Predigttext vorgeschlagen für Sonntag, d. 12.09.2021
Lk. 17,5 UND die Apostel sagten zum Herrn: Mehre uns den Glauben! 6 Der Herr aber sprach: Wenn ihr Glauben hättet (auch nur so groß) wie ein Senfkorn, so würdet ihr zu diesem Maulbeerfeigenbaum sagen: Entwurzle dich und pflanze dich ins Meer, und er würde euch gehorchen.
Die Jünger wünschen sich mehr Glauben, was in ihrer Zeit kein Wunder ist. Sie alle warten auf Rettung, auf Befreiung von der Zwangsherrschaft der Römer. Sie alle leiden unter der Zerrissenheit ihres Volkes, indem es keinen einheitlichen Umgang mit der Besatzungsmacht gibt und keine zuverlässigen Empfehlungen. Die Sadduzäer wollen aus Rücksicht auf ihre Ämter und auf ihren Tempelkult mit den Römern kollaborieren. Die Zeloten und Sikarier fechten unterschiedlich harte Kämpfe mit den Feinden aus. Die Essener erwarten Hilfe, wenn sie ihr asketisches Leben nur in Reinheit führen, häufige Waschungen durchführen und sich in ihrem polaren Denken für das Licht entscheiden. Die Pharisäer beschäftigen sich mit der Tora und wollen durch ihre Auslegung den Willen Gottes erkennen und tun, sodass Gott bald den Maschiach als ihren Retter schicken möge. Überhaupt will jeder – außer die Sadduzäer – durch sein Tun das Kommen des Maschiach beschleunigen. Doch dafür braucht es einen ausdauernden Glauben an Gott.
Das Verb glauben oder vertrauen heißt auf Hebräisch לְהַאֲמִין leha’amin und der Glaube oder das Vertrauen אֱמוּנָה emuna. Es bedeutet laut Jesaja ein sich Festmachen in Gott.
Jes. 7,9 אִם לֹא תַאֲמִינוּ כִּי לֹא תֵאָמֵנוּ = im lo ta’aminu ki lo te’amnu = Festigt ihr euch nicht in Gott, so bleibt ihr nicht gefestigt.
Der erste Mann, der Schwierigkeiten mit dem Glauben hatte, war Mosche am brennenden Dornbusch. Dort gibt Gott Mosche Zeichen, dass z.B. sein Stab zur Schlange und dann wieder zum Stab wird oder seine Hand von Aussatz weiß und ebenso wieder heil wird. Doch Mosche fürchtet sich vor seiner Berufung und handelt mit Gott fast zwei Kapitel lang. Sein Zweifel bezieht sich darauf, dass ihm die Hebräer ohnehin nicht glauben würden.
Ihre Situation ist vergleichbar mit derjenigen der Jünger, denn seit 400 Jahren leben sie als Sklaven in Ägypten. Sie schreien zu Gott, einige passen sich auch an, um sich das Leben etwas zu erleichtern. Was bringt das Schreien zu Gott, das Hoffen auf Befreiung bei der Härte der Ägypter und bei ihren zahlreichen Spitzeln? Man muss sich sein Leben einrichten, um zu überleben. Wie sollten sie in dieser Situation auf jemanden hören, dem Gott erschienen war? Das war absurd! Sollte dieser Mensch in ihnen neue Hoffnungen wecken, die sich dann doch nur zerschlugen und den Zorn der Ägypter mehrten?
Aber Gott hatte gehört, hatte Erbarmen und berief Mosche, die Kinder Israel aus Ägypten zu führen. Nach dem langen Ringen wird Gott resolut:
Ex. 4,14 SEIN Zorn entflammte wider Mosche, er sprach: Ist da nicht Aharon, dein Bruder, der Levit – ich weiß, daß er beredt reden wird, und da zieht er schon dir entgegen, sieht er dich, wird er in seinem Herzen sich freuen. 15 Rede zu ihm, lege die Rede in seinen Mund! Ich selber werde da sein bei deinem Mund und bei seinem Mund und euch weisen, was ihr tun sollt. 16 Er also rede für dich zum Volk, und so sei‘s: er, er sei dir zu einem Mund und du, du seist ihm zu einem Gott.
Doch gibt Gott Mosche seinen Bruder Aharon an die Seite. Er braucht die Last der Überzeugungsarbeit vor den Hebräern und vor dem Pharao nicht allein zu tragen. Mosche wird dabei der erste Gesprächspartner Gottes, und die empfangene Botschaft hat er seinem Bruder weiterzugeben. Damit wird Mosche für Aharon zu Gott und so wird Mosche gestärkt. Nach dem Auszug sagt Gott zu ihm:
Ex. 19,9 ER sprach zu Mosche: Da, ich komme zu dir in der Dichte des Gewölks, um des willen, daß höre das Volk, wann ich mit dir rede, und auch dir sie vertrauen auf Weltzeit.
Gott will, dass das Volk AN MOSCHE GLAUBT! Solches Vertrauen ist wichtig, denn es ist bereit, Gottes Wort anzunehmen und darum Gott zu vertrauen. Bis heute heißt es in den die dreizehn Glaubensartikeln des Maimonides:
- VII. Ich glaube in ganzem Glauben, dass die Kündung unseres Lehrers Moses, Friede ihm, die Wahrheit und dass er von allen Propheten, früheren wie späteren, der Vater war.
- VIII. Ich glaube in ganzem Glauben, dass diese Tora, wie wir sie jetzt besitzen, die gleiche ist, die unserem Lehrer Moses übergeben wurde.
- IX. Ich glaube in ganzem Glauben, dass diese Tora unverwechselbar ist und dass es nie eine andere Lehre vom Schöpfer her, gelobt sei sein Name, geben wird.
Was Gott in den Geboten fordert, ist ebenfalls ein Vertrauen auf IHN und auf den Bund, den ER mit Israel schließt, auch wenn es dort nicht so genannt wird. Ein Bundesschluss ist ein Vertrag zwischen zwei Vertrags- oder Bündnispartnern, der auf zuverlässigen Erfahrungen, die man vorher miteinander gemacht hat, beruht. So hatte Israel die starke Hand Gottes erfahren, mit der ER es aus Ägypten befreit hatte. Sie brauchen in der Hinsicht keinen Glauben, da sie Gott erlebt hatten. Die Israeliten schließen diesen Bund, weil sie der Verlässlichkeit Gottes vertrauen. Sie wissen, mit wem sie es zu tun haben. Dieser Gott ist nicht launenhaft und wankelmütig wie die Götter Ägyptens. Gott steht zu Seinem Wort und ER fordert von ihnen nicht einen abstrakten Glauben, sondern konkretes Tun, mit dem sie ihre Liebe zu Gott und ihr Vertrauen auf Gott bezeugen.
Vor der Bitte der Jünger hatte Jesus ihnen Taten des Vertrauens und der Liebe vorgelegt. Er forderte sie auf, den Mitmenschen keine Fallstricke zu legen, auf sich selbst zu achten, was sie anhand der Tora tun konnten. Er hielt sie an, für ihre Mitmenschen da zu sein und sie zu ermahnen, wenn sie sich verrennen würden. Die Jünger sind aufgerufen zu vergeben, und zwar ausdauernd!
Dann tragen sie Jesus ihre Bitte um mehr Glauben vor. Geht Jesus ausreichend auf ihr bedeutendes Anliegen ein? Er sagt nur einen Satz: Ihr braucht nur Glauben in der Größe eines Senfkorns! Haben sie den etwa nicht? Was ist überhaupt großer oder kleiner Glaube? Jesus will ihnen in seiner kurzen Antwort sagen, dass es auf die Größe oder die Menge des Glaubens nicht ankommt. Seine folgende Äußerung wirkt kurios: Dieser Maulbeerfeigenbaum ließe sich mit einem so kleinen Glauben ins Meer verpflanzen!
Das ergibt keinen Sinn, den ein Wunder, wie Jesus es wirkte, hatte immer Lebensbezug! Ein Maulbeerfeigenbaum im Meer stirbt, weil er dort keinen Halt für seine Wurzeln findet und die Wellen ihn hin- und hertreiben können. Selbst wenn er sich einpflanzte und Halt fände, ist es dann noch ein Maulbeerfeigenbaum? Was bewirkt also dieser Glaube? Entwurzelung? Eine Strafe, die an Jesu Wort erinnert, findet sich in
Ps. 78,47 mit dem Hagel würgte er ihre Rebe, ihre Maulbeerfeigen mit dem Wasserflut
Keine Frage, dass Gott solches tun kann, sogar als Wunder, weil ER der Schöpfer ist und all Seinen Werken ihre Bestimmung gibt. Gott spaltete sogar das Meer, was Ps. 78 in seiner Länge näher ausführt, und verpflanzt Bäume wie in Ps. 1. Aber welchen Gewinn hat die Wirkung eines solchen Glaubens für Jesu Nachfolger?
Mir scheint, dass Jesus die Jünger mit dieser Antwort zurechtweist und ihnen ihre Kleinheit und Unfähigkeit vor Augen führt. Sie können ja nicht einmal den mondsüchtigen Jungen heilen (Mt. 17), was sollen sie dann mit einem Maulbeerfeigenbaum im Meer? Ihr Glaube genügt, wenn sie sich an das halten, was die Nächstenliebe von ihnen fordert.
Für das Leben in diesem Land und in diesen Unruhen braucht es kein Mehr an Glauben, sondern einen handfesten Glauben mit handfesten Ergebnissen, der sich im Tun zeigt. Da braucht es Heilungen, damit die Ärmsten der Armen wieder für sich sorgen können. Da braucht es Befreiungen aus inneren und äußeren Gefängnissen, um wieder das Ansehen der Gesellschaft zu haben. Da braucht es Nahrung und Zuwendung, denn aus der bestehen im Wesentlichen auch Jesu Heilungen. Dazu braucht es eine auf Gott ausgerichtete Gebetspraxis, Ausdauer und Hoffnung.
Die Antwort Jesu lässt den Hörer unbefriedigt und verwirrt zurück, da erzählt Jesus auch schon das nächste Gleichnis, das erneut vom Tun handelt. Ein Knecht muss seine Arbeit tun, weil er eben kein Herr ist. Ein jeder hat die Gebote Gottes zu tun, ohne Dank zu erwarten. Das könnte die eigentliche Antwort auf die Bitte der Jünger sein. Rechne nicht damit, wenn du deine Aufgabe als Knecht Gottes, als עֶבֶד יְהוָה ewed Adonai, erfüllt hast, dass es irgendwelche wunderbaren Folgen zeitigt, wie du sie von einem großen Glauben erwartest. Knecht Gottes ist Ehrentitel genug, denn das war auch unser Lehrer Mosche.
Allein im Lukasevangelium findet sich das Wort „tut“ 15-mal. Und Jesus fragt dort auch sehr provokant:
Luk 6,46 Was heißet ihr mich aber „Herr, Herr“ und tut nicht, was ich sage?
Will man Jesus dagegen besonders nahe sein, so gilt:
Mt. 12,50 Denn wer den Willen tut meines Vaters im Himmel, der ist mir Bruder, Schwester und Mutter!
Der Glaube an Gott wächst, wenn wir uns an IHM fest machen
Ps. 37,3 Sei gesichert an IHM und tue gut, wohne im Land und weide in Vertrauen,
Im Gebet, im Bekennen und im Tun des Willens Gottes wächst unser Vertrauen in IHN.