Predigttext vorgeschlagen für den 10.07.2022

1 Jesus aber ging auf den Ölberg. 2 Am frühen Morgen begab er sich wieder in den Tempel, und das ganze Volk kam zu ihm, und er setzte sich und lehrte sie. 3 Die Schriftgelehrten und Pharisäer brachten eine Frau, die beim Ehebruch ergriffen worden war und stellten sie in die Mitte, 4 und sie sagten ihm:
„Lehrer, diese Frau ist ergriffen worden, wie sie gerade dabei war, Ehebruch zu begehen. 5 In der Tora hat uns Mose geboten, solche Frauen zu steinigen. Was meinst du nun dazu?“ 
6 Dies sagten sie aber, um ihn auf die Probe zu stellen herauszufordern, damit sie etwas hätten, um ihn anzuklagen. Jesus aber beugte sich nieder und schrieb mit dem Finger in den Sand. 7 Als sie dabei blieben, ihn zu fragen, richtete er sich auf und sagte ihnen: „Welche unter euch ohne Unrecht sind, mögen als Erste einen Stein auf sie werfen.“ 
8 Und er beugte sich wieder hinunter und schrieb in den Sand. 9 Als sie dies hörten, gingen sie alle nacheinander weg, angefangen bei den Ältesten, und ließen ihn allein mit der Frau, die in der Mitte war. 
10 Jesus richtete sich auf und sagte ihr: „Frau, wo sind sie? Hat dich niemand gerichtet?“ 
11 Sie sagte: „Niemand, Rabbi.“
Jesus sagte ihr: „Auch ich richte dich nicht; geh und tue von jetzt an kein Unrecht mehr.“

Bibel in gerechter Sprache mit eigenen Korrekturen

Jehoschua begibt sich auf einen Berg, der immer ein Hinweis auf die Nähe Gottes ist, in die er sich begibt. Der Ölberg הר הזיתים Har HaSejtim zeigt mit seinem Namen die Fülle Gottes durch die zahlreichen Oliven an, die das Öl nicht nur für den Tempel spendeten.
Dieser Berg, das wusste auch Jehoschua, war Juden als Ort des Endgerichtes bekannt:
Sach. 14,4 Seine Füße stehn an jenem Tag auf dem Ölberg, dem vor Jerusalem östlich, der Ölberg spaltet sich, gehälftet, sonnaufgangwärts und meerwärts, zu einer sehr großen Schlucht, nordwärts weicht die Hälfte des Bergs, mittagwärts seine andere Hälfte.
Die Botschaft Jehoschuas war oft eine zur Umkehr mahnende, weshalb er vielleicht diesen Ort gerne zum Gebet und zur Einsamkeit mit Gott aufsuchte.

Er ging weiter zum Tempelberg הר הבית har habait bzw. Berg des Hauses Gottes, weil er auch dort die Nähe Gottes liebte. Vor langer Zeit war das der Morijaberg הַר הַמּוֹרִיָּה Har HaMorija der Berg, auf welchem Abraham seinen Sohn band. Die Akedat Jizchaks עֲקֵדַת יִצְחָק Bindung Isaaks war Gottes überdeutliche Lehre, dass Gott zu keiner Zeit ein Menschenopfer wollte und will. Der Tempel stand deshalb hier am richtigen Ort, da nur noch Tiere dargebracht werden durften.
Mit seiner Vorliebe für Berge stand Jehoschua allerdings in guter jüdischer Tradition, denn die Tora empfingen die Israeliten auf dem Berg Sinai und Elija focht seinen großen Kampf gegen die Baalspriester auf dem Berg Karmel aus.

Auf dem Tempelberg aber traf Jehoschua auf viele Menschen, die er lehrte. Nur Juden mit einwandfreiem Leumund durften in den Tempelbereich. Hätte Jehoschua das Judentum abgelegt, dürfte er nicht hier verweilen und lehren. Er geht jedoch immer wieder in den Tempel, und hier zur Gebetszeit am Morgen zum Schacharit-Gebet. Beten und Lehren finden im Tempel statt. Und Rabbi Jehoschua eilte der Ruf voraus, dass er die Kompetenz zum Lehren hat. Der Evangelist Johannes erwähnt Jehoschuas Besuche im Innersten des Judentums, in Synagoge und Tempel, dutzendfach. Jehoschua lebt sein Judentum coram publico.

Auch diejenigen, die eine Ehebrecherin zu Jehoschua bringen, sprechen ihn respektvoll und als Kollegen an. Unter den Pharisäern, von denen es laut Schalom Ben Chorin sieben verschiedene Gruppen gab, waren bestimmt nicht alle mit Jehoschuas Auslegungen des Tanach einverstanden, doch die Meinungen anderer Rabbiner zu hören, gehörte in Talmudzeiten dazu.

Sie wollten ihm nicht „eine Falle stellen“, sondern „ihn herausfordern“. Es war und ist üblich, die Integrität eines Lehrers zu prüfen, indem man ihn zu schwierigen Themen befragt. Dabei kann durchaus Schärfe in die Diskussion eingebracht werden. Bei Jehoschua war es ja bekannt, dass er immer eine andere Sichtweise hatte, die oftmals der Schule Hillels nahe kam.

Und der Gefragte stellte sich bereitwillig dieser Herausforderung. Das setzt eine besondere Kreativität und einen brillanten Schachzug frei. Würde er etwas sagen, das das Judentum verletzt, könnte er im Synhedrion angeklagt werden. Auch Pilatus sagte deutlich, dass Jehoschua aus römischer Sicht nicht schuldig war, und dass die Juden die Angelegenheit unter sich klären sollten. Alles, was er tut und sagt, hat Bezug zu seiner geliebten Tora.

Was bedeutet es, dass Jehoschua mit dem Finger in den Sand schrieb, während die Fragesteller auf eine Antwort warteten?

In Ex.31,18 heißt es: ER gab an Mosche, als er mit ihm auf dem Berge Ssinai zuende geredet hatte, zwei Tafeln der Vergegenwärtigung, Tafeln von Stein, beschrieben vom Finger Gottes.

Gott selber schrieb die Gebote auf die Tafeln und Jehoschua ahmt Gott nach – wie Menschen IHN in vielen Situationen nachahmen sollen -, und weist mit seiner Tat auf die geschriebenen Gebote Gottes hin. Sein Schreiben zeigt, dass er in die Tora geht und von Gott durch dessen geschriebenes Wort inspiriert wird. Er deutet an, dass die Gebote der Tora unbedingte Gültigkeit haben, wie andere Evangelisten ihn zitieren:
Mt. 5,17 Ihr sollt nicht meinen, dass ich gekommen sei, um das Gesetz oder die Propheten aufzulösen. Ich bin nicht gekommen, um aufzulösen, sondern um zu sie aufzurichten! 18  Denn wahrlich, ich sage euch: Bis Himmel und Erde vergangen sind, wird nicht der kleinste Buchstabe noch ein einziges Strichlein der Tora vergehen, bis alles geschehen ist.
Es kann ihm also keiner nachsagen, dass die Worte der Tora und ihre Gebote für Jehoschua beliebig wären.

An eine andere Textstelle erinnerte er seine Kollegen mit seiner schreibenden Haltung. So heißt es im Propheten Jeremia:

Jer.17,13 Diejenigen, die Adonai verlassen, werden in den Staub geschrieben.

Durch dieses Bild übt Jehoschua Kritik an denen, die die Frau anklagen. Er verdammt sie nicht in Bausch und Bogen, sondern spielt an auf diese Stelle, die von den Umstehenden sofort verstanden wurde. Er klagt die Ankläger an. Sie verstanden den Wink mit dem Zaunpfahl und zogen sich zurück. Die unten in den Staub des Bodens eingetragen werden, sind ins Flüchtige eingetragen, die Gerechten ins Buch des Lebens.
Wer ist ohne Sünde? Welcher Mensch kann das von sich behaupten? Die Frage und die Gebärde Jehoschuas lassen die Ankläger verstummen und verschwinden.

Die Frau kann Vergebung erlangen durch aufrichtige Buße, denn Gott liebt sie und hat kein Gefallen am Tod des Sünders, wie es eine Woche vorher im Predigttext vorkam.
Hes. 18,23 Habe ich denn Gefallen, Gefallen am Sterben eines Frevlers, Erlauten ists von meinem Herrn, IHM, nicht daran nur, daß er von seinem Weg umkehre und lebe?

Wie in dem zitierten Vers gibt Jehoschua als Rabbi der Frau zur Antwort, dass auch er, der sich an die Tora hält, sie nicht verurteilt! Um in den Augen der Menschen und in Gottes Ansehen zu gewinnen, ist neben der Reue und Buße auch ein Verzicht auf diese bewusste Sünde erforderlich.

Mit diesen Worten entlässt er die Frau in ihr neues Leben mit Gott.

One thought on “Joh. 8,1-11 Die Ehebrecherin

  1. Eine großartige Auslegung. Insbesondere die Bezüge zum Finger G’ttes auf den Schrifttafeln und das in den Sand geschrieben sein, löst in Wohlgefallen die Gedanken auf. Klar gezeichnet!

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