Predigttext vorgeschlagen für Sonntag, d. 16.02.2025
Pred. 7,15 Dies alles habe ich gesehen in den Tagen meiner Nichtigkeit: Da ist ein Gerechter, der umkommt in seiner Gerechtigkeit, und dort ist ein Gottloser, der lange lebt in seiner Bosheit. 16 Sei nicht allzu gerecht und erzeige dich nicht übermäßig weise! Wozu willst du dich selbst verderben? 17 Frevle nicht und sei kein Narr! Wozu willst du sterben, bevor deine Frist abgelaufen ist? 18 Gut ist, dass du dies ergreifst und davon ziehe deine Hand nicht ab; denn wer Gott fürchtet, der wird von dem allen befreit.
Der Verfasser des Buches Prediger, auf Hebräisch Kohelet קהלת = Versammler, ist der alte König Salomo Schlomo שלמה, das ihn am Ende seiner Tage zurückblicken lässt. Es wird als ganzes Buch am Schabbat von Sukkot (Laubhüttenfest) in den Synagogen der aschkenasischen Juden gelesen, weil es bei aller Freude des Festes nachdenklich stimmt.
Der Autor stellt sich in Pred. 1,12 vor: „Ich, Versammler, war König über Israel in Jerusalem.“
König Schlomo trägt den Namen, der Schalom שָׁלוֹם Friede, Ganzheit beinhaltet und der den König über seinen Namen zum Friedensmann beruft. Aber hat sich dieses Lebensziel erfüllt? Hat Schlomo tatsächlich alle seine Ziele erreicht? Er war immerhin der Baumeister des heiligen Tempels auf dem Grundstein der Welt. Er war ein gerechter Richter, der weiseste Mensch auf Erden, aller Sprachen kundig, der Sprachen der Völker, selbst der Tiere. Nie zuvor hatte das jüdische Reich eine solche räumliche Ausdehnung, und sein Reich ruhte 40-jährigen Frieden. Aber hatte Schlomo den Frieden Gottes in seinem Herzen gefunden?
Im Buch Kohelet begegnet uns immer wieder dieselbe Formulierung: „Ich – für Mich“ – habe erkannt, erfunden, gebaut, geschafft und geleistet – „Ich – für Mich!“ Schlomo kreist um sich selbst.
1000 Frauen gehören zu seinem Palast, darunter die ägyptische Prinzessin, die er heiratete und andere Götzenanbeterinnen, die ihn in ihren Bann zogen.
1.Kö. 9,16 Heraufgezogen war nämlich Pharao, der König von Ägypten, hatte Gaser bezwungen und im Feuer verbrannt, die Kanaaniterschaft, die in der Stadt saß, hatte er umgebracht. Er gab es als Aussteuer seiner Tochter, Schlomos Weib.
1.Kö. 11,1 Aber der König Schlomo liebte viele fremdländische Weiber, neben der Tochter Pharaos, moabitische, ammonitische, edomitische, sidonische, chetitische, 2 von den Stämmen, über die der Ewige zu den Söhnen Jissraels gesprochen hatte: Kommt nicht unter sie, und sie, nicht sollen sie unter euch kommen, gewiss, sie würden euer Herz ihren Göttern zur Nachfolge neigen! Denen verhaftete sich Schlomo im Lieben. 3 So hatte er an Weibern: Oberfrauen siebenhundert und Nebenfrauen dreihundert. Seine Weiber neigten sein Herz um.
Damit beginnt der Sturz des Königs von der höchsten Höhe in die tiefsten Abgründe. Er verliert alles.
1. Kö. 11,4 In der Zeit des Altwerdens Schlomos geschahs, da neigten seine Weiber sein Herz zur Nachfolge anderer Götter, nicht war sein Herz befriedet mit IHM seinem Gott, wies das Herz seines Vaters Dawid war. 5 Schlomo ging in der Nachfolge der Aschtart, der Gottheit der Sidonier, in der Nachfolge des Milkom, des Scheusals der Ammoniter, 6 Schlomo tat das in SEINEN Augen Üble, er folgte IHM nicht völlig wie sein Vater Dawid nach. … 9 Da erzürnte ER über Schlomo, daß er sein Herz von dem IHM, Jissraels Gott, Geselltsein abgeneigt hatte, der sich doch zweimal von ihm hatte sehen lassen …
Erschüttert steht er vor dem Scherbenhaufen seiner Existenz. Da verwundert es nicht, dass Schlomo seine Lebenstage Nichtigkeit בִּימֵי הֶבְלִי be’jemej hewli nennt, ihm alles vergeblich und eitel erscheint:
Pred. 1,2 Alles ist Dunst! הַכֹּל הָבֶל ha‘kol hewel
Dieses Buch stellt die aufrichtige und schonungslose Bilanz eines Menschen dar, der zu echter Selbsterkenntnis gelangt ist. Er hat sich der Frage gestellt, wieso und wodurch er selbst zur Ursache seines Scheiterns werden konnte. Und er erkennt, dass sein eigenes Selbst, sein Ich, sein Ego für ihn zum Götzen geworden ist. Als schlussendlich der Tod an die Tür klopft, fordert die Kreatürlichkeit ihren letzten Tribut, und ununterscheidbar vom Tier muß der Mensch sterben:
Pred. 2,14 der Weise hat in seinem Kopf seine Augen, und der Tor geht im Finstern einher. Aber ich, auch das habe ich erkannt, daß Eine Widerfahrnis ihnen allen widerfährt
In unserem Siddur סידור von Ordnung סדר Seder wird es im Morgengebet so formuliert:
„Herr aller Welten! Nicht ob unserer Frömmigkeit legen wir unsere Bitten vor dir nieder, sondern ob deines großen Erbarmens! Was sind wir, was unser Leben, was unsere Gnade, was unsere Frömmigkeit, was unsere Hilfe, was unsere Kraft, was unsere Stärke, was sollen wir vor dir sprechen, Ewiger, unser Gott – und der Gott unserer Väter, fürwahr, alle Helden sind wie nichts vor dir, die berühmten Männer, als ob sie nie gewesen, die Weisen wie ohne Erkenntnis, die Einsichtigen wie ohne Verstand, denn die Menge ihrer Werke ist eitel und die Tage ihres Lebens nichtig vor dir, und der Vorzug des Menschen vor dem Tier ist nichts, denn alles ist eitel.“
Was nützt einem Menschen seine Gerechtigkeit, wenn er sie zu seinem Götzen erhebt, weil er sich darauf etwas einbildet. Wahre Gerechtigkeit צדק zedek sieht den Nächsten, sorgt für sein gutes Auskommen, sorgt für seinen guten Leumund ohne das eigene Handeln zu sehr zu betonen. Gerechtigkeit, die zum Götzendienst wird, ist wie die Bosheit eines Gottlosen.
Wer übermäßig weise und gerecht sein will, schießt mitunter übers Ziel hinaus. So tötete König Scha’ul die Priester der Stadt Nob, nur weil sie David vor seinem ungerechten Zorn versteckten. (1.Sam. 22) Scha’ul nannte David, seinen Schwiegersohn und Freund Gottes seinen Feind, anstatt den wahren Feind mit ihm gemeinsam zu bekämpfen.
Dagegen zeigte er falsches Mitleid und hörte nicht auf Gottes Befehl, als er den Bann an Amalek, dem schlimmsten Feind des Volkes Israel, vollstrecken sollte.
1.Sam. 15,9 Schaul und das Volk verschonte den Agag, dazu das Beste der Schafe und der Rinder, die zweitwürfigen, und auch die Lämmer, überhaupt alles Beste, sie waren nicht es zu bannen gesonnen, doch was von aller Habe verachtet und verworfen wird, das bannten sie.
Daraufhin tat Gott ihm seine Entscheidung kund:
1.Sam. 15,11 Ich lasse mirs leid sein, daß ich Schaul zum König gekönigt habe, denn er hat sich von meiner Nachfolge abgekehrt, meine Reden hat er nicht aufrecht gehalten. Schmuel entflammte, er schrie zu IHM all die Nacht.
Auch Scha’ul bildete sich etwas auf seine Weisheit, auf seine Entscheidungen und seine Macht als König ein, aber er rannte mit seiner Eigenwilligkeit in sein eigenes Verderben. Von ihm heißt es:
1.Chron. 10,13 So starb Scha’ul um seine Untreue: daß er an dem EWIGEN Untreue übte, wegen SEINER Rede, daß er sie nicht wahrte, und befragte gar eine Totenbeschwörerin, beforschte, 14 und den EWIGEN beforschte er nicht …
Wir sind aufgefordert, Gut und Böse, Gerechtigkeit und Bosheit zu unterscheiden. Dazu gebrauchen wir Gottes Hilfe, dass wir uns schließlich für gerechtes Tun entscheiden. Nichts können wir ohne den EINEN, den Schöpfer und Vater tun, zu allem möchte ER befragt werden. Nur ER kann uns zum Guten befreien und uns vor Fehlentscheidungen bewahren. Mit Weisheit hilft Gott uns, unsere Sünden zu erkennen und umzukehren auf den richtigen Weg.
Auch wenn König Schlomo in seinem Leben scheiterte und das Land aufgrund seines Fehlverhaltens gespalten wurde, ist ihm doch dieses große Verdienst zuzurechnen, dass er besonders in diesem Werk seine Nachwelt vor solchen Fehlern warnt. Ihm werden des Weiteren das Buch der Sprüche (Mischle) und das Hohelied der Liebe (Schir haSchirim) zugeschrieben, in denen er lebensentscheidende Einsichten teilt.