Predigttext vorgeschlagen für die Christnacht, 24.12.2022
23 Dann erstelle ich über sie einen einzigen Weidehirten, der sie weiden soll, meinen Knecht Dawid, der soll sie weiden, der soll ihnen zum Hirten werden. 24 ICH werde ihnen zum Gott, mein Knecht Dawid Fürst ihnen inmitten, ICH bins, der geredet hat. 25 Einen Bund des Friedens schließe ich ihnen, Böswild verabschiede ich aus dem Land, in der Wüste können sie in Sicherheit sitzen, in den Wäldern können sie schlafen. 26 Segen gebe ich ihnen bei, rings um meinen Hügel, Erguß sende ich zu seiner Zeit, Segengüsse werden das sein. 27 Der Baum des Feldes gibt seine Frucht, das Erdland gibt sein Gewächs, auf ihrem Boden sind sie in Sicherheit. Dann werden sie erkennen, daß ICH es bin, wann die Stangen ihres Jochs ich zerschlage und sie aus der Hand der sie Knechtenden rette. 28 Den Weltstämmen sind sie nicht mehr zum Raub, das Wild des Landes darf sie nicht fressen, in Sicherheit siedeln sie nun, und keiner ist, der aufscheucht. 29 Ich erstelle ihnen eine Pflanzung zum Ruhm, nicht mehr sind im Land Hungersentraffte, nicht mehr müssen sie die Schmach der Weltstämme tragen. 30 Dann werden sie erkennen, daß ICH, ihr Gott, bin mit ihnen und sie mein Volk sind, das Haus Jissrael, Erlauten ists von meinem Herrn, IHM. 31 O ihr meine Schafe, ihr Schafe meiner Weide, Menschheit seid ihr, ich euer Gott. Erlauten ists von meinem Herrn, IHM.
Die Schrift, Martin Buber/ Franz Rosenzweig
Nachdem in den vorhergehenden Versen Gott selbst die Fürsorge für die Herde Israel zusagte, weil die anderen Hirten unzuverlässig und treulos handelten, stellt Gott nun einen einzigen Hirten über Sein Volk in Aussicht: Seinen Knecht David. Wie der Name bereits sagt, war er von Gott geliebt, obwohl sein Leben nicht sündlos und nicht gerade verlief. Doch hatte der zweite König Israels eine so tiefe und innige Beziehung zu seinem Schöpfer, dass er zu einer hingebungsvollen Umkehr =Teschuwa, in der Lage war (Ps. 51).
Seine Fähigkeiten als König hatte er bereits als Hirte der Schafe seines Vaters unter Beweis gestellt, sodass nun sein Nachkomme als Maschiach = Messias – Gesalbter für Israel zu Gottes Zeit erscheinen wird. Jedoch so, wie David als Hirte und König dem obersten Hirten und König untertan war, so bleibt es auch der erwartete Maschiach. Der wird wissen, dass es nur EINEN Gott geben kann, und dass er an IHN weisungsgebunden bleibt. Gott bleibt und ist der Richter, der Seinen Kindern eine Fülle an Gnade zuteilwerden lässt, was durch den Namen יְהוָה JHWH ausgedrückt ist, und ER wird als אלֹהִים Elohim (Gott) als Richter und Gesetzgeber für eben diese Seine Kinder fungieren. ER selbst wird zuerst alle Ursachen der Spaltung Seines Volkes ausräumen, bevor der Hirte, „der in Gottes Namen, als Diener des unsichtbaren, göttlichen Hirten, Gott die Herde weidet.“[1] Seinem Rechtsspruch wird sich genauso der Nachkomme Davids unterstellen, denn dieser wird lediglich „Fürst“ in der Mitte des Volkes sein, aus dem er kommt.
Gott schließt mit Seinem Volk einen Bund des Friedens, wie ER es schon zurzeit der Wüstenwanderung versprochen hatte, wenn Israel Seinen Geboten gehorsam ist:
Lev. 26,3 Werdet ihr in meinen Satzungen gehn, meine Gebote wahren und sie tun, 4 gebe ich eure Regen zu ihrer Frist, geben soll die Erde ihr Gewächs, der Baum des Feldes gibt seine Frucht. 5 Der Drusch reicht euch all das Herbsten, und das Herbsten reicht an die Saat, ihr esset euer Brot zu Sättigung, ihr siedelt gesichert in eurem Lande. 6 Ich gebe im Lande Frieden, ihr liegt, keiner scheucht auf, ich verabschiede aus dem Lande böses Getier, Schwert zieht nicht durch euer Land, 7 verfolgt ihr eure Feinde, sie fallen vor euch dem Schwert, …
Gottes Wort ändert sich nicht! Es ist tröstlich, dass der Ewige auch über die Umwege Seines Volkes zum Ziel kommt. ER will und wird den Seinen ein Paradies schaffen, das messianische Friedensreich. Nichts wird mehr die Ruhe Israels stören. Vielmehr wird es so gesegnet sein, dass es selbst ein Segen ist. „… ihr sittliches Verhalten lässt sie zum Quell des Segens werden, … Der Regen ist das Produkt ihrer sittlichen Würdigkeit. … Der Regen, der dann fällt, ist, wie es Wajikra [Levitikus] 26,4 heisst: […] euer Regen.“[2]
Endlich wird das Volk Israel verstanden haben, dass Gott es immer und überall versorgt, ob in der Sklaverei, in der Wüste oder im Exil. Es braucht nicht mehr fremden Göttern nachzulaufen, sondern wird seinen Gott und Vater, seinen ewigen Hirten, gefunden haben. Dann endlich können sich alle Verheißungen erfüllen. Kein Hunger, keine „Schmach der Völker (Weltstämme)“ kann sie mehr angreifen, denn ihr Gott ist der Ewige.
Ziel aller prophetischen Verkündigung ist eben jenes so unverzichtbare Erkennen, dass der Ewige ihr Gott ist! Es wird keine Unklarheit, keine Verwechselung geben, wer Adonai ist, wer das Volk oder wer Gottes Maschiach ist. Es kann nur EINEN Gott geben und EINE Herde, das Volk Israel. Dieses wird אָדָם Adam = Mensch sein und zum Ur-Adam, wie er am Anfang der Schöpfung vom Schöpfer gedacht war, zurückfinden, und somit zum wahren Menschsein, zur wahren Menschlichkeit. Das geschieht durch das Vertrauen auf und die Hingabe an den ewigen Hirten und die Bereitschaft, sich von IHM tragen und führen zu lassen.
All dies hat sich noch nicht bewahrheitet, weil genau dieses Vertrauen und diese Hingabe an den Hirten, dieser Gehorsam gegenüber Gottes Wort noch immer fehlen. Unsere Welt ist in ihrer Gesamtheit noch immer kalt, unfriedlich und unmenschlich. Doch der Prophet schenkt uns durch sein Reden die Hoffnung und Gewissheit, dass es sich lohnt, auf Gott zu vertrauen, dass Sein Friedensreich anbrechen wird.
Jesus, der laut Stammbaum des Matthäus- und Lukasevangeliums im Volk Israel tief verwurzelt ist, weist immer wieder auf seinen Vater hin und bleibt IHM als gläubiger Jude untertan. Er vertraut IHM als dem EINEN und ist uns damit ein Vorbild im Glauben und Vertrauen. So ist Jesus für seine Nachfolger ein Weg, auf dem sie ihm zuversichtlich folgen können, immer das Ziel, endlich das Friedensreich des Höchsten zu erfahren, vor Augen.
Mt. 7,21 Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr, Herr! wird in das Reich der Himmel eingehen, sondern wer den Willen meines Vaters im Himmel tut.
Joh. 5,19 Der Sohn kann nichts von sich selbst aus tun, sondern nur, was er den Vater tun sieht; denn was dieser tut, das tut gleicherweise auch der Sohn.
Mk. 12,29 Jesus aber antwortete ihm: Das erste Gebot unter allen ist: »Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist Herr allein; …
[1] Das Buch Jecheskel, übersetzt und erläutert von Dr. Joseph Breuer, Verlag Morascha Basel 2020, S. 336
[2] Ebd. S. 339