14. Adar, 10.März 2020
Inhalt
- Ein mächtiger machtloser König
- Perversion des Judenhasses
- Tu den ersten Schritt im Vertrauen
- Fall niemals mit der Tür ins Haus!
- Wozu Schlaflosigkeit gut ist
- Für Haman ein Schrecken ohne Ende
- Eine Aufforderung für heute
Schon einmal gab es den Plan für einen Genozid am jüdischen Volk, den Gott abwendete. Parallelen zwischen Persien im 5. Jh. v.d.Z. und dem letzten Genozid an Juden im Europa des letzten Jahrhunderts sind erstaunlich.
Nicht minder erstaunlich ist, wie Gott im Verborgenen wirkt, selbst da, wo ER nicht genannt wird.
Die Grundlage des Purimfestes steht im Buch Ester. In Form einer Schriftrolle, Megillat Esther, wird dieses Buch im Synagogengottesdienst gelesen. Und es ist eine Mizwa, eine Segen verbreitende gute Tat, wenn man diese Lesung hören kann.
Worum es in diesem Buch geht:
Ein mächtiger machtloser König
Es geht um König Ahashveros, den König des persischen Großreichs, in dem durch das babylonische Exil zahlreiche Juden lebten. In Ausschweifung feierte er sein Amtsjubiläum so ungezügelt, dass er sogar unwürdige Ansinnen an seine Gattin Waschti richtete. Da sie sich ihrer Würde bewusst war, verweigerte sie ihm sein Anliegen und mied seine Feier.
Der so mächtige König hörte anschließend auf seine egoistischen Ratgeber, die Angst vor dem Selbstbewusstsein ihrer Ehefrauen hatten, sodass er seine eigene Frau verstieß. Ob er sie wirklich tötete, ist in der rabbinischen Tradition nicht eindeutig.
Die Waise Hadassa wurde zu Königin Ester, weil der König eine neue Frau suchte. Zu spät trauerte er um die Verstoßene. Er wusste nicht, dass Ester Jüdin war. Mordechai hatte ihr verboten, darüber zu sprechen. Wahrscheinlich war die gesamte Atmosphäre für Juden nicht sehr freundlich, nachdem vorherige Herrscher wie König Cyrus sehr judenfreundlich waren.
Perversion des Judenhasses
Ihr Onkel Mordechai rettete den König vor einem Mordanschlag.
Als gläubiger Jude verbeugte er sich jedoch nicht vor dem Minister Haman. Daraufhin wollte der alle Juden des Reiches töten lassen. Er plante einen Genozid, der vergleichbar ist mit dem Adolf Hitlers. Und er gewann dafür sogar den König, der diesen Plan mit seinem Siegelring unterzeichnete.
Ohne Nachfrage? Ohne Prüfung des Anlasses? Ist das das Kennzeichen eines mächtigen Königs, der nur das tut, was Ratgeber und Minister ihm sagen?!
Und auch die Ambitionen des Vernichtungswahns ist vergleichbar: Verletzter Stolz durch einen Juden soll zur Auslöschung des ganzen Volkes führen! Welch eine Perversion!
Est.3,8: Die Juden sind anders als die anderen Völker. Ihre Gesetze sind anders. Wir können sie nicht einfach gewähren lassen.
Anders – ist das auch gleichbedeutend mit schlechter oder bedrohlich? Gott rief sein Volk auf, anders zu sein, damit es so zum Licht für die Völker würde. Unter Hitler war es sogar bereits so, dass die Gebote der Tora Bestandteil der deutschen Rechtsprechung waren, denn die Ethik der Tora war im Christentum längst übernommen worden, leider ohne diesen Tatbestand wirklich zu betonen. Ein Versagen der Kirchen, die sich von ihren jüdischen Wurzeln abschnitten.
Jüdische Mäzene hatten mittlerweile deutsche Großstädte geprägt sowie Kultur, Medizin und Forschung vorangebracht. Doch das sollte ihnen nicht gedankt werden.
Est.3,9: Ich werde großen Reichtum in die königliche Schatzkammer bringen.
Die Juden sind anders, aber vor ihrem Geld fürchten wir uns nicht. Die geistigen Schätze lehnen wir ab, aber die materiellen nutzen wir gerne. Wie viel jüdisches Eigentum wird heute noch aufgefunden, dass Juden unrechtmäßig entwendet wurde. Sogar die Schweizer Banken sind mit diesen „Aufräumarbeiten“ der historischen Schuld noch nicht fertig!
Und überall wurden Menschen hineingezogen in diesen Völkermord, im Kleinen und im Großen! Sie mussten die Briefe schreiben, verteilen, usw.
Wo waren die Mit-Menschen, die ihre jüdischen Nachbarn schützten, für sie aufstanden? Wurden sie alle zu Mitläufern?
Est.3,15: Der König und Haman setzten sich zum Trank, die Stadt Schuschan aber war bestürzt.
Die Stadt Schuschan war also bestürzt, während Haman und der König auf ihren Plan anstießen und sich feierten.
Bestürzung! Auch heute ein häufig benutztes Wort. Wer mag es noch hören?! Bestürzung reicht nicht aus! Bestürzung verhindert keinen Terror, nur Widerstand und eine deutliche Meinung, die auch die Grenzen der Meinungsfreiheit kennt und bewahrt.
Tu den ersten Schritt im Vertrauen
Ester erfährt von dem Vernichtungsplan durch ihren Onkel. Er sieht in ihrer Stellung als Königin einen Plan Gottes – auch wenn Sein Name kein einzige Mal im gesamten Buch erwähnt wird. Aber wir lesen, dass die Juden in den Provinzen fasten. Damit nähern sie sich in bußbereiter Absicht ihrem Schöpfer. Haben sie durch diese Gefahr eingesehen, dass sie sich zu sehr in die fremde Kultur und Religion eingelebt hatten, dass sie nicht mehr „anders“ genug waren, eher assimiliert?!
Ester gerät in große Not, als Mordechai sie um ihr Eingreifen beim König ersucht. Sie durfte schon seit geraumer Zeit den König nicht mehr sehen, denn er hatte sie nicht rufen lassen. Als Diktator seiner Zeit richtete er über Leben und Tod so, wie es ihm in seiner Laune gefiel. Wie bei Waschti. Sogar wer den König ungerufen aufsuchte, spielte mit seinem Leben.
Mordechais Worte jedoch sind klar: Est.4,13+14 Gedenke nicht, daß du dein Leben errettest, weil du im Hause des Königs bist, vor allen Juden; denn wo du wirst zu dieser Zeit schweigen, so wird eine Hilfe und Errettung von einem andern Ort her den Juden entstehen, und du und deines Vaters Haus werdet umkommen. Und wer weiß, ob du nicht um dieser Zeit willen zur königlichen Würde gekommen bist?
Ester ruft ein dreitägiges Fasten aus, nachdem dieser Hinweis ein sehr deutlicher war. Sie spürt wie alle Juden, dass es ohne Besinnung und Umkehr keinen Sinn hat, eigene Wege zu gehen.
Hinter einem jeden Leben steht jemand, der die Fäden in der Hand hat. Was mit mir geschieht, ist nicht sinnlos. Es ist nur wichtig, dass ich mich nicht widersetze an dem Platz, an den Gott mich gestellt hat. Noch erkenne ich vielleicht nicht die göttliche Hand, aber sie ist da! Im Verborgenen!
Drei Tage des Fastens! Drei steht immer für Veränderung, Transformation.
Fall niemals mit der Tür ins Haus!
Nach drei Tagen geht Ester zum König – und er ist erfreut, sie zu sehen! Vor lauter unfähigen Beratern und miesen Plänen vergaß er wohl seine Lieblingsfrau?!
Ester ist klug. Sie wirft ihm nicht sofort ihr Anliegen vor die Füße. Sie weiß, dass es sich besser Einfluss nehmen lässt bei einem großen Gelage. Darum lädt sie den König in ihren Palast ein, zusammen mit Haman! Und das macht sie zweimal. Auch der Feind Haman soll sich erst einmal in Sicherheit wiegen. Gleichzeitig schafft Ester eine Spannung bei den Männern gegenüber dem noch Unausgesprochenen.
Und Haman fühlt sich sicher, denn er prahlt nun mit der Gunst, welche Ester ihm durch die Einladung hatte zuteil werden lassen. Er erzählt es nicht nur seiner Frau, sondern auch seinen Freunden! Er posaunt seinen Stolz hinaus in die Welt und fühlt sich gebauchpinselt.
Er gaukelt sich so sehr Sicherheit und Ansehen vor, dass er auf die hasserfüllten Vorschläge seiner Frau und seiner Freunde hört: Für Mordechai lässt er in seinem eignen Garten einen hohen Galgen errichten. Der, durch den er sich so gedemütigt fühlte, soll hängen, sichtbar für alle! Wie gut ihn doch die Seinen verstehen. Er selbst war viel zu dumm, um diesen Plan auszubrüten. Wie Hitler, der die Gaskammer nicht erfand, aber umso überzeugter nutzen ließ.
Wozu Schlaflosigkeit gut ist
Gott zieht weiter die Fäden im Verborgenen. Nachdem Ester den Schritt des Vertrauens mutig und klug gegangen war, wendet nun Gott selbst das Blatt. Und das durch Schlaflosigkeit!
Ahashveros kann nicht schlafen und lässt sich die königlichen Analen vorlesen. Er erinnert sich somit an die Rettung vor dem Mordanschlag und erkennt, dass er seinem Retter noch nicht gedankt hat.
Ebenso wenig kann Haman schlafen. Er wird von den bösen Plänen, von seinem Hass und seinen Racheplänen so getrieben, dass er übermütig wird und zu störender Zeit den König aufsucht. Völlig respektlos! Wollte er den König notfalls wirklich wecken lassen?
Aber der König hört den Ankommenden und bittet ihn in seiner eigenen Erregung um Rat: Est.6,6 Was soll man dem Mann tun, den der König gerne wollte ehren?
Wen sollte der König ehren wollen außer ihm, dem Erfinder großer Pläne zur Bereicherung der königlichen Schatzkammer?! Außer ihm, der sogar bei der Königin allein mit dem König zu Gast war und morgen wieder sein wird?! Er ist der gemachte Mann! Also möge der König diesen Mann in königliche Gewänder kleiden, ihm königliche Insignien geben und ihm mit lauten Lobrufen auf einem königlichen Pferd durch die Stadt führen lassen.
Est.6,10 Der König sprach zu Haman: Eile und nimm das Kleid und Roß, wie du gesagt hast, und tu also mit Mordechai, dem Juden, der vor dem Tor des Königs sitzt; und laß nichts fehlen an allem, was du geredet hast!
Der Schock sitzt! Wie will er nun noch diesen Juden an seinen Galgen hängen? Welche Schmach, dieses Amt selber durchführen zu müssen mit seinem ärgsten Feind!
Warum denkt er jetzt nicht nach? Wodurch ist Mordechai sein Feind? Was hat er ihm Böses getan? Womit ihn bedroht? Haman ist nicht fähig zur Selbstreflexion, denn sein Stolz ist größer als sein Bedürfnis nach Wahrheit und Frieden. Selbstreflexion ist ein Fremdwort für alle Despoten, heißen sie Haman, Hitler oder Hamas! Das müssen wir verstehen und Gott um Sein Eingreifen bitten.
Hamans bösartige Frau Serasch versteht sehr gut, dass sich das Blatt wendet und dass es nicht gut aussieht für ihren Mann. Est.6,13: Ist Mordechai vom Geschlecht der Juden, vor dem du zu fallen angehoben hast, so vermagst du nichts an ihm, sondern du wirst vor ihm fallen.
In ihr reift eine wahre Erkenntnis: Wenn du dich mit Juden anlegst, wirst du verlieren, denn für sein Volk kämpft Gott. Jetzt ist es offensichtlich.
Für Haman ein Schrecken ohne Ende
Die zweite Einladung bei Königin Ester. Der König ist glücklich. Haman ist glücklich. Der König ist auch dieses Mal wieder so überwältigt von seiner Frau, dass er ihr jeden Wunsch erfüllen möchte. Doch jetzt spricht sie nicht einfach eine dritte Einladung aus. Jetzt wird Tacheles gesprochen.
Ester offenbart die Pläne gegen ihr Volk, gegen das jüdische Volk. Mägde und Knechte zu sein, das wäre nicht das Problem, aber abgeschlachtet zu werden! Dagegen möge der König für sie und ihr Volk aufstehen. Der ist wohl etwas begriffsstutzig, denn er fragt, wer denn solches gegen sie und ihr Volk plane. Hat er vergessen, welche Dekrete er unterschrieben und damit mit seinem Namen gebilligt hat?
Est.7,6: Es ist der böse Haman.
Kein Entrinnen für den Drahtzieher der Verleumdung und der Vernichtungspläne an unschuldigen Menschen, deren einziges „Vergehen“ es war, dass sie Juden waren. Kommt uns das bekannt vor? Haman kann nun niemanden mehr für sich gnädig stimmen, der Ungnädige ist in Ungnade gefallen und wird mit seinen Söhnen an dem höchsten Galgen hängen, nämlich an dem, den er selbst errichtete.
Nun wird der Jude Mordechai Minister an Hamans statt mitsamt königlichem Siegelring. Er und seine Nichte Ester dürfen das Haus Hamans beziehen, sodass sie wieder nach ihren jüdischen Regeln leben können. Jetzt ist Judesein keine Schande mehr, sondern ein Grund zum Stolz. Sie sind anders, aber Gott hat sie so gemacht und gezeigt, dass ER sein Volk nicht allein lässt, dass Sein Arm nicht zu kurz ist um zu retten!
Der Tag der geplanten Vernichtung wurde durch das Los = Pur gezogen. An diesem Tag nun dürfen sich die Juden in allen Provinzen bewaffnen und verteidigen, weil ein vom König gesiegeltes Schriftstück nicht zurücknehmbar ist. Wieder ist es erstaunlich, wie machtlos dieser König ist! Er hat dem falschen Mann vertraut, dem falschen Mann die Macht übergeben – welche Parallele zur deutschen Geschichte! – und er ist nicht in der Lage, diesen Fehler rückgängig zu machen! Oder nicht willens?
Wie dem auch sei, Mordechai und Ester dürfen nun unter dem Siegel des Königs die Veränderung des Edikts herausgeben. Das jüdische Volk ist gerettet. Es gibt nur geringe Versuche der Nichtjuden, Juden zu töten, gegen die sich die Angegriffenen wehren.
Wo waren also all die Antisemiten? Plötzlich gibt es nur noch Minderheiten, die sich offen gegen die Juden in ihrem Land und in ihrer Nachbarschaft stellen. Das gibt uns heute viel Anlass zum Nachdenken, denn Gleichgültigkeit ist das Gegenteil von Liebe.
Eine Aufforderung für heute
Unsere Welt ist so chaotisch, dass Gott darin nicht mehr sichtbar ist. ABER Er ist da und Er spricht uns an. Was wir erleben an menschlicher Kälte, an Terror, an Naturkatastrophen oder Seuchen sind keine Strafen Gottes, sondern eine Konsequenz menschlicher Existenz in der Schöpfung Gottes, die den Schöpfer vergisst.
Der Jude Paulus machte schon die Abhängigkeit der Schöpfung von den Kindern Gottes deutlich:
Rö.8,19 Denn das ängstliche Harren der Kreatur wartet auf die Offenbarung der Kinder Gottes.
Wollen wir also Veränderung in dieser Welt und Heilung, besinnen wir uns auf Gott wie Königin Ester und das jüdische Volk durch das Fasten. Gott ist offen für Umkehr! Außerdem befindet sich die christliche Welt derzeit doch in einer Fastenzeit. Eine gute Gelegenheit, die genutzt werden kann.
»Ich habe immer daran geglaubt, daß das Gegenteil von Liebe nicht Haß ist, sondern Gleichgültigkeit. Das Gegenteil von Glaube ist nicht Überheblichkeit, sondern Gleichgültigkeit. Das Gegenteil von Hoffnung ist nicht Verzweiflung, es ist Gleichgültigkeit. Gleichgültigkeit ist nicht der Anfang eines Prozesses, es ist das Ende eines Prozesses.«
– Erinnerung als Gegenwart. Elie Wiesel in Loccum [Mai 1986]. Loccumer Protokolle 25/[19]86, S. 157
Wenn dir mein Beitrag gefällt oder du einfach jüdisches Leben in Deutschland unterstützen möchtest, lege ich dir die Chabad-Gemeinde in Karlsruhe ans Herz. Bitte spende für sie, damit immer mehr Juden zurückfinden in ihr Judentum und eine Heimat in dieser Gemeinde finden.
https://www.synagoge-karlsruhe.de/templates/articlecco_cdo/aid/445141/jewish/ber-uns.htm