am Schabbat, d. 9. Tammus 5781, 19. Juni 2021

Chukat haTora

Der Beginn der Parascha ist ein schwieriges Kapitel, da es niemanden gibt, der eine rote Kuh kennt oder weiß, wie sie aussah. Aber der Name unserer Parascha „Chukat“  חֻקַּת הַתּוֹרָה Chukat haTora = das Gebot der Tora ist interessant, da es verschiedene Begriffe für die Gebote Gottes gibt. Die Mizwa מִצְּוָה bedeutet Verbindung (צוה z-w-a = zawa) kommt von צַו Zaw! Gebiete! Die Mizwa ist ein nachvollziehbares und verständliches Gebot, das durch die Erfüllung eine Verbindung zum Höchsten schafft.
חֻקַּה Chuka ist die weibliche Form von Chukim (Sg. Chok חוק) und meint die nicht erklärbaren Gebote. Sie sind nur Gott verständlich. Umso mehr wird erwartet, dass wir sie gerne erfüllen. Warum gibt es nun eine männliche und eine weibliche Form ein und desselben Wortes? In der Tora wird immer wieder durch solche grammatischen Auffälligkeiten deutlich, dass das Männliche und das Weibliche Komplementärfunktion haben. So wie Gott die Welt dual geschaffen hat, so zieht sich diese Dualität bis in die Gesetzgebung hinein. Sie hat ihre Wirkung im Hier und Jetzt und doch auch Auswirkungen im Oben. Sie ist für uns sowohl verständlich als auch verborgen. Die Gebote Gottes fordern unser Vertrauen heraus.

Eine Erklärung sei hier zur roten Kuh eingefügt, die Sie auf der Seite von Chabad Karlsruhe in Gänze nachlesen können:

„Tatsächlich steht das Gebot über die Rote Kuh an der Spitze der Chukim, jener Mitzwot, die über den menschlichen Verstand gehen. Selbst der weise König Salomo, welcher die mystische Tiefe aller Gebote erforschte, konnte das Geheimnis der Roten Kuh nicht enthüllen. „Alle Gebote konnte ich begreifen, aber die Mitzwa der Roten Kuh erforschte, suchte und „durchstöberte“ ich und kam zum Entschluss, dass ihr Geheimnis mir weit entfernt liegt“, sprach er.[1] Denn das Gebot über die Rote Kuh geht in seinem eigentlichen Wesen weit über das menschliche Verständnis hinaus.
Die Rote Kuh reinigt von der Unreinheit des Toten. Tod symbolisiert die „andere Seite“ (ein Ausdruck für das Böse), und deshalb gilt die Unreinheit, welche der Tod mit sich bringt, als „Urvater aller Unreinheiten“. Heiligkeit bedeutet aber Leben – ihr aber, die an G-tt hängt, seid am Leben.[2] … So grob ist die Unreinheit des Todes, dass selbst der große Prophet Mosche sich nicht vorstellen konnte, dass es für sie irgendein Heilmittel gäbe. G-tt offenbarte ihm die Kraft der Roten Kuh, mit deren Asche selbst diese Unreinheit vertrieben werden konnte.“[3]

https://www.synagoge-karlsruhe.de/parshah/article_cdo/aid/3372271/jewish/Mystisches-Rind.htm

Mirjams Brunnen

Num. 20,1 Die Söhne Jissraels, alle Gemeinschaft, kamen nach der Wüste Zin in der ersten Mondneuung, und das Volk blieb in Kadesch. Dort starb Mirjam und wurde dort begraben.
Die ganze Gemeinschaft Israels ist nun die Generation derer, die zum Leben im verheißenen Land bestimmt war. Hier bekommen wir den Eindruck von Einheit unter den 12 Stämmen. Sie bilden eine Eins wie der Monat von Mirjams Tod. Gott, der Eine, ist bei Seinem Volk. Gerade dann, wenn die Prophetin Israels stirbt.
Mirjam starb im Monat Nissan, der nach biblischer Zählung der 1. Monat und der Monat des Auszugs aus Ägypten ist. Da sofort nach ihrem Tod das Schlagen des Felsens erzählt wird, gilt dieser Felsen als Mirjams Brunnen, der den Kindern Israel 40 Jahre durch die Wüste gefolgt war.

„R. Jose, der Sohn von R. Judah sagt: Drei gute Führer waren auferstanden für Israel, nämlich. Mosches, Aaron und Mirjam, und um ihretwillen wurden [Israel] drei gute Dinge verliehen, nämlich der Brunnen, die Wolkensäule und das Manna; der Brunnen, um Mirjams Verdienst; die Wolkensäule für Aarons Verdienst; das Manna für das Verdienst Mosches. Als Mirjam am Brunnen starb, verschwand er, wie es heißt, und Mirjam starb dort, und sofort folgte [der Vers], und dort war kein Wasser für die Gemeinde; und es kehrte für das Verdienst der [letzten] beiden zurück.“  (Ta’anit 9a)
Raschi sagt in seinem Kommentar: „Auch sie starb durch einen Kuss [aus Gottes Mund statt durch den Todesengel]. Warum heißt es nicht ‚aus Gottes Mund‘ [wie bei Mosches]? Weil es nicht respektvoll ist, auf diese Weise vom Allerhöchsten zu sprechen (Moed Katan 28a).“

Talmud und Raschi

Mirjam wurde am Ort ihres Todes, in Kadesch קָדֵשׁ begraben. Der Name bedeutet „heilig“, denn er kommt von קָדוֹשׁ kadosch = heilig. Zu so einem Ort passt es, dass Mirjam durch einen Kuss Gottes starb und ihr Brunnen versiegte.
Dieser Brunnen Mirjams hat Generationen von Juden inspiriert, sodass aus diesem Midrasch Paulus als Schüler Rabban Gamaliels schöpfte und dem Felsen in der Tradition des jüdischen Midrasch in 1. Korinther 10 eine ganz andere Bedeutung gab.
Doch auch später verlor „Mirjams Brunnen“ nicht an Attraktivität, sodass ein Buch diesen Titel trägt, weil man aus ihm die Weisheit rabbinischer Geschichten lernen kann. (Aus Mirjams Brunnen – Chassidische Erzählungen und Legenden, Salcia Landmann)
Selbst in chassidischen Geschichten taucht dieser Brunnen auf. So wird erzählt, dass vor Jom Kippur ein reicher und frommer Mann, dessen Enkel die Begebenheit erzählte. einen Fluss für das obligatorische Reinigungsbad suchte. Er fuhr mit dem Wagen raus und fand eine geeignete Stelle. Danach geht die Erzählung weiter:
„Mein Großvater kam aus der Verwunderung nicht heraus; denn nie hatte er an jener Stelle Wasser gesehen. Nach Ausgang des Versöhnungstags ging er hin und sah sich um, da war nirgends Wasser zu entdecken. So ging er zum Zaddik und sprach: ›Unser Rabbi, Ihr wißt, daß ich Euch nie nach Euren Angelegenheiten frage, nun aber bitte ich Euch, mir zu erklären, was vorgefallen ist.‹ ›Rabbi Jakob‹, antwortete er, ›kommt einmal Mirjams Brunnen, der Israel in der Wüste begleitete, unversehens hier durch, was steht Ihr da, statt mit mir drin zu tauchen?‹“[4]

Schläge an den Felsen

Die Brüder Mosche und Aaron sind mal wieder mit den altbekannten Sprüchen der Kinder Israel konfrontiert, mit denen sie letztlich gegen Gott selbst murren. Ihr Schrei nach Wasser ist ein Schrei nach Gott!
Ps. 63,2 Gott! mein Gottherr bist du, ich sehne dich herbei. Meine Seele hat nach dir gedürstet, mein Fleisch ist fahl worden nach dir im Heideland, matt, ohne Wasser.
Mosche und Aaron aber müssen sich damit auseinandersetzen und fallen vor Gott nieder.
Gottes Antwort lautet:
Num. 20,8 Nimm den Stecken, versammle die Gemeinschaft, du und Aharon dein Bruder, und redet zum Felsen unter ihren Augen, daß er sein Wasser hergebe: Wasser führst du ihnen aus dem Felsen herauf und letzest die Gemeinschaft und ihr Vieh.
Mosche sollte zum Felsen sprechen! Zuerst tat er alles genauso, wie Gott es geboten hatte. Doch dann sprach er nicht, sondern schlug zu wie beim ersten Mal, jetzt allerdings doppelt. Dieses Doppelte drückt seine Zerrissenheit aus, seine Zweifel. Es zeigt, dass er durch all die 40 Jahre nicht die Reife im Umgang mit dem Volk erlangt hat, die Gott sich gewünscht hätte.

„Wir beginnen damit, G-tt zu dienen, indem wir ‚den Felsen schlagen‘. Es kann sein, dass wir nicht verstehen oder nicht überzeugt sind, aber wir folgen G-ttes Willen, weil wir es tun müssen. Wir überwinden unsere natürlichen spontanen Impulse und Einwände, um die Mizwot zu befolgen.
Aber an einem bestimmten Punkt müssen wir uns spirituell weiterentwickeln. Wir müssen in einem übertragenen Sinne jetzt ‚mit dem Felsen sprechen‘, sehr viel lernen und ein tiefes Verständnis erreichen, um uns selbst zu überzeugen. Um spirituelle Menschen zu werden, müssen wir unsere Emotionen und unseren Geist beeinflussen. Nur dann sind wir bereit, das Gelobte Land zu betreten.“[5]

https://www.synagoge-karlsruhe.de/parshah/article_cdo/aid/1838303/jewish/Warum-schlug-Mosche-den-Felsen.htm

Es ist zu bedenken, dass der Fels ein Synonym für Gott ist.
2.Sam. 23,3  der Gott Jissraels spricht: Mir ist – der Fels Jissraels redet – ein Walter über Menschheit, bewährt, ein Walter in Gottes Furcht,
Jes. 30,29 Werden soll da euch Gesang wie des Nachts, da der Festreihn sich heiligt, und Freude des Herzens wie des, der bei Flötenklang geht, – um zu kommen auf SEINEN Berg, hin zum Felsen Jisraels.
Darum ist Gott so erbost, dass Sein heiliger Name entheiligt wurde, denn ER wollte dem murrenden Volk kundtun, dass ER ein hörender Gott ist. Die Kinder Israel sollten sehen, dass ER ihre Bedürfnisse erhört, wenn sie, statt sich zu beklagen, einfach ihren himmlischen Vater bitten. So, wie ER ihre Not in Ägypten gehört hatte:
Ex. 2,24 Gott aber hörte ihr Gestöhn, Gott aber gedachte seines Bunds mit Abraham, mit Jizchak und mit Jaakob,
וַיִּשְׁמַע wa’jischma = er hörte, so wie Er von uns möchte, dass wir hören im Schma Israel שְׁמַע יִשְׂרָאֵל Höre Jissrael: (Dtn. 6,4)

Trotz des Ungehorsams war Gott Mosche und Aaron gnädig, denn es kam viel Wasser aus dem Felsen. Die Versorgung des Volkes ist Gott wichtiger als der Ungehorsam. Der Schutz des Lebens durch Nahrung hat bei Gott immer Vorrang!

Aarons Tod

Mosche muss erleben, dass die Edomiter, die Nachfahren Esaus, ihn und das Volk nicht durch ihr Land ziehen lassen. Sie wollen mit aller Macht verhindern, dass die Kinder Israel in ihr verheißenes Land kommen. Mosche versucht es mit Angeboten der Bezahlung, mit Versprechungen, den Weg nicht zu verlassen, doch nichts hilft. Sie müssen einen Umweg nehmen.
So kamen sie an den Berg Hor, wo nun auch Aaron starb. Vielleicht hatte Gott darum den Weg durch Edom versperrt?
Num. 20,24 Aharon werde eingeholt zu seinen Volkleuten, denn er soll nicht kommen in das Land, das ich den Söhnen Jissraels gebe, deswegen daß ihr meinem Mund widerstrebtet bei den Wassern von Gezänke.
Vor den Augen aller wird zuvor Aarons Sohn Elasar zu seinem Nachfolger als Hohepriester ernannt, indem er die hohepriesterlichen Kleider seines Vaters anzieht. Dieses wichtige Ereignis muss wieder auf einem Berg = הָר = har stattfinden, da er die Bedeutung von lehorot לְהוֹרוֹת = unterrichten, anweisen und damit der Tora = die Weisung hat. Diese Tora-Anweisungen soll Elasar befolgen, und er lernt sie darum auf dem Berg.
Elasar אֶלְעָזָר bedeutet: Gott hat geholfen.

Num. 20,29 Sie sahen, alle Gemeinschaft, daß Aharon verschieden war, und sie beweinten Aharon dreißig Tage, alles Haus Jissrael.
Aaron starb infolge des Murrens der Kinder Israel, was zu dem Ungehorsam am Wasser von Meriba מְרִיבָה = Streit geführt hatte. Da Mosche und Aaron ein ganzheitliches Team bildeten, wurden sie beide verantwortlich gemacht. Das mag mit eine Ursache sein, warum das Volk Aaron 30 Tage beweinte.
Die Zahl 30 deutet eine Wandlung an. Diese ist nötig, denn im nächsten Kapitel wird das Volk mit dem Kampf der Kanaaniter konfrontiert.
Auf diese Bibelstelle geht der jüdische Trauerbrauch der „Schloschim“ = 30 zurück. Es ist der Monat der Trauer nach dem Tod eines nahen Angehörigen. Nachdem man 7 Tage des Schiwa-Sitzens verbrachte, folgt als zweite Phase die Trauerphase bis zum 30. Tag nach der Beerdigung. Der nahe männliche Hinterbliebene rasiert sich nicht, schneidet sich nicht die Haare und trägt einen Riss in der Kleidung. Erst nach Ablauf der 30 Tage geht er einen neuen Schritt auf das Leben zu. Danach folgt das Trauerjahr.

Die eherne Schlange

Nach der verwandelnden Kraft der 30 Tage ist das Volk in der Lage, Gott ein Versprechen abzugeben und seinerseits für die gefangenen Israeliten zu kämpfen. Doch als das Volk erneut über die Lage in der Wüste murrte, schickte Gott giftige Vipern, durch deren Biss viele Menschen starben.
Num. 21,7 Das Volk kam zu Mosche, sie sprachen: Wir haben gesündigt, daß wir gegen IHN redeten und gegen dich, setze dich bei IHM ein, daß er die Viper von uns wende. Mosche setzte sich ein für das Volk.
Mosche setzte sich unermüdlich für das Volk ein. Durch die feurige Schlange, welche Gott zu bauen gebot,  sollten die Kinder Israel über ihr Vergehen gegenüber Mosche nachdenken, denn sie hatten ihn beschuldigt, sie aus Ägypten geführt zu haben.
Raschi schreibt dazu: „Lasset die Schlange kommen, die bestraft wurde, weil sie G–tt bei Chawa verleumdet hatte, damit sie die undankbaren Verleumder strafe.”
Mosche baute jedoch keine feurige Schlange, weil es ihm wichtiger war, dass das Volk über seine Sünde gegenüber Gott nachdachte, denn sie hatten sich über Sein Manna beklagt. Darüber sollten sie nachdenken und Buße tun, sodass Mosche eine Schlange aus Kupfer baute und an den Stab heftete.
Die Gemara sagt dazu: „Als das Volk nach oben schaute, also zum Vater im Himmel, wurde es geheilt und erlangte Vergebung.”

Sieg über die Amoriter

Num. 21,22 Laß mich dein Land durchschreiten, wir wollen in Feld und in Weinberg nicht abbiegen, wir wollen Wasser aus Brunnen nicht trinken, auf dem Königsweg wollen wir gehn, bis wir deine Gemarkung durchschritten haben.
Mit den Amoritern haben die Kinder Israel dieselben Probleme wie zuvor mit den Kanaanitern. Die Amoriter rüsten zum Kampf und bewirken dadurch genau das, was sie mit aller Kraft verhindern wollten:
Num. 21,24 Jissrael schlug ihn mit der Schneide des Schwerts, es ererbte sein Land vom Arnon bis zum Jabbok, bis zu den Ammonssöhnen, denn trotzig war die Mark der Ammonssöhne; 25 Jissrael nahm all diese Städte ein, Jissrael besetzte alle Städte des Amoriters, Cheschbon und all ihre Töchter (= Nebenorte).
Es wird deutlich, dass Gott Seinen Plan für Sein Volk nicht aufgibt, schon gar nicht im gegen Kampf gegen die Feinde Israels. Wie hier in der Geschichte so sorgte ER auch 1948 dafür, dass die geschundenen Juden zurückkamen in ihr für alle Zeiten verheißene Land. Israel wurde von arabischen Völkern angegriffen wie damals von den Amoritern, doch Gott gab ihnen den Sieg über die kämpfenden Nationen, sodass sie am Ende über ein größeres Land verfügten als ohne Kampf.
Wer sich mit Israel anlegt, kriegt es am Ende mit Gott zu tun.

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[1] Bamidbar Raba, Abschnitt 19,3
[2] Deuternomium 4,4
[3] https://www.synagoge-karlsruhe.de/parshah/article_cdo/aid/3372271/jewish/Mystisches-Rind.htm
[4] https://www.martin-buber.com/zitate/miriams-brunnen/
[5] https://www.synagoge-karlsruhe.de/parshah/article_cdo/aid/1838303/jewish/Warum-schlug-Mosche-den-Felsen.htm

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