zum 3. Januar 2021: Der 12-jährige Jesus im Tempel
Lk. 2,46 Am dritten Tag fanden sie ihn – er saß im Tempel Vorhof unter den Rabbis, ihnen nicht nur zu, sondern stellte auch Fragen zu dem, was sie sagten; 47 und jeder, der in hörte, war erstaunt über seine Einsichten und Antworten. 48 Als seine Eltern ihn sahen, waren sie erschrocken; und seine Mutter sagte zu ihm: „Sohn! Warum hast du uns das angetan? Dein Vater und ich haben sich furchtbar gesorgt und dich gesucht!“ 49 Er antwortete ihnen: „Warum habt ihr mich gesucht? Wusstet ihr nicht, dass ich mich meines Vaters Angelegenheiten beschäftigen musste?“ 50 Aber sie verstanden nicht, was er meinte. 51 So ging er mit ihnen nach Nazareth und gehorchte ihnen. Doch seine Mutter behielt alle diese Dinge ihrem Herzen. 52 Und Jeschua wuchs an Weisheit und an Größe und nahm zu an Gunst bei anderen Menschen und bei Gott.
aus: Das jüdische Neue Testament, David Stern, Hänssler 1989
Jesus, ein Lernender in seiner Tradition
Jesus als 12-Jähriger ist in der Vorbereitung seiner Bar Mitzwa. Das beinhaltet, dass er die Tora liest und sich mit ihr auseinandersetzt. Die Tora lernen meint im jüdischen Kontext, die Tora zu lesen und zu hinterfragen, was der Text im Alltag zu bedeuten hat. Dazu werden nicht sofort Antworten gegeben, sondern zuerst mehrere Fragen an den Text gestellt. Die Toraschule ist dafür bekannt, dass eine Frage zur nächsten führt.
Ein Junge lernt im Judentum schon früh, Fragen zu stellen. Ich habe es in einer Synagoge selbst erlebt, wie ein verhältnismäßig kleiner Junge mit einem Bonbon für eine Frage an den Text Wochenlesung belohnt wurde. Somit ist es nicht verwunderlich, dass Jesus, der sicher mit einer besonderen Liebe zur Tora lebte, die entsprechende Fähigkeit für gute Fragen zu besaß.
Zudem konnte er gut zuhören, was die Grundlage ein erfolgreiches Lernen ist. Das Zuhören ist eine sinnvolle Anweisung aus der Tora: Höre, Israel!
Aus Fragen und Gegenfragen erwachsen sinnvolle Antworten, die vielleicht nicht bei jedem Jungen vorkommen, aber einer, der in seiner Tradition erzogen wurde und die Tora liebte, waren sie auffallend gut. Wir halten fest: In erster Linie kommt es auf gut und weiterführende Fragen an.
Es fällt auf, dass Jesus – typisch jüdisch – sogar mit zwei Gegenfragen antwortet: Warum habt ihr mich gesucht? und: Wusstet ihr nicht, …? Er wendet also das Wissen, dass er aus seinem Unterricht hat, an. Mit Gegenfragen will er den Fragesteller immer zum Nachdenken bringen. Vielleicht findet er selbst die Antwort. Wir finden es sehr häufig Jesus, dass er seinem Fragesteller aus eben dem Grund mit einer Gegenfrage antwortet.
Nun konnte seine Mutter all die Erlebnisse und Fragen nur in ihrem Herzen bewahren, wie es auch Jakob tat, nachdem er die Träume Josefs gehört hatte.
Ps. 26,8 Herr, ich habe lieb die Stätte deines Hauses und den Ort, da deine Herrlichkeit wohnt.
Auf diesen Satz aus den Psalmen konnte Jesus sich beziehen und auf die besorgte Frage der Mutter antworten. Trotz seiner Klugheit geht er mit seinen Eltern zurück nach Nazareth und gehorcht ihnen.
Der letzte Satz dieses Bibelabschnitts hat Anklänge an die jungen Jahre des Propheten Samuel.
1.Sam. 2,26Der Knabe Samuel aber nahm immer mehr zu an Alter und Gunst bei dem Herrn und den Menschen.
Es ist also nicht ungewöhnlich, dass ein Lernender Gunst findet bei Gott und den Menschen. Auch seine Weisheit nahm zu, womit der Text ausdrückt, dass er bei seinen Eltern, und einige Bibelexegeten sagen, bei Rabbi Hillel, ein Lernender blieb. Und m Übrigen ist es so, dass jeder, wie alt er auch sei, ein Lernender der Tora ist, denn Tora zu lernen, ist eine Mizwa!