vorgeschlagen für Palmsonntag, d. 28. März 2021

Hebr. 11, 1-2 Vertrauen heißt, dessen gewiss zu sein, was wir erhoffen, jener Dinge sicher zu sein, die wir nicht sehen. Dafür hat die Schrift den alten einen Verdienst bezeugt.
[3-7 In dem wir vertrauen, begreifen wir, dass das Universum durch ein Wort Gottes geschaffen wurde, so dass das sichtbare nicht aus bereits existierenden Phänomenen ins sein kam.
Indem er vertraute, brachte Hevel Gott ein größeres  Opfer da als Kajin; deshalb wurde er gerecht gesprochen und Gott gab ihm dieses Zeugnis aufgrund seiner Gaben. Dadurch, dass er vertraut hat, redet er noch heute, obgleich er tot ist.
Indem er vertraute, wurde Chanoch aus diesem Leben fortgenommen, ohne den Tod zu sehen – „Er sollte nicht gefunden werden, weil Gott in fortnahm“–, denn von ihm ist, bevor er fortgenommen wurde, bezeugt, dass er Gott wohlgefiel. Und ohne Vertrauen ist es unmöglich, Gott wohlzugefallen, denn wer immer zu ihm kommt, muss darauf vertrauen, dass er existiert und dass er ein Belohner wird für die, die ihn suchen.
Indem er vertraute, wurde Noach, nachdem er die göttliche Warnung vor noch unsichtbaren Dingen empfangen hatte, mit heiliger Furcht erfüllt und baute eine Arche, um sein Haus zu retten. Durch dieses Vertrauen stellte er die Welt unter die Verdammnis und empfing die Gerechtigkeit, die aus dem Vertrauen kommt.]
8-12 Indem er vertraute, gehorchte Abraham, nachdem er aufgefordert worden war, hinauszugehen an einen Ort, den Gott ihm als Eigentum geben würde; wahrhaftig, er ging hinaus, ohne zu wissen, wohin er ging. Indem er vertraute, lebte er als zeitweiliger Einwohner im Land der Verheißung, als sei es nicht seines, und blieb in Zelten mit Jizchak und Jaakow, die mit ihm empfangen sollten, was verheißen war. Denn er erwartete die Stadt mit ewigen Grundsteinen, dessen Architekt und Erbauer Gott ist.
Indem er vertraute, erhielt er die Fähigkeit, Vater eines Kindes zu werden, obwohl er, wie auch Sarah, bereits jenseits des Alters dafür waren; weil er den Einen, der die Verheißung gemacht hatte, als vertrauenswürdig erachtet. Deshalb wurde dieser eine Mann, der praktisch tot war, zum Vater von Nachkommen, so zahlreich wie die  Sterne am Himmel und so zahllos wie die Sandkörner am Meeresufer.
39+40 Ihnen allen wurde ihr Verdienst bezeugt aufgrund ihres Vertrauens. Denn noch empfingen sie nicht, was verheißen war, denn Gott hat etwas Besseres geplant, dass auch uns mit einschloss, so dass sie nur gemeinsam mit uns zum Ziel gebracht werden sollten.
Hebr. 12,1-3: Deshalb nun, weil wir von einer so großen Wolke von Zeugen umgeben sind, wollen auch wir jedes Hindernis – das heißt die Sünde, die so leicht unser Vorwärtsschreiten hemmt – abtun und mit  Ausdauer laufen in dem Wettlauf, der vor uns liegt, und dabei auf den Gründer und Vollender dieses Vertrauens, Jeschua, sehen – der im Austausch gegen die Freude, die vor ihm lag, die Hinrichtung am Pfahl als Verbrecher erduldete, die Schande nicht achtete und sich zur rechten Hand des Thrones Gottes gesetzt hat.

Das Jüdische Neue Testament, David Stern ז״ל, Hänssler-Verlag 1989

Dieser Text ist ein wunderbares Beispiel für Glaube und Vertrauen im Ersten Testament, und ich möchte jedem empfehlen, diese zwei Kapitel ganz zu lesen. Diese Beispiele beginnen mit der Schöpfung und reichen bis in die außerbiblische Zeit, wo Menschen wie im Buch der Makkabäer grausam um ihres Glaubens willen getötet wurden.
Von Chanoch (Henoch, von dem Verb לַחְנֹךְ lachnoch = weihen, weil er sein Leben Gott weihte) wissen wir aus dem Tanach wenig. Doch was wir hier erfahren, ist ein Midrasch zu Chanoch. Er lebte in einer gottlosen und sündhaften Gesellschaft ein Gott wohlgefälliges Leben, sodass Gott ihn hinwegnahm, um ihn zu schützen.
Vielleicht sollten wir an dieser Stelle erwähnen, dass es zu den 613 Ge- und Verboten gehört, von denen in heutiger Zeit nur noch etwa 219 praktikabel sind, an die Existenz Gottes zu glauben, IHN zu lieben, etc. „1. Anerkennung des Daseins Gottes (2. B.M. 20,2); 2. Anerkennung der Einheit Gottes (5. B.M. 6,4); 3. Liebe zu Gott (5. B.M. 6,5); 4. Ehrfurcht vor Gott (5. B.M. 6,13); 5. Gebet (2. B.M. 23,25); 6. Hängen an Gott (5. B.M. 10,20); …“  (https://www.talmud.de/tlmd/die-ge-und-verbote-nach-maimonides/)

Doch der Predigttext legt das Augenmerk auf Abraham, Vater des Glaubens und des Monotheismus, Vater des Judentums und all der Völker, die sich mit ihm segnen wollen. So wurde er über Ismael Vater der Muslime und über den Glauben an den Gott Israels auch Vater der Christen.
Abraham bestand der jüdischen Auslegung zufolge 10 Glaubensprüfungen, wovon die erste auf einem Midrasch (Auslegung des Wortes Gottes) beruht, also „Geschichten“, mit denen sich Rabbiner durch Gottes Inspiration offene Fragen zum Tanach beantworteten. Diese Midraschim greifen die Kultur und die Glaubenspraxis in der jeweiligen Zeit auf, sodass sie sich durchaus im Bereich des Möglichen befinden.
1) Trennung von den Götzen seines Vaters (Gen.11,28)

„Es wird berichtet, dass Terach, sein Vater, Götzenfiguren verkaufte. Als Terach einmal unterwegs war, sollte Abram ihn im Geschäft vertreten. Ein alter Mann betritt den Laden und will eine Figur kaufen. Abram fragt ihn: ‚Wie kommt es, dass du einen Gott kaufst, der viel jünger ist als du?‘ Daraufhin zerschlug Abram alle Götzenfiguren. Nur die Größte verschonte er und steckte ihr einen Stock in die Hand. Als Terach zurückkam, wolle dieser wissen was geschehen ist. Abram gab folgende Erklärung: ‚Der große Götze mit dem Stock hat alle anderen zerschlagen.‘ Sein Vater erwiderte: ‚Das ist nicht möglich. Es sind Figuren, die sich nicht bewegen können, keine Kraft haben.‘ Abram macht ihn auf seine eigenen Worte aufmerksam. Er fordert ihn auf, seine Worte zu überdenken. Dann meinte er: ‚Wenn das so ist, wie kann dann eine Götzenfigur Menschen helfen? Warum bittet man sie, wenn sie nichts tun können?‘“

Die 10 Prüfungen Abrahams

2) Verlassen des Landes (Gen. 12,1)
3) Hungersnot und Gang nach Ägypten (gen. 12,10)
4) Pharao bemächtigt sich seiner Frau Sara (Gen. 12, 14ff)
5) Die Rettung seines Neffen Lot (Gen. 14,1ff)
6) Gottes Bund mit Abraham zwischen den Fleischstücken  (Gen. 15,8-21)
7) Abrahams Beschneidung mit 99 Jahren (Gen. 17)
8) Abimelech lässt Sara zu sich bringen (Gen. 20)
9) Abraham soll auf Saras Bitte hin Hagar und Ismael verstoßen (Gen. 21)
10) Die Bindung Isaaks (Gen. 22)
https://www.ordonline.de/religion-aktuelles/dwar-thora/die-akeda-die-bindung-nichtopferung-isaaks-die-10-pruefungen-abrahams/

Die Bindung Isaaks (Akeda) hat ihren Niederschlag auch in jüdischen Gebeten gefunden. So heißt es im Zusatzgebet (Mussaf) an Rosch haSchana:
„Unser Gott und Gott unserer Väter, gedenke unser in gutem Gedenken vor dir und lass uns den Beschluss deiner Hilfe  und des Erbarmens von den höchsten Himmelshöhen  zuteilwerden, gedenke unser, Ewiger, unser Gott, des Bundes, der Gnade und des Schwures, welche du unserem Vater Abraham auf dem Berg Moriya zugeschworen, es erscheine vor dir die Bindung [Akeda], als unser Vater Abraham seinen Sohn Isaak auf dem Altare band und sein Erbarmen bezwang, um deinen Willen mit ganzem Herzen zu erfüllen.“
Raschi schreibt zu Gen.22: „Gott wird diese Opferwilligkeit [Akeda] immer vor sich sehen, um Israels Sünden zu verzeihen und sie von Strafen zu befreien, sodass man ‚an diesem Tage‘ für alle Zeiten sagen wird: Auf diesem Berge erscheint die Asche Jizchaks (Bild des Gehorsams und der Demüthigung) und dient als Versöhnungsmittel.“
(Gebet und Raschi zitiert aus: Kommentar zum Jüdischen Neuen Testament, David Stern ז״ל, Band 3, Hänssler 1996, S. 83)

Diese Wolke von Zeugen, die im Hebräerbrief aufgezählt wird, besteht aus vertrauenden Menschen. Nur mit seinem Glauben konnte auch Abraham all diese Prüfungen bestehen. Der Glaube an Gott ist ein Sich-Festmachen an dem unsichtbaren Gott. Auf Hebräisch heißt Glaube > Emuna אֱמוּנָה. Wir können es am besten verstehen im Vers Jes. 7,9, welcher in korrekter Übersetzung so lautet: אִם לֹא תַאֲמִינוּ כִּי לֹא תֵאָמֵנו = im lo ta’aminu ki lo te’amnu = Festigt ihr euch nicht in Gott, so bleibt ihr nicht gefestigt. Daraus stammt das Wort „Amen“.
Ein solcher Glaube ist eine große Gewissheit in Gott. Es ist eben nicht der „Glaube“, dass ein Brühwürfel eine gute Suppe gibt. Ein glaubender Mensch weiß, dass Gott jede Situation in der Hand hat und sie für uns, Seine Kinder, zum Besten wendet.
Die Schrift, die erwähnt wird, ist der Tanach, der allein als Schrift den Juden vorlag. Auch die ersten Teile der Mischna (Wiederholung), die etwa ab 200 v.d.Z diskutiert und nach und nach verschriftlicht wurde, waren bekannt, was uns der Bezug zu Midraschim zeigt. Die Schrift ist ein verlässliches Zeugnis all der Vertrauensbeweise der Menschen und all des barmherzigen oder richtenden, auf jeden Fall gerechten Handelns Gottes.

V39+40 Etwas fehlt nach Überzeugung des Verfassers den Glaubenden noch; sie haben seiner Meinung nach noch nicht die vollständige Belohnung erhalten. Ich bin überzeugt, dass es für Abraham genug göttliche Belohnung war, alle Prüfungen bestanden zu haben. Und Mose, obwohl er nicht in das verheißene Land hinein durfte, hatte Gottes Wunder in der Wüste erlebt. Am Sederabend zu Beginn des Pessachfestes, wird ein Lied gesungen, dass alles, was Gott nach der Rettung aus Ägypten für uns getan hat, mehr als genug ist: Dajenues ist für uns genug , das ich bereits zitiert habe und das Sie unter dem Link finden können.
Aber es ist richtig, dass allen noch etwas fehlt und alle noch auf etwas warten: auf den Messias. So heißt es in V26 mit Blick auf Mose: Das Leiden um des Messias willen galt ihm als ein größerer Reichtum als die Schätze Ägyptens, denn er schaute auf die Belohnung.
Abraham hatte schon eine Messiaserwartung durch die Begegnung mit Melchizedek, „mein König der Gerechtigkeit“, der Abram segnete (Gen. 14,18ff). Von ihm heißt es in Ps. 110, 4Der HERR hat geschworen und wird es nicht bereuen: Du bist Priester in Ewigkeit nach der Weise Melchizedeks!
Im Segen Jakobs für Juda liegt ein Blick in die Zukunft auf den Messias. Der wird von Bileam aufgegriffen in seiner Segnung über dem Volk Israel in Num. 24,2-9 und den Versen 15-19. Auch das Versprechen an Mose wurde als ein Hinweis auf den Messias verstanden: Dtn. 18, 18Ich will ihnen einen Propheten, wie du bist, aus ihren Brüdern erwecken und meine Worte in seinen Mund geben; der soll zu ihnen reden alles, was ich ihm gebieten werde.
Somit sehen wir, dass es die Messiaserwartung im Judentum schon von Anfang an gab. Diesen Messias konnten alle Glaubenshelden noch nicht sehen.
Es ist interessant, dass der Autor Gottes Wirken dahingehend interpretiert, dass Er Heiden und Juden „gemeinsam“ ans Ziel gebracht hat. Der Briefschreiber wirbt dafür, dass niemand die erste Rolle spielt bei der Erlösung durch den Messias. Er möchte beide vereint sehen, obwohl ihm bestimmt die Sicht der Mehrheit der Juden bekannt ist: Ohne Frieden ist die messianische Ära noch nicht angebrochen. Für den Messias müssen im Judentum folgende Bedingungen erfüllt sein:

  • Jude sein (Dtn 17,15); (Num 24,17)
  • dem Stamm Juda angehören (Gen 49,10)
  • ein direkter männlicher Nachkomme (Sohn nach Sohn) von König David (1 Chr 17,11; Ps 89,29–38; Jer 33,17; 2 Sam 7,12–16) und König Salomon sein (1 Chr 22,10; 2 Chr 7,18)
  • das jüdische Volk aus dem Exil in Israel versammeln (Jes 11,12; Jes 27,12f)
  • den jüdischen Tempel in Jerusalem wieder aufbauen (Mi 4,1)
  • den Weltfrieden bringen (Jes 2,4; Jes 11,6; Mi 4,3)
  • die ganze Menschheit dazu bringen, den ein-einzigen Gott anzuerkennen und ihm zu dienen (Jes 11,9; Jes 40,5; Zef 3,9).
    https://de.wikipedia.org/wiki/Messias#Au%C3%9Ferbiblische_Messiaserwartungen

Aber der Verfasser des Briefes nimmt alle mit hinein, auch die Juden. Er lädt sie ein zu dem Wettlauf mit den Glaubenswerken der Altvorderen. Schweres Gepäck ist da die Sünde, die ein jeder hinter sich lassen soll. Ermutigung erfährt jeder, wenn er „des Glaubens Anführer und Vollender“, (gemäß Prof. Herbert Jantzen, 2009) nämlich Jesus, sieht. Wer auf Jesus sieht, hat das richtige Vorbild gefunden. Er reiht sich ein in die Reihe der aufgelisteten Ahnen, die sich an Gott festmachten. Er nahm den Tod auf sich, weil er Gott mehr gehorchen wollte als den Menschen. Und wie es in Ps. 110, 1 heißt: Ein Psalm Davids. Der HERR sprach zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde hinlege als Schemel deiner Füße 2Der HERR wird das Zepter deiner Macht ausstrecken von Zion: Herrsche inmitten deiner Feinde!

One thought on “Gedanken zur Predigt Hebr. 11 & 12 in Auszügen

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