zur Parascha Wajechi am Schabbat 14. Tewet 5782; 18. Dezember 2021
Wir lesen einen Abschnitt aus den Königsbüchern, in dem David seinem Sohn Schlomo שְׁלֹמֹה Salomo = Sein Friede bzw. seine Ganzheit Anweisungen gibt für die Zeit nach Davids Tod, so wie auch Jakob Abschied nahm von seinen Söhnen.
Der alte König David spürt seinen Tod nahen. Seinem Sohn Schlomo möchte er ein Vermächtnis hinterlassen, das ihm während seiner Königherrschaft Halt und Orientierung bietet. Darum verweist David als erstes auf den allmächtigen Gott. Während David weiß, dass sein Tod dem aller Menschen gleicht, dass ihm als König kein anderer Weg beschieden ist als dem einfachsten Hirten, weiß er auch um die Bedingungen für den Fortbestand seines Throns.
1.Kö. 2,2 … erstarke, werde ein Mann,
… nicht durch Kämpfe oder körperliche Ertüchtigung, sondern durch Gehorsam gegen Gott. Durch das Befolgen Seiner Gebote wird Schlomo zum Mann erstarken.
1.Kö. 2,3 wahre SEINE, deines Gottes, Verwahrung, zu gehn in seinen Wegen, zu wahren seine Satzungen, seine Gebote und seine Rechtsgeheiße, und seine Vergegenwärtigungen, wie in Mosches Weisung geschrieben ist, damit du ergreifst in allem, was du tust, in allem, wozu du dich wendest,
Wahre die מִשְׁמֶרֶת יְהוָה mischmert Adonai, die Verwahrungen Gottes, all Seine Worte, die ER hat aufschreiben lassen, um sie wie einen Schatz zu behüten. All diese Worte helfen dir, den rechten Weg zu finden und zu gehen. Lass sie deinen Lebensweg bestimmen, den du gehst. Alle Seine Satzungen חֻקֹּתָיו chukotaiw, alle Seine Gebote מִצְוֹתָיו mizwotaiw und alle Seine Rechtsgeheiße מִשְׁפָּטָיו mischpataiw sind feststehende Gebote, die dein Leben flankieren, damit du nicht auf Abwege gerätst. Die Mizwa verbindet dich mit Gott, denn צוה (z-w-a = zawa) ist die Verbindung zu IHM. Die Chukim (Sg. Chok חוק) sind Gebote, die du zwar nicht erklären kannst, aber wenn du Gott vertraust, wirst du sie aus Liebe zu IHM halten können. Schau auf Gottes עֵדְוֹת ed’ot Zeugnisse, auf die Zeugnisse Seiner Wunder, um dein Vertrauen zu stärken. Setzte Rechtsprechung ein zum Wohl des Volkes nach der Weisung Mosches תוֹרַת מֹשֶׁה Torat Mosche.
So könnten die Worte Davids eindrücklich geklungen haben, die er Schlomo hinterließ, denn an diesem Gehorsam hängt die künftige Nachfolge der Könige auf dem Thron Davids ab, denn den Gehorsam, den Gott von den Kindern Israels verlangt, erwartet ER umso mehr von den Königen. Darum gibt David auch diesen eindringlichen Satz an Schlomo weiter:
1.Kö. 2,4 damit ER seine Rede bestätige, die er über mir redete im Spruch: Werden deine Söhne wahren ihren Weg, vor meinem Antlitz einherzugehen in Treue mit all ihrem Herzen, mit all ihrer Seele, dann – im Spruch – : nicht schließe je dir Mannesfolge ab auf dem Stuhl Jissraels..
Doch leider gibt uns David auch ein Beispiel unguten Erbes. Warum überlässt er es seinem Sohn Schlomo, die Taten Joabs zu rächen, die bereits Jahrzehnte zurückliegen? Dieser erlittene Gram muss Davids Seele sehr belastet haben, dass er noch auf seinem Sterbebett zur Sprache kommt. David hätte zu seinen Lebzeiten, in seinen kraftvollen Jahren, selbst für die Wiederaufrichtung des Rechts נָקָם nakam sorgen können (einen Begriff, den David leider nicht verwendet), doch nun übergibt er Schlomo und seiner Weisheit eine billige Rache. Er missbraucht die Weisheit Schlomos, die Gott ihm gibt.
David selbst fühlte sich schon damals der Situation nicht gewachsen und hatte es Gott anbefohlen, den Bösen zu bestrafen. (2.Sam. 3,39) Schlomo hat mit diesem Unrecht nicht das Geringste zu tun, denn er war zu jener Zeit noch nicht einmal geboren. Wurde David wegen solcher Seelenlast nur 70 Jahre alt?
Ebenso im Fall des Schimi Sohn Geras, der David geflucht hatte. Damals hatte der König noch weise geantwortet:
2.Sam.16,11 Lasset ihn, er soll lästern, wenn denn ER es ihm zusprach, –
David unterstellte sich ganz Gott und hinderte Abischaj daran, ihn zu töten. Warum also hat er seine Meinung geändert und lädt seinem Sohn diese Bürde auf? Es stellt sich die Frage, wieso David in der damaligen Situation Gott vertrauen konnte, aber nicht mehr auf dem Sterbebett. Bereits im 1. Kapitel stellten wir fest, dass dem alten König nicht mehr warm wurde. Seine Fehltritte lassen ihn nicht los und beeinträchtigen sein Vertrauen zu Gott, obwohl der ein vergebender Gott ist. Das Schwerste aber ist, sich selbst zu vergeben!
Daraus lernen wir, dass wir achtsam sein müssen, welche Worte wir unseren Angehörigen hinterlassen. Mit welchen Dingen können wir nicht im Frieden abschließen? Die Vergangenheitsbewältigung sollten wir allein Gott überlassen, nicht unseren Kindern. Hinterlassen wir ihnen vielmehr Segensworte, die sie stärken und ihnen den Weg öffnen zu einem gottgefälligen Leben, so wie Davids anfängliche Worte lauteten.
Eine gute Sache übertrug David dennoch an Schlomo. Er heißt ihn, weiterhin Gutes zu tun an den Söhnen Barsillajs des Giladiten. Sie sollen am Tisch des Königs Schlomo teilhaben, so wie er Jonathans behinderten Sohn Mefi-Boschet aufnahm, weil er den Freund sehr geliebt hatte.
2.Sam. 9,11 Mefi-Boschet wurde also an der Königstafel versorgt wie einer der Königssöhne.
Wohltaten dürfen über den Tod hinausgehen. Sie versetzen den Erben in den Stand, eine Mizwa, eine gute Tat, die an Gott anbindet, zu tun.
David starb. Dafür wird in der Bibel der Ausdruck verwendet: Er legte sich zu seinen Vätern. Alle Menschen müssen den Weg des Todes gehen, aber es ist tröstlich zu wissen, dass unsere Altvorderen, die uns diesen Weg vorangingen, auf uns warten. Der Tod ist nicht das Ende. Er führt in ein neues Leben in einer anderen, und doch nahen Welt. Unsere lieben Heimgegangenen sind nur einen Gedanken weit entfernt; sie sind quasi nebenan. Es gibt zu unseren Lebzeiten nur keine Tür dorthin.
Im Tod konnte David ein Erbe seiner eigenen Siege antreten. Er wurde in der Davidstadt begraben, die er von den Jebusitern erobert hatte (2.Sam. 5,6-9).
David war 40 Jahre König, was von einer universellen Bedeutung seiner Herrschaft zeugt. Sie wird darüber hinaus von so weltumspannender Bedeutung sein, da der Maschiach als Nachfolger auf Davids Thron erwartet wird. 7 Jahre dauerte seine Königsherrschaft über Hebron, das heißt, sie erreichte eine weltliche Vollkommenheit, die David zu den folgenden 33 Jahren Königswürde über das gesamte Israel bevollmächtigte. 33 weist auf die doppelte Transformation hin, zu der David immer wieder aufgerufen war. Er machte Transformationen durch vom Hirtenjungen zum Kämpfer (1.Sam.17) und zum Gesalbten Gottes (1.Sam. 16,6ff), vom Sünder zum Begnadeten (Batscheba, 2.Sam. 11+12), durch Abigail vom Ungeduldigen zum Bestehenden (1.Sam. 25), vom potentiellen Mörder zum Nächstenliebenden (1.Sam.24,18 David verschont Scha’ul).
Die Quersumme 6 verrät dem Leser, dass David sein Tagwerk vollendete.
Mit Davids guten und wegweisenden Worten konnte Schlomo nun den Thron fest innehaben. Das Königreich, das David ihm hinterließ, würde unter Schlomo 40 Jahre Frieden haben. Doch noch muss sich der neue König bewähren.
So schlüssig geschrieben. Nachvollziehbar und doch erahnbar aus dem inneren Aufbau. Toda raba!