Lesung der Megillat Ester (Ester-Rolle) am Vorabend von Purim

Bei diesem Rätsel ist jeder und jede eingeladen, das eigene Wissen, die eigene Bibelkenntnis zu testen. Die Fragen können mittels der Überschriften angesteuert werden. Die ausführlichen Fragen von Yuval sind farblich unterlegt und wollen beantwortet werden, bevor die Auflösung darunter erscheint. Es wird manche Überraschung geben. Viel Spaß!

1) Warum wird das Fest „Purim“ genannt?

Der große Sieg der Juden über die mörderische Vernichtungsabsicht der Perser unter Achaschwerosch und Haman wird Purim – „die Lose“ – genannt nach den Losen, die der Judenhasser Haman benutzte, um den Termin für die Ausrottung der Juden zu bestimmen.
Warum bekam das Fest ausgerechnet diesen „banalen“ Namen und keinen respektvolleren, theologischen Namen wie zum Beispiel „das Fest des Überlebens“ oder „das Fest Königin Esters und Mordechais?

Wir feiern Purim, sicher das fröhlichste Fest, aber mit einem sehr ernsten Hintergrund. Nichts ist in der Geschichte von Ester und Mordechai so, wie es scheint. Darum verkleiden wir uns an Purim, damit wir unsere Identität verheimlichen wie Ester, die von Mordechai beauftragt wurde, ihre Herkunft geheim zu halten. Und so wie Gott, der in dieser Geschichte verborgen bleibt.

Est. 9,26 Darum werden diese Tage Purim genannt, nach dem Wort »Pur«. Deshalb, wegen alles dessen, was in dem Schriftstück stand, und was sie selbst gesehen und erfahren hatten,
Diese Erklärung gibt uns die Ester-Rolle selbst. Haman hatte die Auslöschung der Juden durch das Werfen eines heidnischen Loses festgelegt. Dass Gott dieses Unglück vereitelt hatte,  ließ Mordechai mit allen Ereignissen aufschreiben. Damit gab er all die wunder-baren Erfahrungen unter diesem Namen weiter. Aber es gibt noch einen weniger offensichtlichen Grund.

Purim wird im Talmud höher angesehen als Jom haKippurim, denn es heißt:
„Es heißt Purim wegen Jom HaKippurim, denn in Zukunft werden sich die Menschen an Jom Kippur freuen und die erforderlichen Bedrängnisse [von Gott zu unserer Erziehung uns auferlegte Bedrängnisse, damit wir in die Knie gehen] in Freude verwandeln.“ (Tikkunei Zohar 57b:4) [1]
„Der Vilnaer Gaon (Litauen 18. Jh) erklärt, dass das Wort „Purim“ im biblischen Namen für Yom Kippur – Yom haki-PURIM – zu finden ist, was „ein Tag wie Purim“ bedeutet. Das, was wir an Jom Kippur mit spirituellen Bestrebungen erreichen, erreichen wir an Purim mit körperlichen Bestrebungen. Diese Feiertage sind zwei Seiten derselben Medaille, zwei entgegengesetzte Hälften desselben Tages.“[2]
Auch hier ist nichts so, wie es scheint, denn diese zwei so unterschiedlichen Feste finden ihre Verbindung am Ende der Tage.

2) Die zwei Namen der Protagonistin

Welche zwei Namen besitzt die Protagonistin Ester in der nach ihr benannten Schriftrolle, welche hebräische Bedeutung besitzen sie und in welch theologischer Spannungsbeziehung stehen sie zueinander?

Unsere Protagonistin lernen wir zuerst als Hadassa הֲדַסָּה = Myrte kennen, die Ziehtochter Mordechais, deren Eltern gestorben sind. Ihr Name verweist auf einen immergrünen Strauch mit gutem Duft, der sogar bei Atemwegserkrankungen hilfreich ist. Außerdem werden Myrtenzweige gerne bei Hochzeiten zu einem Kranz geflochten. Die immergrüne Eigenschaft bedeutet für uns Frische und Leben.

Daneben steht der persische Name Ester אֶסְתֵּר, der im Hebräischen die Bedeutung von לְהִסְתַּתֵּר lehastiter verstecken, verbergen oder סֵתֶר Seter Versteck, Geheimnis hat.

Als Jüdin spiegelt ihr Name Hadassa ihre Eigenschaften wider, denn es heißt von ihr:
Est. 2,7 Schön von Gestalt war das Mädchen und gut anzusehn.
Sie verkörpert frisches, blühendes Leben und erinnert an ihre Eltern, die durch das Immergrüne nicht vergessen werden. Als Jüdin im Exil muss sie ihre jüdische Identität und ihre Herkunft allerdings verbergen. Besonders am Hofe des Königs Achaschwerosch verbirgt sie ihre Identität hinter dem Namen Ester. Sie ist nun allein die Königin an seiner Seite.

3) Vier Paare von Akteuren

Es gibt vier Paare von Akteuren – in Hauptrollen und in Nebenrollen – in der Schriftrolle Ester, die zueinander in komplementärer, d.h. sich gegenseitig ergänzender Beziehung in Bezug auf das Gesamtgeschehen der Schriftrolle stehen – um welche Personen handelt es sich und inwieweit ergänzen sie sich – bitte aufmerksam den Text untersuchen!

Zuerst lernen wir Waschti und Achaschwerosch kennen. Der König feiert ausgelassen seine dreijährige Amtszeit und prahlt mit seinem Reichtum. Dagegen verhält sich die Königin weniger extrovertiert als ihr Mann. Sie gibt zwar ein Fest für die Frauen, aber sie kennt ihre Grenzen. Als ihr Mann sie holen lassen will, um – so vermutet die jüdische Tradition -, vor den Gästen nackt zu tanzen, will sie ihre Würde wahren und verweigert sich dem Wunsch des Königs. Die Konsequenzen, welche die Berater des Königs aushandeln und gegen den willensschwachen Achaschwerosch durchsetzen, bleiben ihr nicht erspart.

Als zweites Paar lernen wir Mordechai und Ester kennen. Sie sind bescheiden und leben ihren Glauben innerhalb ihrer Privatsphäre. Mordechai ist fürsorglich um seine Adoptivtochter bemüht. Er berät sie und schaut täglich nach ihr, als sie in die Burg Schuschan geholt wurde. Selbst als Königin weiß Ester ihn in ihrer Nähe. Dieses Paar steht Waschti und Achaschwerosch als Vorbild gegenüber. Und sie bilden das genaue Gegenteil von Haman und Seresch ab.
Als nächstes finden wir Ester an der Seite des Königs Achaschwerosch. Ihre bescheidene, unaufdringliche Art sowie ihre natürliche Schönheit gefielen dem König. Er ernannte sie zu seiner Königin an Waschtis Stelle. Der König bleibt rückhaltlos und manipulierbar, die neue Königin bleibt bescheiden im Hintergrund.

Als das dritte „Paar“ werden uns die Kämmerer des Königs als die zwei Intriganten vorgestellt. Bigtan und Teresch planen den Tod des Königs. Sie agieren im Dunklen und planen im Geheimen einen Anschlag auf den Machthaber und Diktator. Aber Mordechai deckt ihre dunkle Gesinnung auf und vereitelt somit das sinistere Vorhaben.
Doch warum ist ihr Vorhaben böse, wenn sie einen Despoten umbringen wollen? Könnte Mordechai ihre Pläne nicht überhören und so tun, als wüsste er von nichts?
1.Sam. 26,9 Dawid sprach zu Abischaj: Nimmer darfst du ihn verderben, denn wer könnte die Hand gegen SEINEN Gesalbten anschicken und bliebe ungestraft!
1.Chron. 16,22 Rühret nimmer an meine Gesalbten, meinen Kündern tut nimmer übel!
Jeder König ist von Gott in sein Amt eingesetzt, und aus Achtung vor Gott und Seinen Geboten ist der Plan, den König zu ermorden, eine Straftat, die angezeigt werden muss. Weil sie Gottes Gebot nicht achten, morden wollen, obwohl der Ewige es in Seinen Geboten strikt verbat, darum kann Mordechai nicht schweigen.
Dass dies nicht nur für jüdische Herrscher gilt, sehen wir daran, dass auch König Kyrus Gottes Gesalbter ist.
Jes. 45,1 So hat ER gesprochen zu Cyrus, zu seinem Gesalbten: Den ich faßte an seiner Rechten, Stämme vor ihm niederzustrecken, öffnend der Könige Hüftgurt, Türen vor ihm zu öffnen, Pforten, daß sie sich nicht mehr schließen, 2 vor dir gehe ich selber einher, Schwellungen werde ich ebnen, eherne Türen zerschmettern, eiserne Riegel zerhauen, …
(Es ist interessant, die Zusagen an den Persischen König, den Gott „meinen Gesalbten, meinen Maschiach – Messias“ nennt, zu lesen. Ergänzend dazu 2.Chron. 36)

Das vierte Paar ist Haman und seine Frau Seresch. Ihren Namen deutet Yuval als זרע רשע ser’a rasch’a böse Saat, böser Same, denn sie ist so böse und machtbesessen wie ihr Mann. Zudem erkennt sie als böser Same
Est. 6,13 Wenn Mordechai, vor dem du zu fallen begonnen hast, vom Samen der Juden מִזֶּרַע הַיְּהוּדִים ist, so kannst du nichts gegen ihn ausrichten, sondern du wirst gänzlich vor ihm fallen!
Ihre Ratschläge sind opportunistisch. Mal bestärkt sie ihren Mann, dann lässt sie ihn fallen, wie im zitierten Vers. Sie sieht seine Chancen gegen den Juden Mordechai schwinden, den sie wie Haman am Galgen sehen wollte.

So sehen wir in der Geschichte zwei Paare auf der Seite des Bösen: Bigtan und Teresch sowie Haman und Seresch. Waschti und der König sind „Mitläufer“, sie zeigen nicht ihr Gesicht, bleiben farblos.
Das einzige Paar auf der Seite des Guten, auf Gottes Seite steht, sind Mordechai und Ester. Sie werden von Gott zu Rettern ihres Volkes berufen. Sie bekamen schließlich Macht, die sie zum Wohl des Volkes einsetzten:
Est. 10,3 Denn Mordchaj der Jude war der Zweite nach dem König Achaschwerosch, groß war er bei den Juden, in Gnaden bei der Menge seiner Brüder: der für sein Volk nach dem Guten trachtet und für all dessen Samen redet zur Befriedung.

4) Drei Pflichten an Purim

Welche drei Pflichten erlegte Königin Ester und ihr Onkel Mordechai am Ende des Geschehens in der Schriftrolle den Juden für alle künftigen Generationen als religiös verbindliche Praxis des Purim-Festes auf?

In Kapitel 9 verpflichtete Mordechai die Juden, dass sie 1) den 14. und 15. Adar Jahr für Jahr feiern; dass sie 2) diese Tage als Tage des Gastmahls und der Freude feiern, an denen sie 3) einander Geschenke machen und die Armen beschenken.

Die Purimtage wurden also als Festtage eingeführt. An diesen ist Frohsinn geboten, das mit einem Festmahl und Weingenuss einhergeht. Die Männer dürfen so viel trinken, bis sie die Worte „Haman, der Verfluchte המן המקולל haman ha‘mekulal“ und „Mordechai, der Gesegnete מרדכי יתברך Mordechai jitbrach“ nicht mehr auseinanderhalten können. Man schickt Freunden kleine Geschenke, die bekanntlich die Freundschaft erhalten und gibt eine Spende zur Unterstützung der Armen.

Die 4. Mizwa ist die Voraussetzung von allem, nämlich die Geschichte von Ester zu hören. Dazu wird die Megillat Ester am Vorabend und am Morgen des Purimfestes vorgelesen.

5) Versteckte Hinweise auf Gott

An welcher Stelle im Text der Schriftrolle benutzt welcher Handelnde einen von den Rabbinern als indirekten  Hinweis auf die verborgene Anwesenheit Gottes gedeuteten Begriff?

Zwei Ausdrücke Mordechais können als Hinweis auf Gott verstanden werden:
Est. 4,14 Denn wenn du jetzt schweigst, so wird von einer anderen Seite Ort her Befreiung und Rettung für die Juden kommen, du aber und das Haus deines Vaters werden untergehen. Und wer weiß, ob du nicht gerade wegen einer Zeit wie dieser zum Königtum gekommen bist?«

מִמָּקוֹם אַחֵר mi makom acher von einem anderen Ortmakom ist ein Synonym für Gott. Es hat die Wurzel ma kum מה קום – was aufsteht, was aufgerichtet ist. An jeden Ort, an den wir kommen, ist Gott schon da. Das ist nicht nur der Ort bei Jaakow, wo er von den Engeln träumte. Und das ist nicht nur der Ort am brennenden Dornbusch, wo Mosche seine Schuhe auszog!

Auch מִי יוֹדֵעַ mi jode’a wer erkennt, wer weiß kann als Anspielung auf Gott verstanden werden, denn wer kann solches wissen und erkennen als Gott allein. Der Prediger Salomo fragt gleichfalls oft: מִי יוֹדֵעַ mi jode’a? Und auf seine Fragen gibt es in vielen Fällen nur eine Antwort: Gott, der Ewige.

6) Ausdruck für die Sympathie gegenüber den Juden

Welchen Begriff benutzt die Schriftrolle Ester am Ende der Handlung als stärksten Ausdruck der Sympathie der ehemals feindlichen persischen Bevölkerung den geretteten Juden gegenüber?

Est. 8,7  Und in allen Provinzen und in allen Städten, wohin das Wort und Gebot des Königs gelangte, da war Freude und Frohlocken unter den Juden, Gastmahl und Festtag, sodass viele von der Bevölkerung des Landes Juden wurden; denn die Ehrfurcht vor den Juden war auf sie gefallen.
Die Bevölkerung מִתְיַהֲדִים mitjahadim – „verjudete sich“ würde man wörtlich übersetzen und so den Begriff, den die Nazis in ihrem Wahn schändlich verzerrten, im positiven Sinn benutzen. Die Perser waren ergriffen und erfüllt von der Hilfe, die der Gott Israels auf so krummen Linien Seinem Volk angedeihen ließ, dass sie zu diesem Volk gehören wollten. Von diesem Volk ging Heil und Leben aus (Joh. 4,22!)

Auch Mordechai bekommt eine respektvolle Bezeichnung, die seine Größe wiedergibt.
Est. 9,4 הָאִישׁ מָרְדֳּכַי ha’isch Mordechai – der Mann Mordechai hatte großen Einfluss am Hofe des Königs und er gewann immer größeren Einfluss. An dieser Stelle wird er das erste und einzige Mal „der Mann Mordechai“ genannt. Nachdem er seine Identität geoffenbart hatte, war er der Jude Mordechai. Aber durch den „Mann“ wird er zugehörig zu allen, zu Juden und Heiden.

7) Juden an heidnischen Könighöfen

Welche zusätzlichen biblischen Gestalten sind uns in der gesamten Tora Israels überliefert, die als prononcierte Juden hochrangige Repräsentanten an heidnischen Königshöfen wurden?

Zuerst ist Jossef zu nennen, der Sohn Jaakows, den seine Brüder nach Ägypten verkauft hatten. Da er die Träume Pharaos mit Weisheit deuten konnte, setzte Pharao ihn als zweiten Mann im Staat ein. Somit rettete er Ägypten und seine Familie während der Hungersnot.

Daniel deutet ebenfalls einen Traum für Nebukadnezer, nachdem Gott ihm den Traum offenbarte, den der König nicht erzählen konnte. Er hatte ihn vergessen! Daniel deutete ihm den Traum des Standbildes auf tönernen Füßen. Daraufhin setzte Nebukadnezer ihn als Herrscher über die Provinz Babel ein.

Nehemia war oberster Mundschenk von König Artaxerxes, dem Herrscher von Persien. In ihm sehen viele König Achaschwerosch aus der Megillat Ester. Nehemia führt die Exilierten zurück in die Heimat.

8) Zwei Trinkgelage der Königin – Warum?

Warum lädt die kluge Königin Ester König Achaschwerosch und den Judenhasser Haman zu zwei Trinkgelage ein – warum begnügt sie sich nicht mit einem Gelage, in dessen Verlauf sie ihr großes Anliegen ihren Gästen mitteilt?

Königin Ester geht nach der langen 30-tägigen Phase der Nichtbeachtung durch ihren Mann und nach ihrem Fasten zum König. Sie könnte sterben, wenn er schlecht gelaunt ist, so sagt es das persische Gesetz. Da sie Gnade vor ihm findet, will sie beim ersten Mal seine Freude hervorrufen und sein Vertrauen gewinnen. Sie wird geahnt haben, dass der König nach dieser langen Zeit aufgewühlt sein wird.

Ebenso Haman, der über die Einladung der Königin so erfreut ist, dass er damit vor seinen Freunden prahlt, sogar noch ein zweites Mal erscheinen zu dürfen.

Beide Männer sind sehr ansprechbar für lustvolle Orgien mit Fressen und Saufen. Das füllt ihre Welt aus. In ihrer Welt ist kein Platz für Geistlichkeit und Bildung. Schon als Haman das Edikt zur Vernichtung der Juden herausgab, setzten er und der König sich zum Weingelage zusammen, während die Juden vor Schrecken und Angst weinten und klagten. Ester stellt sie, die doch die Macht über 127 Provinzen haben, bloß.
Beide Männer fühlen sich in gewisser Weise von der Königin durchschaut, dass sie mit ihren banalen Vorlieben zu ködern sind. Das verunsichert sie und bringt sie in dieser Nacht um den Schlaf.

Durch diese aufgewühlten Emotionen ihrer beiden Gäste gibt Ester unwissentlich Gott die Möglichkeit, über ihre Schlaflosigkeit zu wirken und Mordechais Aufstieg in Gang zu setzen. Hamans Einfluss beginnt zu sinken, was seine Frau ihm voraussagte. Dadurch ist er beim zweiten Festmahl sicherlich unkonzentriert und fahrig. Ester trägt nun dem König ihr wahres Anliegen vor, während Haman und Achaschwerosch in ihren Genüssen schwelgen. Sie stürzt beide Männer in eine unerwartete, harte Realität, die den König erstmals zu einer eigenen Entscheidung und der folgerichtigen Handlung zwingt, welche für Haman sein Ende bedeutet. Er wird an dem Galgen in seinem eigenen Garten aufgehängt, den er für Mordechai bauen ließ.

Zudem durfte ich bei Rabanit Sarah (Ohel Sara auf YouTube) lernen, dass mit den zwei Einladungen eine Reparatur, Verbesserung = Tikiun תִּקּוּן stattfindet für den Ungehorsam Adams und Evas, die vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen essen, von tow טוֹב und ra רָע. Sie sagt dem König bei beiden Einladungen:
Est. 5,4 Dünkt es den König gut, … אִם עַל הַמֶּלֶךְ טוֹב im al ha’melech tow
Mit dem, was ihm persönlich gut erscheint, ködert sie ihn, um beim zweiten Gelage seine Frage nach dem, der sie auslöschen will, zu beantworten:
Est. 7,6 Der Mann, der Bedränger und Feind, Haman, dieser Bösewicht, ists. אִישׁ צַר וְאוֹיֵב הָמָן הָרָע הַזֶּה isch zar we’ojaw Haman ha’ra ha’se
ra רָע offenbart den bösen Haman, den Feind der Juden und des Lebens überhaupt, den Mann, der den Tod bringen will.
Bei einer späteren Begegnung mit dem König konfrontiert ihn Ester mit dem moralisch Guten, das ihn veranlassen wird, ihr Volk zu retten. Um den Rahmen nicht zu sprengen, empfehle ich den YouTube-Kanal von Ohel Sarah und den zweiten Teil speziell zu diesem Thema.
https://www.youtube.com/watch?v=ZmR5PeHB7no

9) Theologische Begriffe für das Wunder der Rettung

Mit welchem theologischen Begriff benennt der Verfasser der Schriftrolle Ester das Wunder der Errettung  der Juden von der Auslöschungsabsicht des bösen Haman?

Est. 9,22 den Tagen gleich, an denen die Juden Ruhe von ihren Feinden gewannen, und dem Monat, der sich ihnen von Kummer zu Freude und von Trauer zu Festtag gewandelt נֶהְפַּךְ hatte, sie zu begehen als Tage des Gelags, der Freude und der Sendung von Geschenken jedermanns an seinen Genossen und Gaben an die Bedürftigen.

Die Trauer hatte Gott in Freude verwandelt נֶהְפַּךְ na’hefach von לַהֲפֹךְ la’hafoch wenden, drehen. Die Trauer wird auf den Kopf gestellt. Das Unterste wird hervorgewendet, nach oben gedreht, sodass die Freude auf dem „Dünger“ der Trauer wächst.

10) Nach dem Wunder – Steuern rauf!

Warum bürdet König Achaschwerosch dem persischen Volk nach dem von ihm geforderten und geförderten Sieg der Juden über ihre mörderischen Widersache gemäß Kapitel 10 Vers 1 eine völlig unvermutete neue Steuerlast auf – in vergleichbaren biblischen Situationen erlässt der regierende König bei freudigen Anlässen dem Volk zum Ausdruck seiner großen Freude und Erleichterung Steuern und Abgaben?

Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten, denn Hinweise im Buch Ester finden wir nicht. Mein erster Gedanke war, dass damit Wiedergutmachungen für die Juden bezahlt würden. Sie mussten unter dem feindlichen Minister Haman und seiner Propaganda leiden. Und wenn sie in der erlaubten Selbstverteidigung auch siegten, ist davon auszugehen, dass es bei den Kämpfen gleichfalls nicht unerhebliche Zerstörungen gab.

Doch Rabbiner Hirsch sieht für dieser Bemerkung, die nicht aus wirtschlichen, sondern aus theologischen Gründen in Kap. 10 Erwähnung findet, einen anderen Grund, mit dem mich Yuval vertraut machte. Der König wusste, dass dort, wo Juden aktiv in Staatsbelange und in die Wirtschaft einbezogen sind, der Wohlstand des jeweiligen Staates wächst.

Das konnte Hirsch und das können wir aus unserem historischen Wissen ableiten. Wurden Juden vertrieben, ging das Land in seinen Ruin, weshalb so mancher Fürst oder Regent den Weg für Juden ebnete, sich auf seinem Territorium anzusiedeln – bis zum nächsten Pogrom. Deutschland war vor der Schoa durch jüdische Beiträge fortschrittlich und reich an Wissen in Gesundheitsbelangen, in Forschung und Kultur. Doch all dessen beraubte sich das Deutsche Reich durch die „Selbstamputation“, wie S. Korn die Situation Deutschlands nach der Vernichtung der Juden im größten Völkermord nannte.

Für Persien konnte Achaschwerosch sich darauf einrichten, dass unter Mordechais und Esters Führung und unter der Anerkennung jüdischen Handels und Wandels sein Reich blühen würde.
Einmal mehr ahnen wir, wozu dem König die Blüte seiner Wirtschaft diente! Vermutlich seiner Genusssucht.


[1] https://www.myjewishlearning.com/article/the-surprising-connection-between-purim-and-yom-kippur/

[2] https://aish.com/48949286/

One thought on “Ein zeitloses Purimrätsel von Yuval Lapide

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