In diesem einfachen, bescheidenen Haus in Sde Boker wohnte der größte Visionär unserer Zeit und Premierminister Israels, David Ben Gurion. Er wollte zeigen, dass man in der Wüste leben kann – und heute blüht sie und bringt Früchte hervor.
Predigttext vorgeschlagen für den Sonntag Judika, 3. April 2022
35 Da traten Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, zu ihm und sprachen: Meister, wir wünschen, dass du uns gewährst, um was wir bitten! 36 Und er sprach zu ihnen: Was wünscht ihr, dass ich euch tun soll? 37 Sie sprachen zu ihm: Gewähre uns, dass wir einer zu deiner Rechten und einer zu deiner Linken sitzen dürfen in deiner Herrlichkeit! 38 Jesus aber sprach zu ihnen: Ihr wisst nicht, um was ihr bittet! Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinke, und getauft werden mit der Taufe, womit ich getauft werde? 39 Und sie sprachen zu ihm: Wir können es! Jesus aber sprach zu ihnen: Ihr werdet zwar den Kelch trinken, den ich trinke, und getauft werden mit der Taufe, womit ich getauft werde; 40 aber das Sitzen zu meiner Rechten und zu meiner Linken zu verleihen, steht nicht mir zu, sondern es wird denen zuteil, denen es bereitet ist. 41 Und als die Zehn es hörten, fingen sie an, über Jakobus und Johannes unwillig zu werden.
Schlachter-Übersetzung 2000
42 Aber Jesus rief sie zu sich und sprach zu ihnen: Ihr wisst, dass diejenigen, welche als Herrscher der Heidenvölker gelten, sie unterdrücken, und dass ihre Großen Gewalt über sie ausüben. 43 Unter euch aber soll es nicht so sein, sondern wer unter euch groß werden will, der sei euer Diener, 44 und wer von euch der Erste werden will, der sei aller Knecht. 45 Denn auch der Sohn des Menschen ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben zu geben als Lösegeld für viele.
In diesem Predigttext wird die Anspruchshaltung von gewöhnlichen Erdenbürgern mit der Bescheidenheit eines Gerechten kontrastiert. Dabei dürften die Fragen interessant sein, wie sich die beiden Jünger Johannes – Jochanan und Jakobus – Jaakow die kommende Welt vorstellen. Welche Rolle spielt in ihrer Vorstellung Jehoschua in der kommenden Welt und wie sehen die Jünger sich selbst, wenn sie an seiner Seite sitzen? Und wo ist Gott? Spielt ER für sie keine Rolle mehr? Haben sie die Bedeutung des Namens ihres Vaters Zebedäus vergessen, der auf Hebräisch זְבַדיָה Sewadja heißt: Hingabe an Gott.
Man hat den Eindruck, dass in der Vorstellung der Jünger die kommende Welt eine Welt der Herrschaft ist, wie sie sie bisher kannten. Dort wollen Jaakow und Jochanan das Privileg besitzen, an Jehoschuas Seite zu sitzen. Wollen sie Ansehen, weil sie dort mit ihm gemeinsam im Mittelpunkt sind? Wollen sie Macht, weil sie denken, Jehoschua würde dort ebenfalls über diese verfügen?
Sie bitten um diese Plätze, weil sie von seiner Ehre, die ihm in der anderen Welt zuteil wird, überzeugt sind. Und von dieser wollen sie einen Teil abbekommen. Auch die BigS erklärt, dass dem Ausdruck Herrlichkeit oder Glanz das Wort כָּבוֹד Kawod = Ehre zugrunde liegt. Es hat mit einem gewichtigen Ansehen zu tun, denn in ihm steckt das Wort כָּבֵד kawed = schwer.
Sollte es einfach nur Liebe sein? Doch dann würde es doch schon genügen, in der Nähe des Geliebten zu sein, seine Stimme zu hören und ihn zu sehen. Dem Liebenden genügt die pure Anwesenheit des Geliebten. Dann würden Jochanan und Jaakow nicht etwas einfordern oder begehren, wie es in der hebräischen Rückübersetzung heißt: לחפוץ lachpoz = begehren.
Jehoschua holt Jochanan und Jaakow auf den Boden der Tatsachen zurück. In ihm sehen wir das Vorbild des Bescheidenen. Er ist ganz Gott hingegeben. Das wird besonders deutlich in seinen Worten:
Joh. 5,30 Ich kann nichts von mir selbst aus tun. Wie ich höre, so richte ich; und mein Gericht ist gerecht, denn ich suche nicht meinen Willen, sondern den Willen des Vaters, der mich gesandt hat.
In ihm ist das Bewusstsein, Mitwirkender an einem Großen und Ganzen zu sein. In diesem Sinne hat er durchaus ein messianisches Sendungsbewusstsein (David Flusser, Lehrer von Pinchas und Yuval Lapide). Er ist sich bewusst, dass große Veränderungen in seinem Judentum anstehen, da der Tempel nicht mehr lange existieren wird. Es braucht eine Umorientierung seiner Landsleute und Glaubensgeschwister. Er weiß sich in eine historisch bedeutende Zeit gestellt, in der er seinen Einfluss für Gott, den Vater Israels, geltend machen kann und will. Aber er weiß, dass seine Macht begrenzt ist, sowohl in dieser als auch in der kommenden Welt.
Gott steht das Richteramt zu, sowohl hier als auch drüben. Wer welchen Sitzplatz einnimmt, bleibt allein Gott überlassen. ER hat die ganze Welt im Blick, nicht nur 12 Männer, die bei Rabbi Jehoschua lernen und zeigen, dass sie noch viel lernen müssen.
Jehoschua weiß, welches Leid er wird ertragen müssen. Er ist sich über das Ziel und die Grausamkeit der Römischen Besatzung im Klaren. Täglich gab es hunderte von Kreuzigungen, wie Josephus Flavius beschreibt, da ist es nur eine Frage der Zeit, wann es den angeblichen Rebellen Jehoschua trifft. Sein Einfluss versetzt die Römische Macht in Angst und Schrecken, sodass es nur eines Funkens bedarf, um Jehoschua dem Gericht der Römer und ihrer Kollaborateure auszuliefern.
Des Weiteren ist Jehoschua es ebenso klar, dass dieser Funke ein Feuer entfachen wird, dass alle seine jüdischen Zeitgenossen betreffen wird. Darum müssen seine treuen Schüler so wie viele seiner jüdischen Geschwister sein Leid teilen. Niemandem, der Jude bleiben will, bleibt dieses Leiden erspart, denn die Römer wollten gegen das aufmüpfige Volk der Juden endlich ihren Kaiserkult und ihre Vielgötterei durchsetzen. Jeder, der dem widerstand, musste leiden. Und kein gläubiger Jude verneigte sich vor dem Kaiser oder vor römischen Göttern. Das jüdische Leid war also absehbar, das bestenfalls in Flucht oder Vertreibung endete.
Um keine Spaltung unter seinen Schülern aufkommen zu lassen, ruft Jehoschua sie zu sich und lehrt sie, was Aufgabe der 12 ausgewählten Schüler sowie aller nachfolgender Generationen sein soll. Sie sollen nicht nach der Macht der Mächtigen streben. Er weiß, dass diese Herrscher belügen und betrügen und Gewaltherrschaft ausüben. Die Erfahrung mit den Römern damals entspricht auch unseren Erfahrungen: Nachrichten werden zensiert und Lügen verbreitet, Regimegegner werden eingesperrt und gefoltert oder auf heimtückische Weise ermordet, Gewalt, Mord und Zerstörung werden ausgeweitet.
Dass Jehoschua in diesem Zusammenhang solch ein Beispiel bringt, lässt aufhorchen. Will er damit seine Schüler warnen: „Wehret den Anfängen! Kommt gar nicht erst auf die Idee, euch Ansehen und Ehre zu wünschen, denn dann ist es bis zu umfänglichen Machtfantasien nicht mehr weit. Stellt euch darauf ein, zu dienen, עֶבֶד Ewed = Knecht, Sklave zu sein wie eure Vorväter in Ägypten, dann aber Ewed Adonai עֶבֶד יְהוָה, Knecht Gottes. Selbst der große Lehrer des Judentums und der bescheidenste Mensch Mosche war ein Knecht Gottes, מֹשֶׁה עֶבֶד יְהוָה Mosche ewed Adonai (Dtn. 34,5) Von ihm heißt es:
Num. 12,3 Der Mann Mosche aber war sehr demütig, mehr als alle Menschen, die auf der Fläche des Erdbodens sind.
Dtn. 34,10 Nicht aber erstand hinfort ein Künder in Jissrael Mosche gleich, den ER Antlitz zu Antlitz erkannte: 11 in all den Zeichen und den Erweisen, womit ER ihn ausschickte, sie im Land Ägypten an Pharao, an all seinen Knechten, an all seinem Lande zu tun, 12 in all der starken Hand, in all der großen Furchtbarkeit, die Mosche dartat den Augen von all Jissrael.
Nicht das Streben nach Anerkennung soll die Jünger anleiten, sondern ihre Bereitschaft zu dienen. Wer in Demut und Bescheidenheit seinen Brüdern und Schwestern dient, wird unerwartet zu Ansehen kommen, aber nicht in den Augen der Welt. Dort genießt Gottes Wille kein Ansehen, sondern das Recht des Starken. Dass dessen Macht einmal zu Ende sein wird, ahnt er nicht. Aber auch er ist in und unter Gottes Hand und wird seine Knie beugen müssen vor dem König aller Könige.
Wenn Jehoschua sich selbst als Beispiel bringt, spricht er in der dritten Person. Warum kann er nicht „ich“ sagen? Hat er kein Ich-Bewusstsein? Nein, er hat ein Gottesbewusstsein, und er lässt es bewusst offen und überlässt es Gott, wer der Menschensohn ist. Streng genommen ist es der Adamssohn בֶּן-הָאָדָם Ben Adam. Wie Hesekiel von Gott mit Ben Adam angesprochen wird, so stellt auch Jehoschua sich mit ihm in diese Tradition.
Gott möchte, dass die Menschheit durch den Ben Adam erneuert wird in eine Menschheit, wie sie zur Zeit des Paradieses war. Die Menschheit in ihrer Gesamtheit soll wieder ein Sohn Adams im paradiesischen Zustand werden. Adam fiel, weil er von Gott abfiel, wie auch Gottes Volk zu Hesekiels und zu Jehoschuas Zeit. Werde wieder Adam in der Nähe Gottes, ist Gottes An-Ruf! Der „Ben Adam“ lebte im Paradies, im Raum des Lebens, indem Gott ihm den רוּחַ Ruach, den Geist einblies und Adam so seine נְשָׁמָה Neschama, seine Seele, bekam. Der gefallene Mensch soll wieder zurück ins Leben. Es geht nicht nur um die Juden, denn Adam war noch kein Jude. Der Unterschied zwischen Jude und Nichtjude spielt keine entscheidende Rolle. Alle Menschen sind Adamskinder, bei Hesekiel wie bei Jehoschua.
Mit dem Ben Adam geht es um Hoffnung in hoffnungsloser Zeit.
Jehoschua ist bereit, sein Leben für viele Menschen hinzugeben. Mit dieser Bereitschaft steht er nicht alleine. Andere Propheten vor ihm sowie gerechte Rabbiner nach ihm gaben, wenn sie schon sterben mussten, ihr Leben für andere dahin. In seiner sehr jüdischen Bereitschaft zum Wohle vieler zu sterben, hat Gott ihn und seine Lehre in der Auferweckung bestätigt. Jehoschua wusste sich im Leben und im Tod in Gottes Hand, wie es in der zweiten Bitte der Amida heißt:
„Du bist mächtig in Ewigkeit. Ewiger, belebst die Toten, du bist stark zum Helfen. … Und treu bist du, die Toten wieder zu beleben. Gelobt seist du, Ewiger, der du die Toten wieder belebst!“