Predigt vorgeschlagen fur Sonntag, d. 18. Juni 2023
Lk. 14,15 Als nun einer, der mit ihm zu Tisch saß, dies hörte, sprach er zu ihm: Glückselig ist, wer das Brot isst im Reich Gottes! 16 Er aber sprach zu ihm: Ein Mensch machte ein großes Mahl und lud viele dazu ein. 17 Und er sandte seinen Knecht zur Stunde des Mahles, um den Geladenen zu sagen: Kommt, denn es ist schon alles bereit! 18 Und sie fingen alle einstimmig an, sich zu entschuldigen. Der erste sprach zu ihm: Ich habe einen Acker gekauft und muss unbedingt hinausgehen und ihn ansehen; ich bitte dich, entschuldige mich! 19 Und ein anderer sprach: Ich habe fünf Joch Ochsen gekauft und gehe hin, um sie zu erproben; ich bitte dich, entschuldige mich! 20 Wieder ein anderer sprach: Ich habe eine Frau geheiratet, darum kann ich nicht kommen! 21 Und jener Knecht kam wieder und berichtete das seinem Herrn. Da wurde der Hausherr zornig und sprach zu seinem Knecht: Geh schnell hinaus auf die Gassen und Plätze der Stadt und führe die Armen und Krüppel und Lahmen und Blinden herein! 22 Und der Knecht sprach: Herr, es ist geschehen, wie du befohlen hast; es ist aber noch Raum da! 23 Und der Herr sprach zu dem Knecht: Geh hinaus an die Landstraßen und Zäune und nötige sie hereinzukommen, damit mein Haus voll werde! 24 Denn ich sage euch, dass keiner jener Männer, die eingeladen waren, mein Mahl schmecken wird!
Wie schön muss es sein, wenn wir einst alle in Gottes Reich zusammen an einem Tisch speisen! Feierlich, im Angesicht des Höchsten, im Frieden mit jedermann. So stellt es sich zumindest ein Gast vor, der mit Jehoschua am Tisch sitzt und von ihm über „Tischmanieren“ belehrt wurde. Wann und wo stellt er sich das vor? Meint er, dort fallen solche Regeln unter den Tisch? Meint er, dann brauche er nicht mehr mit unfeinen Gästen zusammenzusitzen, wie Jehoschua es seine Zuhörer im vorherigen Gleichnis gelehrt hatte?
Wenn Jehoschua Gleichnisse (meschalim משלים; maschal מָשָׁל) erzählt, denkt er nicht an einen himmlischen Ort in ferner Zukunft. Er denkt an unseren festlich gedeckten Tisch in unserem Haus, an den wir all die Menschen einladen, die hungrig sind, sich nach Annahme und Gemeinschaft sehnen, ohne Ansehen der Person.
In seinem Gleichnis legt Rabbi Jehoschua dar, wie schnell die sehnsuchtsvolle Aussage seines Gesprächspartners zum Lippenbekenntnis wird. Denn ein Mensch lud zu einem großen Bankett ein. Doch als er seinen Gästen Bescheid sagen ließ, dass alles für sie bereit war, kam eine Absage nach der anderen. Es sollte doch so feierlich werden! Alle wussten doch um das Ereignis! Seine Freunde hatte er geladen und alle, die ihm am Herzen lagen! Der Gastgeber war voll gespannter Erwartung und Vorfreude, als der erste absagte. Er musste seinen neuen Acker besichtigen. Hatte das nicht Zeit? Der Acker lief doch nicht weg! Auch die Ochsen des anderen Eingeladenen konnten noch einen Tag warten. Und der Dritte hatte geheiratet. Seine Frau hätte Verständnis gehabt, wenn ihr Mann zu einer so wichtigen Einladung gegangen wäre. Er hatte sie ja gar nicht gefragt, sondern über sie hinweg entschieden. Welche Enttäuschung! All die Speisen und Getränke, liebevoll ausgesucht und zusammengestellt, die festliche Dekoration! Sollte das alles vergeblich gewesen sein?
Nein, entscheidet der Gastgeber und lädt schließlich all diejenigen ein, die obdachlos, hilflos, ausgestoßen auf der Straße leben. Er möchte sein Gastmahl auf keinen Fall ausfallen lassen, weshalb er den Saal mit all diesen fremden und weniger festlich gekleideten Menschen füllt, die im Gegensatz zu den ursprünglich Eingeladenen dankbar sind, so eine grandiose Gelegenheit zu bekommen.
Damit sagt Jehoschua: Warte nicht auf Gottes Reich in einer anderen Welt, sondern erlebe in dieser Welt, dass du bei einem Gastgeber, sei er ein Freund oder ein Arbeitskollege oder sonst irgendjemand, zu einem wunderbaren Essen eingeladen bist, bei dem du Gott begegnen wirst. Erlebe, dass Gottes Reich genau dort ist, wo du Nächstenliebe lebst und den Ort zu einem Ort der Menschenfreundlichkeit, der Barmherzigkeit und Güte machst, ganz nach dem Vorbild Gottes. Gott ist überall, es gibt nicht einen einzigen Platz ohne IHN. Darum lass durch deine Nachahmung Gottes Sein Reich genau da, wo du bist, erfahrbar werden. Denke daran:
Lev. 19,18 Halte lieb deinen Genossen, dir gleich. ICH bins.
Wenn du dazu nicht bereit bist, hast du kein Recht zur Mahlgemeinschaft mit anderen und mit Gott. ER ist der Hausherr, und ER hat dir Spielregeln aufgetragen, wie diese Welt zu einem besseren Ort wird, nämlich zu Seinem Haus, in das ER alle einlädt.
Ex. 22,20 Einen Gastsassen placke nicht, quäle ihn nicht, denn Gastsassen wart ihr im Land Ägypten! 21 Eine Witwe oder Waise sollt ihr allweil nicht bedrücken.
ER hat dir aufgetragen, für die Witwen und Waisen, für die Armen und Fremden in deinen Toren zu sorgen. Wenn du das tust, wird sich der Fremde nicht mehr fremd fühlen und der Arme wird sich nicht mehr schämen, die Witwe wird nicht mehr einsam sein und jegliches verlassene oder verwaiste Kind wird wissen, dass es einen Vater im Himmel hat.
Wir bilden uns ein, wenn Gott uns persönlich einlüde, wären wir glücklich und dankbar, wären auf der Stelle gehorsam und verfügbar? Aber lädt Gott uns nicht überall dort ein, wo Menschen zusammen sitzen, Mahlgemeinschaft haben und sich Gottes Gegenwart bewusst sind oder bewusst werden?
Das finden wir in Israel bei jedem Schabbatmahl, zu dem gerne Gäste geladen werden, denn das ist eine Mizwa, eine Gebotserfüllung, und damit eine Verbindung zu Gott (Mizwa מִצְּוָה kommt von צוה = zawa und bedeutet „Verbindung“). Es ist doch so, dass wir nicht wissen können, ob wir nicht Engel zu Gast haben so wie Abraham (Gen. 18)?! Am Schabbat dankt man seinem Gott in besonderer Weise, man singt, ist fröhlich und spricht über die Toralesung in der Synagoge, über ihre Bedeutung im Alltag, auch in Form von Gleichnis und Erzählung (midrasch מִדְרָשׁ). Der Schabbat ist ein Geschenk in unserer Welt und in unserer Zeit, das die Ruhe der kommenden Welt vorwegnimmt. Und doch muss der Schabbat im Hier und Jetzt gestaltet werden, damit Gott sich an unserem Tisch willkommen fühlt. Das geschieht durch die Einladung von Gästen, die diese Gemeinschaft zu schätzen wissen. Das Reich Gottes ist dann mitten unter uns.
Liebevoll weitergereicht. Eingeladen werden ist ein Geschenk. Liebe ist geben und nicht nehmen. Das ist der Kern. Sind wir hörbereit? Toda raba Debora