Sonntag, 27.11.2022, der erste Advent

Psalm 24,1 Von Dawid, ein Harfenlied. SEIN ist die Erde und was sie füllt, der Boden und seine Siedler. 2 Denn selber er gründete ihn über Meeren, festigte über Strömungen ihn. 3 – Wer darf SEINEN Berg ersteigen? wer darf stehn an seinem Heiligtumsort? 4 – Der an Händen Unsträfliche, der am Herzen Lautere, der zum Wahnhaften nicht hob seine Seele und zum Truge nicht schwur. 5 Segen erhebt er von IHM, Gerechtigkeit vom Gott seiner Hilfe. 6 Dieses ist das Geschlecht derer, die nach ihm fragen. – Die dein Antlitz suchen, Jaakob ists. / Empor!/  7 – Hebet, Tore, eure Häupter, erhebt euch, Pforten der Weltzeit, daß der König der Ehre komme! 8 – Wer ists, der König der Ehre? – ER, sieghaft und heldisch, ER, heldisch im Kampf. 9 – Hebet, Tore, eure Häupter, hebt sie, Pforten der Weltzeit, daß der König der Ehre komme! 10 – Wer ist das, der König der Ehre? – ER, der Umscharte, das ist der König der Ehre. / Empor!/

Die Schrift, Buber/ Rosenzweig

Dieser Psalm wird gerne am 1. Advent gelesen, denn es geht um die Ankunft des Königs der Erde.

Gott, dem Schöpfer, gehört die ganze Erde mit allen Erdenbewohnern, so stellt der Psalmist fest. Gott trennt Wasser und Trockenes und nennt das Trockene Erde und die Sammlung der Wasser nennt ER Meer. So lesen wir es im Schöpfungsbericht zu Beginn des dritten Tages.

Nach der Begegnung mit diesem Schöpfergott sehnen sich die Bewohner der Erde. Doch wer darf vor den höchsten Hausherrn treten, wer Seinen heiligen Berg besteigen? Das Herz des Menschen, der Zugang zum Berg Gottes hat, dem späteren Tempelberg, muss ein reines Herz und unschuldige Hände haben. Wir wissen, dass König David den Tempel nicht bauen durfte, weil an seinen Händen das Blut vieler Kriege klebte. Auch das Blut Urias, des Mannes der Batscheba, die später die Mutter König Schlomos – Salomos – wurde. Aber David trat trotzdem vor Gott und redete vertraut mit IHM. Wie war das möglich? Weil sein Herz immer auf Gott ausgerichtet blieb und er bußfertig war, als er die schwere Sünde beging, mit der er für Urias Tod sorgte, um seinen Ehebruch mit Batscheba zu vertuschen.

Jehoschua – Jesus – erzählt selbst das Gleichnis von den Schafen und Böcken (Mt. 25,31-46), in welchem er fordert, dass der Mensch sich um seinen Mitmenschen kümmert. Hungernde, Durstige, Nackte, Kranke, ja sogar Gefangene bedürften unserer liebevollen Hilfe. Nur wer durch sein reines Herz diese Verantwortung spürt und zum Handeln getrieben wird, wessen Seele bodenständig der Not einer Mit-Seele begegnet, der darf auf den Berg Adonais steigen. Dieser Mensch erfährt Gottes Segen, Gottes Gerechtigkeit, denn er selber übt die Gerechtigkeit, die über das erforderliche Maß hinausgeht. Der Ewige ist mit Seiner Hilfe stets bei einem solchen Menschen, gibt ihm die richtigen Ideen und zeigt ihm Wege zum Nächsten auf. ER gibt dem Menschen die Mittel Begabungen, mit denen dieser helfen kann.
Heute sind es Flüchtlinge, die nicht nur ein Dach über dem Kopf brauchen, sondern Helfer bei Behörden, Freunde und Nachbarn, die ihnen das Einleben und Zurechtfinden erleichtern und Unterstützung beim Erlernen der fremden Sprache.

Aber welches Menschengeschlecht fragt überhaupt nach Gott? Wer sucht Gottes Antlitz im Gebet? David sah zu seiner Zeit nur das Geschlecht Jaakobs, der später zu Israel umbenannt wurde.
Doch warum taucht hier der Name Jaakob auf, der Fersenhalter? Es handelt sich um den Namen des Mannes, der seinem Bruder Esau das Erstgeburtsrecht abhandelte. Er brachte ihn zudem noch um seinen Erstgeburtssegen, weil seine Mutter Rivka – Rebekka ihm dazu verhalf, die Blindheit seines Vaters Jizchak – Isaak – für diesen Segen auszunutzen. Dadurch wurde Jaakob der dritte Stammvater der Hebräer. Er ging bei Laban und später durch den Verlust seiner geliebten Frau Rachel und dann seines Sohnes Jossef durch eine harte Lebensschule.

Jaakob steht für den Mann, der sich entwickelt: vom Fersenhalter zum Gotteskämpfer, vom Zweifler zum Vertrauenden. Sein Name zeigt, dass er sein Potential immer wieder neu ent-decken, immer wieder neu ent-falten und leben muss. Als das Geschlecht Jaakobs stehen die Kinder Israel vor ihrem Gott. Sie sind nicht perfekt, sie ringen sich immer wieder durch zu dem Ewigen, dem Gott ihrer Hilfe, die sie so nötig brauchen. Nur das macht ihr Herz lauter. Und als solche treten sie auf dem Berg Gottes vor ihren König.

Die ganze Welt, die gesamte Schöpfung bereitet sich auf das Kommen des höchsten Königs vor, denn ER kommt zu ihnen! Sie muss nicht zu IHM aufsteigen. Auch ER sehnt sich nach Seiner Schöpfung, nach Seinen Geschöpfen!

Der König der Ehre kommt zu uns, wenn wir uns vorbereiten. Es bedarf einer kosmischen Vorbereitung der gesamten Schöpfung, wie es der zweite Teil des Psalms ab Vers 7 darlegt. Das Kommen des Königs ist nicht selbstverständlich, sondern muss herbeigebetet werden, muss vorbereitet werden durch Umkehr – Teschuwa תְּשׁוּבָה.
Der König der Ehre, der König des Kawod כָּבוֹד, von כָּבֵד kawed = schwer, meint die Präsenz Gottes, Seine Wichtigkeit, Seine Bedeutsamkeit. Gottes Einwohnung ist gemeint, Seine שְׁכִינָה Schechina, die herbeigefleht, herbeigesehnt, herbeigetan wird durch gute Taten, nicht durch leere Worte.

Wenn Gottes Präsenz so gewichtig ist, wie wichtig ist es dann erst, dass sich auch die ewigen Festen der Erde zurüsten. Sie werden im Psalm als ewige Tore und Pforten bezeichnet, die schon von Anbeginn bestehen. Sie müssen mit den Vorbereitungen der Menschen überein-stimmen, mit einer Stimme die Ankunft des ewigen Königs erflehen, IHN willkommen heißen in einer Welt, die sich durch gerechtes Handeln zugerüstet hat auf das Kommen dessen, der im guten Sinne die Weltherrschaft antreten wird.

Für wen bereitet sich die Erde mit ihren Bewohnern vor? Wer ist dieser große König? Es ist kein Geringerer als Adonai, der Gott der Heerscharen, יְהוָה צְבָאוֹת Adonai Zewa’ot. ER kämpft und siegt für Sein Volk, so wie Israel einst für Gott kämpfte, IHN bezeugte. Kein menschlicher König, kein Gesalbter tritt hier die Herrschaft an. Am Ende der Tage wird Gott allein regieren.
Sach. 14,9 ER wird werden zum König über alles Erdland. An jenem Tag wird ER der Einzige sein und sein Name der einzige.

Paulus, der Schüler des großen Rabban Gamaliel aus Mischna-Zeiten, bezeugt:
1.Kor. 15,28 Wenn ihm aber alles unterworfen sein wird, dann wird auch der Sohn selbst sich dem unterwerfen, der ihm alles unterworfen hat, damit Gott alles in allen sei.
Somit gibt es sogar nach der Aussage des Zweiten Testaments am Ende der Tage nur EINEN, der als König regieren wird – Adonai Zewa’ot, der Schöpfer der Welt.

Juden bereiten sich in dieser Weise auf die Ankunft des Königs besonders im Monat Elul vor, dem Monat vor Rosch haSchana, dem jüdischen Neujahrsfest. Dieser Monat voller Freude, voller Erwartung und voller Umkehrbereitschaft bahnt dem König den Weg zu Seinem Volk. In meinem Beitrag „Tage der Trauer, Tage des Trostes“ habe ich ihn als „Jüdischen Advent“ bezeichnet.   

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