Yuval Lapide an einem „Juwal“ im Wadi Kelt an der Mabo’a-Quelle
Jer. 16,19-17,14 zur Parascha Behar-Bechukotai: Lev. 25,1-27,34
am Schabbat 26. Ijar 5781; 8. Mai 2021
Zwei Menschentypen stehen im Mittelpunkt dieser Haftara: Der Mensch, der Gott vertraut und der Mensch, der sein Vertrauen in Menschen setzt.
Gott forderte in der Parascha Behar-Bechukotai Vertrauen durch das Gebot des Schabbat- und des Jubeljahrs, aber ER versprach Seinen Kindern, ihnen ganz nahe zu sein und für sie zu sorgen.
Lev. 26,11 Ich gebe meine Wohnung in eure Mitte, meine Seele schleudert euch nicht ab, 12 ich ergehe mich in eurer Mitte und bin euch Gott, und ihr seid mir Volk. 13 ICH bin euer Gott, der ich euch aus dem Land Ägypten führte, aus ihrer Dienstknechte Stand, ich zerbrach die Stangen eures Jochs und ließ euch aufrecht gehn.
In der Haftara spricht der Prophet Jeremia Gott drei Mal als Schutz, Schutzburg und Zuflucht an. Er deutet eine Verwandlung des Denkens unter den Völkern der Welt an, die erkennen, dass sie von ihren Vorfahren durch die Götzen nur Lug und Trug erbten, die sich belogen wissen durch ihre Tradition. Sie erkennen, dass es Götzen gar nicht gibt; dass man sich einen Gott nicht machen kann, denn Götzen können niemals Gott sein. Sie sind allesamt machtlos.
Gott will deshalb Seinen Namen „erkennen“ lassen, und zwar in zugewandter Liebe. Dafür steht im Hebräischen: Hineni הִנְנִי. Mit diesem Partikel drückt Gott seine Bereitschaft zur Nähe aus: Hier bin ICH für dich in Liebe. ICH sehne mich nach dir!
Das Verb „ich lasse euch erkennen“ מוֹדִיעָם modi’am und אוֹדִיעֵם odi’am „ich werde euch erkennen lassen“ kommt von der Grundform לדעת lada’at = erkennen, eins werden und wird häufig in der Bibel für sexuelle Intimität von Mann und Frau benutzt. Aber auch zwischen Gott und Mensch lässt Gott so eine vertraute Nähe zu. ER versprach sie seinem Volk in oben zitierter Stelle in Levitikus, wenn ER ganz in der Mitte Seines Volkes wohnen will. Gott ermöglicht nicht nur Seinem Volk, sondern allen Heidenvölkern mit einer Sehnsucht nach dem alleinigen Gott, sich bei IHM in Seiner Nähe zu bergen.
In diesem Erkenntnisprozess lässt Gott Seinen Namen, die tiefe und praktische Bedeutung Seines Namens erkennen. שְׁמִי יְהוָה Sch’mi JHWH = mein Name – ICH werde da sein, als der ICH da sein werde. Sogar Heidenvölker können erleben, dass ihnen dieser Gott in ihrer Situation nahe ist und für jede individuelle Situation Hilfe weiß.
Dagegen muss das Volk Israel sich an seine Sünden und Verfehlungen erinnern und sich den Tadel gefallen lassen, dass es auf Menschen vertraute. Es vertraute auf den Adam אָדָם, auf den Erdling aus Fleisch und Blut, wie es doch alle Menschen sind. Warum sucht der Mensch Hilfe bei seinesgleichen?
Gen. 3,19 … denn Erde bist du, und zur Erde mußt du zurück.
Der Mensch hat sein Leben doch nur von Gott. Er ist aus Blut und hat sein Leben von dem Einen, denn er heißt A-Dam. Dam דם = Blut und א steht als erster Buchstabe des hebräischen Alphabets für Gott, dessen Name Elohim auch mit einem Aleph beginnt. Wir müssen uns bewusst machen, wer wir sind, wenn wir Hilfe suchen! Es braucht eine ehrliche Selbsterforschung, damit wir erkennen: In der Tiefe sind wir von DEM abhängig, der uns geschaffen und uns Leben eingehaucht hat. ER weiß am besten, was gut für uns ist.
Darum sagt Gott:
Jer. 17,5 Verflucht der Mann, der mit Menschen sich sichert, Fleisch sich zum Arme macht, aber von IHM weicht sein Herz.
Der Mensch, der keine andere Hilfe kennt, als von seinesgleichen, kann den Segen Gottes nicht erwarten. Er hat sich außerhalb von Gottes Segensbereich gestellt, ist von IHM abgewichen und kann darum nur erwarten, was Menschen ihm geben können. Und was ist von solchen zu erwarten, die ihrerseits die Nähe Gottes nicht suchen? Gott sagt nicht, dass so einem Menschen Böses widerfährt. Nein, es ist viel schlimmer! Er wird gar nicht wahrnehmen, dass überhaupt Gutes kommt! Wie in einer unfruchtbaren Steppe wird es um ihn herum so öd sein, dass er keine Augen hat für Wachstum und Schönheit. Er ist wie ein Wacholderstrauch, der eigentlich kleine Zapfen zu Früchten ausbildet, aber in der Steppe nicht genügend Nahrung bekommt. Er bleibt auf sich selbst bezogen, ohne seine Früchte wahrnehmen oder von ihnen profitieren zu können.
Kennen wir nicht auch Menschen, die immer unzufrieden sind und nicht wissen, wofür sie dankbar sein könnten? Profitgier oder ständiges Misstrauen haben ihre Herzen verschlossen, sodass sie nicht sehen können, wo Hilfe naht. Sie haben sich mit ihren Ängsten ja auch gar nicht an Gott gewandt, sodass sie von IHM sowieso nichts erwarten.
Dagegen zeigt uns Gott den Menschen, der auf IHN vertraut:
Jer. 17,7 Gesegnet der Mann, der mit IHM sich sichert: ER wird seine Sicherheit. 8 Der wird sein wie ein Baum, ans Wasser verpflanzt, an den Lauf sendet er seine Wurzeln: wenn Glut kommt, sieht er nicht darauf, üppig bleibt sein Laub, im Mangeljahr sorgt er nicht, läßt nicht ab, Frucht zu bereiten.
Dieser Mensch sichert sich יִבְטַח jiwtach seine Sicherheit, seinen Zufluchtort מִבְטַחוֹ miftacho in Gott, und dadurch steht sie ihm immer zur Verfügung. Er vertraut nicht nur, sondern ist sich der Sicherheit in Gott immer sicher; er hat unerschütterliche Gewissheit!
Es wird nicht gesagt, dass der Mensch, der sich in Gott sichert, keine Nöte kennt und alles immer rosig läuft. Dieser Mensch kennt sehr wohl Mangel und die Hitze brenzliger Situationen. Aber er hat vorgesorgt, indem er die Wurzeln seines Glaubens in den guten Zeiten ausbildete, sodass sie ihm einerseits Halt geben können. Andererseits sind sie lang und tief genug, dass sie ins Wasser reichen und ihn wie einen Baum ununterbrochen versorgen. Er ist wie ein Baum, der ans Wasser gepflanzt, vielleicht aus der Steppe verpfanzt wurde ans Wasser מַיִם Majim, was ein Synonym für Gott ist, da es Leben spendet.
Dieser Baum schickt seine Wurzel hin zum Lauf des Baches, עַל יוּבַל יְשַׁלַּח שָׁרָשָׁיו al juwal jischlach schoraschaw. Der Mensch nimmt Einfluss auf seine Wurzeln, er schickt sie dorthin, wo Leben ist, wo sie weitergeführt werden, wo sie nicht im Stillstand verharren, sondern sich entwickeln können. Der Bach heißt juwal (wie mein Mann Yuval übrigens auch) und hat die Bedeutung von Wasser, das geführt wird, um zu einem höheren Ziel zu kommen.
Somit bekommt dieser Mensch aus solchen lebendigen, sprudelnden Quellen immer neue Nahrung und Inspiration. Das ist überragender Segen, der aus Gottes grenzenloser Güte „fließt“, zum segenshungrigen Menschen „geführt wird“.
Aber des Menschen Herz sucht immer andere Wege, es ist unsicher und unberechenbar. Nur Einer kennt unser Herz und prüft uns auf „Herz und Nieren“. Das Herz gilt als Sitz der Weisheit und des Wissens, die Nieren als Sitz unserer Gefühle. Beide können sich im Weg stehen, sich behindern, darum brauchen sie Gott, der sie erforscht und erkennt, und somit wieder in Seine Nähe führt, zu Seinem Heiligtum.
Die Einsicht des Menschen ist, dass er Gott braucht:
Jer. 17,14 Heile mich, DU, dann bin ich heil, befreie