Predigttext vorgeschlagen für Sonntag, d. 31.07.2022
1 Danach fuhr Jesus über den See von Galiläa bei Tiberias. 2 Und es folgte ihm eine große Volksmenge nach, weil sie seine Zeichen sahen, die er an den Kranken tat. 3 Jesus aber ging auf den Berg und saß dort mit seinen Jüngern beisammen. 4 Es war aber das Passah nahe, das Fest der Juden. 5 Da nun Jesus die Augen erhob und sah, dass eine große Volksmenge zu ihm kam, sprach er zu Philippus: Wo kaufen wir Brot, damit diese essen können? 6 (Das sagte er aber, um ihn auf die Probe zu stellen, denn er selbst wusste wohl, was er tun wollte.) 7 Philippus antwortete ihm: Für 200 Denare Brot reicht nicht aus für sie, dass jeder von ihnen auch nur ein wenig bekommt! 8 Da sprach einer von seinen Jüngern, Andreas, der Bruder des Simon Petrus, zu ihm: 9 Es ist ein Knabe hier, der hat fünf Gerstenbrote und zwei Fische; doch was ist das für so viele? 10 Jesus aber sprach: Lasst die Leute sich setzen! Es war nämlich viel Gras an dem Ort. Da setzten sich die Männer; es waren etwa 5 000. 11 Und Jesus nahm die Brote, sagte Dank und teilte sie den Jüngern aus, die Jünger aber denen, die sich gesetzt hatten; ebenso auch von den Fischen, so viel sie wollten. 12 Und als sie gesättigt waren, sprach er zu seinen Jüngern: Sammelt die übrig gebliebenen Brocken, damit nichts verdirbt! 13 Da sammelten sie und füllten zwölf Körbe mit Brocken von den fünf Gerstenbroten, die denen übrig geblieben waren, welche gegessen hatten. 14 Als nun die Leute das Zeichen sahen, das Jesus getan hatte, sprachen sie: Das ist wahrhaftig der Prophet, der in die Welt kommen soll! 15 Da nun Jesus erkannte, dass sie kommen würden, um ihn mit Gewalt zum König zu machen, zog er sich wiederum auf den Berg zurück, er allein.
Schlachterbibel 2000
Jehoschua hält sich in seiner Heimat Galiläa auf. Er lässt sich mit einem Boot über den See Genezareth fahren, denn dort im Boot kann er wenigstens eine Weile ungestört sein. Die Not im Volk ist so groß, sodass die Menschen danach hungern und dürsten, seine ermutigende und wegweisende Lehre zu hören. Man kennt den Wanderrabbi, der im Namen Gottes Kranke heilt und Wunder tut. Also folgt das Volk ihm auf dem Landweg.
Jehoschua geht auf einen Berg nahe Tiberias. Die Brotvermehrungskirche befindet sich heute in Tabga, was direkt am Ufer des Sees Genezareth liegt. Einen Berg findet man dort, wo die Kirche der Seligpreisungen liegt in der Nähe von Kapernaum. Welchen Berg Jehoschua gemäß Johannes auch immer auswählte, vielleicht landeinwärts von Tiberias, ist letztlich nicht so wichtig. Wichtiger ist, dass er überhaupt einen Berg wählte, denn ein solcher steht für die Lehre, die er hier vermutlich seinen Schülern erteilte. Berg heißt har הָר und hat die sprachliche Wurzel des Verbs lehorot לְהוֹרוֹת = unterrichten, unterweisen. Damit ist der Berg mit der Tora תּוֹרָה = Weisung Gottes verbunden. Welcher Ort eignete sich also besser zum Lehren und Lernen.
Wir erfahren, dass das Pessachfest vor der Tür stand. Noch heute ist es in jüdischen Kreisen üblich, dass man sich durch gezieltes Torastudium auf dieses große Erinnerungsfest vorbereitet, die Rituale ergründet und erklärt, die praktischen Dinge im jüdischen Haushalt wie den Pessachputz und das Suchen des Gesäuerten spirituell auslegt.
Doch mitten in ihren Überlegungen sehen Jehoschua und seine Schüler eine große Volksmenge auf den Berg kommen. Sofort denkt Jehoschua an das leibliche Wohl der Menschen, die ihm so einen weiten Weg gefolgt sind, und er fragt Philippus, wo sie Brot für so viele kaufen sollen. Kurz vor Pessach wird zum einen nicht mehr so viel Brot bevorratet sein, zum anderen will er den Glauben seines Schülers herausfordern. Vielleicht stellt Jehoschua gerade an ihn diese Frage, weil sie über Ähnliches zuvor gesprochen hatten?
Dass Philippus Zweifel hegt, wird durch die Zahl 200 deutlich. Zwei steht in der jüdischen Zahlenlehre für die Dualität der Schöpfung ebenso wie für Unentschlossenheit und Zweifel.
Andreas bringt die zweite Möglichkeit ins Spiel: nicht für Geld einkaufen, sondern fünf Brote und zwei Fische eines Jungen. „Doch was ist das für so viele?“ Trotz der hörbaren Zweifel greift Jehoschua diese Variante auf. Die 5 Brote und die 5000 Menschen sind ein Hinweis auf die Gültigkeit der Tora sowie auf das Eingreifen Gottes, denn aus 5 Büchern besteht die Tora und 5 Finger sind an jeder Hand.
Wie mit seiner Frage an Philippus will er nun den Glauben aller Anwesenden an ihren Gott stärken. Versorgte Gott Sein Volk nicht auf wundersame Weise in der Wüste mit Brot vom Himmel (Ex. 16,15 u.a.)? Und hatte Gott nicht auch später noch sein Volk in verschiedenen Nöten ernährt?
2.Kön. 4,42 Aus Baal Schalischa kam einst ein Mann, er kam mit zwanzig Gerstenbroten für den Mann Gottes: Erstlingsbrot, dazu Frischgraupen in seinem Schnappsack. Er aber sprach: Gibs dem Volk, daß sie essen. 43 Doch sein Aufwärter sprach: Wie soll ich dies an hundert Mann ausgeben? Doch er sprach: Gibs dem Volk, daß sie essen, denn so hat ER gesprochen: Zu essen und übrigzulassen! 44 Er gab an sie aus, sie aßen und ließen übrig, nach SEINER Rede.
Die Witwe zu Zarepta und den Propheten Elijahu versorgte Gott mit Öl und Mehl während der gesamten Hungersnot. (1.Kön. 17,8ff)
Jehoschua wusste also, was er tat, denn er nahm die Tora, das Wort seines und Israels Vaters, ernst. Darum nahm er das Brot und sprach das Dankgebet darüber, wie es Juden heute noch bei jedem Brotgenuss beten:
Baruch ata Ado-naj, Elohenu Melech Ha’Olam, Hamozi lechem min haarez. בָּרוּךְ אַתָּה יְ‑יָ אֱ‑לֹהֵינוּ מֶלֶךְ הָעוֹלָם הַמּוֹצִיא לֶחֶם מִן הָאָרֶץ
Kiddusch Freitagabend und Feiertage
Gelobt bist Du, G-TT, unser G-tt, König des Universums, der das Brot aus der Erde hervorbringt.
Indem er so mit Gott sprach, vertraute er darauf, dass der allgütige Gott ein Wunder wie in der Vorzeit erschaffte. Jehoschuas Ansinnen, seine Kawana כַּוָּנָה = Absicht, war immer wieder, Gottes Fürsorge und Gottes Majestät den Israeliten in Erinnerung zu rufen.
Die Schüler Jehoschuas werden ein Teil dieses Wunders, denn nach der Danksagung dürfen sie das Vorhandene austeilen und mit eigenen Augen sehen, wie das Wenige sich vermehrt und schließlich für alle ausreicht. Daraus lernen wir, dass Gott unsere Bereitschaft zur Mithilfe sucht. ER gebrauchte den Jungen, der bereit war, seine Nahrungsration herzugeben und ER brauchte die Schülergruppe, um das ihnen Übergebene vertrauensvoll auszuteilen. Erst durch das gemeinsame Handeln konnte Gott das Gebet Jehoschuas mit einem Wunder beantworten.
In unserer heutigen Welt gibt es Hunger und Leid. Für wieviel davon sind die westlichen Industrienationen durch Ausbeutung der Ärmeren selbst verantwortlich? Wer möchte nicht als Verbraucher gerne günstig einkaufen und fragt nicht, wo die Lebensmittel herkommen und wie die Bedingungen in den notleidenden Nationen sind? Dafür können wir Gott nicht verantwortlich machen, sondern müssen unsere Fehler einsehen. Wir sind aufgefordert, zuerst zu teilen und Missstände zu korrigieren, dann wird Gott uns helfen, dass es für alle reicht.
Die 5000 Menschen setzten sich nieder, denn an dem Ort war viel Gras. Diese scheinbare Nebensächlichkeit zeigt uns, dass es Frühjahr ist, dass die Natur grün und saftig ist und für alle reichlich wachsen lässt. Die Natur gibt ihr Bestes, denn sie ist von Gott gesegnet und Gottes treuer Partner. Die Erwähnung des Pessachfestes deutete bereits den Beginn der Gerstenernte an. Gott sorgt unablässig für Sein Volk, und die Natur ist IHM dabei gehorsam.
Der Ort heißt auf Hebräisch מָּקוֹם makom und ist ein Synonym für Gott. Somit wissen wir, dass Gott selbst inmitten Seines Volkes ist. ER ist nicht fern von denen, die zu IHM rufen und erhört ihre Bitten.
Und so essen die Menschen, werden satt und lassen übrig. Die ganze Geschichte gibt Zeugnis von der Fülle Gottes. Die Reste werden nun eingesammelt, damit nichts verdirbt. Gaben von Gott sind wertvoll. Sie wurden anschließend mit menschlicher Kraft geerntet und verarbeitet. Alles muss wertgeschätzt werden!
Wie ist das heute bei uns? Sind wir uns noch bewusst, dass Brot nicht zuerst aus dem Supermarkt kommt, dass wir Landwirte, Müller und Bäcker gebrauchen, und dass die ohne den Segen Gottes auf unseren Feldern nichts tun können? Wie viel Lebensmittel, nicht nur Brot, laden bei uns im Müll?! Diese Achtlosigkeit ahndet Gott, wenn wir uns nicht besinnen.
Die Menschen, die auf dem Gras sitzen und essen, werden satt. Das Gras heißt auf Hebräisch essew עֵשֶׂב. Das Wort besteht aus denselben Buchstaben wie der hebräische Ausdruck für satt שָׂבֵעַ ssawe’a. Die Nennung des Grases nimmt also schon die Sättigung vorweg. Gott ist immer schon da, wo Menschen IHN brauchen, IHN erleben müssen, um wieder glauben zu können. (Auf diese sprachliche Feinheit machte mich mein Mann mit seinen brillanten und für mich unverzichtbaren Hebräischkenntnissen aufmerksam.)
12 Körbe bleiben übrig, was der Anzahl der Stämme Israels entspricht. Alle aus Gottes Volk werden mit Seiner Güte bedacht, gleich-gültig wie unterschiedlich diese Menschen aus den verschiedenen Stämmen auch sind. Ob sie sich für das Recht einsetzen oder Seefahrer oder Händler sind, ob sie im Tempel dienen und verstreut im Land leben, ob sie in der Ferne oder der Nähe leben – alle werden bedacht, keiner wird vergessen. Das wird auch deutlich an einer Geschichte während der Pessachliturgie am Sederabend. Da wird von den 4 Söhnen erzählt, die unterschiedlicher nicht sein könnten, und doch haben sie Zugang zur Sedertafel.
Außerdem beträgt die Quersumme 3, was Transformation bedeutet. Gott möchte, dass sich Sein Volk, das zu der Zeit von den Römern schwer unterdrückt und drangsaliert wurde, verändert und zurückkehrt zu IHM. ER ist das Brot schlechthin und ER nährt Sein Volk zudem mit Seinem heiligen Wort. Und Gott ist selber die Quelle lebendigen Wassers. Zu IHM kann es jederzeit umkehren.
Jer. 2,13 Denn zwiefach Böses getan hat mein Volk: sie verließen mich, Quelle des lebendigen Wassers, um sich Gruben zu hauen, brüchige Gruben, die das Wasser nicht halten.
Am Schluss der Perikope ist der Evangelist ausgesprochen ehrlich, wenn er die Reaktion der Anwesenden beschreibt. Wie schon in der Wüste schreiben die hier anwesenden Juden, denn alle Protagonisten der Evangelien sind – wenn nicht ausdrücklich anders genannt – Juden, Gottes Wirken einem Menschen zu. Dabei waren es in der Wüste weder Mosche noch Aaron noch hier Jehoschua, sondern Gott, der Vater im Himmel. Gleich erkennen sie in Jehoschua einen Propheten – wenn sie dem nur gehorchten! -, mehr noch, sie wollen ihn zum König und damit zu ihrem Maschiach מָשִׁיחַ = Messias, der Gesalbte, salben! Jehoschua aber lehnt all das ab. Er ist bescheiden und meidet jegliche Verehrung und jegliche Titel. Seine Aufgabe war, den Vater zu verherrlichen. Mehr wollte er nicht. Darum zog er sich in die Einsamkeit des Berges zurück und entkam so der Menge.
Wieder gelernt. Aus den Buchstaben zum Gras und Satt. Und nicht nur daraus. Es hat in sich Sinn. Es braucht keinen aus der Rücksicht gelegten Sinn. Denn das ergibt eher Unsinn. Toda Raba.