Jes. 6,1-13; 7,1-6; 9,5-6 zur Parascha Jitro am 24. Schwat 5781; 6.Februar 2021
Die Grundlage für diesen Blog bieten Seminare mit meinem Mann Yuval 2017 und 2018
- Der Prophet Jesaja
- Nordreich und Südreich
- Jes. 6: Schau im Hallenraum
- Jes. 7: Die junge Frau
- Jes. 9: Der Sohn
Der Prophet Jesaja
Wir wenden uns im Rahmen der Prophetenlesungen Jesaja zu, der zu den Lieblingspropheten Jesu zählt. Er zitiert nach Tora und Psalmen ihn am häufigsten. Beide tragen zudem denselben Namen: Jeschajahu = Gott wird retten. Für beide ist es Programm, dass Gott ihr Erlöser, ihr Heiland, ihr Helfer ist.
Der Name der Gedenkstätte Jad Vaschem in Jerusalem kommt aus diesem Prophetenbuch:
Jes.56,5ונתתי להם בביתי ובחומתי יד ושם טוב מבנים ומבנות שם עולם אתן לו אשר לא יכרת׃
5 ihnen gebe ich in meinem Haus, in meinen Mauern ein Handzeichen, ein Namensmal, besser als Söhne und Töchter, jedem gebe ich ein Namensmal für Weltzeit, das nie ausgerodet wird.
Jesaja ist ein sehr bodenständiger Prophet = Navi = Künder. Er spricht mit den Königen, gilt als Hofprophet und hält Kontakt mit den Königen des Südreiches, denn er will sie wegen ihrer Verfehlungen mahnen. Dazu spricht er mit dem Volk. Dass Jesaja aus der Aristokratie kommt, sieht man daran, dass er mit Königen auf du und du steht. Als Sohn des Amoz = der Mutige (amiz אַמִּיץ = mutig) ist er der Neffe eines früheren Königs Amazijahu (der Mut Gottes – 2.Kö. 14,3) und Cousin des Usijahu. Beide Könige fingen ihren Dienst in Gottestreue an, fielen dann jedoch ab durch Götzendienst. Jesaja ist bereit, auf solche Privilegien zu verzichten.
Als nüchterner, souveräner Prophet geht Jesaja nicht so stark in das Leid seines Volkes hinein. Er verkündet Freude und sieht das Licht am Ende eines jeden Tunnels, wenn er harte Strafen ankündigen muss. So verkündet er den Untergang des Nordreiches 722 v.d.Z., das assyrische Exil, in dem König Salmanasse die 10 Stämme des Nordreichs deportiert und das Land zerstört. Entsprechend häufig benutzt er die Metapher „Licht“.
Jesaja lebt in einer konfliktreichen Zeit politischer Spannungen, in der Israel in einem Zustand der Orientierungslosigkeit ist. Er stammte aus Jerusalem, wurde aber Künder sowohl für das Süd- wie das Nordreich, weshalb sein Prophetenbuch so lang ist. Er warnt das Nordreich vor dem anstehenden Exil, dann vor der Zerstörung 587 v.d.Z. durch die Babylonier. Er gibt sein ganzes Herz, um das Volk zu warnen. In allem ist er bereit, sein Blut zu geben sowohl für die harten Worte als auch für die Tröstungen. Alle 66 Kapitel gehören nach der jüdischen Tradition zu Jesaja. Es gibt keine Dreiteilung wie in der historisch-kritischen Theologie.
Amos, Micha und Hosea waren Jesajas Schüler. Neviim – Künder haben immer Schüler, aber das Amt des Navi wird nicht vererbt wie das Königs- oder Priesteramt. Der Navi wird von Gott durch Seinen Geist berufen, Richter werden vom Volk gewählt. Jesaja reflektiert die Kriege aus den Büchern der Könige und der Chronik.
1,1 Schauempfang Jeschajahus Sohns des Amoz, den er über Jehuda und Jerusalem empfing in den Tagen Usijahus Jotams Achas‘ Chiskijahus, Könige von Jehuda.
Weil der Vater Amoz so stark erwähnt wird, kann davon ausgegangen werden, dass auch der ein Navi war. Jesaja kommt aus einer Propheten-Tradition und einer Tradition, Visionen zu haben.
Die Frage ist, wie kann Jesaja ein WORT schauen? Wenn der Navi in der „Verzückung“ ist, sind die Sinne nicht eindeutig getrennt. Schauempfang ist eine intensive Begegnung mit Gott und spricht alle Sinne an, überhöht die Sinne. Es ist alles auf einmal da. Das ist ein Zeichen für den Navi, dass er sich nicht etwas einbildet, sondern dass Gott spricht.
Nordreich und Südreich
Die Teilung entstand nach dem Tod König Schlomos als Konsequenz seiner Vielweiberei und dem daraus entstandenen Götzendienst. Zum Südreich gehörten Juda und Benjamin mit Jerusalem und dem Tempel. Die Könige des Nordreiches opferten deshalb oft in Bethel und Dan, wo sie Götzendienst praktizierten. Das Doppelanliegen der Neviim ist, den Götzendienst zu unterlassen und Nächstenliebe zu üben.
Im Südreich eskalierte die Situation nicht so stark, weil dort zum einen der Tempel zu finden war und die davidische Linie fortbestand. Im Nordreich kam es zu ständigen Dynastiewechseln.
Jesaja und die Propheten kennen ihre Tora gut. Von der Tora bis zu den Propheten gibt es eine rote Linie, weshalb man mit der Bibel intertextuell arbeiten muss. Die Propheten wissen, dass der Mensch mit Götzendienst gegen sich selbst handelt. Der Mensch handelt gegen seine von Gott geschaffene Konstitution. Es ist Gottes Liebe, dass er den Propheten (Seher) ins Volk schickt, der die Missstände sieht und die Folgen kündet Navi (Künder). Und alle möglichen Missstände und deren Folgen stehen im 5. Buch Mose.
Die besonders schwierige Situation damals war für Israel, dass es in einem völlig heidnischen Umfeld lebte und sah, wie die umliegenden Völker mit ihrem Kult leben. Es gab überall Skulpturen und heidnische Bräuche, die verführerisch wirkten. Gott erwartet von seinem Volk, dass es sich deutlich von den anderen Völkern unterscheidet. Die Könige waren gehalten, eine „eigene“ Tora abzuschreiben, wodurch sie die Weisungen Gottes kennen mussten.
Jes. 6: Schau im Hallenraum
Dieses Berechtigungskapitel von Jesajas Berufung ereignet sich im Todesjahr des Königs Usija. Er brachte ein Weihrauchopfer dar, zu dem er nicht berechtigt war, denn er war ein lasterhafter König. (Siehe 2.Kön.15 & 2.Chron.26) Darum wurde er aussätzig und aus dem Palast ausgesetzt, und er starb. Die Söhne Aarons brachten ebenfalls ein fremdes Opfer und starben, was deutlich macht, dass im Heiligtum nicht experimentiert werden darf. Der Tod des Königs ist ein tragisches Ereignis, weil er als Sündenbeladener qualvoll starb. Darunter litt auch das Volk.
Dagegen zeigt sich Gott dem Jesaja in der Schau mit feurigen Engeln im Tempel. Der Leser wird hingeleitet zu der universellen Botschaft Jesajas, die sich an die irdischen Menschen, darunter die Könige, richtet. Der Überblick vor dem eigentlichen Anfang in Kap.6 hilft Jesaja, sich nicht zu überheben. Es ist Gottes Entscheidung, ob ER sich durch eine Theophanie zeigen will. Deshalb legt Jesaja diese Gotteserfahrung und die Schau der Engeln nicht an den Anfang. Er zeigt damit, dass sein Vertrauen auf Gott so groß ist, dass er diese himmlische Offenbarung nicht als Autorisierung braucht. Es geht Jesaja nicht um seine Erfahrung, sondern um sein Volk. Außerdem war der Tempel zu seiner Zeit noch etwas Alltägliches.
Da Usija sich als vermeintlicher König der Welt im Tempel derart an Gott vergangen hatte, flocht Jesaja sein Erleben mit dem Tempel zur Zeit des Todes Usijas ein. Der Wille Gottes verlangt Heiligkeit und Reinheit.
6,1 Im Todesjahr des Königs Usijahu sah ich meinen Herrn sitzen auf hohem und ragendem Stuhl, seine Säume füllten den Hallenraum.
Es beginnt mit dem Tod Usijas. Der König war der höchste Herrscher, den Jesaja sah. Der aber starb, und der König der Könige lebt! ER zeigt sich auf dem Thron im Allerheiligstem mit der Bundeslade. Manchmal muss etwas sterben, damit etwas Neues erstehen kann. Der Tod steht im Dienst des Lebens. Der Kontrast zeigt den vergänglichen König und den ewigen König auf seinem Thron. Usija war ein Angeber, dessen Leben zu Ende ging. Überheblichkeit bringt Menschen zu Fall.
6,2 Brandwesen umstanden oben ihn, sechs Schwingen hatten sie, sechs Schwingen ein jeder, mit zweien hüllt er sein Antlitz, mit zweien hüllt er seine Beine, mit zweien fliegt er.
Zwei steht für die Polarität des Lebens: oben – unten, Mann – Frau, Tag – Nacht. Sechs ist das Umfassende: Nord, Süd, Ost, West, oben und unten, die Ausdehnung des Raumes. Was hier geschieht, hat Auswirkung auf den gesamten Raum der Erde. Das Geschehen ereignet sich oben, aber es wirkt weiter und zeigt sich auch unten. Vier Flügel bedecken den Körper und bleiben inaktiv, zwei Flügel sind aktiv. Das Aktive spielt sich in oben wie unten ab. Die Passivität und Aktivität stehen im Verhältnis 2:1. Es gibt Zeiten, in denen es der Ruhe und der aufmerksamen Wahrnehmung bedarf. Der Vorgang ist geprägt von mehr Innerlichkeit.
6,3 Und der rief dem zu und sprach: Heilig heilig heilig ER der Umscharte, Füllung alles Erdreichs sein Ehrenschein!
In dem dreimaligen „heilig“ (קָדוֹשׁ kadosch) sieht Franz Rosenzweig die Entwicklung der Menschheit in der Triade: Schöpfung, Offenbarung, Erlösung. Die Idee des Satzes besteht darin, dass die Erde zwar desolat ist, aber Gott in der Höhe greift in die niedrigsten Ebenen der Erde reparativ ein. Die Erde ist von IHM erfüllt (מְלֹא melo = erfüllt). Von Gott ist alles erfüllt. Es gibt keinen Ort ohne Gott. Gott ist und trägt alles. ER hat Gewicht, darum bekommt ER Gewicht, Ehre. (כַּבוֹד kawod = Ehre von כָּבֵד kawed = schwer).
6,4 Die Lager der Schwellen erbebten von der Stimme des Rufers, und das Haus füllte sich mit Qualm.
„Wo Rauch ist, da ist Feuer.“ Darum ist hier viel Qualm als Synonym für die Fülle von Gottes Geist zu lesen. Feuer zeigt sich wiederum in drei Stufen: Rauch, Feuer, Glut in der Kohle.
6,5 Ich sprach: Weh mir, denn ich werde geschweigt, denn ich bin ein Mann maklig an Lippen und bin seßhaft inmitten eines Volkes maklig an Lippen, – denn den König, IHN den Umscharten, haben meine Augen gesehn! 6 Aber von den Brandwesen flog eines zu mir, eine Glühkohle in seiner Hand, mit der Greifzange hatte es sie oben von der Statt gegriffen,
Jesaja empfindet sich als Mensch unreiner Lippen, weil die Heiligkeit Gottes ihn überwältigt. Es verschlägt ihm die Sprache. Dann bekennt er sich solidarisch mit seinem Volk. Durch das Sehen Gottes erfährt er eine Klarheit, die er vorher nicht hatte. Er merkt, dass er klein ist und beschuldigt sich selbst, ohne dass ihm jemand etwas sagen muss. Die Mystik des Judentums sagt, dass du in der anderen Welt den Film deines Lebens siehst mit allen positiven und negativen Gefühlen. Du kannst durch dieses Sehen und die Erkenntnis, die du am Ende hast, entweder den Himmel in dir haben oder die Hölle. Wir werden uns selber zum Himmel oder zur Hölle. Das Gefühl, das sich dann einstellt, wird sehr echt sein. Gott gibt die Möglichkeit des Purgatoriums, einen Ort der Reinigung. Durch die Einsicht Gottes wird das Leben verändert.
Was Jesaja nicht tun darf, ist, sein Volk als ein Volk unreiner Lippen anzuklagen, weil er damit schlecht von ihm spricht. Ein Mann Gottes darf nur das Gute benennen und herbeibeten, aber nicht den schlechten Status quo angeben. Andererseits sieht er sich nicht als etwas Besseres als das Volk Gottes, denn der Kontrast zwischen der Heiligkeit Gottes und seinem Leben sowie dem Leben des Volkes schmerzt ihn sehr. Dieses schlechte Sprechen über sich selbst und über sein Volk versündigt ihn, sodass der Seraph seine Lippen reinigt.
Es gab immer wieder Rufmord, z.B. die Ritualmordlegende gegen Juden. Da es diese üble Nachrede gibt, muss die Lippe mit Feuer gereinigt werden. Gott will auch keine Lippenbekenntnisse, denn sie sind nicht ernst gemeint. Sie können im Empfänger die Freude wegen mangelnder Aufrichtigkeit töten. Seine Sünde wird von Gott bedeckt, nicht einfach weggetan: (Jom Kippur = Tag der Bedeckung von lekaper לְכַפֵּר bedecken; tekupar תְּכֻפָּר bedeckt).
6,7 er berührte damit meinen Mund, er sprach: Da, dies hat deine Lippen berührt, so weicht dein Fehl, so wird deine Sünde bedeckt.
Auf der bedeckten Sünde darf durch Gottes Gnade Neues wachsen. Gott nimmt die Sünde nicht weg, sondern lässt sie hinwegschreiten von seinem Angesicht, bedeckt sie. Nur so werden wir aus den Fehlern lernen.
6,8 Nun hörte ich die Stimme meines Herrn, sprechend: Wen soll ich senden, wer wird für uns gehn? Ich sprach: Da bin ich, sende mich!
Gott stellt Fragen, weil ER in Beziehung tritt. ER stellt zwei Fragen und Jesaja gibt zwei Antworten. Jesaja gilt in diesem Moment als ein verkörperter Engel, da Gott fragt: Wer geht für uns? Gott, der bereits Adonai Zewaot genannt wurde, stellt diese Frage im Namen Seiner IHN umgebenden Engel, zu denen für diesen Moment auch Jesaja gehört. Darum legt ihm auch ein Engel die feurige Kohle in den Mund. Der verbrennt daran nicht, weil er gewohnt ist, mit Engeln umzugehen. Die Begegnung mit Gott ist ein feuriges Ereignis. Die Reinigung kann durch Feuer geschehen, muss aber nicht. Auf jeden Fall gibt es kein Feuermeer wie im katholischen Glauben.
Jesaja hört deutlich die Stimme Gottes. Und jetzt erwartet Gott eine beherzte Entscheidung, weshalb ER die Frage überhaupt stellt, wer gehen will. Gott muss nicht fragen, denn ER weiß alles. Aber nun entscheidet Jesaja sich eindeutig. Er sagt: Hier bin ich, sende mich (הִנְנִי שְׁלָחֵנִי hineni schlacheni)! Damit geht er sogar über Mose hinaus, indem er sich ausdrücklich senden lässt. Jesaja ist der einzige Mensch, der dieses „schlacheni“ ausspricht. Er ist bereit, ganz in dieser Sendung aufzugehen und die himmlische Ordnung, die er gesehen hat, auf Erden zu verkünden. Wer Jesaja sieht und hört, soll den Vater sehen und hören. Längst vor Jesus sagt Jesaja das.
V9 Er sprach: Geh, sprich zu diesem Volk: Hört nur, höret, und unterscheidet nimmer, seht nur, sehet, und erkennet nimmer! V10 Zu verfetten ist das Herz dieses Volks, seine Ohren zu verstumpfen, seine Augen zu verkleben, sonst könnte es mit seinen Augen sehn, mit seinen Ohren hören, in seinem Herzen unterscheiden, umkehren und Genesung würde ihm!
Der typische Sendungsauftrag: Geh! Gott spricht 8 Imperative aus, welche auf die Unendlichkeit hinweisen. Zudem wird Gott sehr ironisch. Das zeigt Gottes Verletztheit, mit der ER den Hörer wiederum verletzt.
Die drei wichtigsten Organe des Menschen sind nicht in Ordnung: Herz, Augen, Ohren. Das Herz ist der Sitz der Weisheit, mit dem ich Gott liebe. Gott hat Heilung bereit, aber es muss zuerst zur Wende kommen. Augen und Ohren müssen aufnahmefähig sein, dann gelangt Sein Wort ins Herz, wo es am Wort Gottes, der Tora, geprüft und entschieden wird. Wieder führt die Drei zu Umkehr und Heilung. Wir erkennen im obigen Vers die Fünf, das Begreifen.
6,11 Ich sprach: Bis wann, mein Herr? Er sprach: Bis dahin, daß Städte verheert sind, kein Insasse mehr, Häuser, kein Mensch mehr darin, des Menschen Boden verheert zu Öden. V12 Entfernen will ER den Menschen, groß wird die Verlassenheit des Landesinnern. 13 Dann, wenn nur noch ein Zehntteil darin ist und es wieder zur Abweide ward: der Eiche gleich, der Steineiche gleich, von denen beim Fällen ein Stumpf blieb: sein Stumpftrieb ist Same der Heiligung.
Nur Jesaja fragt Gott: Bis wann? Wie lange dauert es bis zur Heilung? Jesaja nimmt Anteil an dem Leid seines Volkes. Er braucht eine Perspektive für seine Botschaft und eine Trostbotschaft. Es muss leider erst so geschehen, dass es Zerstörung gibt, damit es zum Neuaufbau kommt. Die Zerstörung, die Entfernung, betrifft den Menschen, also alle Völker, nicht nur die Juden.
Die Einheit Gottes wirkt durch die Zehn. Wenn nur noch ein kleiner Stumpf übrig bleibt, wird der zum Same für das Neue. Die Triebkraft bleibt erhalten. Gott zerreißt nicht gnadenlos, ER reißt nicht unbedacht alles aus und pflanzt neue Bäume, sondern ER erhält diesen kleinen Lebenstrieb, in dem Sein Lebenshauch Neues erschafft. In Bezug zu V3 entsteht das neue Heilige.
Jüdische Engellehre
Es gibt 7 Himmel. In den Zwischenhimmeln arbeiten die regulären Engel. In der obersten Etage, der dritten Heiligkeitsstufe, sitzt Gott mit den Seraphim. Jesaja darf in diese oberste Etage blicken.
„Vier Klassen von dienenden Engeln dienen dem Heiligen Einen – gesegnet sei Er – und sprechen sein Lobpreis: das erste Lager, angeführt von Michael, zu seiner Rechten, das zweite Lager, angeführt von Gabriel, zu seiner Linken, das dritte Lager, angeführt von Uriel, vor ihm, und das vierte Lager, angeführt von Raphael, hinter ihm. Die Schechina des Heiligen Einen aber – gesegnet sei Er – befindet sich in der Mitte. Er sitzt auf einem Thron hoch und erhaben.“
– Pirqe de Rabbi Eliezer, Kapitel 4
Pirḳê de Rabbi Eliezer: According to the Text of the Manuscript belonging to Abraham Epstein of Vienna. Transl. and annot. with introd. and indices by Gerald Friedlander. Kegan Paul, London, 1916. S. 22.
Jes. 7: Die junge Frau
Aram ist das heutige Syrien. Es gab eine Koalition des Nordreichs mit Aram gegen Assyrien. In diese Koalition wollten die Beteiligten das Südreich mit hineinnehmen. Achas aber wollte einen Bund mit Assyrien schließen und sein Vasallenstaat werden, damit er Ruhe hätte.
Jesaja weiß und mahnt an, dass weder Kampf gegen noch ein Bundesschluss mit Assyrien richtig ist, sondern nur das Vertrauen auf Gott.
Es ist von Assyrien aus noch nichts geschehen; alle reagieren prophylaktisch. Durch solche Maßnahmen würde es jedoch zu Götzendienst kommen, denn der Assyrerkönig wollte natürlich als Gottkönig verehrt werden.
Manasse und Efraim waren die Hauptstämme des Nordreichs. Der große Feind war Assyrien, später Babylonien. Pakach hieß der König des Nordreichs, der mit König Rzin von Aram gegen Jerusalem paktierte. Eigentlich war es der Plan, dass das Nordreich mit dem Südreich paktierte gegen Assyrien, was der König des Südreichs aber ablehnte. Darum kämpften sie gegen den neuen Feind, das Südreich.
Achas hatte Angst, dass er den Kampf gegen Assyrien nicht gewinnen könnte. Er hatte eine Vasallenmentalität und meinte: „If you can’t beat them, join them.“ Diese Mentalität ärgerte Pakach.
Achas, der doch als König des Südreichs am Anfang von Gott ergriffen und nun abgefallen war, zitterte vor dem Feind. Er festigte sich nicht in Gott, sondern übertrug seine Angst auf das Volk, sodass alle Herzen wie die Bäume im Wind zittern. All unser Tun und Unterlassen hat Auswirkungen auf die gesamte Schöpfung. Es gibt die Interdependenz von Mensch und Schöpfung, wie es die Aussage deutlich macht: Menschen zittern wie Espenlaub. Wind ist auch der Geist (ruach רוח), aber der König lässt sich nicht vom Geist Gottes erfüllen. Achas sollte sich bewusst machen, dass er die davidische, die gesegnete Linie repräsentierte.
7,3 ER aber sprach zu Jeschajahu: Zieh doch hinaus, Achas entgegen, du und Rest-kehrt-um dein Sohn, ans Ende der Rinne des oberen Teichs, an der Straße zum Wäscherfeld,
שְׁאָר יָשׁוּב Sche’ar jaschuw = Rest-kehrt-um, so wird Jesaja seinen Sohn auf Gottes Geheiß hin nennen und somit eine Perspektive für die Zukunft haben. Gott wird einen Rest umkehren und zurückkehren lassen.
7,4 und sprich zu ihm: Hüte dich, halte dich still, fürchte dich nimmer, nimmer weich werde dein Herz vor diesen zwei qualmenden Fackelstummeln, bei der Zornglut Rzins und Arams und des Remaljahusohns!
Gott fordert Achas auf, nicht in blinden Aktionismus zu verfallen, innezuhalten, nachzudenken und zu vertrauen. Vier Mal sagt Gott dem Achas: Zittere nicht! Vier Mal, das heißt: Fürchte dich nicht vor der Welt, denn ich habe die Welt überwunden. „Qualmenden Fackelstummeln“ sind sie doch nur, wie ausgebrannte Zigarettenstummel, vor so etwas darf man sich doch nicht fürchten!
7,7 Vertraut ihr nicht, bleibt ihr nicht betreut. אִם לֹא תַאֲמִינוּ כִּי לֹא תֵאָמֵנוּ
Wenn du dich nicht festigst in Gott, bleibst du nicht fest; wie das Wort AMEN אמן aussagt: sich fest machen in Gott.
Wenn du dich an Gott festhältst, bist du festgehalten.
Wenn du MIR traust, bin ICH dir treu. Wenn du MIR vertraust, werde ICH dir vertraut werden.
Mit diesem Vers versuchte Gott, dass Misstrauen des Achas, der einmal gut begonnen hatte, zu überwinden und in neues Vertrauen zu überführen.
In den Versen 11-12 wird Achas aufgefordert, von Gott ein Zeichen zu erbitten. Er nimmt das Angebot aus Pseudobescheidenheit nicht an, denn es könnte sein, dass ihm Gottes Entscheidung in dem Zeichen nicht gefällt. Achas ist ein Heuchler, der sogar vor Gott zittert. Dabei will Gott ihm sagen, dass er nichts anderes tun muss als Gott zu vertrauen.
7,14 daß ihr auch meinen Gott ermüden wollt?! Darum gibt von selber mein Herr euch ein Zeichen. Da, die Junge הָעַלְמָה wird schwanger und gebiert einen Sohn. Seinen Namen soll sie rufen: Immanuel, Bei uns ist Gott!
Jesaja zeigt auf DIE Frau, auf eine bestimmte Frau. Es ist eine Frau, die Achas vertraut ist, vielleicht seine Frau oder seine Tochter. Vielleicht wird sie in unerwarteter Kürze schwanger, vielleicht auch ohne Geschlechtsverkehr, das geht aus dem Text nicht hervor. Aber so, wie Unfruchtbarkeit immer wieder ein Thema der Bibel ist, so auch hier die unerwartete Schwangerschaft einer jungen Frau, einer Alma עַלְמָה . Und die gibt dem Kind den Namen Immanuel, Gott ist mit uns, denn Achas soll Vertrauen auf Gott lernen. Für ihn wird das das Zeichen seines Sieges sein.
7,15 Doch wird Rahm und Honig er essen müssen, wann er erst weiß, das Böse zu verwerfen, das Gute zu erwählen,16 denn ehe der Knabe weiß, das Böse zu verwerfen, das Gute zu erwählen, wird zwar der Boden verlassen sein, vor dessen zwei Königen du zusammenschrickst, 17 aber kommen lassen wird ER auch über dich, über dein Volk, über dein Vaterhaus Tage, wie sie nicht gekommen sind seit dem Tag, da Efrajim (Nordreich) wich von Jehuda, – durch den König von Assyrien.
In Anlehnung an die Verheißung: ein Land von Milch und Honig wiederholt Gott diese Worte und sagt Achas, dass sie obsolet werden, wenn er nicht auf Gott hört. Die Spitze in diesem und dem folgenden Vers ist, dass das Kind eher in der Lage sein wird, das Böse zu verwerfen und das Gute zu wählen als Achas.
Gott schickt tödliche Fliegen und Bienen, die das Nordreich und Syrien (Aram) zerstören. So wirkt Gott, wenn der Mensch einfach vertraut und Gott wirken lässt. So wirkte Gott für die, die IHM vertrauen.
Nachdem Achas sich Assyrien unterworfen hatte und der Götzendienst eingezogen war, versuchte er, mit Ägypten zu koalieren. Er vergaß weiterhin sein Vertrauen auf Gott.
Jes. 9: Der Sohn
9,1 Das Volk, die in Finsternis gehen, ersehen ein großes Licht, die Siedler im Todschattenlande, Licht erglänzt über sie.
Das Volk, das jüdische Volk in Nord- und Südreich, verrennt sich in der Dunkelheit. Nur die Güte Gottes schenkt den Menschen Licht und lässt es über denen, die im Dunkeln tappen, erscheinen.
9,2 Reich machst du den Jubel, groß machst du die Freude, sie freun sich vor deinem Antlitz wie beim Erntefreudenfest, gleichwie man jubelt beim Beuteverteilen.
Der Sieg des jüdischen Volkes über Ägypten, Assyrien, Philister ist gewiss. Zuerst gibt Jesaja seine Trostbotschaft als Grundlage. Die Juden freuen sich über den Sieg über ihre Feinde, sie freuen sich vor Gottes Angesicht, weil DER den Sieg schenkte. Jesaja liebt, wie alle Orientalen, die Übertreibung und die Verstärkung, deshalb kommen Wiederholungen vor in Form von Freude, Jubel, Freudenfest.
9,3 Denn das Joch seiner Fron, das die Schulter ihm beugt, den Stock, der es antreibt, du zerknickst sie wie am Midjantag. 4 Denn alljeder Stiefel, herstiefelnd mit Gedröhn, Rock in Blutlachen gewälzt, zum Brande, Feuerfraß wirds. 5 Denn ein Neugeborner ist uns geboren, ein Sohn ist uns gegeben, auf seiner Schulter wird die Fürstenschaft sein. Seinen Wundernamen ruft man: Ratsmann des heldischen Gottes, Vater des Siegesgewinns, Fürst des Friedens.
Nun ist es so weit: Der Sohn des Achas ist geboren, der spätere König Hiskia, der aus dem Haus Davids kommt und das tut, was Gott gefällt. In diesen Nachfolger, von der Frau in Kap. 7 geboren, legt Jesaja besonders große Hoffnung und zeichnet ihn überschwänglich. Er könnte der erwartete Messias sein, wenn sein Vater mehr Glauben gehabt hätte.
Nach rabbinischer Auslegung gehören alle diese Titel Gott Vater, der mit solchen Titeln geehrt wird, weil ER gepriesen wird dafür, dass ER den Sohn mit dem Titel „Fürst des Friedens“ gegeben hat. Besonders deshalb, weil Abi-Ad heißt: mein Vater ist ewig. Dieser Vater kann nur Gott sein, denn kein Mensch ist ewig. So würde die Übersetzung lauten: „…, seinen Namen nannte der Wunderbares im Plan habende, allmächtige Gott, der Vater in alle Ewigkeit: ‚Fürst des Frieden‘“. (Mendel Hirsch im „Chumasch Schma Kolenu“)
Eine andere jüdische Lesart ist auch: „…, seinen Namen, wunderbarer Berater, nannte ihn der starke Gott, der ewige Vater und Friedefürst.“
Daran erkennt man, dass das hebräische Original 70 Gesichter hat und unterschiedliche Varianten zulässt.
Der Midintag soll Achas an den Sieg Gideon in Ri.8 erinnern, wo dieser mit 300 Mann siegte über die Übermacht der Midianiter. Midian bedeutet Gericht, Urteil.
9,6 Zu reicher Fürstenschaft und zum Frieden ohne Ende über Dawids Stuhl, über seiner Königsmacht, zu gründen die, sie zu stützen mit Gerechtigkeit, mit Wahrhaftigkeit, von jetzt in die Zeit fort: vollbringen wird das SEIN des Umscharten Eifer.
Der Friedefürst wird ewiglich, bis indie uns verborgene Ewigkeit, auf Davids Thron sitzen und mit Recht und Gerechtigkeit (בְּמִשְׁפָּט וּבִצְדָקָה beMischpat ubeZedaka) regieren. An seinem Friedensreich werden wir den wahren Messias erkennen. Doch auch das messianische Reich wird durch den Eifer des Adonai Zewaot ent- und bestehen, denn es ist Sein Ziel, Seinem Volk die Erlösung zu schenken.
Aber auch dieser Sohn Hiskia strauchelte, weil er die Tempelschätze zu seiner eigenen Ehre vorzeigte und nicht Zeugnis gab für Gott.
2. Kö.18, 1 Es war im dritten Jahr Hoscheas Sohns Elas Königs von Jissrael geschehn, daß Chiskija Sohn des Achas Königs von Jehuda die Königschaft antrat,2 fünfundzwanzigjährig war er worden, als er die Königschaft antrat, und neunundzwanzig Jahre hatte er Königschaft in Jerusalem. Der Name seiner Mutter: Abi Tochter Secharjas. 3 Er tat das in SEINEN Augen Gerade, allwie sein Vorvater Dawid getan hatte.