12. April 2020 Auferstehungssonntag, Dimanche de Pâques (Frz.), 4. Tag Pessach

Markus 16, 1-8 Botschaft der Auferweckung
Als der Schabbat vorüber war, kauften Mirjam von Magdala, Mirjam, die Mutter des Ja’akow, und Schlomit Gewürze, um zu gehen und Jeschua zu salben. Sehr früh am ersten Tag der Woche, unmittelbar nach Sonnenaufgang, gingen sie zum Grab. Sie fragten einander: „Wer wird den Stein für uns wegrollen?“ Da schauten sie auf und sahen, dass der Stein, obwohl er riesig war, bereits weggerollt worden war. Als sie das Grab betraten, sahen sie einen jungen Mann, gekleidet in ein weißes Gewand, zur Rechten sitzen; und sie waren sprachlos. Aber er sagte: „Seid nicht überrascht! Ihr sucht nach Jeschua aus Nazaret, der am Pfahl hingerichtet wurde. Er ist auferweckt worden, er ist nicht da! Seht doch den Ort, wo sie ihn hinlegten. Doch geht und erzählt seinen Talmidim (=Schülern), vor allem Kefa (Petrus), dass er euch vorausgeht ins Galil*. Dort werdet ihr ihn sehen, genau wie er euch gesagt hat.“ Zitternd, aber außer sich vor Freude, gingen sie hinaus und flohen vom Grab, und sie sagten zu niemandem etwas, weil sie Angst hatten.
* Galil, hebr.: Umkreis, Landstrich. Es handelt sich also um den Umkreis von Jerusalem, vielleicht bis Bethanien, wo der Jüngerkreis immer wieder Rast machte. Dort sollte die erste Begegnung mit dem Auferstandenen stattfinden. (P. Lapide, S. 68)

aus dem Jüdischen Neuen Testament, David Stern, Hänssler-Verlag; Erklärung von Pinchas Lapide, Auferstehung. Ein jüdisches Glaubenserlebnis. Calwer-Kösel 1983, 4. Auflage

Einladende Worte

Wie könnten wir leben, wenn wir nicht wüssten, dass es ein Leben nach dem Tod gibt, und dass Gott Tote zum Leben erweckt! Die Botschaft von der Auferweckung Jesu veränderte die Welt. Sie wurde zwar keine bessere, die wir gemäß der Schilderungen in den Prophetenbüchern noch erwarten, aber sie erfuhr von dem Einen Gott und konnte den heidnischen Vielgottglauben größtenteils überwinden. Der Schöpfergott, der Vatergott und Wundertäter Israels, die Heilige Schrift und eine neue Form des Gottesdienstes, eine neue Glaubensgewissheit mit tiefem Trost aus den Psalmen und Propheten, die auch Jesus zitierte, eroberten die Welt durch diese Botschaft. Auch wenn es bei heidnischen Göttern so etwas wie eine Auferstehung gab, erklärt Pinchas Lapide:
„Wäre es angesichts der ‚Pädagogik Gottes‘ nicht denkbar, dass sich der Weltenherr des allen Heiden bekannten Auferstehungsmythos bediente, um durch die wahrhafte Auferstehung eines Gerechten in Israel ‚den Götzendienst in der Völkerwelt auszutilgen‘ und mittels des Osterglaubens ‚die Erkenntnis Gottes‘ bis an die vier Enden der Erde tragen zu lassen?“ (S.74)
In diesem Beitrag möchte ich zu diesem wunder-baren Ereignis, das heute in der Quarantäne, aber doch in der Gemeinschaft aller Glaubenden, bei wunderschönem Sonnenschein gefeiert wird, meinen geschätzten Schwiegervater Pinchas Lapide zu Wort kommen lassen. Als ich vor vielen Jahren das Buch erstmals las, war ich beeindruckt, mit welcher Bestimmtheit und Gewissheit ein Jude die Auferstehung Jesu belegt, während christliche Pfarrer meiner Jugendzeit die große „Entmythologisierungstheologie“ betrieben und mehr Zweifel als Glauben säten. Alle Seitenangaben beziehen sich auf das Buch, das ich bereits oben als Quelle angegeben habe: Auferstehung – Ein jüdisches Glaubenserlebnis.

Der Auferstehungsglaube Jesu

Die Erklärungen zum Pessachfest, das Jesus vor seinem Tod feierte, konnte ich bereits mit dem Jubelruf beenden:
Die Erzählung der Haggada, die mit der Erlösung unseres Volkes aus der Knechtschaft Ägyptens beginnt, klingt aus in die große Erlösung der Menschheit und der Welt, in den Tod des Todes …“ (P.Lapide, S.43)
1.Kor.15,54+55 «Der Tod ist verschlungen in Sieg. Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?» 
Jes. 25,8 Vernichten wird ER (Gott) den Tod auf ewig. Und abwischen wird Gott, der Herr, die Tränen von jedem Antlitz und die Schmach seines Volkes (Israel) von der ganzen Erde hinwegnehmen; denn Adonai hat es geredet.

Auferstehung in jüdischen Gebeten

Zu den 13 Glaubenswahrheiten des Maimonides, die zur Synagogenliturgie gehören, heißt es:
„Ich glaube mit voller Überzeugung, dass eine Auferstehung der Toten zu der Zeit stattfinden wird, die dem Schöpfer wohlgefallen wird.“ (S.32)
Ebenso beten Juden dreimal am Tag im Achzehnbittengebet:
„Du bist mächtig in Ewigkeit, Adonai!
Du belebst die Toten, stark, um stets zu helfen.
Der die Lebenden in Gnaden erhält,
die Toten belebt in großer Barmherzigkeit,
die Fallenden stützt und die Kranken heilt,
die Gefesselten löst
und seine Treue bewährt den im Staube Schlafenden.
Wer ist wie Du, Adonai, mächtig an Taten, und wer ist Dir ähnlich, König, der tötet und wieder belebt und sprossen lässt das Heil.
Und Du bist zuverlässig, dass Du beleben wirst die Toten.
Gelobt seist Du, o Ewiger, der die Toten belebt.
http://www.talmud.de/tlmd/der-deutsche-text-der-wochentagsamidah/

Einen möglichen rabbinischen Aphorismus, den ich sehr liebe, drückt Pinchas Lapide so aus:
„ Der Unglaube an den Tod als Schlusspunkt des Daseins ist der Vater aller Lebensbejahung.“
Der Tod hat nicht das letzte Wort, weshalb ich lieber vom Heimgang eines Menschen spreche. Das sogenannte „Totengebet“ der Juden, das Kaddisch, kennt das Wort „Tod“ nicht. Es ist ein einziger Lobpreis auf Gott und beginnt mit den Worten:
Erhoben und geheiligt, sein großer Name, in der Welt die er erneuern wird.
Er belebt die Toten, und führt sie empor zu ewigem Leben, …
Der Mittelteil ist nur auf Gottes Lob ausgerichtet:
Sein großer Name sei gelobt, in Ewigkeit und Ewigkeit der Ewigkeiten!
Es sei gelobt und verherrlicht
und erhoben und gefeiert
und hocherhoben und erhöht
und gepriesen der Name des Heiligen, gelobt sei er,
hoch hinaus über jede Lobpreisung und jedes Lied,
jede Verherrlichung und jedes Trostwort,
welche jemals in der Welt gesprochen,
Und sprechet: Amen
Es sei der Name des EWIGEN gelobt, von nun an bis in Ewigkeit!
https://www.talmud.de/tlmd/die-liturgischen-gebraeuchezwecke-des-kaddisch/

Belege für die Echtheit der Auferstehung Jesu

Pinchas Lapide wunderte sich in seiner Zeit über christliche Theologen, die die Auferweckung Jesu entmythologisieren wollten und sehr umständliche Formulierungen suchten. (S.79)
„Wenn Gott allgerecht und allbarmherzig ist, kann der Tod in dieser Welt kein Schlusspunkt sein. Diese Folgerung wurde zur schlichten, unumstößlichen Theo-logik für die meisten in Israel.“ (S.26)
Er zitiert dazu den Talmud, wo es heißt: (Sanh XI,1) „Aber diese haben keinen Anteil an der künftigen Welt: Derjenige, der sagt, dass die Wiederauferstehung der Toten nicht in der Tora gelehrt werde; …“ (S.29)
Den zweifelnden Theologen entgegnete Pinchas:
„In einer rein erfundenen Geschichte hätte man sich gehütet, ausgerechnet Frauen zu Kronzeugen der Auferstehung zu machen, da sie im rabbinischen Judentum als zeugnisunfähig galten.“ [Das Misstrauen geht auf einen Midrasch zur Ankündigung der Geburt Samsons in Ri.13,8ff zurück] „Da jedoch in Ausnahmefällen […] die Frau vor Gericht bezeugen durfte, dass ein Mann gestorben sei, so dass dessen Witwe sich wiederverheiraten durfte, musste es die Jünger wie Ironie anmuten, dass hier Frauen das Gegenteil bezeugen wollten, nämlich die Auferstehung eines Toten.“ (S.54+55)
Weiter argumentiert er: „Doch gerade, weil keiner der Evangelisten sich erkühnte, diese ungesehene Auferstehung nachzudichten oder auszumalen, gewinnt das evangelische Gesamtbild ebenfalls an Glaubwürdigkeit.“ (S.56)
Zu unserer Markusstelle merkt Pinchas an:
„Es klingt fast, als ob jedweder Jubelrausch gedämpft werden solle, mehr verhüllt als enthüllt werde und die Echtheit des Erlebnisses keinerlei Aufhebens benötige.“ (S.58) Und er vergleicht diese Stille mit Elija, der „eine Stimme verschwebenden Schweigens“ (1.Kö.19,11) hört und darin Gott erkennt.
Gerade in Bezug auf die Auferstehung möchte mein Schwiegervater ermutigen zum „Wagnis des Glaubens“ und zum „Aber-dennoch Glauben“.  
„Und der Glaube ist nicht Wissen, wohl aber Gewissheit, die nur echte Gläubigkeit zu schenken vermag.“ (S.71)
„Wenn Gottes Macht, die in Elischa wirkte, groß genug ist, um sogar einen Toten, den man in das Grab des Propheten geworfen hatte, wiederzubeleben (2.Kö.13,20ff), so wäre auch leibliche Auferstehung eines gekreuzigten Juden nicht unvorstellbar. ‚Oder ist bei Mir keine Kraft mehr, zu erretten?‘ (Jes.50,2) fragt der Herr allen Lebens die Schwergläubigen. (S.80)
„Dass diese Auferstehung nur wenige Zeugen hatte, ist kein Hindernis, sondern eher ein weiterer Beweis ihrer Echtheit.“ (S.70)
Dagegen sah er eine größere Gefahr darin, wenn dieses Erweckungsereignis eine größere Öffentlichkeit gehabt hätte:
„Wäre er damals, in diesem erlösungsdurstigen Klima messianischer Naherwartung, das ganz Israel beherrschte, allen oder vielen seiner jüdischen Zeitgenossen erschienen, dann bestünde in der heutigen Rückschau die nicht von der Hand zu weisende Möglichkeit, dass die Jesusbewegung und die in deren Fahrwasser folgende Kirche eine innerjüdische Institution geblieben wäre – wie sie es ja in ihrer Anfangssituation war -, ohne dass die Botschaft von dem Einen Gott und Seiner Gnadenliebe in die Heidenwelt getragen worden wäre.“ (S.71)
„Die Erfahrung der Auferstehung als Gründungsakt der Kirche, die den Glauben an den Gott Israels in das ganze Abendland getragen hat, muss also zum Heilsplan Gottes gehören.“ (S.87)
Eine Bestätigung findet Pinchas bei Maimonides:
„Alle diese Dinge, die sich auf Jesus von Nazareth beziehen, dienten nur dazu, den Weg zu bereiten für den König Messias und die Welt vorzubereiten für die Anbetung G-ttes mit einem einigen Herzen, wie geschrieben steht:  ‚Es kommt die Zeit, da will ich den Völkern reine Lippen geben, dass sie alle sollen des HERRN Namen anrufen und ihm einträchtig dienen’  (Zeph. 3:9).  Auf diese Weise werden die messianische Hoffnung, die Torah und die Gebote zu einem weit verbreiteten Glaubensgut – unter den Einwohnern der fernen Inseln und unter vielen Nationen, die unbeschnitten in Herz und Fleisch sind.“

So jubeln wir nun gemeinsam über Gottes Größen- und Gnadenerweis:
Deine Toten werden leben, werden auferstehen; aufwachen und jubeln werden die Bewohner des Staubes. Denn Tau der Lichter ist dein Tau, und die Erde wird die Schatten wieder gebären. (Jes.26,19)
und in der Gewissheit:
„So ist also die Hoffnung auf die Auferstehung ein vernünftiger Glaube, der für ein sinnvolles, erfüllbares Leben auf Erden genügen soll.“ (S.94)

Allen Lesern und Leserinnen wünsche ich gesegnete und in der Krisenzeit ermutigende Feiertage!

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