Predigttext vorgeschlagen für So, d. 19.11.2023

Mt. 25,31 Wenn aber der Sohn des Menschen in seiner Herrlichkeit kommen wird und alle heiligen Engel mit ihm, dann wird er auf dem Thron seiner Herrlichkeit sitzen, 32 und vor ihm werden alle Heidenvölker versammelt werden. Und er wird sie voneinander scheiden, wie ein Hirte die Schafe von den Böcken scheidet, 33 und er wird die Schafe zu seiner Rechten stellen, die Böcke aber zu seiner Linken. 34 Dann wird der König denen zu seiner Rechten sagen: Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters, und erbt das Reich, das euch bereitet ist seit Grundlegung der Welt! 35 Denn ich bin hungrig gewesen, und ihr habt mich gespeist; ich bin durstig gewesen, und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich bin ein Fremdling gewesen, und ihr habt mich beherbergt; 36 ich bin ohne Kleidung gewesen, und ihr habt mich bekleidet; ich bin krank gewesen, und ihr habt mich besucht; ich bin gefangen gewesen, und ihr seid zu mir gekommen. 37 Dann werden ihm die Gerechten antworten und sagen: Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen und haben dich gespeist, oder durstig, und haben dir zu trinken gegeben? 38 Wann haben wir dich als Fremdling gesehen und haben dich beherbergt, oder ohne Kleidung, und haben dich bekleidet? 39 Wann haben wir dich krank gesehen oder im Gefängnis, und sind zu dir gekommen? 40 Und der König wird ihnen antworten und sagen: Wahrlich, ich sage euch: Was ihr einem dieser meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan! 41 Dann wird er auch denen zur Linken sagen: Geht hinweg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das dem Teufel und seinen Engeln bereitet ist! 42 Denn ich bin hungrig gewesen, und ihr habt mich nicht gespeist; ich bin durstig gewesen, und ihr habt mir nicht zu trinken gegeben; 43 ich bin ein Fremdling gewesen, und ihr habt mich nicht beherbergt; ohne Kleidung, und ihr habt mich nicht bekleidet; krank und gefangen, und ihr habt mich nicht besucht! 44 Dann werden auch sie ihm antworten und sagen: Herr, wann haben wir dich hungrig oder durstig oder als Fremdling oder ohne Kleidung oder krank oder gefangen gesehen und haben dir nicht gedient? 45 Dann wird er ihnen antworten: Wahrlich, ich sage euch: Was ihr einem dieser Geringsten nicht getan habt, das habt ihr mir auch nicht getan! 46 Und sie werden in die ewige Strafe hingehen, die Gerechten aber in das ewige Leben.

Hier bekommen wir einen Einblick in die andere Welt, einen Einblick in den Gerichtstag am Ende der Zeit. Jehoschua erzählt von diesem, sagt uns aber nicht explizit, wer auf dem Thron sitzt. „Sohn des Menschen“ ist ein sehr häufiger Terminus im Tanach, am häufigsten kommt er im Propheten Hesekiel vor. Doch die Stelle aus dem Propheten Daniel passt am besten zu unserem Text:
Dan. 7,13 Ich schaute, schaute in der Nachtschau, da, mit den Wolken des Himmels kam einer wie ein Menschensohn, er gelangte bis zum Hochbetagten und wurde vor ihn gebracht. 14 Ihm ward Gewalt und Ehre gegeben und Königschaft, alle Völker, Stämme und Zungen dienten ihm: seine Gewalt ist in Weltzeit, Gewalt, die nie vergeht, und seine Königschaft nie zu zerstören.
Dieser „Sohn des Menschen“ bleibt ein Geheimnis, wenn wir auch wissen, dass der letzte Menschensohn der Maschiach sein wird, der die Nachfolge Davids auf dessen ewigem Thron antritt. Immer, wenn Jehoschua vom Menschensohn spricht, müssen wir uns in seine Lage und Zeit versetzen. Er hat von sich in den synoptischen Evangelien nie gesagt, dass er der Maschiach oder der Menschensohn sei, was er leicht durch eine deutliche Ich-Aussage hätte tun können. Als Jude wurde er mit dieser Tradition des Menschensohnes und Nachfolger Davids groß, auch mit dem Reden und Warten auf ihn, den endgültigen Retter. Aber Jehoschua hat diese Titel selbstverständlich nicht für sich in Anspruch genommen.

Obad. 1,21 Den Berg Zion ersteigen Befreier, den Berg Essaws zu richten, und SEIN wird das Königtum.
2.Chron. 13,5  Ists nicht an euch zu wissen, daß ER, der Gott Jissraels, Dawid das Königtum über Jissrael gab auf Weltzeit, ihm und seinen Söhnen, in einem Salzbund?

Jehoschua erzählt als Rabbi, dessen Worte Gewicht haben, vom letzten Gericht, wobei er seine jüdischen Zuhörer wissen lässt, dass auch die Heidenvölker vor diesem Gericht erscheinen und gerichtet werden. Aber wie werden sie gerichtet? Sie waren Polytheisten, glaubten nicht nur an einen Gott, geschweige denn an den Gott Israels. Nach heutigem Verständnis mancher Christen müssten alle, die nicht an Jesus glauben, in die Hölle gehen. Aber wir staunen nicht schlecht, dass auch unter diesen Heiden Gerechte sind! Sie werden nicht gerecht durch einen abstrakten Glauben, sondern durch konkretes Tun! Der Richter beurteilt den Umgang der Menschen miteinander, ihre Nächstenliebe und ihre Wahrnehmung konkreter Nöte ihres Nächsten.

Eine Grundlage seit Erschaffung der Welt ist die Stillung des Hungers. Gott sorgte dafür, als ER dem Menschen den Garten Eden gab, welcher reich war an Bäumen mit den verschiedensten Früchten und Erdfrüchten aller Art. Der Mensch durfte sich von allem bedienen, bis auf eine Ausnahme. Der Tisch war üppig gedeckt für Mensch und Tier (Gen. 2)!

Wir sehen noch weitere Beispiele, in denen Gott den Menschen in seiner Not selber versorgte, wie z.B. Elija am Bach Krit (1.Kön. 17), als Raben ihm im Auftrag Gottes Fleisch und Brot brachten.
Durstige versorgte Gott sogar in der kargen Wüste, als ER durch Mosche Wasser aus dem Felsen hervorquellen ließ (Ex. 17). Gott ist unser Vorbild in allem Versorgen. ER stellt uns die Fülle zur Verfügung, damit wir Menschen IHN nachahmen können.

Heute können wir, da wir die Armen in unserer Gesellschaft in den seltensten Fällen persönlich kennen, Geld an Organisationen wie „ Die Tafel“ geben, die ganz in unserer Nähe Arme unterstützen, damit sie nicht hungern oder dürsten müssen. Unsere Großeltern kannten noch die Bettler, die an die Tür klopften und für die sie nicht selten einen Teller Suppe und ein Stück Brot übrig hatten. Sie kannten noch den fremden Durchreisenden, für den sie eine Kammer oder ein Bett auf dem Strohboden hatten.

Gott führte Abraham, den Fremdling im Land Kanaan, und versprach im, dass dieses Land seine und seiner Nachkommen Heimat werden würde (Gen. 12). Den Israeliten, die Fremde in Ägypten waren, gebot er darum, den Fremden in ihren Toren freundlich aufzunehmen und zu achten.
Ex. 22,20 Einen Gastsassen placke nicht, quäle ihn nicht, denn Gastsassen wart ihr im Land Ägypten! 

Gott kleidete das erste Menschenpaar, nachdem ER es aus dem Garten Eden vertrieben hatte. ER selber machte ihnen Kleider aus Fellen, damit sie sich ihrer Nacktheit nicht schämen mussten. Der Schöpfer sorgte für sie trotz ihres Ungehorsams (Gen. 3,21).
An dieser Bibelstelle wird die Geschichte von Sankt Martin fest gemacht, der einem armen Bettler die Hälfte seines warmen Mantels gab. Heute geben wir von unserer Kleidung, die zuhauf unsere Schränke füllt, an Sozialkaufhäuser oder an Sammelstellen der Diakonie, der Caritas oder des Roten Kreuzes. Zur Zeit der Flut im Ahrtal gab es private Sammelaktionen, um mit denen zu teilen, die alles verloren hatten. Ebenso ging es bei der Ankunft der Flüchtlinge aus der Ukraine oder 2015 bei der Ankunft des großen Flüchtlingsstroms aus Syrien und anderen Kriegsgebieten im Nahen und Mittleren Osten.

Abraham ist noch leidend, als Gott ihn nach seiner Beschneidung durch drei Männer besuchte (Gen. 18). Kranke kennen wir persönlich, denn jeder von uns wird mal krank, mal ernst und mal weniger ernst. Doch immer fühlt sich der Kranke schwach und freut sich, wenn sich jemand um ihn kümmert und ihm zeigt, dass er oder sie nicht vergessen ist. Heute sind wir oft räumlich weit voneinander getrennt, sodass die Entfernung uns hindert, direkt zu helfen. Wie gut, dass es in diesem Fall Nachrichtendienste und Internet gibt. So erfahren wir voneinander, können dem Kranken anbieten, für ihn oder sie einen Lieferdienst zu beauftragen oder Ähnliches. Wir können mit Kranken in Verbindung sein und ihnen Mut zusprechen.

Auch der Gefangene wird besucht und nicht in seiner Einsamkeit im Stich gelassen. So war Gott mit Josef in der Zisterne und im Gefängnis, sodass Josef die Hoffnung auf seine Rettung nicht aufgab, selbst als Bäcker und Mundschenk ihn vergaßen.

In unseren Gefängnissen gibt es Besuchszeiten für Angehörige oder Freunde. Gefangene können zurecht oder zu Unrecht eingesperrt sein, doch dürfen wir sie nicht vergessen. Sie sollen nach ihrer Haft wieder zurückfinden in die Gesellschaft.

Aktuell bangen wir um die gefangenen Geiseln im Gazastreifen, die brutal entführt wurden, unter ihnen Kinder und Babys. Niemand kann sie besuchen, weil ihr Aufenthaltsort unbekannt ist. Was uns bleibt, die wir nicht in die politischen Verhandlungen involviert sind, ist das Gebet, dass Gott bei ihnen ist und ihnen Mut gibt wie einst Josef. Das Gebet, dass Gott ihnen Seine Engel zur Seite stellt und ihre Befreier durch ein Wunder zu ihnen führt.

An den genannten Beispielen wird deutlich, wie Gott diese Gebote sie als Erster an uns Menschenkindern erfüllte, und wie sie auch heute in den meisten Fällen einfach zu erfüllen sind, manche vielleicht sogar einfacher als früher. Die heutige Schwierigkeit ist, dass unsere Gesellschaft größtenteils aus ichbezogenen Individuen besteht, die untereinander keinen Kontakt haben. Da kann in einem Hochhaus ein Kranker vor sich hin siechen oder ein Toter über Tage verwesen, und niemand merkt es. Anonym und kalt geht es an vielen Stellen in unserer Gesellschaft zu.

Unser Gleichnis ruft uns auf, wieder mehr aufeinander zu achten, Kontakt zueinander zu halten, achtsam unser Umfeld zu beobachten und Interesse an unserem Nächsten zu haben.

Das Judentum, aus dem Rabbi Jehoschua kommt, nimmt die Gebote der Bibel sehr ernst, darum wurden sie in den 613 Mizwot zusammengestellt. Einige Gebote, die mit den oben aufgeführten Beispielen in Verbindung stehen, habe ich hier aufgelistet.

120. Stehenlassen einer Feldecke (Pea) bei der Ernte. (3. B.M. 19,9)
121. Liegenlassen abgefallener Früchte (3. B.M. 19,9)
122. Liegenlassen vergessener Ähren (Leket) (3. B.M. 19,9)
123. Hängenlassen einiger Weintrauben (3. B.M. 19,10)
124. Zurücklassen vereinzelter Weinbeeren (3. B.M. 19,10)
195. Unterstützung der Armen (5. B.M. 15,8.11)
199. Rückgabe eines dem Schuldner unentbehrlichen Pfandes (5. B.M. 24,13)
200. Direkt Entlohnung des Tagelöhners am Arbeitstage (5. B.M. 24,15)
201. Erlaubnis für den Tagelöhner, während der Arbeitszeit im Feld oder im Weinberg vom Arbeitsertrag zu essen (5. B.M. 23,25.26)
204. Rückgabe von Gefundenem (5. B.M. 22,3)
206. Nächstenliebe (3. B.M. 19,18)
207. Liebe zum Fremdling (5. B.M. 10,19)

(https://www.talmud.de/tlmd/die-ge-und-verbote-nach-maimonides/#Gebet_und_Torah)

Im Gericht auf die Seite der Schafe zu kommen, ist also gar nicht so schwer. Die Menschen sind lediglich herausgefordert, ihren Egoismus aufzugeben und ihre Angst, selbst zu kurz zu kommen, aufzugeben. Wer sich umschaut und dankbar von der dargebotenen Fülle nimmt, kann teilen. Oder er/ sie kann Zeit teilen, z.B. im Krankenbesuch, durch ein Telefonat oder das Schreiben eines Briefes. Wie viel Einsamkeit kann so entgegengewirkt werden, denn heutige Krankheiten sind nicht selten als Folge des Alleinseins, des Gefühls, vergessen zu werden, psychosomatischer Natur.

Darum antwortet Jehoschua den Schafen auf seiner Rechten, die solches ganz selbstverständlich und ohne Aufforderung taten: „Was ihr einem dieser meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan!“

Wer aber sind die „geringsten Brüder“? Da er zu Heidenvölkern spricht, sind mit dieser Aussage seine jüdischen Brüder und Schwestern gemeint. Nicht nur den eigenen Staatsangehörigen zu sehen, sondern auch den Juden in der Diaspora oder damals unter römischer Besatzung, ist ein berechtigtes Anliegen, das der Jude und Rabbi Jehoschua gegenüber Nichtjuden ausspricht.

Zu allen Zeiten waren Juden die Fremden, die Anderen, denen man misstraute, so wie man heute Israel misstraut. In Juden die Brüder und Schwestern Jehoschuas zu sehen, war lange 2000 Jahre kaum möglich. Heute möchte man das Unrecht der Schoa gerne wieder gut machen, weshalb laut gesagt wird, man tue alles Mögliche gegen Antisemitismus, aber dieses Krebsgeschwür sucht und findet neue Wege. Und so richtet sich Misstrauen bis hin zu Hass gegen Israel anstatt gegen dessen Feinde, die Feinde jeglichen Lebens sind in Europa, in Amerika und in der freien Welt!

Es ist also gar nicht so schwer, auf die Seite der Böcke zu geraten, wenn wir in dieser Hinsicht unsere Achtsamkeit, unser Interesse, unsere Hilfsbereitschaft oder die Bereitschaft, einfach zuzuhören, uns mit den Problemen und Bedrohungen des Volkes Gottes zu befassen, schleifen lassen oder den Feinden Israels mehr Glauben schenken, weil das Vorurteil noch in so manchem Gen steckt, dass man einem Juden nicht trauen kann.

Ich will nicht ausschließen, dass gelebte Lieblosigkeit ganz generell auf die Seite der Böcke führt, aber das Gleichnis ist unmissverständlich. Denn da, wo Juden unter den Völkern lebten, wie zur Zeit Jehoschuas unter den Römern, waren sie gering geachtet, verachtet, wurden verfolgt und getötet. Heute werden jüdische Häuser wieder mit einem Davidstern besprüht und Juden auf der Straße bedroht, angespuckt und verprügelt, was tödlich enden kann. Juden fühlen sich trotz des Krieges in keinem Land der Welt mehr sicher – außer in Israel! Von einer amerikanischen Universität hörte ich, dass Juden nicht in den ersten zwei Reihen sitzen dürfen, und das bereits im März dieses Jahres!

Achten wir also heute darauf, Jehoschuas Brüder nicht allein zu lassen. Die Evakuierten aus den Kriegsregionen in Israel brauchen Nahrung und Kleidung, die Gefangenen brauchen unsere Gebete, die Verletzten brauchen Behandlung und unsere Anteilnahme, denn alle Seelen sind nach dem Grauen vom 7. Oktober hochgradig traumatisiert. Die Bedrohten in der Diaspora brauchen unseren Schutz. Wie gut sind da Zeichen der Solidarität und der praktischen Hilfe, der gelebten Nächstenliebe, der klaren Stellung zu Juden und zum Land Israel – ohne Wenn und Aber! Auch dieses, vielleicht Fremde, meint der vorliegende Predigttext.

Israel wird überleben und gedeihen. Die einzige Frage ist, ob Christen und Amerikaner [Anm: und Deutsche] auf der richtigen Seite der Geschichte und Gottes Segens stehen werden oder ob nicht.

Pastor John Hagee, Amerika

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