Wisse vor wem du stehst (Goldene Inschrift über dem Toraschrein)

Weg, Wahrheit, Leben

Ist Jesus nicht der Weg, die Wahrheit, das Leben? Muss diese Aussage nicht jeden Juden aufrütteln? Ist sie nicht der Beleg dafür, dass jeder Mensch ohne Jesus verloren ist? So lernte ich es, bevor ich in Jesus Jehoschua, den jüdischen Rabbi sehen konnte, bevor ich die Wahrheit erkannte.

Joh. 14,4 Wohin ich aber gehe, wisst ihr, und ihr kennt den Weg. … 6 Jesus sagt zu ihm [Thomas]: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich.

Wer oder was ist Weg, Wahrheit und Leben? In den „Sprüche der Väter – Pirke Avot“[1] finden wir folgende Antwort:

Groß ist die Tora. Sie gibt ihrem Befolger Leben in dieser und der künftigen Welt.
Es heißt ja (Spr 4, 22): „Sie ist Leben für die, die sie finden, und bringt ihrem ganzen Leibe Heilung.“
Ferner heißt es (Spr 3, 8): „Heilung ist sie für deinen Leib und für deine Glieder Erquickung.“
Ferner heißt es (Spr 3, 18): „Sie ist ein Lebensbaum für alle, die sie ergreifen, und selig sind, die sie erfassen.“
Ferner (Spr 1, 19): „Sie ist deinem Haupt eine kostbare Zier und deinem Hals ein Schmuck.“
Ferner (Spr 4, 9): „Sie verleiht deinem Haupt einen herrlichen Kranz und ziert dich mit strahlender Krone.“
Ferner (Spr 3, 16): „Langes Leben ist in ihrer Rechten und in ihrer Linken Reichtum und Ehre.“
Endlich (Spr 3, 2): „Viele Lebenstage und Jahre fügt sie dir hinzu.“

Pirke AvotKap. 6,7

Im 1. Jh. herrschte eine desaströse Situation für die Juden unter der Besatzung der Römer. Jesus/ Jehoschua kam als guter Hirte um Gottes Volk, die Kinder Israel, wieder an den Vater und Sein heiliges Wort, die Tora, anzubinden. Die Situation unter der römischen Fremdherrschaft ist unerträglich, das jüdische Volk verwirrt wie zur Zeit Hesekiels, als Gott seinem Volk versprach, ihm Hirte und Wegweisung zu sein.

Hes.34,10 So spricht Gott der Herr: Siehe, ich will an die Hirten, will meine Schafe von ihnen fordern; sie sollen – dafür will ich sorgen – meine Schafe nicht mehr weiden. Die Hirten sollen nicht mehr sich selber weiden; ich will ihnen meine Schafe aus dem Rachen reißen, sie sollen ihnen nicht mehr zum Fraße werden. 11 Denn so spricht Gott der Herr: Siehe, ich, ich selbst will nach meinen Schafen fragen, will nach ihnen sehen. 12 Wie ein Hirte nach seiner Herde sieht am Tage des Unwetters, wenn seine Schafe versprengt sind, so werde ich nach meinen Schafen sehen und sie erretten von allen Orten, wohin sie zerstreut worden sind am Tage des Gewölks und des Dunkels.

Gott sorgt für Sein Volk, ER erlöst es, wie wir bereits sahen. Im Namen dieses Gottes, Vaters, Hirten[2] spricht Jehoschua. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass er, wie es die Rabbiner im 1. Jahrhundert taten, mit dieser Kurzform der Ich-Worte Gott selbst zitierte! Oder er zeigt, dass er sich wie Mosche als guter Hirte von Gott gebrauchen lässt. Zumindest ist er in einer Situation, in der seine Schüler[3] ihm zeigen, dass sie nichts verstanden haben. Sie wissen nicht, wohin Jehoschua gehen wird und wie man dorthin kommt. Obwohl er das Gegenteil beteuert: Ihr wisst! Ihr kennt den Weg!

Da bleibt ihm nichts anderes übrig als zu erklären, dass er ihnen Gott, den Vater, vorgelebt und gepredigt hat, so wie sie IHN in der Tora finden (lehorot לְהוֹרוֹת = unterrichten, anweisen und damit der Tora = die Weisung). Es gibt viele Wanderprediger und auch heilende Wanderrabbiner. Darin ist Jehoschua nichts Besonderes. Er versucht allerdings, in der Fülle der kursierenden Toraerklärungen und der Wege, die zum Leben mit Gott gegangen werden sollen, diesen liebenden Vater aus dem Dickicht der Diskussionen und Meinungen in den Vordergrund zu rücken. Diesen barmherzigen Gott, der selbst nach den vielen Fehlschlägen den Bund mit Seinem Volk nie aufgab, sondern immer wieder erneuerte. Wer also ihn, Jehoschua, zum Vorbild nimmt und die Tora so wertschätzt wie er, wer mit dem eigenen Leben Jehoschuas Anleitung aus der Tora folgt, der erkennt den Vater und der geht den richtigen Weg zum Leben.   

Es ist der Weg der Tora, den Jehoschua geht und von seinen Schülern forderte, wie er bei seinem Lehrer Hillel gelernt hatte.  

Mt.5,17 Meinet nicht, dass ich gekommen sei, das Gesetz die Tora oder die Propheten aufzulösen. Ich bin nicht gekommen, aufzulösen, sondern zu erfüllen (= aufzurichten). 18 Denn wahrlich, ich sage euch: Bis der Himmel und die Erde vergehen, wird nicht ein einziges Jota oder Strichlein vom Gesetz von der Tora vergehen, bis alles geschehen ist. 
Mt.7,12 Alles nun, was ihr wollt, dass es euch die Menschen tun, das tut auch ihr ihnen; denn darin besteht das Gesetz die Tora und die Propheten.

Jeder fromme Jude weiß, was Thomas und Philippus vielleicht vergessen haben, dass ihn sein Weg am Ende des Lebens zum Vater bringen wird. Vorbereitend befiehlt er jeden Abend seine Seele im Abendgebet Gott an und dankt am Morgen, dass Gott ihm seine Seele nach dem Schlaf, dem „kleinen Bruder des Todes“, wiedergegeben hat. Jeder Jude dankt täglich in seinen Gebeten, dass Gott unsere Seele jederzeit nehmen kann und sie uns wieder zurückgibt, spätestens am Ende der Tage. Und täglich dankt er, dass Gott die Toten erwecken und den Maschiach schicken wird.

„Glaubt an Gott und glaubt an mich“ (Joh.14,1), so wie einst die Hebräer: „… und sie glaubten an den Ewigen und an seinen Knecht Mose.“ (Ex.14,31) Dann könnt ihr den Weg sicher finden in dieser chaotischen Zeit, in dieser bedrohlichen Zeit, in der niemand so recht weiß, wie er am besten mit Gott leben und IHM dienen kann. Soll er für Gott kämpfen wie die Zeloten und Sikarier oder sich in die Einsamkeit zurückziehen wie die Essener? Soll er nur stur im Tempel Opfer bringen wie die Sadduzäer oder Gottes Wort studieren, auslegen, anwenden wie die Pharisäer[4]? Soll er mit den Römern kollaborieren wie die Sadduzäer oder möglichst unauffällig mit der Masse schwimmen wie so viele Mitläufer oder sich opfern wie die Märtyrer dieser Zeit? Orientierung und Wegweisung findet ihr bei mir, der ich euch die Beziehung mit dem Vater durch die Tora vorlebe.“

Wieder sehen wir Jehoschuas Verweis auf den VATER, der selber Seinen Kindern den zu gehenden Weg zum Leben vorgibt, der selber das Leben und die Wahrheit ist. ER legte den Kindern Israel schon früh vor, sich für den Weg des Lebens zu entscheiden, welcher die Einhaltung der Tora und ihrer Gebote ist:
Dtn. 30, 19 Zu Zeugen habe ich heuttags gegen euch den Himmel und die Erde genommen, das Leben und den Tod habe ich vor dich hin gegeben, die Segnung und die Verwünschung, wähle das Leben, damit du lebst, du und dein Same: 20 IHN deinen Gott zu lieben, auf seine Stimme zu hören, an ihm zu haften, denn das ist dein Leben und Länge deiner Tage beim Siedeln auf dem Boden, den ER deinen Vätern, Abraham, Jizchak, Jaakob, zuschwor ihnen zu geben. Lauschet, ihr Himmel.

Leben muss immer gewählt werden. Gott hat das Leben an Sein heiliges Wort gebunden und den Gehorsam IHM gegenüber. Billiger ist der Weg des Lebens nicht zu haben, auch bei Jehoschua nicht, bei dem kein Tüttelchen der Tora unbedeutend ist.

Dafür ist der Weg mit der Tora derjenige, der Leben, Freude und Licht verheißt:
Ps. 16,11 Du lehrst mich kennen den Weg des Lebens, Sättigung mit Freuden ist vor deinem Antlitz, Mildheit in deiner Rechten immerdar.
Ps. 86,11 Weise mir, DU, deinen Weg; gehen will ich in deiner Wahrheit. Einige mein Herz, deinen Namen zu fürchten!
Spr. 6,23   Ja, eine Lampe ist das Gebot, die Weisung ist ein Licht, Weg des Lebens sind die Mahnungen zur Zucht:

Gott gab die Tora, die Weisung, die unabänderliche Wahrheit und Weisheit, die Leben und Licht bedeutet. Darum wird nach der Toralesung in der Synagoge dieser Vers rezitiert:
Spr. 3,18  Baum des Lebens ist ihnen sie, die sie fassen, und was sich an ihr hält ist beglückt.

An diesen erlösenden und treuen Gott glaube ich und an Seinen Weg des Lebens, die Tora. Und ich glaube, dass Jehoschua für mich der Weg zum Vater war. Als aus den Heiden stammend brauchte ich die Beziehung zuerst zu Jehoschua. Aber so, wie ich im Lied immer aufrichtig betete: „Ich will dich sehen, wie du wirklich bist, …“, so erhörte Gott mein Gebet und meine Sehnsucht und brachte mich zu meiner Quelle, direkt zum Vater. Und hier am Ursprung kann ich IHM, Adonai, jetzt die Anbetung geben, die IHM gebührt.

Am Glauben Jehoschuas und seiner Art, dem Vater zu dienen, kommt sicher auch kein Jude vorbei. Aber er muss nicht Christ werden, nicht einmal an Jehoschua glauben, denn er kennt seine Art des Glaubens aus seinen eigenen Schriften, die auch Jehoschua prägten, und von anderen Vorbildern des Judentums. Somit muss ein Jude das NT nicht einmal kennen. Das müssen Christen anerkennen, dass Juden schon beim Vater sind, wie Franz Rosenzweig einmal feststellte. Und diesen Vater haben Juden der Welt geschenkt!

Schema – Adonai echad

Meine Sehnsucht nach der Urkirche habe ich u.a. mit oben zitiertem Lied ausgedrückt, aber eigentlich wusste ich nicht, was „Urkirche“ wirklich bedeutet. Diese Sehnsucht heißt letztlich Sehnsucht nach dem Judentum und dem hebräischen Denken und Glauben, denn Christentum und Kirche gab es zur Zeit der Apostel nicht. Sie waren fromme und dankbare Juden und wollten diesen Judengott an die Heidenvölker vermitteln.

Die Heiden brauchten jedoch diesen Mittler, den das Judentum nicht kennt. Hier bekennt jeder Jude: „Ich weiß, vor wem ich stehe.“ Aber der Heide aus dem Polytheismus kann mit dem immanenten, unsichtbaren und unendlichen Gott nichts anfangen. Er braucht etwas, das er sich bildlich vorstellen und darstellen kann. Ein Bilderverbot? Nur EINEN Gott für alles? Das passt nicht in die jahrtausendealte Erfahrung des Heiden, der für alle Angelegenheiten des Lebens einen eigenen Götzen hatte. Nicht mehr opfern? Maßlos und jedem dieser Götter opfern, damit er beschwichtigt wird! Wie soll es denn anders gehen? Also muss der Tod dieses einen Menschen zu einem gottgleichen, endgültigen Opfer werden. Und die Göttinnen finden ihren Widerhall in der göttlichen Mutter Maria, die ursprünglich junge, bescheidene Mirjam aus ärmlichen Verhältnissen.

Selbst Luther wagte es nicht, das Bilderverbot durchzusetzen. In allen katholischen Kirchen gab es die zahlreichen Bilder als Bibel für das ungebildete, arme Volk (Biblia pauperum). In seinem Katechismus verschwindet das Bildergebot unter den zehn Geboten, weshalb er aus dem letzten Gebot zwei kreierte. Die Bilderstürmer seiner Zeit unterstützte er ausdrücklich nicht.

Im Judentum braucht es keine Mutter Erde als Gegenpart zum Vatergott, denn Gott ist uns Vater und Mutter. ER schuf den Menschen zu Seinem Bilde, … und ER schuf sie Mann und Männin (Martin Luther). Rückschließend ist also auch Gott männlich und weiblich zugleich. Seine Geistkraft Ruach (רוּחַ) ist weiblich sowie viele seiner Eigenschaften, ebenso seine Einwohnung, die Schechina (שכינה). Bei Gott gibt es keinen reinen „Männerclub“. Wer an diesen Gott glaubt, glaubt an Seine Ganzheit und Einheit aus der Vielheit. Sein pluraler Name Elohim verweist darauf, dass ER die Vielheit in sich verkörpert, weshalb wir nur einen Gott brauchen, keinen sonst!

Desgleichen kennen wir den Satz aus
Jes. 66,13 Wie einen, den seine Mutter tröstet, so will ich euch trösten; …

Auch Jehoschua glaubte an diesen einen Gott, neben dem es keinen zweiten geben kann und wird, auch nicht in einem menschlichen Konstrukt wie der Trinität.

In Mk.12 diskutierte Jehoschua mit den Sadduzäern, die ihren Tempeldienst nach dem Buchstaben des Gesetzes verrichteten, aber sonst an keine Außergewöhnlichkeiten glaubten, nicht an Engel, nicht an die Auferstehung. Jehoschua kritisierte sie zurecht, dass sie ihre Schriften nicht kennten. Ein Schriftgelehrter, der selbstverständlich zu den Pharisäern gehörte, verfolgte das Gespräch. Und der fragte, was das wichtigste Gebot sei.
Preisfrage an Sie, liebe Leser: Was ist das wichtigste Gebot? Nächstenliebe? Das ist zwar die gängige Antwort, aber sie ist falsch. Lesen Sie genau, was Jehoschua antwortet:    

Mk.12,29 Jesus antwortete: Das erste ist: «Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist allein Herr; 

Jehoschua antwortete mit dem jüdischen Glaubenszuruf aus Dtn.6,4: Schma Israel, Adonai elohejnu, Adonai ECHAD! Gott als den alleinigen Gott anzuerkennen, das ist das vornehmste, das wichtigste Gebot von allen. Und zu diesem Satz gehört im Buch Deuteronomium auch die Fortsetzung:

Mk.12,30 und du sollst wirst den Herrn, deinen Gott, lieben aus deinem ganzen Herzen und aus deiner ganzen Seele und aus deinem ganzen Denken und aus deiner ganzen Kraft.»

Vor allem anderen geht es um diesen EINEN Gott und die Liebe zu IHM. Aus dieser Liebe, aus dieser Beziehung resultiert alles andere. Denn wie es schon das Zehnwort[5] vorgibt, fließt aus der Beziehung zu Gott die Liebe zum Nächsten, der Respekt und die Achtung gegenüber den Eltern und dem Nächsten, Demut und Zufriedenheit mit dem, was mir gegeben ist.

Diese Worte Jehoschuas zeigen mir, dass er diesen Kult um seine Person nicht wollte. Er wusste sich gesandt zu den verlorenen Schafen Israels, die in der schon beschriebenen Notsituation eines Hirten bedurften, eines neuen Mosche.


[1] Es handelt sich hierbei um ein Traktat der Mischna in der Ordnung Nesiqin und behandelt Fragen der Ethik. Die Mischna ist eine frühe Abfassung der mündlichen Tora, die lange ohne Verschriftlichung tradiert wurde. Im 1. Jh. begann die Verschriftlichung wegen der Unruhen und wegen der Befürchtung, sie könne verloren gehen, wenn es wieder zu einer Zerstreuung käme.
[2] https://deine-wurzel.de/der-gute-hirte-ein-textvergleich/
[3] Der Ausdruck „Jünger“ ist ungenau. Diese Zwölf waren die Schüler ihres Wanderrabbis, die ihn als sein engster Kreis überall hin begleiteten und für seine Versorgung und die der Gruppe sorgten. Deshalb sammelte Judas das Geld, damit diese Schüler zur Beschaffung von Nahrungsmitteln in die Stadt gingen, während Jesus am Brunnen ruhte (Joh.4) Und deshalb waren sie ratlos vor der Brotvermehrung, weil sie nicht wussten, wo sie für so viele Hungrige einkaufen sollten. So war es üblich bei den damaligen Wanderrabbinern.
[4] Peruschim פירושים = Pharisäer, die Ausleger; לְפָרֵשׁ lifrosch = auslegen
[5] Dekalog, fälschlich „die zehn Gebote“ genannt

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