Eine fantasievolle Gartengestaltung in Jad Mordechai. Welch eine Begabung!
Predigttext vorgeschlagen für Sonntag, d. 14.08.2022
14 Denn es ist wie bei einem Menschen, der außer Landes reisen wollte, seine Knechte rief und ihnen seine Güter übergab. 15 Dem einen gab er fünf Talente, dem anderen zwei, dem dritten eins, jedem nach seiner Kraft, und er reiste sogleich ab. 16 Da ging der hin, welcher die fünf Talente empfangen hatte, handelte mit ihnen und gewann fünf weitere Talente. 17 Und ebenso der, welcher die zwei Talente [empfangen hatte], auch er gewann zwei weitere. 18 Aber der, welcher das eine empfangen hatte, ging hin, grub die Erde auf und verbarg das Geld seines Herrn. 19 Nach langer Zeit aber kommt der Herr dieser Knechte und hält Abrechnung mit ihnen. 20 Und es trat der hinzu, der die fünf Talente empfangen hatte, brachte noch fünf weitere Talente herzu und sprach: Herr, du hast mir fünf Talente übergeben; siehe, ich habe mit ihnen fünf weitere Talente gewonnen. 21 Da sagte sein Herr zu ihm: Recht so, du guter und treuer Knecht! Du bist über wenigem treu gewesen, ich will dich über vieles setzen; geh ein zur Freude deines Herrn! 22 Und es trat auch der hinzu, der die zwei Talente empfangen hatte, und sprach: Herr, du hast mir zwei Talente übergeben; siehe, ich habe mit ihnen zwei andere Talente gewonnen. 23 Sein Herr sagte zu ihm: Recht so, du guter und treuer Knecht! Du bist über wenigem treu gewesen, ich will dich über vieles setzen; geh ein zur Freude deines Herrn! 24 Da trat auch der hinzu, der das eine Talent empfangen hatte, und sprach: Herr, ich kannte dich, dass du ein harter Mann bist. Du erntest, wo du nicht gesät, und sammelst, wo du nicht ausgestreut hast; 25 und ich fürchtete mich, ging hin und verbarg dein Talent in der Erde. Siehe, da hast du das Deine! 26 Aber sein Herr antwortete und sprach zu ihm: Du böser und fauler Knecht! Wusstest du, dass ich ernte, wo ich nicht gesät, und sammle, wo ich nicht ausgestreut habe? 27 Dann hättest du mein Geld den Wechslern bringen sollen, so hätte ich bei meinem Kommen das Meine mit Zinsen zurückerhalten. 28 Darum nehmt ihm das Talent weg und gebt es dem, der die zehn Talente hat! 29 Denn wer hat, dem wird gegeben werden, damit er Überfluss hat; von dem aber, der nicht hat, wird auch das genommen werden, was er hat. 30 Und den unnützen Knecht werft hinaus in die äußerste Finsternis! Dort wird das Heulen und Zähneknirschen sein.
Matthäus 25, Schlachter 2000
Wie schön ist es, eine Aufgabe zu haben! Es fühlt sich gut an, gebraucht zu werden. Gott hat uns genau zu diesem Zweck geschaffen, unser Leben nicht wie im Schlaraffenland zu vertrödeln, sondern unserem Leben einen Sinn zu geben zu arbeiten.
Gen. 1,28 Gott segnete sie, Gott sprach zu ihnen: Fruchtet und mehrt euch und füllet die Erde und bedient euch ihrer! schaltet über das Fischvolk des Meers, den Vogel des Himmels und alles Lebendige, das auf Erden sich regt!
Ex. 20,9 Ein Tagsechst (sechs Tage) diene und mache all deine Arbeit, …
In diesem Gleichnis reist ein reicher Mann außer Landes und entscheidet, seinen Reichtum seinen Knechten bis zu seiner Rückkehr anzuvertrauen. Er kennt seine Knechte und kennt ihre Arbeit. Sicher stehen sie schon seit längerem in seinen Diensten. Genauso kennen seine Knechte ihn. Er wird ein Mann klarer Regeln und Worte gewesen sein, aber gleichwohl vertrauend und vertrauensvoll.
So übergibt er sein Vermögen seinen Knechten. Dabei berücksichtigt der Reiche die Fähigkeiten eines jeden Einzelnen. Er weiß, was er jedem zumuten kann. Demnach hat der Dienstherr seine Knechte mit seiner Menschenkenntnis gut beobachtet. Zuversichtlich und sorglos reist er ab.
Die zwei ersten Knechte treiben Handel mit dem ihnen anvertrauten Vermögen und verdoppeln es. Der dritte Knecht aber vergräbt es. Er hat Angst, das Geld zu verlieren und fürchtet das Risiko, denn selbst ein Talent war sehr viel Geld, umgerechnet etwa eine 5- oder 6-stellige Summe, wie David Stern in seinem Kommentar zum NT schreibt.
Doch die Talente sind im Gleichnis natürlich nicht zuerst pekuniär zu verstehen, sondern als unsere Talente und Fähigkeiten im Leben. Das Gleichnis sagt uns, dass es dem Reichen, welcher für Gott steht, nicht darauf ankommt, was unsere Fähigkeiten sind. Sie sind von Mensch zu Mensch ganz verschieden. So gibt es Menschen, die gerne mit anderen im Kontakt stehen, vielleicht ein Verkaufstalent haben und somit einen entsprechenden Beruf als Verkäufer und Berater wählen. Wieder ein anderer ist handwerklich oder künstlerisch begabt, einem anderen fällt es leicht, Sprachen zu lernen und dann in ferne Länder zu reisen. Trösten, zuhören, pflegen sind alles Talente, die wir von Gott bekamen und nun einsetzen können und sollen.
Den Lernenden heute wird in der Schule durch Praktika und Berufsberatung die Möglichkeit gegeben, ihre Fähigkeiten zu entdecken und auszuprobieren. Wenn man die Jugendlichen nach ihren Stärken fragt, kennen sie diese in den meisten Fällen nicht, was ausgesprochen schade ist. Vielleicht haben sie bei den reichhaltigen Medienangeboten keine Muße, diese herauszufinden; vielleicht haben die Erwachsenen aber auch zu wenig Zeit, um den vorhandenen Talenten Aufmerksamkeit und Anerkennung zu schenken. Oder aufgrund des Schuldrucks werden die Schulnoten wichtiger als die Begabungen. Dabei ist von dem Schriftsteller und Nobelpreisträger für Literatur Thomas Mann bekannt, dass er kein guter Schüler war und im Fach Deutsch nur ein ausreichend (4) bekam!
Unser dritter Knecht scheint ähnliche Probleme zu haben. Er versucht nicht einmal, seine Kollegen nachzuahmen. Er vergräbt sein Talent, legt die Hände in den Schoß und wartet die Ankunft seines Auftraggebers ab.
Der Herr lässt lange auf sich warten, doch dann kommt er und rechnet ab. Er ist sehr zufrieden mit seinen beiden ersten Knechten. Ihr Lohn ist, dass sie nun Verantwortung über größere Dinge bekommen und fortan an der Freude im Hause ihres Dienstherrn teilnehmen dürfen. Ihnen steht somit größere Nähe und Vertrautheit zu ihrem Herrn in Aussicht. Sie haben sich als treu und verantwortungsvoll erwiesen, was konsequenter Weise eine „Beförderung“ zur Folge hatte.
Dementsprechend ist der reiche Mann entsetzt und ärgerlich, als der dritte Knecht ihm lediglich sein eigenes Hab und Gut präsentiert. Zumal dieser Knecht als allererstes seinen Herrn mit einer Vorhaltung konfrontiert: Herr, ich kannte dich, dass du ein harter Mann bist. Du erntest, wo du nicht gesät, und sammelst, wo du nicht ausgestreut hast; und ich fürchtete mich, ging hin und verbarg dein Talent in der Erde. Siehe, da hast du das Deine!
Der Knecht kannte seinen Herrn? Wirklich? Warum hatten die anderen beiden keine Angst? Warum nahm er das Geld überhaupt an, wenn er sich überfordert fühlte? Ließ er sich von einem Bild in seinem Kopf leiten, das nicht der Realität entspricht? Oder war er lediglich faul und zu bequem, mit der relativ kleinen Summe im Vergleich zu seinen Kollegen etwas zu wagen? Wenn der reiche Mensch wirklich ein so harter Mann war, dann müsste der Knecht doch erst recht versucht haben, ihm einen Gewinn zu vorzulegen, und wenn es nur ein kleiner gewesen wäre. Mit seiner Rechtfertigung schiebt er alle Verantwortung von sich, wälzt sie auf seinen Dienstherrn.
Diese Art des Umgangs mit unserem Leben mag Gott nicht. Wenn wir uns überfordert fühlen, wenn wir keine Ideen für unsere Lebensaufgabe haben oder wenn uns Angst begleitet, dann dürfen, ja müssen wir sogar mit Gott sprechen, vielleicht mit diesen Worten: „Gott, mein Vater und König, ich habe keine Vorstellung von meinen Fähigkeiten und wie ich sie für dich und meine Mitmenschen einsetzen kann. Ich komme mir klein und unbedeutend vor in einer Welt so vieler erfolgreicher Menschen. Was kann ich da schon leisten? Ich habe Angst zu versagen!“
Gott wird ihm dann möglicherweise so antworten: „Siehe, ICH verlange nicht viel von dir. ICH kenne dich und weiß, dass ich dir nicht zu viel zumuten darf. Aber selbst deine unscheinbarsten Fähigkeiten fehlen in dieser Welt, wenn du sie vergräbst und nicht einsetzt. Geh, sprich mit Menschen auf der Straße oder schenke der Verkäuferin oder dem Postboten ein Lächeln. Du ahnst gar nicht, wie du damit Menschen ermutigst.
Sei für Kinder da, deren Eltern arbeiten und die alleine zu Hause sind. Lies ihnen vor oder bereite für sie das Mittagessen. Sei für ältere Menschen da, die nicht mehr alleine vor die Tür gehen können. Kaufe für sie ein. Und wenn du dich vor Menschen fürchtest, so kannst du darauf achten, wer deine Fürbitte braucht und diese Menschen vor MICH bringen. Außerdem kannst du in der Tora lesen und lernen und Antworten für dein Leben finden. Du kannst so viel, trau es dir nur zu. Auch wenn du keinen Nobelpreis bekommen wirst, ist dein Talent unwahrscheinlich wichtig für MICH und für die Existenz dieser Welt.“
Gott erhört unsere Gebete und gibt Antwort auf unserer Fragen. Doch mit der Vorwurfshaltung des dritten Knechts sind wir bei IHM an der falschen Adresse. Immerhin schuf Gott alle Voraussetzungen, die wir für unser spezielles Leben brauchen. ER ist zu vergleichen mit Eltern, die ihren Kindern die beste Schulbildung und das anerkannteste Studium bieten und sich wünschen, dass ihre Kinder mit den guten Voraussetzungen etwas aus ihrem Leben machen.
Der Mann durchschaut seinen Knecht und nennt ihn böse und faul. Nicht einmal Zinsen bekommt der Reiche für sein Geld! Sein Talent wird dem Knecht genommen und dem ersten Knecht gegeben, der sich als zuverlässig erwies. Der faule Knecht aber wird abgewiesen und aus der Gemeinschaft verstoßen. Dort kann er in der Einsamkeit über seine freche und unpassende Antwort und sein Verhalten nachdenken. Dieses Nachdenken, diese fehlende Gemeinschaft und die Ferne von seinem Herrn werden ihn zum Heulen bringen und ihm vor Augen halten, was er hatte, welche Chance ihm geboten wurde und was er versäumte. Das ist für ihn die Hölle, die jedoch nach jüdischem Glauben ein Ende hat, wenn der Knecht gelernt hat. Es heißt ja, dass Gott nicht ewig zürnt, was auch nach dem Tod gilt:
Jes. 12,1 AN jenem Tage wirst du sprechen: Ich danke dir, Herr, denn du hast mir gezürnt; da hat dein Zorn sich gewendet, und du hast mich getröstet.
Das Gleichnis lehrt uns, dass es am Ende der Tage eine Abrechnung gibt. Gott wird uns fragen, was wir mit unserem Leben gemacht haben und ob wir IHM vertrauten. Dabei wird ER uns nicht fragen, warum wir nicht so erfolgreich waren wie Bill Gates, warum wir nicht so helfend waren wie Albert Schweitzer oder so mutig wie Corrie ten Boom. Das verdeutlicht eine chassidische Geschichte:
Rabbi Sussja, der große chassidische Meister, lag weinend auf dem Totenbett. Seine Schüler fragten: »Rabbi, warum bist du so traurig?« Und Sussja sagte: »Ich habe mich mein ganzes Leben lang immer mit anderen verglichen. Aber in der kommenden Welt wird man mich nicht fragen: Warum bist du nicht Mosche gewesen? Man wird mich auch nicht fragen: Warum bist du nicht David gewesen? Man wird mich fragen: Warum bist du nicht einmal Sussja gewesen?«
Martin Buber, Die Erzählungen der Chassidim
Gott braucht Individuen, Persönlichkeiten, keine Abziehbilder und Marionetten. Ich muss nicht können, was meine Nachbarin kann, ich muss niemanden imitieren. Ich muss authentisch sein, nur dann kann ich meine in den Augen anderer noch so kleinen Fähigkeiten entfalten, egal auf welchem Niveau. Nur so werde ich mein Lebensziel erreichen. Gott weiß, wann ER einen jeden abruft, und darum verlangt ER nicht von mir, eine Aufgabe bis zu ihrer Vollendung zu bringen.
Rabbi Tarfon sagte dazu: „Der Tag ist kurz, die Arbeit groß, die Arbeiter sind faul, der Lohn ist groß und der Hausherr drängt. Nicht liegt es an dir, das Werk zu vollenden, aber du bist auch nicht frei, dich der Arbeit zu entziehen. Hast du viel Tora gelernt, so wird dein Lohn groß sein, der Meister bürgt dafür den Arbeitslohn auszuzahlen. Wisse, die Belohnung für die Gerechten geschieht in der kommenden Welt.“
Pirke Awot 2, 20+21
Lassen wir uns also nicht von Vergleichen entmutigen oder von der Angst leiten. Sind wir dankbar für die Gabe, mit der Gott uns ausstattete, mit der wir andere erfreuen, und danken wir für Sein Zutrauen.
Sehr einfühlsam und doch bestimmt. So wie es gedacht war und ist. Das sollte so in vielen christlichen Kirchen die Auslegung sein. Es würde Brücken bauen.
Das ist mein Wunsch, dass diese wurzelorientierte Botschaft Kreise zieht. Es ist mein Traum, dass die Kirchen sich anstecken lassen von meinen Auslegungen, die nicht zuletzt auf der Auslegungstradition meines Schwiegervaters Pinchas Lapide und auf den hilfreichen Sprachkenntnissen meines Mannes Yuval basieren. So würde der authentische Jesus Einzug halten in das Leben vieler Christen. Und so wäre es möglich, dem christlichen Antisemitismus entgegenzutreten, der leider immer noch kursiert. Danke für deinen Kommentar.