vorgeschlagen für Sonntag, 28.02.2021

Jes. 5,1 So will ich denn singen von meinem Gefreundeten, den Sang meines Freundes von seinem Wingert. Einen Wingert hatte mein Gefreundter an einem fettreichen Rücken. 2 Er grub ihn um und entsteinte ihn und bepflanzte ihn mit Edelrotrebe und baute einen Turm ihm inmitten und auch eine Kelterkufe hieb er drin aus – und hoffte, daß er Trauben bringe, doch er brachte Herlinge. 3– Und jetzt, Sasse von Jerusalem Mann von Jehuda, so richtet denn zwischen mir und meinem Wingert! 4 Was war noch an meinem Wingert zu vollbringen, das ich daran nicht vollbracht hätte? weshalb, nun ich hoffte, daß er Trauben bringe, hat er Herlinge gebracht?! 5 Und jetzt, so will ich euch denn kundtun, was nun ich an meinem Wingert vollbringe: seine Schirmhecke beseitigen, daß er zur Abweide wird, seine Schranke einreißen, daß er zum Trottplatze wird, 6 zur Sturzhalde will ich ihn machen, er werde nicht geschneitelt, er werde nicht behackt, in Dorn und Distel soll er schießen, und den Wolken verbiete ich Regen über ihn zu regnen. 7Denn SEIN des Umscharten Wingert ist das Haus Jissrael, Jehudas Mannschaft ist die Pflanzung seines Ergötzens, er hoffte auf gut Gericht, und da: ein Blutgezücht! auf treue Bewährnis, und da: ein Schrei der Beschwernis!

Übersetzung von Martin Buber und Franz Rosenzweig

Das Gleichnis

Mit dem Gleichnis vom Weinberg haben wir es mit einem der wenigen Gleichnisse des Ersten Testaments zu tun. Es ist ein Liebeslied über einen Geliebten, mit dem der Sänger eine innige Gemeinschaft verbindet. Jedidi ידִידִי wird dieser Freund genannt, ein zärtlicher Ausdruck für einen innig geliebten Freund.
Dieser Geliebte hatte einen Weinberg auf fruchtbaren Boden, der eine gute Voraussetzung bot für erfolgreichen Weinbau, für „fetten“ Ertrag.
Darum pflegte der Geliebte diesen Weinberg. Er legte ihn liebevoll an, indem er die Steine entfernte, den Boden umgrub und die besten Reben anpflanzte. Er baute einen Turm, ein Gebäude, in dem er sich aufhalten und unter seinen Reben sein konnte. Auch einen guten Überblick hatte er von diesem Turm aus, um alle seine Reben im Blick zu haben und rechtzeitig sehen zu können, wenn jemand unbefugt seinen Weinberg betreten wollte.
In Vorfreude auf den guten Ertrag baute sein Geliebter bereits eine Kelter, in der die reifen Trauben zu gutem Wein gepresst würden. All sein Eifer, seine Zeit, seine Liebe investierte der geliebte Weingärtner in seinen Weinberg. Dort hielt er sich gerne auf. Von Freude und Zuversicht spricht all sein Handeln.
Die Zeit der Ernte ist endlich da! Der Weingärtner hofft auf Trauben, die im Originaltext nicht näher beschrieben sind. Trauben gemäß des edlen Weinstocks, den er gepflanzt hatte, nichts weiter erwartete der Weingärtner. Wenn die Traube ihrer guten Abstammung entspricht, dann ist der Weingärtner zufrieden. Trauben, reif und von fruchtiger Süße, saftig, das verspricht der edle Weinstock. Aber die Trauben, die der Weingärtner nach seiner harten Arbeit erntet, sind Herlinge.
„Herlinge oder Geiztrauben heißen die kleinen Trauben aus der späten Nachblüte des Rebstocks auf Geiztrieben.“ (Wikipedia)
Diese Trauben entstammen also Blüten, die nicht zur rechten Zeit blühten, die den richtigen Zeitpunkt verpassten, sich zu viel Zeit ließen und darum klein und sauer bleiben.
Wie konnte das bei all der Fürsorge passieren?

Gott handelt für SEIN Volk

Gott ist dieser innig Geliebte, von dem Jesaja singt. Gesang drückt immer mehr Emotionalität aus als Prosa. Der geliebte Gott führte der SEIN Volk in ein Land von Milch und Honig, ein fruchtbares Land, von dessen Erträgen es sich ernähren konnte, als es das Land betrat, um es zu besiedeln. Gott hatte schon über Jakob den Segen ausgesprochen, der nun für die Kinder Israels weiterhin gelten sollte:
Gen. 27,28 So gebe dir Gott vom Tau des Himmels und von den Fetten der Erde, Korns und Mostes die Fülle! 29 Völker sollen dir dienen, Haufen sich dir neigen, Herr sei deinen Brüdern, dir neigen sich deiner Mutter Söhne. Die dir fluchen, verflucht! die dich segnen, gesegnet!
Himmel und Erde sorgen für einen reichen Ertrag. Völker, die wie Steine den Kindern Israel im Weg liegen könnten, wurden ihnen zu Dienern oder Gott gab ihnen den Sieg über solch ungerechte Feinde. Wie Mose bereits in Ex. 15,17 sagte: Du bringst sie hinein, du pflanzest sie ein auf den Berg deines Eigens, den Grund, den dir zum Sitz DU bereitet hast, das Heiligtum, mein Herr, das gründeten deine Hände.
Das Volk Israel ist auf Gottes Berg eingepflanzt. Sie sind auf der Höhe! Im doppelten Sinn des Wortes. Dort können sie Gott nah sein und von IHM lernen. Der Berg = har =  הָר hat die bedeutungsweisende Wurzeln zu Schwangerschaft = herajon = הֵרָיוֹן, auch zu horim הוֹרִים = Eltern oder hore הוֹרֶה = Elternteil. Diese Eltern unterweisen in ihrer Liebe die Kinder auch (lehorot לְהוֹרוֹת = unterrichten, anweisen) damit sie das gute Wort Gottes, die Tora = die Weisung kennen.
Sie sind eingepflanzt, weil Gott sie für immer bei sich haben möchte. ER hat gute Gedanken über die, die in Seine Vorhöfe eingepflanzt sind: Ps. 92,14 Die in SEIN Haus wurden verpflanzt, sprießen in den Höfen unseres Gottes, 15 noch im Greisentum werden sie gedeihn, werden markig sein und frisch, 16 zu vermelden, daß ein Gerader ER ist, mein Fels, Falsch ist an ihm nicht.
Die bei IHM Eingepflanzten sprießen, gedeihen, bringen gute Frucht und werden bis ins Alter so frisch und kraftvoll sein, wie der Weinbergbesitzer es von seinen Reben erwartete.
Ex. 25,8 Ein Heiligtum sollen sie mir machen, daß ich einwohne in ihrer Mitte.
Wie der Turm in der Mitte des Weinbergs, so werden die Kinder Israel ihrem Gott ein Heiligtum in ihrer Mitte bauen. Sie selber werden für IHN ein Heiligtum sein, sodass ER in ihnen wohnen kann!

Ein Lied, das am Pessachabend während der Sederliturgie gesungen wird, gibt uns ein Bild von dem, was Gott für SEIN Volk getan hat, obwohl ER nicht dazu verpflichtet war. Es heißt „Dayenu“, übersetzt: es war genug für uns.
1 – Hätte er uns einfach nur aus Ägypten herausgeholt, aber keine Strafe über die Ägypter verhängt, dann wäre das dayenu – genug gewesen!
2 – Hätte er eine Strafe über sie verhängt, aber ihre Götzen verschont, wäre das dayenu – genug gewesen!
3 – Hätte er über ihre Götzen Strafgerichte verhängt, aber ihre Erstgeborenen verschont, dayenu!
4 – Hätte er ihre Erstgeborenen getötet, aber uns ihre Habe nicht gegeben, dayenu!
5 – Hätte er uns ihre Habe gegeben, aber das Meer nicht für uns gespalten,
6 – Hätte er das Meer gespalten, uns aber nicht trockenen Fußes hindurchgeführt, dayenu!
7 – Hätte er uns trockenen Fußes hindurchgeführt, aber unsere Verfolger nicht darin ertränkt, dayenu!
8 – Hätte er unsere Verfolger darin ertränkt, aber in der Wüste nicht für uns gesorgt, dayenu!
9 – …, aber uns nicht mit Manna gespeist, dayenu!
10 – …, aber uns den Schabbat nicht gegeben, dayenu!
11 – …, aber uns nicht zum Berg Sinai geführt, dayenu!
12 – …, aber uns die Tora nicht gegeben, dayenu!
13 – …, aber uns nicht ins Heilige Land gebracht, dayenu!
14 – …, aber uns den Tempel nicht gegeben, dayenu!
Da-dayenu, da-dayenu, da-dayenu, dayenu, dayenu, dayenu x2

Pessach-Haggada

Der enttäuschte Gott und Teschuwa

So hatte Gott mit SEINEM Weinberg alles richtig gemacht. ER hatte SEINEM Volk alle spirituellen und materiellen Voraussetzungen für ein gelingendes Leben in SEINER Nähe gegeben. Gott stellt sich selbst die Frage, was ER unterlassen hat. Aber nach all dem fällt IHM nichts mehr ein. Selbst einen Richterspruch fordert ER. Aber wer wollte Gott unzureichendes Handeln und mangelnde Liebe vorwerfen?
Wie könnten wir heute dieses hütende und versorgende Handeln Gottes beschreiben?
ER hat uns – Juden und Christen – SEIN Wort geschenkt, aus dem wir lernen können, das uns ermutigt und liebevoll an die Hand nimmt auf allen Wegen unseres Lebens. Gott gibt uns Nahrung, Kleidung, ein Zuhause. Wir können mobil sein mit unseren Autos, können reisen mit Flugzeugen. Aber wie schätzen wir das? Danken wir für solche Alltäglichkeiten noch? Wie gehen wir mit unserem Wohlstand um? Warum gibt es unter uns so viele, die von einem Job allein nicht leben können? Arme Kinder, alleinerziehende Elternteile, Obdachlose, an der Armutsgrenze lebende Alte – unser Wohlstand ist nicht gerecht verteilt.
Bluttaten, Antisemitismus und Rassismus, Unrecht statt Recht sind an der Tagesordnung, sei es im Netz oder in der realen Welt, wo Juden wegen ihres Glaubens immer noch angespuckt werden. (hr-Fernsehen: Judenhass – was hat das mit mir zu tun? Doku und Reportage)
Freizeit und Genuss regieren den Alltag überall auf der Welt, Shopping und Vergnügen, nur das Tun Gottes ist uninteressant. Und das gilt sogar für den klerikalen Bereich, wo sich noch immer Missbrauchsopfer zu Wort melden, sodass es auch keine Mahner mehr gibt, denen man vertraut.
Weltweites Unrecht in Diktaturen, in Regimen, die nicht auf den Schutz ihrer Arbeitskräfte achten, die Regenwälder abholzen für Profit, … Es gäbe so viel aufzuzählen, wo Mensch und Natur nicht zählen und Gott zum Schweigen gebracht wird. Oder ER schweigt, weil ER kein Ohr mehr findet.

Die Pandemie – eine Strafe Gottes?

Das und noch vieles mehr steht mit den Worten der Bibel in den Versen nach unserem Predigttext. Da ist auch die Rede vom Totenreich, das den Rachen weit aufreißt und die Ahnungslosen, die der Vergnügungssucht Frönenden verschlingt. Erinnert das nicht an die Leichen, die in Italien, in Amerika und nun fast auch in der Tschechei auf den Straßen in Kühl-LKW standen und kein Grab fanden? Auch in Deutschland sterben Menschen allein in Krankenhäusern, weil niemand zu ihnen darf und niemand Zeit für sie hat in der Arbeitslast der Krankenhäuser.
Die Pandemie, eine Strafe Gottes? Nein, aber eine Folge unseres Handelns. Wenn ER nicht mehr in unserer Mitte leben kann, dann nimmt ER uns auch den Zaun weg, der uns noch Schutz gab und reißt die Mauer, die ER gebaut hat, ein. Dann sind wir einfach schutzlos den Umständen ausgeliefert. Dann versagt Gott uns einfach SEINE Pflege und lässt uns ohne SEINE Fürsorge, die wir ja auch gar nicht wollten. Aber dann wird auch die Erde rebellieren, die die Erde Gottes ist. Wenn wir für Blutvergießen auf ihr sorgen – oder hilflose Flüchtende in ihrer Not untergehen lassen -, dann schreit sie ob des unschuldigen Blutes wie beim Tod Abels zu Gott; dann bebt sie, wirft Lava oder Lawinen aus Schnee oder Schlamm um sich. Überall sehen wir eine zornige Erde.
Aber es gibt einen Ausweg, einen Neuanfang: die Umkehr, die Teschuwa. Auf Hebräisch heißt Teschuwa תְּשׁוּבָה auch Antwort, die „verantwortende Antwort“, wie Martin Buber sie nannte. Wir dürfen Gott eine Antwort geben, indem wir die Ver-Antwortung für unser Tun übernehmen und Gott aufrichtig auf SEINE „Rückrufaktion“ antworten. Wir können umkehren zu Gott, die Richtung unseres Weges ändern und die Hilfe Gottes sehen, wie König Salomo es erbat:
1.Kö. 8,35 Wann der Himmel abgehegt ist und es nicht regnet, weil sie an dir gesündigt haben, sie aber beten nach dieser Stätte zu, bekennen deinen Namen, kehren um von ihrer Sünde, dieweil du sie beugtest: 36 selber mögst dus himmelwärts hören, so verzeih die Versündigung deiner Knechte, deines Volks Jissrael, daß du ihnen den guten Weg weisest, darin sie gehen sollen, – so gib Regen auf dein Land, das du deinem Volk zu eigen gegeben hast.

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