Gottesbild in Tora und Talmud
Der Mensch ist von Gott gerufen und ruft IHN seinerseits. (S.118)
Leo Baeck, Das Wesen des Judentums
Gott ist der lebendige und wirkende Gott. ER hat dem Menschen Gaben und Aufgaben gegeben und ihm den Weg gewiesen, der ihn Gott nahe sein lässt. Gott ist verborgen, aber seine Aufgaben sind Klarheit und Orientierung. So kann der Mensch in Gewissheit des Glaubens leben gegenüber seinem Schöpfer, der ihn zum Mitschaffenden geschaffen hat. (S.119)[1]
Der Glaube an Gott ist gemäß dem eindeutigen Monotheismus im Judentum der Glaube an den einzigen Gott, den Schöpfer des Himmels und der Erde, wie es in unserem Alejnu-Gebet heißt:
„An uns ist es (עָלֵֽינוּ Alejnu), zu preisen den Herrn des Alls. Huldigung darzubringen dem Schöpfer des Anbeginns, … Wir knien nieder, bücken uns und danken dem König aller Könige, dem Heiligen, gelobt sei er, er wölbte den Himmel und gründete die Erde, der Sitz seiner Ehre ist im Himmel oben und die Stätte seiner Macht in den höchsten Höhen. Er ist unser Gott, keiner sonst (אֵין עֽוֹד Ain od), in Wahrheit unser König“
Nicht zu vergessen ist unser Glaubensbekenntnis, das den einen Gott bekennt:
Dtn. 6,4 Höre Jissrael: ER unser Gott, ER Einer! שְׁמַע יִשְׂרָאֵל יְהוָה אֱלֹהֵינוּ יְהוָה אֶחָד Sch’ma Jisrael, Adonai Eloheinu, Adonai echad.
Mit diesem Bekenntnis antwortete Jesus als gläubiger Jude auf die Frage nach dem höchsten Gebot, sodass er den Fragesteller zu Gott hin führte, nicht zu sich selbst:
Mk. 12,29 Jesus aber antwortete ihm: Das vornehmste aller Gebote ist: «Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist alleiniger Herr; 30und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deinem ganzen Gemüte und mit aller deiner Kraft!» Dies ist das vornehmste Gebot.
Gott ist der einzige und der Ewige, Schöpfer und Erhalter der Welt und der gesamten Kreatur. ER ist der König, der Heilige, und außer IHM gibt es niemanden! ER ist ein Gott, dessen Interesse am Menschen ungebrochen vorherrscht, und der ihm täglich nah ist. So wird ER auch im Morgengebet „Vater“ genannt:
„Unser Vater im Himmel (אָבִֽינוּ שֶׁבַּשָּׁמַֽיִם Awinu sche’baschama’jim), erweise uns Gnade um deines großen Namens willen, …“
Zöge ER sich nur für einen kurzen Augenblick zurück, zerfiele die ganze Schöpfung augenblicklich ins Nichts.
Die Gebete greifen die Tora auf, in der Gott sich offenbarte:
Dtn.4,39 So sollst du nun heute wissen und zu Herzen nehmen, dass der Herr Gott ist oben im Himmel und unten auf Erden und sonst keiner, 40 und sollst halten seine Rechte und Gebote, die ich dir heute gebiete; so wird’s dir und deinen Kindern nach dir wohlgehen und dein Leben lange währen in dem Lande, das dir der Herr, dein Gott, gibt für immer.
Gott ist nicht vorstellbar. Von Seiner Transzendenz können wir nur mit Anthropomorphismen, mit Ausdrücken der Vermenschlichung, reden oder durch Negationen. ER ist ganz ohne Körper und dem Menschen nicht vergleichbar. Die Gottesebenbildlichkeit des Menschen bezieht sich auf seine Würde, nicht auf irgendeine Vergleichbarkeit mit Gottes Aussehen. Gott wirkt durch seinen Geist unter den Menschen.
Die Einzigartigkeit Gottes kommt in dem Lied „Adon Olam אֲדוֹן עוֹלָם“ – Herr der Welt, zum Ausdruck.
Adon Olam
https://www.talmud.de/tlmd/das-morgengebet-fuer-werktage/#Birkot_haSchachar
Der Herr der Welt, er hat regiert, ehe ein Gebild geschaffen war,
Zur Zeit, da durch seinen Willen das All entstand, da wurde sein Name König genannt,
Und nachdem das All aufhören wird, wird er allein, der Ehrfurchtbare, regieren.
Er war, er ist, und er wird sein in Herrlichkeit.
Er ist einzig, und kein Zweiter ist da, ihm zu vergleichen, zuzugesellen. ,
Er ist ohne Anfang, ohne Ende, ihm ist die Macht und die Herrschaft.
Er ist mein Gott, und mein Erlöser lebt, der Fels meines Anteils zur Zeit der Not.
Er ist mein Panier und Zuflucht mir, der den Kelch mir reicht am Tage, da ich rufe. In seine Hand empfehle ich meinen Geist zur Zeit, da ich schlafe und erwache. Und mit meinem Geist auch meinen Leib, Gott ist mit mir, ich fürchte mich nicht.
Ebenso im Lied „Jigdal = erhaben, groß“ zum Ausdruck, worin die 13 Glaubensartikel des Maimondes aufgegriffen werden.
Jigdal – Die dreizehn Glaubensartikel
- Der lebendige Gott werde erhöht und gelobt, er besteht – seine Existenz wird durch die Zeit nicht beschränkt
- Er ist einmal und einzigartig – und es gibt kein Wesen, das so einmalig und einzigartig ist wie er – Unergründlich und unendlich ist seine Einmaligkeit;
- Er hat weder einen Körper noch ist er körperlich – seine Heiligkeit ist unvergleichbar
- Er ist der Vorgänger eines jeden Wesens, das erschaffen wurde – er ist das Erste, das geschaffen wurde, und nichts geht ihm vor
- Schau an! Er ist der Baumeister des Weltalls – Jedes Wesen demonstriert Seine Größe und Seine Souveränität;
- Er gewährte seinen Einfluss der Prophezeiung – seinem hochgeschätzten, herrlichen Volk;
- In Israel wird niemand wieder wie Moses sein – ein Prophet, der Seine Vision klar wahrgenommen hat;
- Gott schenkte seinem Volk die Lehre (Tora) der Wahrheit – mittels Seines Propheten, dem er am meisten aus seinem Haus vertraute;
- Gott wird weder sein Gesetz ändern noch berichtigen – auch nicht wegen eines anderen Gottes und niemals
- Er prüft und kennt unsere verborgensten Geheimnisse – Er nimmt das Resultat einer Sache von Anfang an wahr;
- Er belohnt den gütigen Menschen gemäß seinen Taten – Er belegt den Bösen gemäß seiner Boshaftigkeit mit Übel;
- Am Ende der Tage wird Er unseren Gesalbten schicken – um diejenigen zu erlösen, die sich danach sehnen;
- Gott wird die Toten in Seiner reichlichen Güte wieder zum Leben erwecken – Selig ist für immer Sein gelobter Name.
Gottes Eigenschaften
Rabbiner Leo Baeck erklärte, wie über Gott gesprochen werden kann:[2]
Leo Baeck, Das Wesen des Judentums
Die Sprache muss metaphorisch über Gott sprechen, aber jedes Wort ist nur Hinweis, Zeichen, Symbol. Von dem unfassbaren, unendlichen Gott kann man nur in Gleichnissen sprechen oder aber zu IHM beten. (S.121)
Gott bleibt immer Gott unvergleichbar mit jedem Bild und jedem Gleichnis. (S.122)
Kein Mensch kann das Wesen Gottes erfassen, auch nicht durch SEINE Offenbarung. Dagegen kann der Mensch nur vom Willen Gottes ergriffen werden. (S.123)
Gott steht über jeder menschlichen Vorstellung, nur der göttliche Wille tut sich kund, dem sich der menschliche Wille durch freie, gute Taten nähert. (S.124)
Darum gibt es im Judentum keine Mythologie, keine Göttergeschichten, in denen Götter menschlich werden.
Auch die Bibel kennt die negierende Aussage über Gott, um IHN vom Menschen zu unterscheiden.
Num. 23,19 Nicht ein Mann ist Gott, daß er täuschte, noch ein Menschensohn, daß er sichs leid sein ließe, er, er sollte sprechen und nicht tun, reden und es nicht vollenden! (vgl. 1.Sam. 15,29)
Gott ist ein dialogischer Gott, der Menschen erwählt und beruft. ER redete Seine Schöpfung an und gab so jedem Geschöpf seinen Auftrag und Sinn. Er redet den Menschen an und erwartet seine Antwort. So ist es möglich, dass der Mensch mit Gott reden kann und Erhörung seiner Gebete findet. Da Gott ein gnädiger und barmherziger Gott ist, lässt er sich zu Wundern bewegen. Besonders empfänglich ist ER für Gebete der Umkehr und Reue. Das Gebet ist immer eine persönliche Kontaktaufnahme mit Gott. ER ist der Gott unserer Zuflucht, weshalb man diesem Gott wie einem Vater vertrauen kann.
Gott ist der Gott der Erlösung. ER verspricht Seinem Volk Erlösung, ER erlöste es immer wieder, weshalb die Erlösung durch einen verblutenden Mann am Kreuz für Juden unvorstellbar ist. Seit Josef, dessen Segnungen heute über den Jungen gesprochen werden, ist Gott als der Erlösende bekannt:
Gen. 48,15 Dann segnete er Jossef und sprach: Der Gott, vor dem einhergingen meine Väter, Abraham und Jizchak, der Gott, der mich weidet, seit ich wese, bis auf diesen Tag, – 16 der Bote, der mich aus allem Übel erlöste, segne die Knaben! …
Der Bote oder Engel Gottes erlöste im Namen Gottes. Selbst später am brennenden Dornbusch ist der Engel Gottes nur schwer zu unterscheiden von Gott selbst.
Die Seele, die der ewig lebende Teil des Menschen ist, wird ebenfalls von Gott erlöst:
Ps. 34,23 Der Herr erlöst die Seele seiner Knechte, und alle, die auf ihn trauen, werden nicht büßen.
In der Gewissheit der Erlösung Gottes kann man sogar sterben:
Ps. 31,6 In deine Hände befehle ich meinen Geist; du hast mich erlöst, Herr, du treuer Gott.
Lk. 23,46 Und Jesus rief laut: Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände! Und als er das gesagt hatte, verschied er.
Gottes Eigenschaften kennen wir aus:
Ex. 34,6 Vorüber fuhr ER an seinem Antlitz und rief: ER ER Gottheit, erbarmend (1), gönnend (2), langmütig (3), reich an Huld (4) und Treue (5), 7 bewahrend Huld ins tausendste (6), tragend Fehl (7) Abtrünnigkeit (8) Versündigung (9), straffrei (10) nur freiläßt er nicht (11), zuordnend Fehl von Vätern ihnen an Söhnen und an Sohnessöhnen (12), am dritten und vierten Glied (13).
13 Eigenschaften liest der Jude aus diesem Vers, weshalb die Zahl 13 eine heilige Zahl ist. Sie ergibt ebenso die Hälfte des Zahlenwertes des Tetragrams, welches den Zahlenwert 26 hat.
Diese Eigenschaften finden sich in den 100 Namen wieder, die ich im Folgenden aufgelistet habe. Wie die Eigenschaften erfahrbar sind, so die Namen. Für Gott werden so viele Namen verwendet, denn Menschen erfahren IHN in unterschiedlichen Zusammenhängen und auf unterschiedliche Weise.
Darum sind für Gott 100 Namen bekannt, von denen einer der unaussprechliche, weil heiligster Name Gottes ist: JHWH. Die Namen, die auf dem Foto des Beitragsbildes in hebräischer Sprache zu sehen sind, bilden die Vorlage für die folgende Auflistung:
Im Deutschen ist es nicht möglich, die feinen Bedeutungen ähnlich klingender Namen wiederzugeben, weshalb hier weniger als 100 Namen übersetzt sind.
Menschen erleben, wie Gott für sie sorgt mit der Liebe eines Vaters und einer Mutter. Er ist zärtlich wie ein Bräutigam zu seiner Braut, aber auch erzieherisch streng. Sein Anliegen ist es, die Menschheit Menschlichkeit zu lehren. Dieses kann nur gelingen, wenn Menschen wiederum ihre Beziehung zu Gott leben und gestalten. Dazu hat er sich ein Volk erwählt, um dieses Anliegen den Völkern der Welt mitzuteilen und vorzuleben.
Jes.66,12 Denn so spricht der Herr: Siehe, ich breite aus bei ihr den Frieden wie einen Strom und den Reichtum der Völker wie einen überströmenden Bach. Ihre Kinder sollen auf dem Arme getragen werden, und auf den Knien wird man sie liebkosen. 13 Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet; ja, ihr sollt an Jerusalem getröstet werden. 14 Ihr werdet’s sehen und euer Herz wird sich freuen, und euer Gebein soll grünen wie Gras. Dann wird man erkennen die Hand des Herrn an seinen Knechten und den Zorn an seinen Feinden.
Ps.131,2 Fürwahr, meine Seele ist still und ruhig geworden wie ein kleines Kind bei seiner Mutter; wie ein kleines Kind, so ist meine Seele in mir.
Gott ist ein Gott des Lebens. Auch wenn Verfall und Tod zur gefallenen Schöpfung gehören, verspricht Gott Leben durch die Auferweckung der Toten am Ende der Tage. Doch schon hier und jetzt geht es darum, Leben und Segen zu ermöglichen. Dazu müssen die Menschen durch gegenseitige Verantwortung beitragen. Wo sich Menschen verachten, kann Leben nicht gedeihen, wie wir es aktuell leider im zunehmenden Antisemitismus vor Augen haben. Diese Auswirkungen sind subsumiert unter dem Begriff „Fluch“.
Dtn.30,19 Ich nehme Himmel und Erde heute über euch zu Zeugen: Ich habe euch Leben und Tod, Segen und Fluch vorgelegt, damit du das Leben erwählst und am Leben bleibst, du und deine Nachkommen, 20 indem ihr den Herrn, euren Gott, liebt und seiner Stimme gehorcht und ihm anhangt. Denn das bedeutet für dich, dass du lebst und alt wirst und wohnen bleibst in dem Lande, das der Herr deinen Vätern Abraham, Isaak und Jakob geschworen hat, ihnen zu geben.
Gott ist jedes Leben heilig und ER möchte, dass wir alle Schabbat- und Festtagsgebote aufheben, wenn ein Menschenleben gerettet werden muss. Das finden wir im Neuen Testament, wo es um die Erstellung halachischer Gebote (verbindliche Gebote im Alltag) aus der Tora ging. Im Talmud heißt es:
Joma 85b: „Siehe, der Schabbat ist euch übergeben, nicht ihr seid dem Schabbat übergeben.“
Oder wie Rabbi Jesus in den Evangelien sagte:
Mk.2,27 Und er sprach zu ihnen: Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbats willen.
Zum Schabbat gehört ebenso, dass es den Tieren gut geht, darum kann man in der Bibel den ältesten Tierschutz finden. Im Talmud (bSchab 128b) ist Nothilfe für Tiere am Schabbat erlaubt, weil der Tierschutz dem Schabbatgebot in der Tora übergeordnet ist. Das Beispiel Jesu gilt Mensch und Tier.
Mt. 12,10 Und siehe, da war ein Mensch, der hatte eine verdorrte Hand. Und sie fragten ihn und sprachen: Ist’s erlaubt, am Sabbat zu heilen?, damit sie ihn verklagen könnten. 11 Aber er sprach zu ihnen: Wer ist unter euch, der sein einziges Schaf, wenn es ihm am Sabbat in eine Grube fällt, nicht ergreift und ihm heraushilft? 12 Wie viel mehr ist nun ein Mensch als ein Schaf! Darum darf man am Sabbat Gutes tun.
In der Tora gebietet Gott selbst Hilfe für ein Tier des Feindes. Es darf kein Ansehen der Person geben. Das gilt an jedem Tag, ob Schabbat oder Wochentag.
Ex. 23,4 Wenn sich das Rind oder der Esel deines Feindes verirrt hat und du triffst sie an, so sollst du sie ihm wieder zuführen.
Für jeden Menschen und für jedes Vieh gilt die Schabbatruhe, weil sogar die Arbeit eines Tieres unterbrochen werden soll, damit es Ruhe und Erholung findet:
Ex.20, 10 Aber am siebenten Tage ist der Sabbat des Herrn, deines Gottes. Da sollst du keine Arbeit tun, auch nicht dein Sohn, deine Tochter, dein Knecht, deine Magd, dein Vieh, auch nicht dein Fremdling, der in deiner Stadt lebt. 11 Denn in sechs Tagen hat der Herr Himmel und Erde gemacht und das Meer und alles, was darinnen ist, und ruhte am siebenten Tage. Darum segnete der Herr den Sabbattag und heiligte ihn.
So, als fürsorglichen Gott oder auch als ehrfurchtgebietenden Gott, als Heiligen oder Richter, als Lehrer oder Erinnernder kann man IHN nur in der Tora kennen. Darum ist das Torastudium so wichtig. Dort lernt man Gott und Seinen Willen kennen. Gott verbindet sich durch die Tora und die darin enthaltenen Gebote mit Seinen Menschen und kommt ihnen nahe. Die Tora verbindet die Generationen und ruft Gottes Handeln mit Seinen Menschen in Erinnerung.
Gottesdienst, Gebet und Torastudium sind somit der Mittelpunkt jüdischen Lebens, weil man nur so den Willen Gottes kennen und tun kann, und nur so mit dem unendlichen Gott in Beziehung tritt. Tora und Talmud sind die Worte, in denen Gott sich offenbarte. Sein Wort ist auf der Erde unter den Menschen, sodass sie sich daran halten können. Und der gläubige Jude liebt es.
Dtn. 30,11 Dieses Gebot, auf das ich dich heute verpflichte, geht nicht über deine Kraft und ist nicht fern von dir. 12 Es ist nicht im Himmel, sodass du sagen müsstest: Wer steigt für uns in den Himmel hinauf, holt es herunter und verkündet es uns, damit wir es halten können? 13 Es ist auch nicht jenseits des Meeres, sodass du sagen müsstest: Wer fährt für uns über das Meer, holt es herüber und verkündet es uns, damit wir es halten können? 14 Nein, das Wort ist ganz nah bei dir, es ist in deinem Mund und in deinem Herzen, du kannst es halten.
Ps. 1,1 Wohl dem, der nicht wandelt im Rat der Gottlosen noch tritt auf den Weg der Sünder noch sitzt, wo die Spötter sitzen, 2 sondern hat Lust am Gesetz des Herrn und sinnt über seinem Gesetz Tag und Nacht!
Ps. 119,148 Ich wache auf, wenn’s noch Nacht ist, nachzusinnen über dein Wort.
Jos. 1,8 Und lass das Buch dieses Gesetzes nicht von deinem Munde kommen, sondern betrachte es Tag und Nacht, dass du hältst und tust in allen Dingen nach dem, was darin geschrieben steht. Dann wird es dir auf deinen Wegen gelingen und du wirst es recht ausrichten. 9 Siehe, ich habe dir geboten, dass du getrost und unverzagt seist. Lass dir nicht grauen und entsetze dich nicht; denn der Herr, dein Gott, ist mit dir in allem, was du tun wirst.
Die Gebote (Mizwot) hält der gläubige Jude, weil diese Gottes Willen widerspiegeln. Sie bilden eine Verbindung zu Gott, die das Wort beinhaltet: Mizwa צוה (z-w-a = zawa) bedeutet „Verbindung“. Somit sind sie keine Last und kein Weg der Selbsterlösung, sondern eine Liebestat. Zu solchen braucht es keine vernünftigen Gründe. Durch das Halten der Gebote verbindet sich der Jude als Heiliger mit der Heiligkeit Gottes.
Lev.19,2 Rede mit der ganzen Gemeinde der Israeliten und sprich zu ihnen: Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig, der Herr, euer Gott. 3 Ein jeder fürchte seine Mutter und seinen Vater. Haltet meine Feiertage; ich bin der Herr, euer Gott. 4 Ihr sollt euch nicht zu den Götzen wenden und sollt euch keine gegossenen Götter machen; ich bin der Herr, euer Gott.
Ex.19, 5 Werdet ihr nun meiner Stimme gehorchen und meinen Bund halten, so sollt ihr mein Eigentum sein vor allen Völkern; denn die ganze Erde ist mein. 6 Und ihr sollt mir ein Königreich von Priestern und ein heiliges Volk sein.
Jüdischer Glaube
Diesen möchte ich anhand der Gedanken Leo Baecks paraphrasieren[3].
Das Judentum ist eine Offenbarungsreligion. Diese alten Worte werden tradiert, aber aus ihnen sind weder Dogmen noch Glaubensgeheimnisse entstanden. Da es das Wesen Gottes ist, unerforschlich zu sein, können auch die Glaubensinhalte nicht ein für alle Mal festgelegt werden. Dagegen sind wichtiger als Wissen von Gott und festgelegte Lehren das Handeln am Nächsten. Das sind die „Prinzipien der Thora“ (S.45)
Da es keine Dogmen gibt, können Machtstrukturen diese auch nicht als Mittel verwenden. Stattdessen hat sich eine Religionsphilosophieentwickelt, die für „geistige Beweglichkeit und Frische“ (S.47) steht. Das Nachdenken über Gott hört also nicht auf und kann nicht fest-, sondern nur fortgeschrieben werden.
Gott offenbart sich und lässt sich verkünden durch Propheten. Doch die Suche nach Gott kann nur dort gelingen, wo sie den Nächsten findet. Nur hier erfährt der Glaubende Nähe zu Gott, wenn er die Nähe zum Menschen durch tätige Nächstenliebe ernst nimmt.
Die Botschaft der Propheten ist zeitlos. Sie sind Träger der Offenbarung, aber nicht Träger des Heils. Zu Gott kann jeder Mensch kommen. Gott gegenüber sind alle gleich. Und doch hat jeder Mensch seinen eigenen Weg zu Gott. Im Leben kann er sich nach jüdischem Glauben bewähren. Allen gelten Glaubens- und Gnadengaben. Die Propheten betonen für alle gleich die Verheißungen wie die Forderungen, sich dem Nebenmenschen zu öffnen, das Leben zu leben und nicht in den Rückzug zu gehen. (S.73-76)
Was die Tora offenbart, ist die Geschichte des Lebens, die Beziehung von Gut und Böse (111) und der Glaube an das Gute, an den Sinn. Da der Ursprung des Guten Gott ist, ist auch in diesem der Sinn zu finden. Dabei hat Gott das Gute dem Menschen übergeben, damit er es verwirkliche (Tikun). Darum spricht Baeck hier vom ethischen Monotheismus und vom sittlichen Optimismus (112/113). Durch diesen Optimismus resigniert das Judentum nicht gegenüber der Welt, sondern hegt den festen Willen zur Umwandlung und zur Durchsetzung des Guten in dieser Welt. Wie Israel ist das Judentum bereit für diesen Tikun zu kämpfen (geistlich und durch gute Taten), denn es weiß um die Zukunft durch und in Gott, es weiß um die andauernde Hoffnung durch das Vertrauen in Gott.
Die Bibel und die Propheten berichten von einer realen Welt der Dramen, in der Gott immer wieder erfahren wird. So ist der Optimismus zum Gebot geworden: („Ein großes Gebot, immer in Freude zu sein“ – „Mizwa gdola lihijot besimcha tamid“ – aus dem Chassidismus bzw. Ps 100,1) Die Bibel gibt das Wort von der Vergebung, der Versöhnung und Umkehr, denn es ist die Religion auf dem Weg. (114)
Der Glaube an das Gute bezieht sich auf mich selbst, auf den Menschen und die Menschheit, weil Gott alle diese Seelen geschaffen hat. Somit sind alle Menschen Kinder Gottes und jede Menschenseele trägt diesen guten Funken Gottes in sich. Das ist ausgedrückt im Gebot der Nächstenliebe, das das Gebot zur Selbstliebe einbezieht. (Lev.19,18) (115)
An den Menschen zu glauben bedarf des Glaubens an Gott. Nur daher kommen die Kraft und das Recht zu dieser Liebe. Dieser Glaube bedeutet jedoch gleichzeitig ein Gerufensein die Verantwortung für mich und den Nächsten und die Menschheit. Gott ruft den Menschen, das Gute zu tun und in der Welt zu verwirklichen. So kommt das Heil in die Welt. Das Leben ist selber ein Gebot. (116/117)
Reichhaltiger Glaube
Der Glaube an den Messias, der die endgültige Erlösung in die Welt bringt, kommt selbstverständlich aus dem Judentum. Dabei gab es zuvor schon zahlreiche „Messiasse“, denn in biblischer Zeit wurden die Priester für ihren Dienst im Heiligtum gesalbt sowie alle Gegenstände, die sie für die heiligen Kulthandlungen benötigten. (der Gesalbte Gottes, מָשִׁיחַ maschiach)
Später wurden Propheten und Könige für ihr Amt gesalbt. Die Könige sollten anstelle Gottes für das Volk Israel sorgen, weshalb sie gehalten waren, sich bei Amtsantritt eine Abschrift der Tora anfertigen zu lassen. Sie kannten somit den Willen Gottes, sodass sie Seine Gebote umsetzten konnten. Eigentlich waren sie so befähigt, Hirten für Gottes Volk zu sein, doch tadelte Er durch Seine Propheten oft die eigennützigen Könige.
Vorläufer des Messias, die punktuell Erlösung brachten, gab es wohl. In Jes. 45,1 heißt es: So hat ER gesprochen zu Cyrus, zu seinem Gesalbten (כֹּה אָמַר יְהוָה לִמְשִׁיחוֹ ko amar JHWH le’maschicho)
Cyrus war ein persischer König im 6. Jh. v.d.Z., der die Rückkehr Israels aus der Babylonischen Gefangenschaft ermöglichte. Damit wurde sogar ein Heide zum Messias, weil er die Erlösung aus dem Exil vorantrieb. Jesaja sagte diese Befreiung etwa 150 Jahre vorher voraus. Selbst der Name des von Gott Beauftragten wurde Jesaja offenbart. Unter denen, die als Messias genannt wurden, gab es einige Namen, doch der Name Jesu von Nazareth fehlt.
Da Könige nicht in der Lage waren, ein Reich des dauerhaften Friedens und der Gerechtigkeit zu erbauen, verheiß Gott einen Messias am Ende der Tage. In seiner Zeit werden alle Stämme Israels zurückgeführt in das Heilige Land und es wird den dritten Tempel geben. Hesekiel zeichnet in seinen Visionen ein Bild von diesem Haus Gottes, das über ganz neue Dimensionen verfügt als der zerstörte, zweite Tempel.
Jesaja gibt uns Einblick in das Friedenreich des Messias, der ein Nachkomme Isais und Davids sein wird. In seiner Vision ist dieser Nachfahre ein gerechter Herrscher, der in Wahrheit und Treue regiert und Gebeugte aufrichtet. Doch damit ist es nicht getan.
Jes. 11,6 Dann gastet der Wolf beim Lamm, der Pardel lagert beim Böcklein, Kalb und Jungleu mästen sich vereint, ein kleiner Knabe treibt sie einher, 7 Kuh und Bärin sind Weidegenossen, ihre Jungen lagern mitsammen, der Löwe frißt Stroh wie ein Rind. 8 Der Säugling erlustigt sich an der Höhle der Viper, nach dem Lichtloch der Kreuzotter patscht mit seiner Hand ein Entwöhntes. 9 Nicht übt man mehr Böses, nicht wirkt man Verderb auf all dem Berg meines Heiligtums, denn die Erde ist voll SEINER Erkenntnis, wie Wasser, die das Meerbett bedecken.
Die Erde wird total verändert sein, sodass der Friede weiterwirkt bis in die Tierwelt. Alle, Mensch und Tier, sind Veganer und ernähren sich von dem, was der Boden bereithält. Selbst der Löwe frisst Stroh! Solange sich diese Vision nicht erfüllt, ist der Messias noch nicht gekommen.
Wie es in Satz 12 des oben zitierten Jigdal-Liedes zu lesen ist, gehört es zur Gewissheit des Maimonides und jeden Juden, der das Lied und die Glaubensartikel zweimal täglich rezitiert, dass der Gesalbte kommt. Im Original lautet der 12. Artikel bei Maimonides wie folgt:
12. Ich glaube in ganzem Glauben, dass der Messias kommt, und ungeachtet seines langen Ausbleibens erwarte ich täglich seine Ankunft.
Am Schluss eines jeden Tischgebets nach dem Essen (Birkat Hamason = Segnung der Speise) beten wir darum, die messianische Zeit erreichen zu dürfen.
„Der Barmherzige gewähre uns das Privileg, die Tage des Maschiach zu erreichen und das Leben in der künftigen Welt. Er gibt große Befreiung Seinem König, und Gnade schenkt Er Seinem Gesalbten David und seinen Nachkommen für immer. Der Frieden macht in Seinen Himmeln, Er macht Frieden für uns und für ganz Israel und sagt: Amen.“
Laut jüdischer Tradition arbeitet ein jeder mit an der Erlösung und an der Ankunft des Messias, denn jeder Mensch hat die Aufgabe, die Welt gemäß seiner Fähigkeiten besser zu machen.
Zu unserem Glauben gehört der Glaube an Engel, wie an des Engel des Herrn, der Mose im brennenden Dornbusch erschien. Engel kündigen die Geburt eines Kindes an wie bei Sara (Gen. 17,19ff) oder der Mutter des Schimschon (Ri.13). Engel streiten für uns und beschützen uns, wie wir es bei Daniel in der Löwengrube und bei seinen Freunden im Feuerofen miterleben.
Ps. 91,11 Denn seine Boten befiehlt er dir zu, dich zu hüten auf all deinen Wegen, 12 auf den Händen tragen sie dich, an einen Stein könnte sonst stoßen dein Fuß.
Diese Engel erscheinen als Boten Gottes, als Männer, die nicht sofort als Engel zu erkennen sind. Ihr Abgang ist oft auffällig. Zurecht heißt es in dem Gedicht von Rudolf Otto Wiemer: Es müssen nicht Männer mit Flügeln sein, die Engel.
Ähnlich wie die Engel kommt Elijah, um Menschen in Not zu helfen. Er kann Armen Festspeisen bringen oder für einen Kranken Holz zum Heizen hacken. Selbst zu Rabbi Akiba soll er gekommen sein, als die Tochter eines Reichen ihn heiratete:
Die Tochter von Kalba Shebu’a verlobte sich mit R. Akiba. Als ihr Vater davon hörte, schwor er, dass sie von nicht von seinem Besitz profitieren sollte. Dann ging sie und heiratete ihn im Winter. Sie schliefen auf Stroh, und er musste das Stroh aus seinen Haaren heraussuchen. „Wenn ich es mir nur leisten könnte“, sagte er zu ihr, „würde ich dir ein goldenes Jerusalem schenken.“ [Später] kam Elia in Gestalt eines Sterblichen zu ihnen und schrie vor der Tür. ‚Gebt mir etwas Stroh, denn meine Frau ist in Haft und ich habe nichts zum Liegen für sie.‘ Siehe!‘ R. Akiba sagte zu seiner Frau: ‚Es gibt einen Mann, dem sogar Stroh fehlt‘.
Babylonischer Talmud Nedarim 50a
Dergestalt gibt es zahllose Geschichten über ihn, der mit einem feurigen Wagen in den Himmel fuhr und nicht starb. So sehnen wir an jedem Pessachfest sein Erscheinen herbei, denn er ist der Vorbote des Messias und unserer Erlösung.
Ebenso wichtig ist der Glaube an ein Leben nach dem Tod und an die Auferweckung.
Hos. 6 1 Kommt, wir kehren zum Herrn zurück! Denn er hat (Wunden) gerissen, er wird uns auch heilen; er hat verwundet, er wird auch verbinden. 2 Nach zwei Tagen gibt er uns das Leben zurück, am dritten Tag richtet er uns wieder auf und wir leben vor seinem Angesicht. 3 Lasst uns streben nach Erkenntnis, nach der Erkenntnis des Herrn. Er kommt so sicher wie das Morgenrot; er kommt zu uns wie der Regen, wie der Frühjahrsregen, der die Erde tränkt.
Es gibt ein Leben nach diesem Leben, denn wir sind eine ewige Seele in einem vergänglichen Körper. Die ewige Seele inkarniert in unserem Körper, in dem sie für eine befristete Zeit lebt. Dann geht sie zurück zum Vater. So gibt es bei jedem Menschen eine Präexistenz, denn wir alle sind diese ewige Seele, die nur darum ewig ist, weil sie schon vor ihrer Inkarnation lebte.
Erinnere dich daran, dass du nicht dein Körper bist. Du bist auch nicht das Tier, das in deinem
Dr. Yuval Lapide, Das Herz der Kabbala, O. W. Barth Verlag
Körper herumspringt und ständig seine Wünsche erfüllt haben will.
Du bist eine göttliche Seele, die deinen Körper bewohnt. Deine göttliche Seele kommt aus
einer unvergänglichen Heimat und hat mit deinem Körper einen befristeten „Mietvertrag“
geschlossen – nicht mehr und nicht weniger.
Verwechsle daher nicht das Leid und den Kampf deines vergänglichen Körpers mit der
Freude und Reinheit deiner göttlichen Seele.
Jeden Abend befehlen wir uns Gott an und übergeben ihm unsere Seele für die Nacht, in dem Bewusstsein, dass der Schlaf der „kleine Bruder des Todes“ ist. Morgens danken wir Gott, dass ER uns unsere Seele zurückgegeben hat. Direkt nach dem Aufstehen beten wir:
„Ich danke Dir, König, Lebender und immer Bestehender, dass Du mir in Barmherzigkeit meine Seele wiedergegeben hast, groß ist Deine Treue.“
Im Laufe des Morgengebets heißt es:
„Mein Gott! Die Seele, die du mir rein gegeben, du hast sie geschaffen, du hast sie gebildet, du hast sie mir eingehaucht, und du hütest sie in mir, du wirst sie einst von mir nehmen und sie mir wiedergeben in der zukünftigen Welt. So lange die Seele in nur ist, danke ich dir, Ewiger, mein Gott und Gott meiner Väter, Meister aller Werke, Herr aller Seelen. Gelobt seist du, Ewiger, der die Seelen zurückgibt den toten Leibern.“
Im Schmone Esre, dem 18-Bitten-Gebet, wird dreimal am Tag Gott gedankt, dass ER die Toten wiederbelebt.
„Du ernährst die Lebenden mit Gnade, belebst die Toten in großem Erbarmen, …“
„Und treu bist du, die Toten wieder zu beleben. Gelobt seist du, Ewiger, der du die Toten wieder belebst!“ מְחַיֵּה הַמֵּתִים mechaije ha’metim
Wenn wir sterben, reinigt der Vater die Seele von allen Flecken, die sie während des Erdenlebens verunreinigt haben. ER tut das in der Liebe, mit der ER uns während unserer Zeit auf Erden liebte. So erleichtert von der irdischen Last kann die Seele aufsteigen zu Gott. Mit dem Beten des Kaddischs durch einen männlichen Angehörigen wird die Seele dabei unterstützt.
Am Tag der Jahrzeit, also am Todestag, geht man zum Grab des Angehörigen oder zum Grab eines großen Rabbiners oder eines Zaddik (Gerechten), denn wir können Gott bitten, uns teilhaben zu lassen an dem Segen des Verstorbenen, den er für die noch Lebenden erwirkte.
Kaddisch
Erhoben und geheiligt werde sein großer Name
auf der Welt, die nach seinem Willen von Ihm erschaffen wurde – sein Reich soll in eurem Leben in den eurigen Tagen und im Leben des ganzen Hauses Israel schnell und in nächster Zeit erstehen.
Und wir sprechen: Amen!
Sein großer Name sei gepriesen in Ewigkeit und Ewigkeit der Ewigkeiten.
Gepriesen sei und gerühmt, verherrlicht, erhoben, erhöht, gefeiert, hocherhoben und gepriesen sei Name des Heiligen, gelobt sei er, hoch über jedem Lob und Gesang, Verherrlichung und Trostverheißung, die je in der Welt gesprochen wurde, sprechet Amen!
Fülle des Friedens und Leben möge vom Himmel herab uns und ganz Israel zuteil werden,
sprechet Amen.
Der Frieden stiftet in seinen Himmelshöhen, stifte Frieden unter uns und ganz Israel,
sprechet Amen.
[1] Leo Baeck, Das Wesen des Judentums, Gütersloher Verlagshaus 2006
[2] Ebd.
[3] Ebd.