Predigttext vorgeschlagen für So, d. 23.Juli 2023

41 Diejenigen, die nun bereitwillig sein Wort annahmen, ließen sich taufen, und es wurden an jenem Tag etwa 3 000 Seelen hinzugetan. 42 Und sie blieben beständig in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und in den Gebeten. 43 Es kam aber Furcht über alle Seelen, und viele Wunder und Zeichen geschahen durch die Apostel. 44 Alle Gläubigen waren aber beisammen und hatten alle Dinge gemeinsam; 45 sie verkauften die Güter und Besitztümer und verteilten sie unter alle, je nachdem einer bedürftig war. 46 Und jeden Tag waren sie beständig und einmütig im Tempel und brachen das Brot in den Häusern, nahmen die Speise mit Frohlocken und in Einfalt des Herzens; 47 sie lobten Gott und waren angesehen bei dem ganzen Volk. Der Herr aber tat täglich die zur Gemeinde hinzu, die gerettet wurden.

Am jüdischen Schawuot שָׁבֻעוֺת oder Wochenfest 50 Tage nach Pessach erlebten die Pilger am zweiten Wallfahrtsfest in Jerusalem einige Elemente der Tora-Übergabe am Sinai, so z.B. das Brausen und das Feuer. Sie waren bewegt während ihres Pilgerweges und neugierig auf die Bedeutung des Erlebten, weshalb sie gespannt der Predigt des Kefa כיפא = Stein = Petrus lauschten. Von seinen Worten waren viele so ergriffen, dass sie die Botschaft zum Anlass für den Besuch einer Mikwe מִקְוֶה = Tauchbad nahmen. Damit zeigten sie, dass sie sich reinigen und dem Weg Jehoschuas nachfolgen wollten.
Zwar waren sie nach Jerusalem gepilgert, aber durch die römische Herrschaft hatten sie ihre Emuna אֱמוּנָה, ihren tiefen Glauben in Gott verloren. Was sie von Jehoschua hörten, gab ihnen das Vertrauen in ihren Vater und König zurück. Viele von ihnen können Mitläufer gewesen sein, die nicht wagten, gegen Unrecht und Götzendienst ihre Stimme zu erheben. Vielleicht waren einige sogar – mehr oder weniger heimlich – Kollaborateure der Römer wie Zachäus. Nun kehrten sie um von dem „verkehrten Geschlecht“, das nicht mit ganzem, ungeteiltem Herzen bei Gott war, wie sie doch zweimal täglich beteten:
Dtn. 6,4 Höre Jissrael שְׁמַע יִשְׂרָאֵל schma Israel: ER unser Gott, ER Einer!. 5 Liebe denn IHN deinen Gott mit all deinem Herzen, mit all deiner Seele, mit all deiner Macht.

3000 nahmen bereitwillig das Wort des Petrus an. Das heißt doch, sie nahmen die Botschaft an, nicht einen Menschen, weder Petrus noch Jehoschua. Zwar verkündet Petrus Jehoschua als Maschiach מָשִׁיחַ = Messias = Gesalbten, aber für ihn als Juden ist der Maschiach ein Mensch mit einer speziellen Berufung und Begabung Gottes. Er verkündigt Jehoschua als Nachfolger König Davids, was noch heute der Messiaserwartung im Judentum entspricht. Für Petrus hat sich Jehoschua durch seine Lehre und seine Bereitschaft zu sterben sowie durch seine Auferweckung durch Gott als Maschiach erwiesen, der mit an der Erlösung wirkt.

Lukas, der Verfasser der Apostelgeschichte, lässt Jehoschua nach seiner Auferweckung mit zwei Juden zusammentreffen (Lk. 24), die ihn als Propheten auszeichnen, und als solcher kann er für seine Aufgabe gesalbt worden sein. Die Sünderin, die ihn aufsuchte (Lk. 7,38), salbte zumindest seine Füße und zeigte ihm ihre Dankbarkeit.

Bei den Emmaus-Jüngern nennt Jehoschua sich selbst Maschiach:
Lk. 24,26f Musste nicht der Christus dies erleiden und in seine Herrlichkeit eingehen? 27 Und er begann bei Mose und bei allen Propheten und legte ihnen in allen Schriften aus, was sich auf ihn bezieht.
Warum spricht Jehoschua von sich in der 3. Person? Er ist doch kein Kind mehr, das sich selbst noch nicht als „ich“ identifiziert. Nein, sondern er ist viel zu bescheiden, um sich selbst irgendeinen Titel zu geben. Vielmehr sieht  er sich als den von Gott Berufenen, die Erlösung vorzubereiten, ein Teil der  Erlösung zu sein, sie jedoch nicht zu Ende zu führen, denn auch die Augen der Jünger erkennen, dass sich nach seiner Auferstehung nichts geändert hatte.

Wir lesen, dass die Gerufenen zusammenblieben in der Lehre der Apostel. Darum müssen wir davon ausgehen, dass Jehoschuas Schüler Gott verkündeten ganz nach dem Vorbild ihres Lehrers, dass sie die Schrift, den Tanachתנ’ך [1] = Hebräische Bibel auslegten, ganz wie sie es von ihm gelernt hatten. Petrus unterstellt alles Gott, denn ER ist es auch, der Menschen zu ihrer Gemeinschaft hinzufügt: V39 so viele der Herr, unser Gott, herzurufen wird.

Die 3000 Menschen zeigen an, dass eine Transformation ansteht, sowohl in ihrem eigenen Leben, das eine Erneuerung erfuhr, als auch im Leben der Gemeinschaft, die nun nicht mehr verängstigt hinter verschlossenen Türen sitzen muss. Sie kann sich mit dem neuen Mut von Schawuot vor den Römern zeigen.

Diese Menschen verließen nicht die jüdische Gemeinschaft der Tora-Lehre und der Gebete sowie des Brotbrechens, das zu Beginn einer jeden jüdischen Mahlzeit vorgenommen wird. Der Kiddusch, die Heiligung der Speisen, findet am Schabbat und an Feiertagen mit Brot und Wein statt, an normalen Wochentagen findet nur das Brechen des Brotes statt mit dem Segen:  
בָּרוּךְ אַתָּה יְהֹוָה אֱלֹהֵינוּ מֶלֶךְ הָעוֹלָם המצי לחם מין הארץ.
Baruch atta adonai elohenu, melech ha-olam, ha-mozi lechem min ha aretz.
Gepriesen seist du, Ewiger, unser Gott; du regierst die Welt. Du lässt die Erde Brot hervorbringen.

Lukas erzählt, dass die Menschen, welche die Apostel mit ihrer Lehre gewonnen hatten, einem zutiefst jüdischem Weg folgten. Denn ihr Glaube an die Tora und die Erwartung eines Erlösers sind ebenfalls zutiefst jüdisch. Sie waren ihrem Gott treu, was besonders daran zu sehen ist, dass sie ihre Habe verkauften, um den Erlös mit den Bedürftigen zu teilen. Es ist eine Mizwa מִצְּוָה, ein Gebot Gottes, dass sich die Nächstenliebe in konkretem Handeln für die Armen, die Witwen und Waisen ausdrückt. In dieser Gemeinschaft ist das Wort Gottes neu erwacht und drängt die Menschen zum Tun!

Auch Zeichen und Wunder waren zu allen Zeiten Taten von Zaddikim צדקים, von gerechten Menschen, die ihren Weg gerade mit Gott gingen. Wir kennen solche Wunder von Elija und Elischa. Aber auch von Rabbinern um die Zeitenwende und danach werden solche Begebenheiten erzählt, in denen sie einen Menschen heilten oder Regen auf dürres Land brachten. Wer auf Gott vertraut, kann in Gottes Name das tun, was wir Wunder nennen.
So wird in der Mischna, dem ersten Teil des Talmuds, eine Geschichte von Choni, dem Kreiszieher erzählt:

„Es geschah, daß man zu Choni dem Kreiszieher sagte: ‚Bete, damit Regen fällt!‘ Er sagte zu ihnen: ‚Fastet und bringt die Pessachöfen herein, damit sie nicht aufweichen!‘[2] Er betete, aber es fiel kein Regen. Er zog einen Kreis, stellte sich darein und sprach: ‚Rabbuni! Deine Kinder haben ihre Gesichter auf mich gerichtet, denn ich bin wie ein Sohn des Hauses vor Dir. Ich schwöre bei Deinem großen Namen, daß ich nicht von hier weiche, bis Du Dich Deiner Kinder erbarmen wirst. Da begann es tropfenweise zu regnen. Da sprach er: ‚Nicht solches habe ich erbeten, sondern Regen, der Brunnen, Kanäle und Zisternen füllt.‘ Da fiel der Regen mit Zornesgewalt. Da sprach er: ‚Nicht solches habe ich erbeten, sondern Regen des Wohlgefallens, des Segens und der Wohltat.‘ Da fiel der Regen, wie es sein soll, bis Israel aus Jerusalem auf den Tempelberg hinaufzog wegen (der Menge) des Regens. Da sprachen sie zu ihm: ‚Wie du gebetet hast um das Fallen des Regens, so bete um das Aufhören des Regens.‘ Da sprach er zu ihnen: ‚Fastet und seht, ob der Stein der Irrenden sich aufgelöst hat.‘[3] Da schickte Schimon ben Schetach zu ihm. Er sprach zu ihm: ‚Man müßte dich verbannen. Aber was soll ich mit dir tun? Du benimmst dich ungehörig vor dem Ort, wie ein Sohn, der sich ungehörig zu seinem Vater benimmt, aber jener tut nach seinen Willen. Über dich sagt die Schrift: Es freut sich dein Vater und deine Mutter, und es jubelt, die dich geboren hat. (Sprüche 23,25).‘“

Mischna Taʿanit 3,8

Der wichtigste Hinweis steht am Schluss dieses Kapitels: Und jeden Tag waren sie beständig und einmütig im Tempel! Sie wollten die Gegenwart Gottes erleben, Seine Nähe, Sein Reden, Seine Herrlichkeit. In den Tempel durfte keiner, der eine andere Lehre als die jüdische lehrte und verbreitete. Jehoschua verweilte hier, weil er dem Vater nahe sein wollte und weil er nichts anderes kannte und lehrte als die Tora. Ebenso die Gemeinschaft, die ihm auf seinem vorbildlichen Weg, den er von Gott gelernt hatte, folgen wollte. Sie war im Tempel, obwohl hier Opfer dargebracht wurden. Der Tempel und seine Rituale standen für sie eben nicht im Widerspruch zu ihrem Glauben. Vielmehr tat diese Gruppe nichts anderes, als den himmlischen Vater, den Schöpfer der Welt zu loben: „sie lobten Gott und waren angesehen bei dem ganzen Volk“.

Die Lehre eines zweiten Gottes hätte Spaltung gebracht, wie wir es gegen Ende des 1. Jhs. sehen, als immer mehr Heiden zur Gemeinschaft des Monotheismus hinzukamen, und denen das Apostelkonzil den Weg bahnte. Sie entfernten sich alsbald von der jüdischen Lehre und schufen sich ihren eigenen Erlöser, der zu ihrem Heidentum, das sie verlassen hatten, passte. Sie kannten die Quelle, die jüdischen Schriften, aus denen ihr Heiland getrunken hatte, nicht mehr.

Ohne spaltende Lehre aber genoss diese Gemeinschaft das Ansehen des Volkes, denn sie lebte und betete vorbildlich, innig und war ein Zeugnis der engen Verbindung mit Gott. Mit ihrer Einmütigkeit in der Lehre, mit ihrer Bescheidenheit und Freude, sich zu besuchen, Mahlgemeinschaft zu halten mit dem entsprechenden Brotsegen, geben sie anderen Menschen einen Anreiz, zu ihnen gehören zu wollen. Und so heißt es: Der Herr [= Gott] aber tat täglich die zur Gemeinde hinzu, die gerettet wurden.

Aus dem Zusammenhang des vorher Gesagten ergibt sich, dass der Herr nur Gott = אדוני Adonai = Herr sein kann. Und ihre Rettung bestand darin, dass sie ihren Glauben an Gott und Seine Tora wiedergefunden hatten. Dadurch war die Furcht vor den Römern, die in der Emmaus-Erzählung ja noch deutlich thematisiert wird, zu einem Großteil gebannt und der Lebenssinn, die Lebensfreud waren wiedergefunden worden.


[1] Hebräische Bibel bestehend aus Tora, Newiim=Propheten, Chetuwim=Schriften
[2] Die Pessachöfen wurden speziell für das Fest aus Lehm hergestellt. Bei fallendem Regen – womit Choni also fest rechnet – würden sie aufweichen und der Ablauf des Pessachfestes gestört werden.
[3] Der „Stein der Irrenden“ ist eine Art „Fundbüro“ auf dem Tempelplatz. Natürlich löst sich der Stein nicht auf. Die Antwort Chonis drückt seinen Unwillen aus, auf das Drängen der Bevölkerung reagieren zu müssen.

One thought on “Apg. 2,41ff 3000 Gerettete aus dem verkehrten Geschlecht

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