vorgeschlagen für Sonntag, 3. Mai 2020, Jubilate
1 Ich bin der wahre Weinstock, und mein Vater ist der Gärtner. 2 Jede Rebe, die Teil von mir ist, aber keine Frucht trägt, schneidet er ab; und jede Rebe, die Frucht trägt, beschneidet er, damit sie mehr Frucht trägt. 3 Aufgrund des Wortes, das ich zu euch gesprochen habe, seid ihr jetzt beschnitte. 4 Bleibt vereint mit mir, wie ich mit euch – denn so wie der Zweig nicht aus sich selbst, ohne den Weinstock, Frucht bringen kann, könnt auch ihr keine Frucht bringen außerhalb von mir.
Übersetzung: Jüdisches Neues Testament, David Stern, Hänssler-Verlag 1994
5 Ich bin der Weinstock, und ihr seid die Reben. Diejenigen, die vereint mit mir bleiben und ich mit ihnen, sind die, die viel Frucht tragen; denn außerhalb von mir könnt ihr nichts tun. 6 Wenn ein Mensch nicht mit mir vereint bleibt, wird er fortgeworfen wie eine Rebe und vertrocknet. Solche Reben werden ins Feuer geworfen, wo sie verbrannt werden.
7 Wenn ihr mit mir vereint bleibt und meine Worte mit euch, dann bittet, worum ihr wollt, und es wird für euch geschehen. 8 So wird mein Vater verherrlicht – indem ihr viel Frucht tragt; so werdet ihr euch als meine Talmidim (Schüler) erweisen.
Jesu Auftrag
Jesu „Ich-Bin-Worte“ im Johannesevangelium sind sehr bekannt. Im Predigttext der vergangenen Woche stand das Thema des Hirten aus dem Propheten Hesekiel im Mittelpunkt, das Jesus im Kapitel 10 des Johannesevangeliums thematisiert. Durch die Nähe zu Texten der Hebräischen Bibel klingen solche Jesusworte wie ein Zitat, als rede Jesus in der Art der Propheten die Worte Gottes mit seinem Munde. Dabei verknüpft er sie natürlich mit seinem Sendungsverständnis.
Als pharisäischer Rabbi seiner Zeit, der ein Schüler Rabbi Hillels war, sammelte er Schüler um sich und zog mit ihnen durch das Land, um Gottes Lehre zu verkünden, um mit anderen Lehrern zu diskutieren und um die Juden in der Zeit der unmenschlichen Unterdrückung durch die Römer hin- und zurückzuführen zu Gott. Zwar heißt es: Not lehrt beten. Aber Menschen, die über ihre Kräfte von der Not gefordert werden, können sich auch abwenden von Gott. Die Alternative liegt ihrem Empfinden nach nahe: Anpassung an das Regime.
Unter den rabbinischen Schulen in der Zeit Jesu gab es, wie ebenfalls in Notsituationen nicht verwunderlich, „Fundamentalisten“, die gegen die Gewaltherrschaft der Römer durch eine besonders strenge Art der Tora-Auslegung angehen wollten. Dahinter steckt ein sehr menschliches Tun-Ergehen-Verständnis, das es in jeder Religion gibt: Wenn ich mich besonders anstrenge, gut zu sein, dann wird Gott mich erlösen und aus diesem Elend befreien.
Beide Umgehensweisen mit der Not verdunkeln den Blick für Gottes einzigartige Liebe und Gegenwart, für den klaren Willen Gottes, der ohne jegliche Zusätze der Erschwernis getan werden kann und muss.
Und so ist es der Auftrag Jesu, die Augen der einen wie der anderen zu Gott, dem Vater hinzuwenden, weg von der Vorstellung eines Despoten oder einer rachsüchtigen Übermacht. Augen auf: Gott ist Vater, Gott ist Hirte, Gott ist Gärtner!
Gott, der Weingärtner in Jesaja 5
Um Jesu Sprache in diesem Ich-Bin-Wort zu verstehen, sollten wir einen Blick auf das Gleichnis vom Weinberg im Propheten Jesaja werfen. Es geht um einen Weinbergsbesitzer, der seinen Weinberg anlegte, pflegte und nun gute Früchte und eine reiche Ernte von seinen Pflanzen erwartet. Aber das Gegenteil ist der Fall: die Trauben sind sauer. Und das trotz aller kompetenten Pflege und Fürsorge. Was ist schief gegangen? Woran liegt das schlechte Ergebnis?
Der Weinbauer weiß, dass er nicht mehr tun kann. Also muss er diesen Garten abreißen. Von diesen Pflanzen ist nichts Gutes mehr zu erwarten. Keinen Schutz soll es mehr für diesen Weinberg geben, auch keine Bewässerung mehr. Soll er doch zertreten werden!
In V7 erfahren wir, was es mit diesem Weinberg auf sich hat:
Jes.5,7 Denn der Weinberg des Herrn der Heerscharen ist das Haus Israel, und die Männer Judas sind seine Lieblingspflanzung. Er hoffte auf Guttat, und siehe da Bluttat, auf Rechtsspruch, und siehe da Rechtsbruch!
Es geht um den Gott Zebaoth, den Einen und ewigen Gott, der sich Israel erwählte. Jeder einzelne ist seine geliebte Pflanze, die ER umsorgt. Juda ist seine Lieblingspflanzung innerhalb dieses Weinbergs, denn Juda betont die Dankbarkeit gegenüber Gott und aus Juda wird der Gesalbte am Ende der Tage kommen. Gott setzte auf Israel als ein Zeichen in dieser Welt, ein Zeichen für Gott in dieser Welt.
Auch der Prophet Hosea weiß von diesem Auftrag Israels, Gott zu verkünden im Gegensatz zu den unnützen Götzen. Es ist seine Aufgabe, die Richtlinien Gottes für Mitmenschlichkeit untereinander für ein lohnendes und gelingendes Leben vorzuleben. Ein Zeugnis sein für Gott in der Welt, der dieses Leben ermöglicht und die Ehre des Gottes lobend und hörbar besingen. Aber der fruchtbare Weinstock Israel vergaß seinen Weingärtner und verlor dadurch seine Fruchtbarkeit und Süße.
Hos.10,1Ein üppiger Weinstock ist Israel, der köstliche Frucht trägt. Je mehr Früchte er brachte, desto mehr Altäre erbauten sie; je schöner das Land dastand, desto schönere Malsteine machten sie.
Jesu Botschaft
Ziel der Botschaft Jesu ist V8: „So wird mein Vater verherrlicht – indem ihr viel Frucht tragt;“. Wie sich überall zeigen lässt, geht es Jesus allein um die Ehre Gottes, um die Verherrlichung seines und unseres Vaters. Das geschieht dadurch, dass der Mensch Frucht bringen soll, genauso wie im Gleichnis vom Weinberg. Wie der Prophet lässt Jesus keinen Zweifel daran, dass solche Zweige vom Weinstock abgeschnitten werden, die keine Frucht tragen. Das gehört zur Gesunderhaltung und Pflege des Weinstocks. Was dürr ist, wird abgeschnitten und die trockenen Zweige am Ende verbrannt, was mit der Botschaft übereinstimmt, dass Gott den Weinberg der Verwüstung preisgibt.
Diese Konsequenzen sind allen Zuhörern Jesu bekannt, denn sie kennen die Tora, die den Willen Gottes darlegt und zur Entscheidung aufruft, der bekannteste Aufruf im 5. Buch Mose 30,19Ich rufe heute Himmel und Erde wider euch zu Zeugen an: Leben und Tod habe ich euch vorgelegt, Segen und Fluch; so erwähle nun das Leben, auf dass du am Leben bleibest, du und deine Nachkommen,
Jeder hat die Wahl, zu jeder Zeit. Und wer einmal die falsche Wahl getroffen hat, kann umkehren zu Gott, der all diese Ereignisse, die Seine Kinder treffen, mit blutendem Herzen mit ansieht, denn unser Gott, der Gott und Vater Israels und Jesu, ist ein mitleidender Gott. ER will, dass Seine Kinder Seine Nähe wählen, damit sie in diesem Licht, in diesem Leben und Segen gehen können. Wenn ich mein Haus bei Regen und Sturm verlasse, vielleicht sogar noch im Wald spaziere, ist es keine Strafe Gottes, wenn mich ein Baum erschlägt, sondern es war meine Wahl, das schützende Haus zu verlassen. Bei einer Fehleinschätzung ist Rückkehr angesagt:
Dtn.30,1WENN einst dieses alles über dich kommt, der Segen und der Fluch, die ich dir vorgelegt habe, und du nimmst es dir zu Herzen, unter all den Völkern, dahin dich der Herr, dein Gott, verstoßen hat,2und bekehrst dich zu dem Herrn, deinem Gott, und hörst auf sein Wort, ganz wie ich es dir heute gebiete, du und deine Kinder, von ganzem Herzen und von ganzer Seele,3so wird der Herr, dein Gott, dein Geschick wenden und sich deiner erbarmen und wird dich wieder sammeln aus all den Völkern, dahin dich der Herr, dein Gott, zerstreut hat.
Herzensbeschneidung
Auch die Art des Vorgehens Gottes übernimmt Jesus aus dem Wort Seines Vaters, um das es allen Juden geht, damals wie heute, aus der Tora.
Dtn.30, 6Und der Herr, dein Gott, wird dein Herz und das Herz deiner Nachkommen beschneiden, dass du den Herrn, deinen Gott, liebest von ganzem Herzen und von ganzer Seele, um deines Lebens willen.
Gott beschneidet die Herzen Seiner Kinder, damit sie volle und süße Frucht bringen, damit ihre Umwelt durch sie von der Liebe Gottes angesteckt wird. Es soll sichtbar sein für alle Welt, dass der Gott des Weinstocks Israel der lebendige Gott ist, dem es lohnt zu vertrauen.
Nicht nur Gott beschneidet die Herzen. Es gibt auch eine Eigenverantwortung des Menschen, sein Herz zu beschneiden.
Dtn.10,16So beschneidet nun eure Herzen und seid fortan nicht mehr halsstarrig
Jer.4, 4Beschneidet euch für den Herrn und entfernt die Vorhaut eures Herzens, ihr Männer von Juda und ihr Bewohner Jerusalems, damit nicht wie Feuer losbreche mein Grimm und brenne, dass niemand löschen kann, wegen eurer bösen Taten!
Was also ist nun mit dieser Beschneidung gemeint, die am Herzen geschehen soll? Die Beschneidung des männlichen Gliedes am 8. Tag ist ein Bundeszeichen, das den Sohn einer jüdischen Mutter in den Bund mit Gott hineinnimmt, bevor er selber Gutes oder Böses tun kann. In seinem späteren Leben muss aber jeder Mensch eine Entscheidung treffen, wie er sein Leben leben will. Und dazu gehört es, sein Herz für Gott zu öffnen. Diese Herzensbeschneidung, die entweder Gott oder der Mensch selbst vornimmt, soll alles Unwesentliche, alles, was das Gute und Wesentliche im Menschen verdeckt und ihn somit von Gott und von Menschen trennt, abgestreift werden.
Auch Paulus weiß, dass die äußere Beschneidung allein einen Juden nicht ausmacht, sondern seine Herzenshaltung.
Rö.2, 28Denn nicht der ist ein Jude, der es äußerlich ist, und nicht das ist Beschneidung, die äußerlich am Fleische geschieht 29sondern der ist ein Jude, der es innerlich ist, und das ist Beschneidung, die am Herzen geschieht, im Geiste, nicht nach dem Buchstaben. Ein solcher hat sein Lob nicht von Menschen, sondern von Gott.
Jesus weiß, dass die Herzensbeschneidung durch das Wort Gottes geschieht, weil dieses schärfer ist als jedes Schwert.
Hebr.4,12Denn das Wort Gottes ist lebendig und wirksam und schärfer als jedes zweischneidige Schwert und hindurchdringend bis zur Scheidung von Gelenken und Mark der Seele und des Geistes und ein Richter der Gedanken und der Gesinnung des Herzens;
Ebenso bekommen Prophetenworte, die im Auftrag Gottes gesprochen werden, eine deutliche Schärfe. Jes.49, 2Er machte meinen Mund wie ein scharfes Schwert, barg mich im Schatten seiner Hand; er machte mich zum glatten Pfeil, versteckte mich in seinem Köcher
Darum weiß Jesus, dass er als Verkündiger der Botschaft hilft, die Herzen seiner Zuhörer zu beschneiden, damit sie sich mit ganzem Herzen und aufrichtig Gott zuwenden.
Wer die Tora so ernst nimmt und schätzt, redet mit seinen Zuhörern und Schülern im Namen und Auftrag Gottes.
Mt.5, 17MEINET nicht, dass ich gekommen sei, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen. Ich bin nicht gekommen, aufzulösen, sondern aufzurichten. 18Denn wahrlich, ich sage euch: Bis der Himmel und die Erde vergehen, wird nicht ein einziges Jota oder Strichlein der Tora vergehen, bis alles geschehen ist. 19Wer nun eins dieser kleinsten Gebote auflöst und die Menschen so lehrt, wird der Kleinste heißen im Reich der Himmel. Wer sie aber tut und lehrt, der wird groß heißen im Reich der Himmel.
Jesus sieht sich als der wahre Weinstock, als der Israelit aus dem Stamme Juda, der Gottes Wort unverfälscht verkündet, allein in der Absicht, dem Vater zu dienen und IHM Ehre zu machen. Zudem möchte er viele aus den Schafen Israels gewinnen, sich diesem Vater und Hüter Israels neu anzuvertrauen. Wer sich Jesus anschließt und sein Schüler wird, kann nicht in die Irre geführt werden wie ein Schaf und kann nicht verdorren, weil bei Jesus Gottes Wort in Lauterkeit verkündet wird, ohne Hinzufügung und ohne Weglassung.
Jesus warnt mit seinem Wort vom Weinstock deutlich jeden, der ihn hört, dass Gott verwirft, wer nicht auf IHN hört. Ein fruchtbares Leben ist nur dort möglich, wo das Wort des Gottes Israels lebt und gelebt wird. Der eifrigste Schüler Jesu, Paulus von Tarsus, belehrte die Gemeinde in Rom ebenfalls mit scharfen Worten, dass jedes Herz sich vom Hochmut beschneiden soll, damit es nicht ausgerissen wird vom guten Ölbaum.
Rö.11, 22Darum sieh die Güte und die Strenge Gottes an: gegen die, welche gefallen sind, die Strenge, gegen dich aber die Güte Gottes, sofern du bei der Güte verharrst; denn sonst wirst auch du herausgeschnitten werden.
Chapeau! Deine Beiträge sind biblisch sehr tiefgründig. DANKE!