Predigttext vorgeschlagen für Sonntag, d. 17.03.2024

Eine wertschätzende Antwort von OKR Hofmann finden Sie am Schluss. Der neue Text mit einem Zitat von Sören Kierkegaard dagegen ist sehr zu empfehlen.

Gen. 22,1 Nach diesen Begebnissen geschahs, Gott prüfte Abraham und sprach zu ihm: Abraham! Er sprach: Da bin ich. 2 Er aber sprach: Nimm doch deinen Sohn, deinen Einzigen, den du liebst, Jizchak, und geh vor dich hin in das Land von Morija, und höhe ihn dort zur Darhöhung auf einem der Berge, den ich dir zusprechen werde. 3 Abraham stand frühmorgens auf, er sattelte seinen Esel, er nahm seine beiden Knaben mit sich und Jizchak seinen Sohn, er spaltete Hölzer für die Darhöhung und machte sich auf und ging nach dem Ort, von dem Gott ihm gesprochen hatte. 4 Am dritten Tag erhob Abraham seine Augen und sah den Ort von fern. 5 Abraham sprach zu seinen Knaben: Bleibt ihr hier mit dem Esel, ich aber und der Knabe wollen bis drüben hin gehen, niederwerfen wollen wir uns und dann zu euch kehren. 6 Abraham nahm die Hölzer zur Darhöhung, er legte sie Jizchak seinem Sohn auf, in seine Hand nahm er das Feuer und das Messer. So gingen die beiden mitsammen. 7 Jizchak sprach zu Abraham seinem Vater, er sprach: Vater! Der sprach: Da bin ich, mein Sohn. Er sprach: Da ist nun das Feuer und die Hölzer, aber wo ist das Lamm zur Darhöhung? 8 Abraham sprach: Gott ersieht sich das Lamm zur Darhöhung, mein Sohn. So gingen die beiden mitsammen. 9 Sie kamen an den Ort, den Gott ihm zugesprochen hatte. Dort baute Abraham die Schlachtstatt und schichtete die Hölzer und fesselte Jizchak seinen Sohn und legte ihn auf die Schlachtstatt zuoberst der Hölzer. 10 Abraham schickte seine Hand aus, er nahm das Messer, seinen Sohn hinzumetzen. 11 Aber SEIN Bote rief ihm vom Himmel her zu und sprach: Abraham, Abraham! Er sprach: Da bin ich. 12 Er sprach: Schicke nimmer deine Hand nach dem Knaben aus, tu ihm nimmer irgendwas! Denn jetzt habe ich erkannt, daß du Gottes fürchtig bist, – nicht vorenthalten hast du mir deinen Sohn, deinen Einzigen. 13 Abraham hob seine Augen und sah: da, ein Widder hatte sich dahinter im Gestrüpp mit den Hörnern verfangen. Abraham ging hin, er nahm den Widder und höhte ihn zur Darhöhung anstatt seines Sohns. 14 Abraham rief den Namen jenes Orts: ER ersieht. Wie man noch heute spricht: Auf SEINEM Berg wird ersehn.

„Es ist ein harter Gott und ein blinder Gehorsam, den der Sonntag Judika beschreibt: Ein Gott, der Ungehorsam mit Strafen schlägt und Hiob unverdient in Unglück stürzt. Ein Gott, der Jesus abverlangt, als Opfer in den Tod zu gehen? Dunkel ist dieser Gott und fern. Doch auf der anderen Seite steht Gottes Sohn, der selbst gehorsam ist, der den Menschen dient und ihnen zum Leben verhilft. Auch hinter der dunkelsten Geschichte scheint das durch: Gott will, dass allen Menschen geholfen wird. „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt!“, bekennt Hiob in tiefster Not. Im Vertrauen darauf wird es möglich, sich auf Gott zu verlassen und dem Nächsten zu dienen.“

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Das obige Zitat steht auf der Seite der Evangelischen Kirche als Gedanke zum Predigttext. Es kommt mir vor, als grüße das Mittelalter mit seinen vertrauten und absurden Vorurteilen, wonach der Gott der Juden grausam und dunkel ist, weshalb es die leuchtende Gestalt Jehoschuas braucht. Wie ist so eine Botschaft im 21. Jh. möglich, besonders nach der Aufklärungsarbeit von Pinchas Lapide, meinem geschätzten Schwiegervater? Wie passt der dunkle Gott zu dem Gott, der will, dass allen Menschen geholfen wird? Wie kann Hiob über Gott jubeln: „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt!“ Die Botschaft dieser Zeilen ist für mich derart widersprüchlich und verletzend, wie es nach dem 7. Okt. Nicht schlimmer geht. Daher möchte ich in meinem heutigen Beitrag zeigen, wie nahe Gott Abraham und Jizchak ist und welche Botschaft sich in der Tiefe in dem vorgeschlagenen Predigttext verbirgt.

Zuerst müssen wir vom Hebräischen her klar stellen, dass Gott Abraham nicht prüfte, wie es oft übersetzt wird. In נִסָּה nissa steckt die Wurzel נס ness, was auch Banner oder Wunder bedeutet. Darum bedeutet נִסָּה nissa nach Samson Raphael Hirsch: die Herausforderung Abrahams, seine Größe unter Beweis zu stellen. Gott muss niemanden „prüfen“, denn ER kennt die Herzen eines jeden Menschen:
Ps. 44,22 … ER kennt ja die Heimlichkeiten des Herzens.

Dann spricht Gott Abraham mit Namen an und zeigt ihm, wie wertvoll und geliebt er in Gottes Augen ist.
Jes. 43,1 Jetzt aber, so hat ER, der EWIGE, gesprochen, dein Schöpfer, Jaakob, dein Bildner, Jissrael, fürchte dich nimmer, denn ich habe dich ausgelöst, ich habe dich mit Namen berufen, du bist mein.
Und Abraham antwortet mit: הִנֵּנִי Hineni – Ich bin hier, bereit für DICH. Diese Antwort gibt ein Mensch, der für eine große Aufgabe berufen wird. In dieser Antwort liegt die ganze Hingabe an den Gott, DER Abraham aus dem Götzendienst errettete, DER ihn in eine neue Heimat führte, DER seine Gebete erhörte und ihm einen Sohn mit seiner Frau Sara schenkte, dem Gott, DEM er allein vertraut.

Um diesen lang erbetenen Sohn geht es, als Gott ihm stufenweise sagt, er solle mit ihm auf einen Berg gehen, den ER ihm zeigen werde. Einen Ort, den Gott ihm zeigen wird – diese Formulierung kennt Abraham von Gottes erstem Ruf an ihn. Das weckt Vertrautheit, darauf kann er sich verlassen, denn auch beim ersten Mal war es eine gute Entscheidung, der Stimme Gottes zu folgen. Abraham vertraut, obwohl er erst seinen erstgeborenen Sohn mit der Magd Hagar, Jischmael, auf Drängen Saras weggeschickt hatte. Das waren die vorherigen Begebnisse, die Abraham verdauen und einordnen musste! Es könnte nun der Gedanke in ihm aufkommen, dass alle Verheißungen zusammenbrächen, null und nichtig würden. Aber Abraham vertraut fest.[1]

Gott sagt: וְהַעֲלֵהוּ שָׁם לְעֹלָה weha’alehu scham le’ola, höhe ihn dort zur Darhöhung von עולה ola aufsteigen. Gott sagt nichts von opfern oder töten. Erst später wurde dieser Begriff zu einem Ausdruck für die kultischen Tieropfer in Stiftshütte oder Tempel. ER ordnet eine Erhöhung Jizchaks auf einem Berg im Land Morija הַמֹּרִיָּה an. Der Name des Landes kommt von מוֹרֶה more Lehrer und bedeutet Gott ist mein Lehrer. Auch Gottes Wahl eines Berges hat eine Bedeutung, denn Berg heißt har הָר, verwandt mit lehorot לְהוֹרוֹת = unterrichten, unterweisen. Daher komm ebenfalls das Wort Tora תּוֹרָה = Weisung Gottes, kein hartes Gesetz! Gott prüft Abraham nicht, sondern ER wird ihn lehren, was eine Darhöhung aus Dankbarkeit ist.

Abraham zögert nicht, steht früh auf und bereitet sich auf seinen Gang vor, denn er ging וַיֵּלֶךְ wajelech wie bei seiner ersten Berufung: zielstrebig. Hätte er Angst vor einem grausamen Gott gehabt, wie die Götter seiner Kindheit grausam und unberechenbar waren, er hätte nicht diese Eile an den Tag gelegt. Warum nimmt Abraham aber Holz und Feuer für die Darhöhung mit? Er hatte bestimmte innere Bilder aus seiner Kindheit noch nicht abgelegt. Er kannte sehr wohl Menschenopfer. Und obwohl er seinem neuen Gott vertraute, wollte er auf solche Befehle durch vorauseilenden Gehorsam vorbereitet sein. Nur eins wusste er: DER, der ihm nach so langen Jahren einen Sohn schenkte, DER würde auch einen Weg finden, wie sein Sohn am Leben bliebe.

Am dritten Tag sah Abraham das Ziel in der Ferne. Er hatte eine Vision, dass die Angelegenheit gut ausgehen würde. Die Zahl drei erzählt von einer Transformation, von der Wandlung der anstehenden Situation. Diese Botschaft gibt es nicht erst seit der Auferweckung Jehoschuas! Wir finden sie sehr häufig im Tanach, wenn wir ihn aufmerksam und unvoreingenommen lesen.

Abraham lässt allen Ballast hinter sich, als er sich zum Aufstieg mit seinem Sohn bereitmacht. Seine Knechte und der Esel חֲמוֹר chamor bleiben unten am Fuß des Berges. Esel und Materie sind bis auf die Vokalzeichen dasselbe Wort חוֹמֶר chomer – Material. Alles Belastende, wie schwere Gedanken, Sorgen, Ängste, gehen nicht mit auf die Höhe des Berges, wo Abraham und Jizchak Gott begegnen wollen. Auch den Knechten gegenüber bleibt Abraham mit seiner Aussage unklar, wozu sie auf den Berg steigen. Sie wollen sich niederwerfen, wie man es im Gottesdienst vor dem Schöpfer der Welt tut.

Dann lesen wir, wie Vater und Sohn „mitsammen“ gehen, שְׁנֵיהֶם יַחְדָּו schnejhem jachdaw. Sie gehen wörtlich in ihrer Einheit. Kein Misstrauen drängt sich zwischen sie, obwohl Jizchak das Holz trägt, sein Vater das Feuer und das Messer. Sie beide wissen um Gottes Berufung, um den Gottesdienst, zu dem sie unterwegs sind. Auf die Frage nach dem Lamm gibt es nur eine Antwort: Gott ersieht sich das Lamm zur Darhöhung. Und wieder wird uns gesagt, dass sie ihren Weg in Einheit, in Eintracht fortsetzen. Beider Glauben und Vertrauen ist groß!

„Wessen (Glaubens-)Kraft war größer, Awrahams oder Jizchaks? fragte R. Bachja ben Ascher. „Manche sagen, die Kraft Awrahams“, denn er sollte sein Kind mit der eigenen Hand töten. Das ist schlimmer als der eigene Opfertod. „Und manche sagen, die Kraft Jizchaks war größer, denn Awraham hat von Gott den Auftrag erhalten, Jizchak aber von seinem Vater (d.h. von einem Menschen).““[2]

Sie kommen schließlich an den Ort הַמָּקוֹם ha’makom, den Gott ihnen zeigt. In V3 gehen sie zu dem Ort, in V4 sieht Abraham den Ort von Ferne, in V8 kommen sie an den Ort. Warum ist das wichtig? Ha’makom ist im Tanach ein Synonym für Gott. Ihr Gehen, ihr Sehen, ihr Ankommen stehen in der Präsenz des liebenden und nahen Gottes, der Seinen Sohn Abraham in einem wichtigen Aspekt seiner Gottesbeziehung unterweisen möchte. Durch diese Unterweisung wird Abraham endgültig von seiner polytheistischen Vergangenheit gelöst und geheilt werden.

Noch bereitet Abraham alles vor, um seinen einzigen und geliebten Sohn Gott als Opfer zu bringen. Er baut einen Altar und legt seinen Sohn mit dem Holz darauf. Jizchak wehrt sich nicht, obwohl er es könnte, denn er ist kein kleines Kind. Er trug sogar das Holz! Er scheint mit dem Tun seines Vaters einverstanden zu sein, weil dieser im vermeintlich wörtlichen Auftrag Gottes handelt. In dem Augenblick, als Abraham seinen Sohn töten will, ruft ihn der Engel Gottes zwei Mal: Abraham, Abraham! Die doppelte Ansprache zeigt, wie dringend die Angelegenheit ist, sodass Abraham sein Werk unterbricht und mit Hineni antwortet. Hier bin ich, bereit, auf DICH und DEIN Wort, DEINE Weisung zu hören.

V12 Denn jetzt habe ich erkannt, daß du Gottes fürchtig bist, – nicht vorenthalten hast du mir deinen Sohn, deinen Einzigen.
Kannte Gott Abrahams Gottesfurcht nicht schon vorher? Gott sagt יָדַעְתִּי jadati ICH erkannte. Dieses Erkennen steht häufig für eine intime Beziehung zwischen Menschen oder zwischen Gott und Mensch, aber auch für eine Beziehung, die öffentlich ist. Durch Gottes Erkennen ist es jetzt für alle und jeden bekannt und offensichtlich, dass Abraham Gott fürchtet. Für alle Zeiten ist nun Abrahams Glaube jedem Menschen bekannt.
Jüdische Gebete beziehen sich täglich auf diesen Glaubensakt Abrahams. Mit der Berufung auf sein Handeln erbitten Juden Vergebung für sich. Jizchak musste nicht sterben, denn Abraham lernte so, dass Gott für alle Zeit Menschenopfer ablehnt. Sie werden nicht zur Vergebung der Sünden gebraucht. Wenn der Sünder sein Vergehen bekennt, so vergibt Gott, DER allein die Macht hat, zu vergeben. Jede Art von Opfer lehnt Gott ab, sogar Tieropfer!
Ps. 40,7 Nach Schlachtmahl, Hinleitspende gelüstets dich nicht: Ohren hast du mir gebohrt. Darhöhung, Entsündungsgabe heischest du nicht
Ps. 50,9 Ich mag aus deinem Hause den Farren nicht nehmen, aus deinen Pferchen die Böcke. 10 Denn mein ist alles Waldgetier, auf dem Bergetausend das Wild, 11 ich kenne alle Vögel der Berge, das Gewimmel des Felds ist bei mir. 12 Hungerte ich, ich sagte dir es nicht an, denn der Boden und seine Fülle ist mein. 13 Soll das Fleisch der Stiere ich essen, trinken das Blut der Böcke?! 14 Opfere Gotte Dank, zahle dem Höchsten so deine Gelübde!

Abraham ist ganz Ohr und Auge für Gott! Nach der Antwort auf den Ruf sehen seine Augen sofort das Opfertier, das nun an Jizchaks Stelle tritt. Gott erlaubt es Abraham, den Widder zu opfern, denn er hat die wichtigste Lektion gelernt. Die andere, dass es keiner Opfer, nur der ehrlichen aufrichtigen Umkehr bedarf, wird Gottes Volk später lernen.

Raschi erklärt: Als ich zu dir sagte: „Nimm“, veränderte ich den Ausdruck meiner Lippen nicht. Ich habe euch nicht gesagt: „Tötet ihn“, sondern: „Bringt ihn herauf.“ Du hast ihn erzogen; [Jetzt] nimm ihn runter. — [aus Gen. Rabbah 56:8]

Die עקדת יצחק Akedat Jizchak, die Bindung Jizchaks, wird am 2. Tag von Rosch haSchana gelesen, weil sie sich zum einen laut jüdischer Tradition an diesem Datum ereignete. Zum anderen verfing sich der Widder mit seinen Hörnern, weshalb unter anderem das Schofar an diesem Festtag geblasen wird. Wenn wir uns bewusst machen, dass Rosch haSchana der Beginn der 10 Bußtage im Judentum ist, so wird uns der spirituelle Zusammenhang klar: Sich auf Abraham zu berufen, der vorzeiten so viel Gottesfurcht bewies, heißt, dass seine Tat noch den heutigen Betern Vergebung und Gottesnähe garantiert.

„Abraham antwortete: „Und nun schwöre ich, dass ich nicht von diesem Altar herabsteigen werde, bis ich sage, was ich sagen möchte.“ „Sprich“, antwortete er. „Hast du mir nicht gesagt“, sagte Abraham, „zähle alle Sterne, wenn du sie zählen kannst; also soll dein Same sein (Gen. 15:5)?“ „Ja“, antwortete er. „Aber von wem soll mein Same abstammen?“ fragte Abraham. „Von Isaak“, antwortete der Heilige. „Gestern lag es mir im Herzen, Dich daran zu erinnern, dass Du mir gesagt hast, dass Isaak mein Nachkomme sei, als Du zu mir sagtest: Nimm ihn als Brandopfer. Aber ich habe mich zurückgehalten und Dich nicht herausgefordert. Wenn daher Isaaks Nachkommen sündigen und unterdrückt werden, erinnere dich an die Bindung Isaaks, betrachte sie, als ob seine Asche auf dem Altar gestapelt wäre, und verzeih ihnen und erlöse sie von ihrer Qual.“
„Der Heilige, gesegnet sei Er, antwortete: „In der Zukunft, wenn Isaaks Nachkommen gegen mich sündigen werden, und ich sie an Rosch Haschana richten werde. Wenn ich etwas herausfinde, was ihnen zugutekommt, und dass ich sie zu ihrem Vorteil an die Bindung Isaaks erinnere, sollen sie auf dieses Schofar blasen.“ Abraham fragte: „Welches Schofar?“ Der Heilige, gesegnet sei Er, sagte: „Dreh dich um. Da erhob Abraham seine Augen und blickte, und siehe, hinter ihm stand ein Widder, der mit seinen Hörnern im Dickicht gefangen war (1. Mose 22,13).“ (Midrasch Tanchuma, Vajera 23)

Abraham nannte den Ort הַמָּקוֹם ha’makom יְהוָה יֵרָאֶה JHWH jera’e Gott wird ersehen. So bekennt unser Vater Abraham, dass er sich überall dem liebenden Gott nahe weiß, dass Gott ihn, und alle Gläubigen nach ihm, sieht und auf sie achthat.

„Das wirkliche Opfer auf dem Altar ist „Gott nie in den Sinn gekommen“ (b.Taanit, 4a). Er wünscht nicht den Tod eines Menschen, selbst nicht den Tod des Sünders (Ez 18,23; 33,11), er wünscht die Gesinnung, die gute Absicht, vom Sünder die Umkehr, das Verlassen der Schuld.“[3]

Mein Mann Yuval erinnerte mich an die große Professorin Nechama Leibowitz s.l., die an der Hebräischen Universität Jerusalem lehrte. Gemäß ihrer Auslegung opferte Abraham während seiner zehn Herausforderungen sehr wohl etwas. Er opferte in Gen. 12 bei seinem Weggang aus Heimat und Familie seine Vergangenheit. In Gen. 22 opferte er seine Zukunft und seine Fixierung auf den lang ersehnten Sohn. Ebenso opferte er seine Vorstellung von einem Gott, der durch materielle Opfer beschwichtigt werden wolle. Darum ließ er alles Materielle bei seinen Knechten zurück. Und Abraham opferte seinen Intellekt, der ihn angewiesen hatte, Feuer, Holz und das Messer (3!) mitzunehmen, obwohl das nicht der Anweisung Gottes entsprach. Schließlich siegte sein Glaube über seinen Intellekt. Mit diesen seinen Opfern erlosch der letzte Funke heidnischer Prägung in Abraham zugunsten eines geläuterten unverfälschten Monotheismus.

Der Gott des Tanach ist ein naher Gott, ein liebender, sich erbarmender Gott (Ex. 34,6, die 13 Eigenschaften Gottes). Mit Sicherheit ist ER es nicht im christlich gelesenen und gedeuteten „Alten Testament“, da dieses in den Übersetzungen so vieler Sprachen gelesen, und zudem durch die christlich Brille des Neuen Testaments missdeutet wird. Wenn der Tanach, das Erste Testament (E. Zenger), keinen eigenen Wert bekommt, dann muss man aber auch akzeptieren, dass dieser von der Kirche und ihren Kirchenvätern als grausamer und distanziert charakterisierter Gott der Vater Jehoschuas ist. Kann das sein? Von wem sollte er dann Liebe und Barmherzigkeit gelernt haben??? Oder ist doch eher ein Umdenken angesagt?


Ich freue mich sehr darüber, dass die Ev. Kirche auf meine Kritik mit großem Verständnis wie folgt geantwortet hat:

„Liebe Frau Lapide,

haben Sie vielen Dank für Ihre Mail zur Perikope des kommenden Sonntags und den Link zu Ihrer nachvollziehbaren und ansprechenden Interpretation! Ich habe mich sehr darüber gefreut, zumal ich einige Bücher Ihres Schwiegervaters mit großem Gewinn gelesen habe.

Die Sichtweise, dass das Neue Testament das Erste überbietet, ist mir völlig fremd. Ich hatte darüber kürzlich auch mal einen Text im Zusammenhang mit den Herrnhuter Losungen geschrieben:

https://www.velkd.de/schwerpunkte/theologie/einspruch/artikel/ueber-losung-und-lehrtext

Das Portal kirchenjahr-evangelisch.de, das wir zusammen mit der Nordkirche und der Bayerischen Landeskirche betreiben, wird momentan gründlich überholt. Noch stecken wir in technischen Anpassungen, danach sind die zum Teil ziemlich alten Texte dran. Der von Ihnen kritisierte gehört ganz sicher zu den Kandidaten, die man neu fassen muss.“

Dank an OKR Dr. Dr. Frank Hofmann für diese Wertschätzung und Einsicht in prekäre Themen.


[1] Gemäß Roland Gradwohl, Bibelauslegungen aus jüdischen Quellen. Band I: Die alttestamentlichen Predigttexte des 3. Jahrgangs, Stuttgart 1986
[2] Ebd., S. 84
[3] Ebd. S. 86

4 thoughts on “Gen. 22,1-14 Predigt: Die Bindung Issaks

  1. Danke für diesen Beitrag! Gerne würde ich in Erfahrung bringen, woher der Begriff „Darhöhung“ herrührt, den ich erstmals in Ihrem Beitrag gelesen habe.

    1. Lieber Johannes Steinnmüller,
      ich benutze meist die „Verdeutschung“ von Martin Buber/ Franz Rosenzweig. Buber hat diesen Begriff entwickelt.
      Ich erkläre im Text, „Darhöhung von עולה ola aufsteigen“ Es ist etwas, was zu Gott aufsteigt. „Die Verdeutschung der Schrift“ kann ich jedem Bibelinteressierten nur empfehlen, denn Buber versucht die Hebräische Sprache so genau wie möglich wiederzugeben. Auch bei ihm gibt es das ein oder andere zu korrigieren, wie hier das Prüfen, aber er bietet ein neues Sprachverständnis des Hebräischen.

  2. Das ist eine große Brücke, über die Ausgleich zum Schalom ermöglicht wird. Toda raba für diese Geste, liebe Debora, lieber Yuval, liebe Ruth, lieber Pinchas … interessant ist übrigens, dass auch im Islam wie der christlichen Tradition das ‚Opfern‘ betont wird, das Opferfest sogar ein besonders geheiligtes Fest im Islam ist … von daher brauchtes noch mehr Brückenbau. Ich mache da mit. Shlomo

    1. Ja, lieber Shlomo, Brückenbau ist möglich, da es viele Gemeinsamkeiten zwischen den abrahamitischen Religionen gibt. Wie es mit der Kirche gelingt, ist in diesem Fall gut dokumentiert. Wenn es aber noch so viele Vorbehalte seitens des Islam gibt, wird es schwierig, wie die aktuelle Situation zeigt. Hoffen und beten wir, dass der Brückenbau auch hier möglich wird.

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