1 Ein Harfenlied Dawids, – als er in der Wüste Jehuda war. 2 Gott! mein Gottherr bist du, ich sehne dich herbei. Meine Seele hat nach dir gedürstet, mein Fleisch ist fahl worden nach dir im Heideland, matt, ohne Wasser. 3 So habe ich im Heiligtum dich erschaut, deine Macht und deine Ehre zu sehen, 4 denn besser ist deine Huld als das Leben: meine Lippen dürfen dich loben. 5 So will ich in meinem Leben dich segnen,
Die Schrift Buber /Rosenzweigmitin deinem Namen heben meine Hände. 6 Wie an Fett und Mark wird meine Seele ersatten, jubelnder Lippen preist dann mein Mund. 7 Gedenke auf meinem Lager ich dein, in Nachtwachen murmle ich dir zu. 8 Denn du bist mir Hilfe gewesen, im Schatten deiner Flügel habe ich gejubelt. 9 Nachgehangen (gehaftet an) dir hat meine Seele, mich hat deine Rechte gehalten. 10 Und jene, die zur Verheerung trachten mir nach der Seele, sie kommen ins unterste Erdreich, 11 man liefert jeden dem Schwerte zuhanden, sie werden Gebühr der Schakale. 12 Doch der König wird sich freuen an Gott, preisen wird sich, allwer bei ihm schwört, daß der Mund der Lügenredner gestopft ward.
Es gibt einen jüdischen Brauch, den Psalm zu lesen, der dem Alter entspricht. Der Psalm 63 ist sehr ermutigend, weshalb ich ihn gerne teilen möchte.
David betete diese Worte in persönlicher Bedrängnis, denn er musste vor König Scha‘ul fliehen. Als er auf Gottes Geheiß mit seinen Getreuen in die befestigte Stadt Kehila קְעִילָה = Festung oder Gemeinde geht, um dort die Philister zu besiegen, hört Scha’ul davon und stellt David nach. In seinem Hochmut ist er der Annahme, Gott habe David in seine Hand gegeben und er könne ihn nun leicht überwältigen. Wie viele Machthaber nach ihm fühlt er sich als „Gottes Helfer“, wenn er seinem Nachfolger nach dem Leben trachtet.
David erfährt, dass Scha’ul die Stadt seinetwegen angreifen will. Hatte er dafür Kehila von den Philistern befreit? Und so befragt David Gott und der antwortet ihm, dass die Bevölkerung trotz allem bereit sei, ihn an den amtierenden König auszuliefern. Welche Enttäuschung, dass die Befreiten ihm nicht beistehen werden! Darum floh er mit seinen Männern aus der Stadt in die Wüste Sif זִיף = Schlacht, denn dort fanden immer wieder Schlachten gegen die Philister statt.
Doch auch dort war er nicht sicher vor seinem Verfolger Scha’ul, doch sein Freund Jonathan richtete ihn auf mit den Worten:
1.Sam. 23,17 Fürchte dich nimmer, denn nicht wird die Hand Schauls, meines Vaters, dich finden, du selber wirst König über Jissrael werden, ich, der Zweite nach dir will ich sein, – auch Schaul, mein Vater, weiß es so. 18 Die zwei schlossen einen Bund vor IHM.
Scha’ul lässt nicht locker und verfolgt David, anstatt seine wahren Feinde zu bekämpfen. David ist mittlerweile in der Wüste Maon מָעוֹן = Wohnstätte. Fast wäre Scha’ul des Flüchtigen dort habhaft geworden. Er hatte ihn bereits umzingelt, fast gab er den Befehl zum Zugriff! Da ließ Gott ihm die Nachricht überbringen: Die Philister sind eingefallen! Die Rettung geschah am Fels der Spaltung סֶלַע הַמַּחְלְקוֹת Sela haMachlekot. Diese innere Spaltung zwischen Scha’ul und David findet durch die Benennung des Ortes im Äußeren ihren Niederschlag. Erst der äußere, wahre Feind lässt den König Abstand nehmen von der Verfolgung seines Schwiegersohnes.
Nun kann David Gott danken und IHN „meinen Gott“ nennen, weil er persönlich Gottes Hilfe erfuhr. In letzter Minute greift Gott ein und hält Sein Wort, das er durch Jonathan gesprochen hatte. Nach diesem seinem Gott sehnt David sich und vergleicht seine Sehnsucht mit seinem Durst in der Wüste. Beide Erfahrungen sind ihm hautnah und real: sowohl der Durst, der ihn körperlich ermatten lässt als seine Sehnsucht nach Gott, seinem Retter, die ihn schreien lässt wie nach Wasser. Er dürstete nach Gott, dessen Stärke und Herrlichkeit zu sehen, wie er IHN im Heiligtum, der Stiftshütte von Shilo, gesehen hatte. Davids Seele wird mit den Visionen von der Stärke Gottes und Seiner Herrlichkeit gesättigt. (Raschi) Der Tempel in Jerusalem wurde erst durch König Schlomo (Salomo) gebaut.
David weiß, dass die Liebe zu Gott, die Sehnsucht nach dem Ewigen wertvoller ist als sein Leben. Aber eben weil Gott ihn als Seinen innigen Freund (David דָוִ֑ד = Geliebter) rettet und am Leben erhält, weiß er ebenso, dass er seinen Schöpfer und Gott während der Dauer seines irdischen Lebens loben wird.
David will Gott segnen! Segnet nicht Gott den Menschen? Im Hebräischen kommt das Wort Segen ברכה bracha vom gleichen Wortstamm wie Knie ברך berech. Segnen hat also damit zu tun, dass man vor Gott kniet und IHM so die Ehre erweist. Dadurch kann Gott seinerseits segnen und ungeahntes Gutes ins Leben des IHN Segnenden bringen. David segnet Gott, indem er sich IHM unterwirft und Seinen Willen anerkennt. So hebt er dankbar und ehrfürchtig die Hände zu IHM auf und preist den Ewigen mit jubelnden Lippen. Darum wird seine Seele gesättigt, als hätte er einen fetten Braten genossen. Ihm genügt die Nähe Seines Gottes, um alle Bedürfnisse seines Körpers zu stillen.
Auf seinem Nachtlager denkt David noch über Gott nach, DER alles geschaffen hat, DER niemanden aus Seiner Hand fallen lässt, DER die Wege eines jeden Menschen führt. Selbst nachts murmelt er zu Gott, wie in
Ps. 1,1 Erfülltsein des Mannes, der nicht ging im Rat der Frevler, den Weg der Sünder nicht beschritt, am Sitz der Dreisten nicht saß, 2 sondern Lust hat an SEINER Weisung, über seiner Weisung murmelt tages und nachts!
Er spricht mit IHM und bleibt mit Seinem Gott verbunden, der ihm geholfen hat. Bei Gott fühlt er sich geborgen wie unter den Flügeln eines großen Vogels, wo ihn kein Feind finden kann. In einem solchen Versteck kann er ruhig und in der Stille mit seinem Gott reden.
Davids Seele hängt דָּבְקָה dawka an Gott. Dabei wird derselbe Ausdruck benutzt wie im Schöpfungsbericht, wo Gott dem Mann aufträgt:
Gen. 2,24 Darum läßt ein Mann seinen Vater und seine Mutter und haftet דָבַק dawak seinem Weibe an
Buber übersetzt dieses Anhängen mit „haften“, was es sehr gut trifft. Heute wird dieses Wort im modernen Hebräisch für Kleber benutzt, woher uns eine starke Verbindung bekannt ist. Dadurch dass Davids Seele so fest Gott anhaftet, an IHM „klebt“, weiß er sich von Gottes starkem rechtem Arm gehalten. Nur wer diese Nähe zu Gott sucht und sie pflegt, weiß sich so gehalten, getragen, geschützt. Entfernen wir uns von Gott, spüren wir Gottes Arm nicht mehr in gleicher Weise, obwohl Gott alles tut, uns festzuhalten.
David fasst seine Erfahrung und seinen Glauben in Worte, dass alle, die ihm nach dem Leben trachten, und alle Lügner versinken werden und die Seele nicht antasten können. Im schlimmsten Falle könnten sie wohl einen Menschen töten, aber der unsterblichen, göttlichen Seele können sie nichts anhaben. Und so schließt Davids Psalm mit Lobpreis, wobei er sich nun als König nennt. Er ist sich sicher, dass Gott Sein Wort, das Jonathan ausgesprochen hat, erfüllen wird. David ist bereits durch Schmu’el (Samuel) gesalbt, aber noch nicht als König anerkannt. Die Zeit seiner Anerkennung wird kommen, doch die Zeit dafür belässt David getrost in Gottes Hand.
Immer wieder brauchen auch wir den Zuspruch, dass Gott Wasser und Nahrung für unsere dürstende Seele ist. In der heutigen Zeit haben wir durch die Medien alle nur erdenkliche Ablenkung, doch durch sie dürstet unsere Seele nur noch mehr. Statt Zerstreuung zu suchen, dürfen wir uns in unangenehmen oder gar gefährlichen Situationen unter Gottes Fittichen bergen, dürfen Schutz suchen bei IHM und unseren Glauben an Seine Hilfe stärken. Immer wieder sehen wir uns in unserer schnelllebigen und digitalen Welt Herausforderungen und Bedrohungen ausgesetzt. Wer ist hier noch unser vertrauter Ansprechpartner? Wo ist noch Sicherheit? Warum werden wir immer wieder verleumdet, im Stich gelassen oder belogen, in der digitalen und analogen Welt?
David erfährt Gottes Hilfe, und die erfahren wir genauso in unserer modernen Welt, denn Gottes Liebe zu Seinen Geschöpfen ändert sich nicht. Haben wir Angst, dass Gott sich in unserer Welt nicht mehr zurechtfindet oder dass ER die Kontrolle verloren hat? ER hat doch die Welt geschaffen und ihr keinen Augenblick Seinen Atem, Seinen Geist entzogen. ER ist und bleibt der alles überblickende Hausherr! ER weiß uns auch im Hier und Heute zu bewahren und uns Seine Hilfe zuteilwerden zu lassen. Wir dürfen unseren Glauben in Gott stärken, IHN loben und preisen unser Leben lang – bis zum letzten Atemzug. Bis 120!
Eine große tiefe Auslegung, die allein in dem Vergleich von Knie und Segen den vertrauensvollen Respekt ausdrückt.