Ausgrabungen von Bet Sche’an
Diese Haftara wird in Israel gelesen, da hier der Schabbat kein Pessachtag mehr ist
Die Freundschaft zwischen Jonathan und David gehört zu meinen Lieblingsgeschichten in der Bibel. Aber was ist nur in Scha’ul gefahren, den ersten König Israels, dass er einen derartigen Hass gegen David hegt?
Schauen wir nur drei Kapitel zurück, da entpuppt sich ein kleiner Hirtenjunge mit seinem Gottvertrauen als siegreicher Kämpfer gegen die Philister und deren Machtprotz Goliath. Während der König und sein Heer zitterten und zagten und sich die Ächtung des Gottes Israels anhörten, zeigte sich David als echter Israelit, als wahrer Gotteskämpfer, der sich für den Namen seines großen Gottes einsetzte und siegte.
Daraufhin nimmt Scha’ul ihn mit zu sich und ließ ihn nicht wieder in sein Vaterhaus zurück. Doch außer Scha’ul hatte noch jemand David lieb gewonnen, und zwar Jonathan, der Sohn des Königs. Zum Zeichen ihrer Freundschaft gab Jonathan ihm sogar seine Waffen. (1.Sam. 18,1-5)
Doch als Scha’ul und David einmal von einer siegreichen Schlacht zurückkamen, sangen Frauen:
1.Sam. 18,7 Auf seine Tausende hat Scha’ul dreingeschlagen! – Aber Dawid auf seine Myriaden!
Von dem Moment trat Scha’uls dunkle Seite hervor: sein Neid, seine Eifersucht und seine Machtgier! Ein uraltes Motiv, das immer wieder Ursache für Mord, Krieg, Hass und Antisemitismus ist. Ein absurdes Motiv, denn noch war David nicht zum König gesalbt und kein Anwärter auf den Thron, sondern ein erfolgreicher Kriegsmann, mit dem Scha’ul sich hätte schmücken können. Doch Scha’ul sah, dass Gott mit David דָּוִד, dem Liebling oder Geliebten, war und ihn in allem segnete. Der erste, der über eben diese Eifersucht stolperte, war Kain. Er ertrug den Segen auf seinem Bruder Abel nicht.
Gen. 4,5 Das entflammte Kajin sehr, und sein Antlitz fiel.
Ab dem Moment sah Scha’ul nicht mehr den gefährlichen, äußeren Feind, sondern kaprizierte sich ausschließlich darauf, wie er David schaden könne. Der Hass machte ihn blind für die wirkliche Gefahr, der sein Volk ausgesetzt war. Selbst als er David seine Tochter zur Frau gab, wollte er, dass sie ihm zum Fallstrick würde (1.Sam. 18,21). Sein Geist ist verwirrt, sodass ihm David einerseits als Musiktherapeut dient, andererseits muss Scha’uls eigene Familie David immer wieder vor seiner Mordlust retten.
In unserer Haftara geht es um ein Neumondfest, zu dem der König zu einer Festtafel einlud. Auch David wurde zu diesem Anlass erwartet. Da Jonathan ihm die Mordabsichten seines Vaters immer wieder unterbreitet hatte, wollte David sicher gehen, wie es dieses Mal um des Königs Ansinnen bestellt war. Darum schmiedete er mit Jonathan einen Plan. Der Freund sollte, wenn sein Fehlen bemerkt würde, ihn beim König entschuldigen mit einem Besuch in Bethlehem anlässlich eines Familienopfers. Dann würde die Stimmung des Königs offenbar werden.
Das Fest zum Neumond hatte Gott in der Tora geboten:
Num. 10,10 Und an einem Tag eurer Freude und an euren Gezeiten und an euren Mondneuungsbeginnen blaset in die Trompeten, bei euren Darhöhungen, bei euren Friedmahlschlachtungen, sie seien euch zum Gedächtnis vor eurem Gott. ICH bin euer Gott.
Nach dem Neumond richtet sich der jüdische Kalender. Der Tag des unsichtbaren Mondes ist eine deutliche Absage an den Götzendienst, denn gerade dann wird Gott gefeiert, der die Zeiten und Festtage festlegt. Außerdem ist der Neumond ein Zeichen der Erneuerung, zu der auch der feiernde Mensch aufgerufen ist. Es ist in besonderer Weise ein Tag der Umkehr. Aber Scha’ul nimmt dieses Angebot nicht wahr.
Jonathan packt seine Botschaft an David in eine Geheimsprache von drei Pfeilen. Mit der Drei kündigt er eine Veränderung an, die zum Positiven wie zum Negativen ausschlagen kann. Die Nachricht wird selbst der Bursche Jonathans nicht verstehen. Es wird keinen Eingeweihten geben, der David an den König verraten könnte.
Zuerst bleibt Scha’ul gelassen, als ihm Davids Fehlen auffällt. Es könnte ja etwas geschehen sein, was ihn unrein machte für das Festmahl. Ein Ausfluss oder Samenerguss oder die Berührung eines Kriechtieres oder eines unreinen Menschen machte ihn beispielsweise unrein bis zum Abend. Er dürfte nicht an diesem Festmahl teilnehmen.
Als Scha’ul allerdings hörte, David sei zu seiner Familie gereist, entflammte sein Zorn gegen Jonathan! Seinem eigenen Sohn ist Scha’ul feindlich gesonnen vor lauter Eifersucht und Neid! Er wollte gefragt werden, nicht sein Sohn; er wollte jetzt Davids Familie sein, nicht sein Vater und seine Brüder! Scha’ul ist blind in seinem Zorn, sodass er sogar seinen Sohn und dessen Mutter erniedrigt. Es geht sogar so weit, dass er Jonathan töten will, als der sich für den Freund einsetzt.
Ein Riss geht durch Scha’uls eigene Familie, sodass er als Vater und als König kein Vorbild abgibt, ein Riss, der ihn ebenso von seinem Volk entfremden wird und der ihm das Königtum entreißen wird. Er spürte bereits, dass auch Jonathans Königtum nicht sicher sei vor David:
1.Sam.20,31 denn all die Tage, welche auf dem Erdboden der Jischajsohn lebt, wirst du nicht Grund fassen, du und dein Königreich!
Dabei lag das Schicksal seines und Jonathans Königtum in Scha’uls Hand, wie zuvor das Geschick Kains in seiner eigenen der Hand lag! Der Zorn Scha’uls wie Kains brachte Angst, Unfrieden und Tod; der gerechte Zorn Jonathans dagegen rettete Davids Leben.
Dieser Konflikt zwischen Vater und Sohn ereignete sich am zweiten Tag des Neumondfestes. Die Zwei zeigt die Zweifel und Zerrissenheit Scha’uls, der keinen Blick und kein Ohr für den einen Gott hat, der ihn zum König ersah. Sie deutet aber auch die Trennung der zwei Freunde an, die nun gezwungen sind, getrennte Wege zu gehen. Darüber ist Jonathan zornig, sodass er an diesem Tag nichts isst.
Am Morgen, im Licht des neuen Tages, zog Jonathan hinaus aufs Feld, um David die Botschaft zu Übermitteln. Er zog aus יֵּצֵא jeze aus der Enge seines Vaterhauses wie Israel aus Ägypten auszog – jeziat Mizrajim יציאת מצרים. Er zog aus auf das Feld der Freiheit, um David mit seinen Pfeilen ein neues Leben anzukündigen. Chizim חִצִּים sind die Pfeile, die ebenso Überquerung bedeuten. Pfeile fliegen aus der Nähe in eine unbekannte Ferne, die wir nicht sehen, aber erahnen. Sie fliegen in eine neue Weite, wie Yuval erklärt.
Der Bursche soll die Pfeile holen, die nach Jonathans Geheimcode jenseits von ihm liegen. David muss fliehen, das versteht er. Der unverständige Bursche aber steht für uns, die wir Gottes Zeichen oft nicht verstehen. Warum muss ich mit Jonathan aufs Feld? Warum scheucht er mich ohne Grund hin und her? Was tut er da? Er zielt auf nichts Ersichtliches, also kann es keine Schießübung sein. Wozu das Ganze?
Wenn wir Gottes Zeichen nicht verstehen, brauchen wir jemanden, der sie uns deutet. Jemand, der sich in Gottes Wort auskennt und weiß, wie das Wort und wie unser Leben zu deuten sind. Wenn wir die Zeichen dann aber verstehen, müssen wir auch entsprechend handeln. Welchen Sinn hätte es ergeben, wenn David trotzdem noch einmal hätte zum König zurückkehren wollen? Sein Wissen und Verstehen sollten ihn in eine neue Weite führen.
Der Bursche wird mit den Waffen fortgeschickt, denn seine Zeit für eine tiefe Erkenntnis ist noch nicht gekommen. Die Waffen haben in der Beziehung von Jonathan und David keinen Platz mehr. Erst als der Bursche verschwunden ist, können sich die beiden Freunde voneinander verabschieden. Sie weinen miteinander. Werden sie sich wiedersehen? Das wissen sie jetzt nicht. Aber David gibt dem Königssohn die Zeichen seiner Anerkennung. Noch ist nicht im Entferntesten davon die Rede, dass Davids Ansinnen auf den Thron ausgerichtet wäre! Er achtet den von Gott eingesetzten und gesalbten König und dessen Erben.
Jonathan, der mit David das Vertrauen auf den Ewigen teilt, schickt seinen geliebten Freund im Frieden in die unbekannte Ferne. Mit לֵךְ לְשָׁלוֹם lech leschalom – geh im Frieden gibt Jonathan David zugleich eine Berufung mit auf den Weg wie einst Abraham, der von Gott das lech lecha לך לך – geh für dich hörte.
Jonathan benutzt den Gottesnamen יְהוָה יִהְיֶה JHWH jiheje – der Ewige wird sein und drückt damit aus: der Ewige wird da sein – ER wird zwischen uns sein auf ewig! Das einzige und der einzige, der zwischen zwei Menschen stehen darf, ist Gott, denn dadurch sind sie und ihre Nachkommen auf ewig verbunden, selbst wenn es in diesem Leben kein Wiedersehen gibt.