Predigttext vorgeschlagen für Sonntag, d. 02. Juli 2023

1. Petr. 3, 8 Endlich aber seid alle gleich gesinnt, mitfühlend, voll brüderlicher Liebe, barmherzig, gütig! 9 Vergeltet nicht Böses mit Bösem oder Schmähung mit Schmähung, sondern im Gegenteil segnet, weil ihr wisst, dass ihr dazu berufen seid, Segen zu erben. 10 Denn »wem das Leben lieb ist und wer gute Tage sehen will, der bewahre seine Zunge vor Bösem und seine Lippen, dass sie nicht Trug reden; 11 er wende sich ab vom Bösen und tue Gutes; er suche den Frieden und jage ihm nach! 12 Denn die Augen Adonais sehen auf die Gerechten, und seine Ohren hören auf ihr Flehen; das Angesicht Adonais aber ist gegen die gerichtet, die Böses tun.« 13 Und wer will euch Schaden zufügen, wenn ihr Nachahmer des Guten seid? 14 Doch wenn ihr auch leiden solltet um der Gerechtigkeit willen, glückselig seid ihr! Ihr Drohen aber fürchtet nicht und lasst euch nicht beunruhigen; 15 sondern heiligt vielmehr Gott, Adonai, in euren Herzen! Seid aber allezeit bereit zur Verantwortung gegenüber jedermann, der Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die in euch ist, [und zwar] mit Sanftmut und Ehrerbietung; 16 und bewahrt ein gutes Gewissen, damit die, welche euren guten Wandel im Maschiach verlästern, zuschanden werden in dem, worin sie euch als Übeltäter verleumden mögen. 17 Denn es ist besser, dass ihr für Gutestun leidet, wenn das der Wille Gottes sein sollte, als für Bösestun.

nach Schlachter 2000

In Simon Petrus, eigentlich Schimon Kefa, dem ersten Schüler Jehoschuas, erkennen wir den Juden und Nachahmer seines Lehrers. Schimon שִׁמְעוֹן = Erhörung (Gen. 29,33) bekam seinen jüdischen Namen nach dem zweiten Stammvater des jüdischen Volkes. Kefa כיפא ist Aramäisch und bedeutet Stein, Fels. Im Matthäusevangelium erfahren wir, dass sein Vater Jona hieß, den Jehoschua nannte ihn Schimon Barjona שִׁמְעוֹן בר יונה = Schimon Sohn des Jona. Diese Abstammungslinien sind ein Hinweis darauf, wie sehr jedem Juden schon damals seine Genealogie als Identifikation galt.

So nimmt Petrus (Petros, griech. = Stein) in diesem Kapitel Bezug auf seine vertraute und geliebte heilige Schrift, die Tora, und auf seine Vorfahren. Anhand des ersten an Gott glaubenden Paares, der Begründer des jüdischen Eingottglaubens, erklärt er die wahren Werte von Mann und Frau, nämlich Keuschheit in der Kleidung und im Lebenswandel, Innerlichkeit statt Äußerlichkeit, Achtung des Familiensystems und gegenseitige Wertschätzung.

Dann kommt er zu dem, was für alle wichtig ist, nämlich die Nachahmung Gottes. Seine Adressaten, vornehmlich Juden, werden das gewusst haben, denn sie kennen ihren Gott, wie ER am Berg Sinai mit den 13 Eigenschaften beschrieben wird.
Ex. 34,6 ER ER Gottheit, erbarmend, gönnend, langmütig, reich an Huld und Treue, 7 bewahrend Huld ins tausendste, tragend Fehl Abtrünnigkeit Versündigung, straffrei nur freiläßt er nicht, zuordnend Fehl von Vätern ihnen an Söhnen und an Sohnessöhnen, am dritten und vierten Glied.

Die Empfänger der Nachricht sollen eine gemeinsame Gesinnung haben, nämlich das Vertrauen auf diesen EINEN Gott, der barmherzig und gütig ist, langmütig und vergebend. Gott selbst vergilt nicht Böses mit Bösem.
Ps. 78,38 Er aber ist erbarmend, er bedeckt die Verfehlung und verderbt nicht, er ließ seinen Zorn vielmal abkehren sich, er erregte nicht all seinen Grimm.

Seit dem verehrten Ahnen Abram, der gehorsam sein heidnisches Umfeld auf Gottes Wort hin verließ, sind seine direkten Nachkommen sowie alle Völker berufen, den Segen des Ewigen zu ererben:
Gen. 12,2 Ich will dich zu einem großen Stamme machen und will dich segnen und will deinen Namen großwachsen lassen. Werde ein Segen. 3 Segnen will ich, die dich segnen, die dich lästern, verfluche ich. Mit dir werden sich segnen alle Sippen des Bodens.

Wer immer diesen Segen ererbt, den Gott über Abraham und seine Nachfahren Jizchak und Jaakow aussprach, der hütet seine Zunge vor übler Nachrede und jagt dem Frieden nach.
Ps. 34,13 Wer ist der Mensch, der Lust hat am Leben, Tage liebt, Gutes zu sehn? 14 Wahre deine Zunge vorm Bösen, deine Lippen vorm Trugreden, 15 weiche vom Bösen, tu Gutes, trachte nach Frieden, jage ihm nach!

Frieden, ein kostbares Gut, das im Besonderen gottesfürchtige Menschen bewahren und fördern sollten. Unfrieden umgibt uns überall, in der großen Weltpolitik und im kleinen häuslichen Umfeld. Machtbestrebungen auf der großen Bühne, die Sorge um fehlende Anerkennung auf der kleinen Bühne, Missverständnisse und fehlende Kommunikation, unbedacht ausgesprochene Worte, deren Wirkung nicht beachtet wurden – nicht umsonst warnt schon der Psalmist, seine Zunge im Zaum zu halten. In all dem spielen Gefühle mit, die uns unsere Sicht verstellen, die vielleicht sogar jeder realen Grundlage entbehren. Keiner kann da urteilen. Jeder steht damit allein vor seinem barmherzigen und helfenden Gott und Vater.

Nichts destotrotz: Wenn du in all dem steckst, so suche trotz allem den Frieden und jage ihm nach! So wie Aaron, der in der jüdischen Tradition als Mann des Friedens gilt. Er selbst bekleckerte sich nicht mit Ruhm, als er sich von den Israeliten drängen ließ, das goldene Kalb zu bauen. Als seine Schwester Miriam schlecht über die Frau ihres Bruders Mosche sprach, war Aaron kein Unschuldslamm! Die verschiedenen Kommentatoren der Tora mögen den Hohepriester unterschiedlich bewerten, doch in den Sprüchen der Väter – Pirke Avot פִרְקֵי אָבוֹת heißt es:

1,12 „Und Hillel sagte: Sei wie die Jünger Aarons und liebe den Frieden und strebe nach Eintracht, liebe die Menschen und führe sie zum Gesetz.“

Rambam, Moses Maimonides 12. Jh., kommentierte:
Einer von Aharons Schülern sagte, Aharon, Friede sei mit ihm, wenn er das Gefühl habe, dass ein Mensch in seinem Inneren böse sei, oder sie sagten ihm, dass er innerlich böse sei und ein Verbrechen begangen habe, würde er beginnen, Frieden mit ihm zu schließen. Er liebte ihn und verliebte sich in ihn und redete oft mit ihm. Und dieser Mann schämte sich und sagte: „Wehe mir, wenn Aharon die Finsternis meines Herzens und die Bosheit meiner Taten gekannt hätte, hätte er sich nicht erlaubt, mich anzusehen, besonders wenn er mit mir gesprochen hätte, und tatsächlich bin ich in seiner Gegenwart ein koscherer Mensch, deshalb werde ich seine Worte und Gedanken überprüfen.“ Und als er (Aharon) zum Begünstigten zurückkehrte, kehrte dieser um und wurde einer seiner Schüler, die von ihm lernten. Und Gott, gepriesen sei ER, die ehrenvolle Maßnahme beschreibend, sagte: „Getreue Weisung war ihm im Mund, Fälschung fand sich ihm nicht auf den Lippen, in Frieden ging er mit mir, in Geradheit, und viele kehrte er ab von dem Fehl.“ (Maleachi 2:6).
Und das ist die berühmte Angelegenheit, auf die sich Hillel bezog.[1]

https://he.m.wikisource.org/wiki/%D7%9E%D7%A9%D7%A0%D7%94_%D7%90%D7%91%D7%95%D7%AA_%D7%90_%D7%99%D7%91

Rabbi Ovadia von Bartanura 15./16. Jh. kommentierte:
„Du bist einer der Jünger von Aharon, der den Frieden liebt und nach Frieden strebt“ – interpretiert im Awot de Rabbi Nathan[2], wie Aharon ein Liebhaber des Friedens war. Als er zwei Menschen streiten sah, ging er ohne Wissen seines Freundes zu jedem von ihnen und sagte zu jedem einzelnen von ihnen: „Er, sieh, dein Freund, wie er Buße tut und sich selbst schlägt, weil er gegen dich gesündigt hat. Und er sagte: „Ich bitte dich, dass du ihm vergibst.“ Und deshalb küssten sie sich, weil sie sich zuvor gegenseitig verletzt hatten.
Und wie würde er die Menschheit näher an die Tora bringen? Wenn er von einer Person wüsste, die eine Übertretung begangen hatte, würde er sich mit ihr verbünden und ihr ein verstelltes Gesicht zeigen, und diese Person würde sich schämen und sagen: „Wenn er das gewusst hätte, wie weit der Gerechte sich von mir distanziert hätte, wäre er zu den Guten zurückgekehrt.“
Er ist derjenige, von dem der Prophet (Maleachi 2) in Frieden Zeugnis ablegt: „in Frieden ging er mit mir, in Geradheit, und viele kehrte er ab von dem Fehl“, entgegnete Maon.[3]

https://he.m.wikisource.org/wiki/%D7%9E%D7%A9%D7%A0%D7%94_%D7%90%D7%91%D7%95%D7%AA_%D7%90_%D7%99%D7%91

Wo auch immer wir stehen, uns fühlen, welche Lebensgeschichte wir hinter uns haben, wir sind berufen zum Frieden, weil Gottes Augen auf die Gerechten gerichtet sind. ER begleitet sie in jeder Situation, führt ihre Wege und heilt ihre Wunden, damit sie Nachahmer Gottes sein können und als solche unter Gottes Schutz stehen.

Am Ende des Schmone Esre שְׁמוֹנֶה-עֶשְׂרֵה, des 18-Bitten-Gebets, beten wir aus gutem Grund:

„Mein Gott, bewahre meine Zunge vor Bösem und meine Lippen, Falsches zu reden. Denen gegenüber, die mir fluchen, schweige meine Seele, und es sei meine Seele wie Staub allem gegenüber. Öffne mein Herz durch deine Lehre, und deinen Geboten jage meine Seele nach. Und alle, die Böses gegen mich sinnen, bald vereitle ihren Rat und zerstöre ihre Pläne. Tue es um deines Namens willen, tue es um deiner Rechten willen, tue es um deiner Heiligkeit willen, tue es um deiner Lehre willen, damit gerettet werden, die dich lieben. Hilf mit deiner Rechten und erhöre mich. Es seien zum Wohlgefallen die Worte meines Mundes und das Sinnen meines Herzens vor dir, Ewiger, mein Fels und mein Erlöser.“

Siddur Schma Kolenu

Petrus mahnt seine Empfänger, um der Gerechtigkeit willen zu leiden und nicht aufgrund eigener Verfehlungen. Dazu gehört, Gott im Herzen, also im gesamten Leben, zu heiligen, denn es ist unsere Aufgabe, zu sein wie ER:
Lev. 11,45 denn ICH bins, der euch heraufführt aus dem Land Ägypten, euch Gott zu sein, werdet heilig, denn heilig bin ich.
Laut der Schlachter-Übersetzung unterscheidet Petrus deutlich zwischen Gott und Jehoschua, der für ihn der Maschiach Gottes ist. Das ist gerade in der Zeit rund um Jehoschuas Leben und Sterben natürlich, weil die Juden, die Zeugen und Schüler ihres Meisters waren, Gott gemäß ihrer Tora ausschließlich als den EINEN kannten und bezeugten, so wie Jehoschua in
Mk. 12,29 Jesus aber antwortete ihm: Das erste Gebot unter allen ist: »Höre, Israel, שְׁמַע יִשְׂרָאֵל schma Jisrael der Herr, unser Gott, ist Herr allein.
Erst spätere Verfasser und Pseudepigraphen, die zum Judentum keinen Bezug mehr hatten, ignorieren diese Trennung.

Petrus ruft zu einem verantwortungsvollen Leben auf, ein Leben, das auf einem guten Gewissen aufbaut und in den Fußstapfen des treuen und mit Gott verbundenen Lehrers und Maschiachs geht. Wer so lebt, kann Verleumdung erfahren, eben weil er in allen Dingen sein Gewissen rein halten will; weil er nicht bei allen neuen Trends der Zeit mitmachen will. Er will eben nicht Ps. 1,1 im Rat der Frevler [gehen], den Weg der Sünder nicht beschr[eiten], am Sitz der Dreisten nicht [sitzen], 2 sondern Lust hat [er] an SEINER Weisung, über seiner Weisung murmelt [er] tages und nachts!

Dann aber leidet er um der guten Sache Gottes willen, nicht für Bösestun. Er hat ein gutes Gewissen, lebt im Segen בְּרָכָה bracha, in der Haltung einer dankbaren Unterwerfung, und Frieden שלום – Schalom, in der Ganzheit mit sich selbst und mit anderen. Ein wahrer Nachfolger des Beispiels seines Lehrers Jehoschua, der ihn Gott nahe brachte.


[1] https://he.m.wikisource.org/wiki/%D7%9E%D7%A9%D7%A0%D7%94_%D7%90%D7%91%D7%95%D7%AA_%D7%90_%D7%99%D7%91

[2]  Avot de-Rabbi Nathan rabbinisches Kommentarwerk zur Mischna Avot; zählt zu den außerkanonischen Traktaten, die im Anhang zum babylonischen Talmud abgedruckt werden. https://de.m.wikipedia.org/wiki/Avot_de-Rabbi_Nathan

[3] https://he.m.wikisource.org/wiki/%D7%9E%D7%A9%D7%A0%D7%94_%D7%90%D7%91%D7%95%D7%AA_%D7%90_%D7%99%D7%91

2 thoughts on “Petr. 3,8-17 Ererbe Segen und Frieden

  1. Einfühlsame Ausführung, mit Weisheit und Hören verfasst. Toda raba für den ganzen Blick zum Heil für Frieden, Shalom!

  2. Habe grossen Trost und Ermutigung aus diesem Wort empfangen .Ich nehme es auf mein Herz und möchte es auch im Alltag befolgen.Eine sehr große Hilfe in meinem Alltag.
    Danke!!!

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