Haftara: Jer. 34,8-22; Jer. 33,25-26 zum Schabbat Mischpatim
27. Schwat 5782; 29. Januar 2022
Die dieswöchige Prophetenlesung ist eigentlich selbsterklärend. Die Kinder Israel hatten vor dem König einen Bund geschlossen, demzufolge sie nach dem Gesetz des Mosche im 7. Jahre ihre Knechte und Mägde in die Freiheit entlassen wollten. Doch kurz darauf brachen sie diesen Bund und nahmen ihre Knechte und Mägde mit Gewalt zurück in ihren Dienst.
Trotzdem möchte ich das Augenmerk auf einige Stellen lenken. Zum einen schließe ich mich der Übersetzung Bubers an, der nicht von Sklaven sondern von Knechten spricht. Wenn wir heute von Sklaven lesen, assoziieren wir schnell die amerikanische Sklaverei. Im Hebräischen steht jedoch der Begriff עֲבָדִים awadim, Einzahl עֶבֶד ewed = Knecht von עֲבוֹדָה awoda = Arbeit. Es sind Menschen gemeint, die für einen Dienstherrn arbeiten.
Eine אָמָה ama = Magd darf den Sohn der Familie heiraten und die שִׁפְחָה schifcha = Magd besitzt sogar eine noch größere Familienzugehörigkeit, denn in ihr liegt die Wurzel von מִשְׁפָּחָה mischpacha = Familie. Hagar als die Schifcha von Hagar durfte mit Abraham schlafen und für Sara Kinder bekommen sowie auch Bilha und Silpa.
Gerade fremdländische Knechte bekamen durch das Leben in der hebräischen Familie den Glauben an den Einen Gott mit sowie Seine Werte und Vorschriften. So wurden sie an den Eingottglauben herangeführt. Von ihnen wurde erwartet, dass sie im Haus eines Hebräers keinen Götzendienst mehr praktizierten.
Abraham nennt sich Gott gegenüber Knecht
Gen. 18,3 und sprach: Mein Herr, möchte ich doch Gunst in deinen Augen gefunden haben, schreite an deinem Knecht doch immer vorüber!
Er selbst hatte einen ausländischen Knecht namens Elieser, dessen Name bedeutet: mein Gott ist Hilfe. Er genießt Abrahams vollstes Vertrauen und bekommt von ihm einen wichtigen Auftrag für die Zukunft, denn er soll eine Frau für Jizchak heimbringen.
Gen. 24,2 Abraham sprach zu seinem Knecht, dem Alten seines Hauses, der alles Seine verwaltete: Lege doch deine Hand unter meine Lende!
Wir sehen, wie viel Rechte ein solcher Knecht hatte. Gott vertraute den Hebräern diese Diener an, für die sie viel Verantwortung hatten.
Ägypten wird ergänzend בֵּית עֲבָדִים bejt awadim genannt, was Buber mit „Haus der Dienstbarkeit“ übersetzt. Hier gestaltete sich die Arbeit nicht menschenfreundlich, sondern eher wie Zwangsarbeit, die keine Rücksicht auf das Wohlergehen des Bediensteten nimmt.
Knechte Gottes sind die Erzväter. Auch Mosche bezeichnet sich als solcher.
Ex. 32,13 Gedenke Abraham Jizchak Jissrael deinen Knechten, was du ihnen zuschwurst bei dir, wie du zu ihnen redetest: Mehren will ich euren Samen wie die Sterne des Himmels, und all dieses Land, von dem ich sprach, geben will ichs eurem Samen, daß sies eineignen auf Weltzeit.
Ex. 4,10 Mosche sprach zu IHM: Ach, mein Herr, ich bin nicht ein Mann von Reden, auch vortags auch ehgestern auch nun, seit du zu deinem Knechte redest, sondern ich bin schwer von Mund und schwer von Zunge.
Als Gott Israel aus Mizraim befreite, sollten die Kinder Israel nicht länger Knechte eines menschlichen Königs sein, sondern sie sollten allein Knechte des höchsten Königs werden, Knechte Gottes.
Lev. 25,42 Denn meine Knechte עֲבָדַי awadai sind sie, die ich aus dem Land Ägypten führte, sie sollen nicht verkauft werden in Knechtsverkauf. … 55 Denn mir Knechte sind die Kinder Jissraels, meine Knechte עֲבָדַי awadai sind sie, die ich aus dem Land Ägypten führte, ICH euer Gott.
Aus dem großen Zusammenhang verstehen wir das große Unrecht, dass die Kinder Israel nicht nur an ihren Knechten und Mägden begingen, sondern an Gott!
Sie hatten einen Bund geschlossen nach dem Vorbild von Abrams Bund zwischen den Fleischstücken. Auch dort nimmt Abram eine Kuh. Alle Tiere, bis auf die Vögel, schneidet er in der Hälfte durch.
Gen. 15,9 Er aber sprach zu ihm: Nimm mir bitte eine dreijährige Kuh, eine dreijährige Ziege, einen dreijährigen Widder, eine Turteltaube und eine junge Taube.
Daher wird ein Bund geschnitten: לכרות ברית lichrot brit = einen Bund schneiden.
Bei dieser Gelegenheit ließ Gott seinen Knecht Abram wissen:
Gen. 15,13 Er sprach zu Abram: Erkennen sollst du, erkennen, – daß Gastsasse dein Same sein wird in einem Land, nicht dem ihren, dienstbar machen wird man sie und sie drücken, ins vierhundertste Jahr.
Jer. 34,17 Darum hat ER so gesprochen: Ihr, ihr habt auf mich nicht gehört, Freilauf auszurufen jedermann für seinen Bruder, jedermann für seinen Genossen, wohlan, ich rufe für euch Freilauf aus, ist SEIN Erlauten, dem Schwert, der Seuche, dem Hunger, ich gebe euch zum Popanz allen Königreichen der Erde.
Gott wird scharf und ironisch. Wenn die Kinder Israel ihre Knechte und Mägde nicht freilassen, dann lässt ER Sein Volk frei. Doch diese Freiheit ist eine Freiheit von Gott und bedeutet darum nicht Freiheit sondern Dienstbarkeit gegenüber Völkern und gegenüber Nebukadnezer. Wer nicht dafür sorgt, dass die Kinder Israel Knechte Gottes sein können, muss sich in die Knechtschaft unter Menschen begeben.
Durch das Wortspiel mit dem Wort דְרוֹר dror = Freilassung speziell von Verknechteten wird sichtbar, dass Gott kein strafender Gott ist, sondern ein Gott, der Maß für Maß das unrechte Handeln sein Pendant erfahren lässt. ER handelt konsequent gegenüber denen, die Seinen Bund brechen und schuldig werden an schwächeren Menschen.
Jer. 34,18 Ich gebe die Männer, die meinen Bund überschritten haben, die nicht erstehen ließen die Rede des Bundes, den sie geschlossen hatten mir vorm Antlitz, da sie das Kalb entzwei schlissen, zwischen seinen Hälften hindurchschritten, 19 die Obern Jehudas, die Obern Jerusalems, die Kämmerer, die Priester und alle Volkschaft des Lands, die zwischen den Hälften des Kalbs hindurchgeschritten sind, 20 ich gebe sie in die Hand ihrer Feinde, in die Hand derer, die ihnen an die Seele trachten, daß ihr Leichnam zum Fraß werde dem Vogel des Himmels und dem Getier des Erdlands,
Die Konsequenz ist ernst, denn die Israeliten nehmen den Bund Abrams, ihres Stammvaters, nicht ernst. Der Bundesschluss von damals verkam zur Karikatur. Dafür tragen der König, der nichts gegen diesen Bundesbruch unternahm, und alle schuldig Gewordenen die Konsequenzen der Fremdherrschaft.
Doch die Haftara bekommt als zweiten Teil die Schlussverse des Kapitels 33. Denn trotz der Strenge Gottes gilt auch die erbarmende Seite Gottes. Wenn wir sehen können, dass Tag und Nacht nicht aufhören, verlässlich immer wieder kommen und uns Licht für unsere Arbeit und Dunkelheit für einen erholsamen Schlaf bringen, dann ist ebenso sicher, dass Gott Sein nach wie vor geliebtes Volk aus der Fremde und Verbannung zurückholen wird!
Ein sehr stimmiger Gedankengang durch die Knechte und Mägde, die Familienbande und den Bund.
Toda raba!