen.
Jetzt bringt Jaakob in seiner Angst Frauen und Kinder auf die andere Seite des Jabbok. Das hebräische Wort dafür ist ma’awar מַעֲבַר, woraus sich das Wort „Hebräer“ ableitet. Jakob nimmt mit diesem Übergang seiner Familie vorweg, dass für ihn ein großer Übergang ansteht, nämlich seine Selbsttranszendierung.
Noch steckt er tief in Angst, in Furcht, ihm war bang. Dreimal wird die Angst betont, dreimal auch die Nacht. In der Tiefe der Nacht steht er allein, getrennt von seiner Familie, als seine Angst Gestalt annimmt.
Gen. 32,25 Jaakob blieb allein zurück. - Ein Mann rang mit ihm, bis das Morgengrauen aufzog.
Jaakob kämpft um sein Leben! Er will sich nicht unterkriegen lassen, seine Angst besiegen und bestehen.
Gen. 32,26 Als er sah, daß er ihn nicht übermochte, rührte er an seine Hüftpfanne, und Jaakobs Hüftpfanne verrenkte sich, wie er mit ihm rang. 27 Dann sprach er: Entlasse mich, denn das Morgengrauen ist aufgezogen. Er aber sprach: Ich entlasse dich nicht, du habest mich denn gesegnet.
Jaakob siegt. Der Mann bestätigt es ihm. Als Zeichen des Kampfes verletzt er Jaakobs Hüfte, was sein Gehen beeinträchtigen wird. Jaakob erkennt, dass sein Gegner kein gewöhnlicher Gegner war, weshalb er einen Segen erbittet, bevor der Mann im Morgengrauen verschwindet.
Warum fragt der Mann Jaakob nach seinem Namen? Weiß er ihn nicht? Um zu  verstehen, welchen Segen er bekommt, muss Jaakob noch einmal seinen Namen aussprechen und bekennen: „Ich bin ein Fersenhalter, ich stehe hintenan und zögere, meinem Auftrag nachzukommen.“ Daraus macht der Mann den Namen Jissrael. Gen. 32,29 Da sprach er: Nicht Jaakob werde fürder dein Name gesprochen, sondern Jissrael, Fechter Gottes, denn du fichtst mit Gottheit und mit Menschheit und übermagst.
„Du hast das Zeug, selbst gegen Gott zu kämpfen! Solltest du da nicht auch gegen deinen Bruder antreten können?“
Gott hatte schon oft für Jaakob gekämpft und ihm SEINE Treue gezeigt. Jetzt kämpft Jaakob nicht nur mit Gott, auch für Gott.
Gen. 32,31 Jaakob rief den Namen des Ortes: Pniel, Gottesantlitz, denn: Ich habe Gott gesehn, Antlitz zu Antlitz, und meine Seele ist errettet. 32 Die Sonne strahlte ihm auf, als er an Pniel vorüber war, er aber hinkte an seiner Hüfte. -
Den Namen des Mannes hat Jaakob nicht erfahren, aber er ist sich sicher, dass er den Ewigen von Angesicht zu Angesicht gesehen hat. Und er hat es überlebt! Der Kampf hat sich gelohnt; er hat sich auch in seinem Inneren abgespielt. Was zählt es, dass er hinkt? Die Sonne strahlt und er ist erneuert. Er kann seinem Bruder im Licht des neuen Tages entgegengehen.
Der Vers, dass die Juden die Spannader über der Hüfte nicht essen, ist noch heute Bestandteil der Koscher-Vorschriften.

Begegnung mit Esau

Nun sieht Jaakob es selbst: Esau kommt im mit 400 Mann entgegen. Er ist bedeutend geworden. Der Segen des Vaters hat sich materialisiert.
Jaakob kommt ihm mit 4 Frauen entgegen: seinen zwei Frauen und ihren Mägden. Beide Zahlen haben die Bedeutung von Materialität und weltumspannender Geltung. Aber nicht immer steht die größere Zahl für die wichtigere Bedeutung. 400 bei Esau zeigt eher seine Materialität an, seinen Wert, den er aufs Äußere legt, während die 4 Frauen Jaakobs zum Aufbau des jüdischen Volkes beitragen und so weltumspannende Bedeutung erlangen.
Trotz der Erfahrung am Jabbok ist diese Begegnung mit Esau sehr ambivalent. Jaakob verneigt sich 7 Mal bis zur Erde vor seinem Bruder Esau. Insgesamt 7 Mal lesen wir in Kapitel 32 + 33, dass Jaakob sich als Esaus Knecht tituliert und ihn als Herrn. In Gen. 33,10 sagt er sogar: Denn ich habe nun doch einmal dein Antlitz angesehn, wie man Gottheitsantlitz ansieht, und du warst mir gnädig,
Ist das nicht übertrieben? In Pniel sah er das Angesicht Gottes. Letztlich ist in jedem menschlichen Antlitz das Antlitz Gottes zu sehen. Aber kann er die Gnade Gottes mit der seines Bruders vergleichen, der wahrscheinlich nur beeindruckt war von Jaakobs Familie und seinen sonstigen Reichtümern?
Raschi schreibt dazu, dass Jaakobs häufige Unterwerfung seinem Volk Israel einbringt, wie oft es von Edom unterdrückt würde. Nach dem Kampf am Jabbok hätte Jaakob lernen können, dass er seinem Bruder als Israel gegenüber trat. Im Laufe seines Lebens wird das immer ein Thema sein, dass er seinem Namen Israel nicht ganz gerecht wird und in ihn hineinwachsen muss. Nur bei ihm finden wir den Wechsel der beiden Namen, was sonst nicht üblich ist, wenn Gott einen neuen Namen gibt.
Sinn all dieser Gaben an seinen Bruder, die er ihm sogar aufzwingt, ist die Wiedergutmachung des erschlichenen Segens. In materieller Form will Jaakob von seinem Segen abgeben.
Ob der Kuss ernst gemeint war und Versöhnung zwischen den Brüdern stattgefunden hat, bleibt dahingestellt. Ein Midrasch sagt, Esau hätte ihm in den Hals beißen wollen. Jaakob findet zumindest eine gute Ausrede, nicht mit Esau gehen zu müssen, da seine jungen Tiere langsam sind. Esau soll vorauseilen. Von Jaakob lesen wir aber nicht, dass er seinem Bruder nachgeht.
Dafür kam er befriedet in die Stadt Sichem, wo er Land erwarb für den Wert von 100 Lämmern. Er vertraut auf Gott, was die Zahl 100 verrät. Dort baut er einen Altar für seinen Gott, den Gott ISRAELS. Erstmals verwendet er seinen neuen Namen.

Dinas Vergewaltigung

Dina war zu einem jungen  Mädchen im heiratsfähigen Alter herangewachsen. Sie geht hinaus, um Mädchen des Landes kennen zu lernen. Warum geht sie allein? Warum muss sie überhaupt nach Freundinnen Ausschau halten unter Heidinnen? Die Mädchen der Heiden waren nicht auf der Straße, aber Schchem, der Sohn des Landesfürsten. Er nahm Dina gegen ihren Willen und vergewaltigte sie.
Ist das Liebe? Ist es nicht viel mehr Egoismus und Selbstliebe? Wie kann er nach einer solchen Tat von Liebe reden?
Gen. 34,3 Seine Seele aber haftete an Dina, Jaakobs Tochter, er hatte das Mädchen lieb, und er redete zum Herzen des Mädchens. 4 Dann sprach Schchem zu Chamor seinem Vater, er sprach: Nimm dieses Kind mir zum Weib!
Schchem spricht von Dina als von einem Kind, was seine Geringschätzung ausdrückt. Er nimmt sie nicht ernst, sieht sie als kleines Lustobjekt, mit dem man verfahren kann wie man will. Jetzt verstehen wir, warum die Frauen immer aus Abrahams Familie kommen sollten. Dort waren Frauen angesehener, wie wir gerade bei Rebekka sahen, deren Willen sogar erfragt wurde. Für Schchem gelten Frauen nichts.
Gen. 34,5 Jaakob hatte gehört, daß man Dina seine Tochter bemakelt hatte, da aber seine Söhne bei seinem Vieh auf dem Feld waren, schwieg Jaakob, bis sie kämen.
Jaakob wartet zu lange, über die Tat an Dina zu reden, denn Schchems Vater ist schon mit dem Auftrag da, um die Hand Dinas anzuhalten.
Jaakob schaut weg. Er spricht nicht mit Dina, tröstet sie nicht. Er zeigt schon hier, dass er sich um seine Familie nicht genug kümmert. Es ist die Schattenseite großer Männer, dass sie nicht in der Lage sind, Frieden in ihrem eigenen Haus zu schaffen, denn dann gäbe es mehr Frieden in der Welt. Auch bei König David sehen wir das später, dass es Mord und Totschlag unter den Söhnen gibt.
Gen. 34,7 Jaakobs Söhne aber kamen vom Feld, als sies hörten. Die Männer vergrämten sich, es entflammte sie sehr, denn eine Schande hatte er Jissrael angetan, Jaakobs Tochter beizuliegen, so darf nicht getan werden.
Die Söhne Jaakobs sind sich der Schande bewusst, die Schchem der Ganzheit Israels angetan hat, aber auch dem Gottesstreiter Israel, der dadurch beleidigt wurde, indem Schchem Jaakobs Tochter beigewohnt hatte. Die beiden Namen tauchen hier zusammen auf, und lassen die Schwäche des Vaters ahnen, der jetzt eben nicht als streitbarer Vater auftritt.  
Jaakob kriegt nicht mit, wie seine Söhne verhandeln. Es geht um nichts Geringeres als den Glauben, denn Chamor, was übrigens „Esel“ heißt sowie „Materialist“, bietet die Durchmischung der beiden Völker an in Bezug auf Ehe und Landnahme.
Jaakob schweigt noch immer. Die Söhne haben die Verhandlung ganz in ihrer Hand. Er greift nicht ein, er greift nicht durch. Immerhin wurde seiner Tochter Leid zugefügt. Also verpacken die Söhne ihre Wut in Hinterlist und verlangen von den Hewitern:
Gen. 34,15 Jedoch um dieses willfahren wir euch: wenn ihr werdet wie wir, daß sich alles Männliche unter euch beschneide.
Die Beschneidung gilt seit Abraham als unumstößliches Bundeszeichen und ist bei jedem Übertritt zum Judentum nötig. Sie verlangen also, dass die Hewiter konvertieren, weil sonst eine Durchmischung der Völker nicht möglich ist. Ein Vorschlag, auf den der liebesblinde Schchem eingeht. Jaakob versteht allerdings nichts! Er hätte den Täter zur Verantwortung ziehen müssen, noch bevor die Söhne vom Feld kamen, und seine Autorität als Vater und Stammvater ausüben müssen. So bleibt alle Entscheidung in der Hand der blindwütigen Brüder.
Gen. 34,17 Wollt ihr aber auf uns nicht hören, euch zu beschneiden, nehmen wir unsre Tochter und gehn. 18 Ihre Rede war gut in den Augen Chamors und in den Augen Schchems, Chamors Sohns, 19 und der Jüngling zauderte nicht, die Sache zu tun, denn er hatte Gefallen an der Tochter Jaakobs. Er war aber gewichtig vor allem Haus seines Vaters.
Es ist abgemacht, dass Chamor und sein Sohn die Männer ihres Volkes überzeugen wollen, immerhin klang der Vorschlag vernünftig.  Keiner durchschaut, dass so ein Vorschlag gar nicht vernünftig ist, denn durch die Beschneidung allein haben die Hewiter doch nicht die Werte des jüdischen Stammes angenommen.
Gen. 34,21 Friedgesinnt uns sind diese Männer, sie mögen im Lande siedeln und es bereisen, nach beiden Seiten breitet ja das Land sich vor ihnen; ihre Töchter wollen wir uns zu Weibern nehmen und unsre Töchter ihnen geben. 22 Jedoch um dieses willfahren uns die Männer, mit uns zu siedeln, zu einem einzigen Volke zu werden: wenn sich alles Männliche unter uns beschneidet, wie sie beschnitten sind. 23 Ihr Herdenerwerb, ihr Erworbnes und all ihr Lastvieh, sind sie dann nicht unser? Wir wollen ihnen doch willfahren, daß sie mit uns siedeln.
Es sieht alles nach Frieden aus, aber die Hewiter haben rein materielle Interessen. Der Reichtum der Hebräer lässt sie aufhorchen. Das ist überzeugend genug für diese Unannehmlichkeit.
Gen. 34,25 Aber am dritten Tag, während sie in Schmerzen waren, nahmen zwei Söhne Jaakobs, Schimon und Lewi, Vollbrüder Dinas, jeder sein Schwert, sie kamen über die sorglose Stadt und brachten alles Männliche um, 26  auch Chamor und Schchem seinen Sohn brachten sie um, mit dem Biß des Schwerts. Dann nahmen sie Dina aus Schchems Haus und zogen davon.
Mordend und raubend fallen Schimon und Levi über die Geschwächten her und rächen ihre Schwester Dina. Sie erbeuten allen Reichtum der Stadt, alles Vieh und allen Ertrag des Feldes, selbst die Frauen nahmen sie. Und jetzt wird Jaakob wach:
Gen. 34,30 Aber Jaakob sprach zu Schimon und zu Lewi: Ihr zerrüttet mich, da ihr mich stinkend gemacht habt beim Insassen des Landes, bei dem Kanaaniter und bei dem Prisiter! Ich bin nur zählige Leute, rotten die sich zusammen wider mich, werden sie mich schlagen, und ich werde vertilgt, ich und mein Haus.
Jaakob hat Sorge um seinen Ruf, um das Leben seiner Familie; Schimon und Levi hatten Sorge um ihre Schwester. Das Vorgehen Schimons und Levis war insofern richtig, dass sie die Einzigkeit des jüdischen Volkes erkannten und sie nicht reduzierten auf eine schelle Heirat mit ihrer Schwester. Zum andern durchschauten sie das materialistische Denken Chamors und seine Gier. Die Angst Jaakobs erfüllt sich nicht. Auch wenn er den Söhnen am Ende seines Lebens den Segen verweigert, Gott hat das Handeln der Brüder Dinas zumindest nicht verurteilt, wie er auch die Tötung der Baalspriester nicht verurteilte, obwohl er sie dem Elija nicht geboten hatte.
Das Kapitel endet mit einer unbeantworteten Frage:
Gen. 34,31 Sie aber sprachen: Soll man denn an unsrer Schwester wie an einer Hure tun dürfen?!
Dadurch, dass Jaakob die Antwort schuldig bleibt, signalisiert er letztlich Zustimmung. Nicht einverstanden ist er mit ihren Plünderungen, die sie in Verruf bringen können.

Jaakow zum zweiten Mal in Bet-El

Jaakow wird von Gott nach Bet-El gerufen, den Ort seiner ersten großen Erfahrung mit Gott. Er soll diese Erfahrung fortsetzen und vollenden. Darum sorgt er erst einmal für Ordnung. Er will, dass die Seinen sich reinigen und alle fremden Götter wegräumen. Wie viel mag da noch gewesen sein nach der Plünderung in Sichem, aber auch so etwas wie der Hausgötze Labans. Jaakob nimmt seine Rolle als Stammvater hier sehr ernst und greift durch. Es braucht die Reinigung, denn Jaakob ist sich bewusst, welchen Ort er aufsuchen wird. Darum vergräbt er alles unter einer Eiche in Sichem, einem Ort, der für Götzendienst bekannt ist. Als sie dann weiterziehen, … „[lag] eine Gottesscheu auf den Städten, die rings um sie waren, daß sie nicht nachsetzten Jaakobs Söhnen. Gen. 35,5“. Gott hat diese Scheu bewirkt, weil Jaakob mit den Götzen radikal Schluss gemacht hat. Da können die umliegenden Städte nur noch schweigen und voll Ehrfurcht erstarren.
Jaakob kam mit seinem ganzen Volk nach Bet-El und baute Gott einen Altar. Dort stirbt Rebekkas Amme. Mit einem Satz wird das Ereignis genannt, dagegen hören wir nichts mehr von Rebekka, außer in Gen. 49,31, dass sie dort begraben liegt wo auch Abraham und Sara beigesetzt wurden, sowie Jizchak und Lea. Rebekkas Amme lernen wir bei ihrem Aufbruch mit Elieser kennen. In Gen. 24,49 wurde sie als Begleitung für Rebekka bestimmt. Sie war ihre Vertraute und wurde ihr gewiss zur Hilfe in der Fremde.
Gen. 35,8 Debora, die Amme Ribkas, starb, sie wurde begraben unterhalb von Bet-El, unter der Steineiche, und die nannte man Steineiche des Weinens.
Eine Ära geht für Jaakob zu Ende, als er die Amme seiner Mutter beerdigen muss. Sie war sicher auch für Esau und Jaakob eine vertraute, fürsorgende Mutterfigur.
Dafür steht für Jaakob etwas Neues an, denn Gott begegnet ihm nochmals. Nun segnet ihn der Ewige selbst mit dem neuen Namen. Gab ihm vorher ein namenloser Mann diesen Namen, der in der jüdischen Tradition der Schutzengel Esaus war, nennt nun Gott ihn mit Namen Israel.
Gen. 35,10 Gott sprach zu ihm: Jaakob ist dein Name, Jaakob werde nicht fürder dein Name gerufen, sondern Jissrael soll dein Name sein. Und er rief seinen Namen: Jissrael! 11 Gott sprach zu ihm: Ich bin der Gewaltige Gott. Fruchte und mehre dich! Stamm, Versammlung von Stämmen soll aus dir werden, Könige fahren von deinen Lenden aus. 12 Das Land, das ich Abraham und Jizchak gab, dir gebe ich es, deinem Samen nach dir gebe ich das Land.
Immer geht es um den Segen, den Abraham erhielt. Es geht um den EINEN Gott, um die Vermehrung zu Stämmen, aus denen Könige hervorkommen werden, und um das Land. Diese Neubenennung und diesen Segen hat Jaakob nun öffentlich bekommen, vor seinem Volk. Hier baut er auch öffentlich einen Altar. Vielleicht erzählt er von seiner ersten Begegnung mit Gott! Er benennt den Ort noch einmal Bet- El, Haus Gottes.

Rachels und Jizchaks Tod

Auf dem Weg bei Efrat (Fruchtbarkeit) bringt Rachel ihr zweites Kind zur Welt. Die Hebammen wollten ihr Mut machen und sagten ihr, dass sie wieder einen Sohn gebären würde. Aber sie spürt, dass sie durch dieses Kind sterben wird und nennt ihn „Sohn meines Leids, meines Unheils“, Benoni. Jaakob aber nennt ihn „Sohn meiner Rechten, meiner Kraft“, Benjamin. Rachel wurde bei Efrat begraben. Ihr Grab ist bis heute unweit von Bethlehem zu finden. Sie ist die einzige der Stammeltern, die nicht in der Höhle Machpela liegt. Ihre Schwester Lea fand dort neben Jaakob ihre letzte Ruhe.
Als Jaakob stellt er ein Standmal auf ihr Grab, und als Jissrael zog er weiter und spannte seine Zelte weit aus. Er wächst also auch und gerade mit den schmerzhaften Erfahrungen in seine Rolle als Stammvater hinein.
Ein weiterer peinlicher Moment in der Familie ist, dass Ruben, Leas Erstgeborener, zu Bilha geht, der Nebenfrau seines Vaters. Der hört davon, von seiner Reaktion erfahren wir nichts. Er hört davon wieder als Stammvater Jissrael, auch wenn die Nachkommen Jaakobs aufgezählt werden. Wir sehen den Wechsel beider Namen, obwohl Gott gesagt hatte: „Die Name werde nicht mehr Jaakob genannt!“
Es ist wieder Jaakob, der seinen Vater noch einmal sehen kann, als der Sohn, den Jizchak zu Rebekkas Familie geschickt hatte. Dann stirbt auch er im Alter von 180 Jahren alt und lebenssatt. 18 bedeutetחי Chai, Leben! Ein erfülltes Leben, ein Leben mit Gotteserfahrung, ein Leben mit seiner Frau, die ihn über den Tod der Mutter tröstete und ein Leben in der Nachfolge seines Vaters Abraham, dessen Andenken er durch die Brunnen ehrte, die er wieder aufgrub. Ein Leben als Vater von Kindern, obwohl seine Frau viele Jahre unfruchtbar war. Dieses Leben findet nun seine Erfüllung bei den Vorangegangenen, den Stammesgenossen. Esau und Jaakob stehen gemeinsam an seinem Grab, wie einst Jizchak und Jischmael am Grab Abrahams standen.
Esau, dessen Nachkommen und Fürsten im nächsten Kapitel aufgezählt werden, existieren heute nicht mehr. Sie gehören zu den untergegangenen Völkern. Als Zeichen der Treue Gottes gibt es nur noch das jüdische Volk.

Unterstützen Sie gerne Chabad in Karlsruhe. Auf der Seite finden Sie interessante Geschichten zur heutigen Schabbat-Lesung: https://www.synagoge-karlsruhe.de/parshah/default.htm

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