Predigttext empfohlen für So, d. 24. Sept. 2023
Hebr. 10,35 Werft nun eure Zuversicht nicht weg. Sie bringt großen Lohn mit sich. 36 Was ihr nötig habt, ist Standhaftigkeit, damit ihr den Willen Gottes tut und so das, was Gott versprochen hat, erhalten könnt. 37 „Es dauert nur noch eine kleine Weile, bis der Kommende kommt. Er wird nicht zögern. 38 Alle meine Gerechten werden durch Gottvertrauen leben. Wenn sie aber zurückweichen, habe ich keinen Gefallen an ihnen.“ 39 Wir sind nicht solche Menschen, die ängstlich ins Verderben zurückweichen, sondern solche, die durch Gottvertrauen das Leben gewinnen.
Wie leicht könnten wir in der heutigen Zeit bereit sein, unserer Zuversicht einen Tritt zu verpassen. Worauf sollen wir hoffen? Es sieht doch ziemlich trostlos um uns herum aus. Vielleicht wurde ein Leser, eine Leserin von Leid getroffen und mag von Zuversicht und Hoffnung nichts mehr hören.
Doch heißt es nicht immer: Die Hoffnung stirbt zuletzt?!
Hier wird uns ein guter Grund aufgezeigt, warum wir unsere Hoffnung, unsere Zuversicht, unser Vertrauen nicht wegwerfen sollen. Tikwa תִּקְוָה ist die Hoffnung. So heißt die Israelische Nationalhymne. Schon 1897 wurde sie Hymne der Zionistischen Bewegung und drückte die Hoffnung nach fast 2000 Jahren auf die Rückkehr ins Land der Väter aus. Die Hoffnung stirbt zuletzt, und sie behielt Recht. 1947 – 50 Jahre später! – kam es am 29. November 1947 zur Teilungserklärung der UN-Generalversammlung, die die Gründung des Israelischen Staates vorsah, zu der es 6 Monate später durch David Ben Gurion kam. Es hat sich gelohnt, die Hoffnung nicht wegzuwerfen! Israel lebt auf dem Boden des Abraham versprochenen Landes!
Die Hoffnung ist nicht auf Sand gebaut, sondern sie schafft eine Verbindung קוו kaw, eine Bindeschnur direkt zu Gott, unserem Vater.
batach בָּטַח heißt er vertraute, hatte Zuversicht im Sinne von bitcha בִּטְחָה Sicherheit, Zusage.
leha’amin לְהַאֲמִין bedeutet glauben, vertrauen und emuna אֱמוּנָה ist der Glaube oder das Vertrauen. Es bedeutet Festigkeit, wie der Prophet Jesaja schreibt:
Jes. 7,9 אִם לֹא תַאֲמִינוּ כִּי לֹא תֵאָמֵנוּ = im lo ta’aminu ki lo te’amnu = Festigt ihr euch nicht in Gott, so bleibt ihr nicht gefestigt.
Fest bleiben, standhaft bleiben in dem, was wir durch Gottes Wort gehört haben, das wird uns in Gottes Realität führen, die sich deutlich von der unseren unterscheidet. Dieses Dranbleiben, dieses Dennoch, trotzdem vertrauen – wird uns die Realisierung der Verheißungen sehen lassen.
Ps. 73,23 Und (dennoch) doch bleibe ich stets bei dir, meine rechte Hand hast du erfaßt.
Lohn war schon vergangene Woche das zentrale Thema, und auch in diesem Brief wird Lohn in Aussicht gestellt. Bei Abraham war sein Lohn sowohl der Sieg über die Könige, die Erhörung seines Gebets für Sodom und Gomorra, die Geburt seines Sohnes Jizchaks und das Land Kanaan, obwohl er selbst es nur durchwanderte und somit für seine Nachfahren in Besitz nahm. Was ist hier nun der Lohn?
Ich denke, was der Psalmist an vielen Stellen ausdrückt, stimmt hier gleichfalls:
Ps. 5,12 Aber freuen werden sich alle, die sich an dir bergen [dir vertrauen], in die Zeit hin werden sie jubeln, da du sie überschirmst, sich entzücken an dir, die deinen Namen lieben.
Der Vertrauende erfährt Gottes Schutz. Trotz allen Wartens auf die Erfüllung der zahlreichen Verheißung der Tora wird er sich nicht unterkriegen lassen in seiner Freude an Gott.
2.Chr. 20,20 … vertraut IHM, eurem Gott, und ihr bleibt betreut, vertraut seinen Kündern, und ihr habt Gelingen!
Dem Vertrauenden gelingen seine Vorhaben und seine Pläne, da er in den Wegen Gottes geht. Er wird an sein Ziel kommen selbst gegen Bedrohungen und Herausforderungen.
Außerdem verhilft dieses Ausharren, den Willen unseres Vaters im Himmel zu tun. Jehoschua forderte immer wieder, dass wir den Willen Gottes tun und die Tora achten. Was der Wille des Ewigen ist, wussten die Empfänger des Briefes darum sehr genau, denn diesen Willen offenbarte Gott am Berg Sinai. Dort sagten die vertrauenden Zuhörer:
Ex. 24,7 Sie sprachen: Alles, was ER geredet hat, wir tuns, wir hörens!. נַעֲשֶׂה וְנִשְׁמָע nasse we’nischma
Die Worte Gottes waren so eindeutig und heilig, dass die Kinder Israel sie tun und praktisch umsetzen wollten, noch bevor sie alles genau gehört und durchdacht hatten. Sie erfuhren, wie Gott segnet, wenn sie Seinem Wort vertrauen und es tun, aber auch, wenn sie nachlässig wurden und dem Wort Gottes nicht gehorchten. Nicht vertrauen führte zum Götzendienst und zur Gottesferne. Vertrauen gab dem Volk Gottes Nähe, Frieden und Nahrung, den Regen zur richtigen Zeit.
Die Gemeinde der Hebräer wartet auf den Kommenden. Wer das sein wird, sagt uns der Briefschreiber an dieser Stelle nicht. Mit einer solchen Erwartung steht die angesprochene Gemeinde in einer Linie mit der gesamten jüdischen Gemeinde. Maimonides fasste das Warten auf die Erlösung durch den Maschiach מָשִׁיחַ, den Gesalbte von lehimaschach לְהִמָּשַח = salben in seinen 13 Glaubensartikeln in die Worte:
12. Ich glaube mit voller Überzeugung, daß der Messias kommt, und ungeachtet seines langen Ausbleibens erwarte ich täglich seine Ankunft.
Auch er wirft sein Vertrauen nicht weg, denn die Belohnung der Erlösung ist groß. Darum warten Juden täglich, denn sie wissen aus dem Propheten Habakuk:
Hab. 2,3 Denn noch ist es Schau auf die Frist, doch es haucht dem Ende zu, es täuscht nicht, wenn es zaudert, harre sein, denn kommen, kommen wirds, es bleibt nicht aus.
Die Schau oder Offenbarung wartet noch auf eine bestimmte Zeit, zu der sie sich erfüllen wird. Mit unseren menschlichen Augen können wir diese Zeit nicht erblicken, mit unserem menschlichen Verstand sie nicht ergreifen. Jedoch eines ist gewiss: Sie wird sich erfüllen zu der Zeit, die Gott allein kennt!
Hab. 2,4 Da, gebläht ist sie, in jenem nicht gerad seine Seele, dieweil der Bewährte Gerechte [Zaddik צַדִּיק] leben wird durch sein Vertrauen.
Es ist vermessen, die Zeit der Erfüllung kennen zu wollen. Eine solche Seele ist nicht aufrichtig. Sie hat keine Durchhaltefähigkeit, keine Standhaftigkeit und gibt vor der Zeit auf. Viele halten heute das Warten auf den Maschiach für das Warten auf eine Märchengestalt oder für das „Warten auf Godot“ (Theaterstück von S. Beckett). Aber derjenige, der vertraut, wird die Erfüllung der Prophetie sehen, so wie sie das Volk Israel bei der Staatsgründung sah.
Der Gerechte Zaddik צַדִּיק lebt die Gerechtigkeit als Wohltätigkeit Zedaka צְדָקָה im Alltag, indem er stets nach den Geboten Gottes handelt. Er liebt seinen Nebenmenschen und tut alles zu dessen Wohl. Er sieht in den negativen Ereignissen seines Lebens Gottes Liebe, die ihn zum Wachsen herausfordert. Er vertraut allen Widrigkeiten zum Trotz und wird obsiegen. Er zieht sich nicht von Gottes Wort zurück, weil es nicht mehr opportun ist, an Gott zu glauben; er schwimmt nicht mit jedem Strom, der sich ihm bietet, denn solche finden nicht Gottes Wohlgefallen.
Die Gemeinde der Hebräer sieht sich in der Nachfolge der Gerechten, die gegen den Augenschein vertrauen. Was sie dadurch gewinnen, ist nichts Geringeres als Leben, das sie als Lohn empfangen. Nicht die Länge eines Lebens ist entscheidend, sondern Ps. 30,6 ein Leben in seiner Gnade!