Ex.14,8-14.19-23.28-30a;15,20-21; Durchzug durchs Schilfmeer; vorgeschlagen für Ostersonntag 4. April 2021
14,8 ER aber stärkte das Herz Pharaos, des Königs von Ägypten, daß er den Söhnen Jissraels nachsetzte, und waren doch Jissraels Söhne mit erhobener Hand ausgefahren. 9 Die Ägypter setzten ihnen nach und holten sie ein am Meer gelagert, alle Fahrzeug-Roßmacht Pharaos, seine Reisigen, sein Heer, bei Pi-Hachirot, vor Baal-Zfon. 10 Als Pharao näherrückte, hoben die Söhne Jissraels ihre Augen: da, Ägypten zieht ihnen nach! Sie fürchteten sich sehr. Und die Söhne Jissraels schrien zu IHM.
Übersetzung der Schrift von Martin Buber und Franz Rosenzweig
11 Aber zu Mosche sprachen sie: Wohl weils keine Gräber in Ägypten gab, hast du uns fortgenommen, in der Wüste zu sterben! was hast du uns da getan, uns aus Ägypten zu führen! 12 wars das nicht, die Rede, die wir zu dir in Ägypten redeten, sprechend: Laß von uns ab, wir wollen Ägypten dienen! denn besser ist uns, Ägypten zu dienen, als daß wir in der Wüste sterben!
13 Mosche sprach zum Volk: Fürchtet euch nimmer! tretet hin, seht SEINE Befreiung, die er heut an euch tun wird, denn wie ihr heute Ägypten saht, seht in Weltzeit ihrs nicht wieder. 14 ER wird für euch kämpfen, und ihr, seid still
19 Hinweg zog der göttliche Bote, der vorm Lager Jissraels herging, und ging hinter sie, hinweg zog der Wolksäulenstand vor ihrem Antlitz und stand hinter ihnen 20 und kam zwischen das Lager Ägyptens und das Lager Jissraels.. Hier war die Wolke und die Finsternis, und da erleuchtete er die Nacht, nicht nahte eins dem andern all die Nacht.
21 Mosche streckte seine Hand übers Meer, und zurückgehen ließ ER das Meer durch einen heftigen Ostwind all die Nacht und machte das Meer zum Sandgrund, so spalteten sich die Wasser. 22 Die Söhne Jissraels kamen mitten durchs Meer auf dem Trocknen, Wand war ihnen das Wasser zu ihrer Rechten und zu ihrer Linken. 23 Aber die Ägypter setzten nach, hinein kamen sie hinter ihnen, alle Roßmacht Pharaos, sein Fahrzeug, seine Reisigen, mitten ins Meer
28 Die Wasser kehrten zurück, sie hüllten das Fahrzeug, die Reisigen alles Heers Pharaos, die ihnen nach ins Meer gekommen waren, auch nicht einer von ihnen überblieb. 29 Aber die Söhne Jissraels waren auf dem Trocknen mitten durchs Meer gegangen, Wand war ihnen das Wasser zu ihrer Rechten und zu ihrer Linken. 30 ER befreite an jenem Tag Jissrael aus der Hand Ägyptens, Jissrael sah Ägypten tot am Ufer des Meers
15,20 Mirjam, die Künderin, Aharons Schwester, nahm in ihre Hand die Pauke und ihr nach zogen aus alle Frauen mit Pauken, in Reigentänzen. 21 Mirjam stimmte ihnen an: Singet IHM, denn hoch stieg er, hoch, das Roß und seinen Reiter schleuderte er ins Meer
Nach dem Auszug der Kinder Israel wird uns eine Situation gezeigt, in der es Gott ist, der alle Fäden in der Hand hält. ER hat Einfluss auf das Herz Pharaos und verhärtet es so, dass er die Hebräer verfolgt. Es stellt sich die Frage, wen Pharao verkörpert. Pharao war der mächtige Unterdrücker und verkörpert nun denjenigen, den die Kinder Israel in ihren Herzen, in ihrer Erfahrung und daraus resultierenden Angst mitgenommen haben aus Ägypten. Sie konnten zwar Ägypten verlassen, aber Ägypten mit seinen Regularien und seinem Druck, für den der Pharao steht, nahmen sie in ihrem Inneren mit.
All die Erfahrungen, die wir im Laufe der Zeit gemacht haben und die uns vielleicht traumatisieren, sind in diesem Pharao zusammengenommen und verfolgen uns. Heute sieht der Pharao anders aus. Es kann die Belastung am Arbeitsplatz sein, der gesellschaftliche Druck, die Erwartungen aus der Familie oder der Freunde. Diese Zwänge übernehmen wir so stark, dass sie schlussendlich in uns selbst festsitzen.
Was ist aber zu tun im Angesicht des uns verfolgenden Pharaos? Was sollten die Kinder Israel tun? Zurückkehren nach Ägypten und sich erneut unterdrücken lassen? Ins Meer springen und durch Selbstmord der Hand des Diktators entgehen? Einen Krieg beginnen gegen den Pharao und hoffen, dass er besiegt werden kann? Oder auf Gott hören und weiterziehen?
Zurück nach Ägypten kann keine Option sein, denn Gott hat die Kinder Israel aus der Gefangenschaft heraus geführt, „sie mit starker Hand und ausgestrecktem Arm“ befreit. Es kann nicht sein, dass sie sich wieder unterdrücken lassen und zu Knechten von Knechten werden. Die Aufgabe des Menschen ist es, ein „Sklave Gottes“ zu werden, denn nur dann ist der Menschen wirklich frei. Das war auch der Ehrentitel des Mose: הָאֱלֹהִים עֶבֶד Ewed Elohim.
In diesem Sinne ist auch der Sprung ins Meer keine Option. Dann wäre es wirklich wahr, dass in Ägypten nicht genug Gräber waren und die Hebräer ihr Grab an der Grenze zu Ägypten gefunden hätten. Das wäre dem Namen Gottes nicht gerecht geworden. SEIN Name hätte Schaden genommen, wenn ER sie aus der Sklaverei geführt hätte, um sie dann sterben zu lassen.
Das Kämpfen wollte Gott Seinen Kindern direkt nach dem Auszug ersparen, deshalb entschied ER, sie nicht durch das Land der Philister zu führen. Woher sollten entlaufene Sklaven die Disziplin und die Koordination eines Krieges wissen? Nach den 400 Jahren unter dem Despoten hätten sie sicher auch zu viel Angst, um gegen den Pharao kämpfen zu können. Zudem würden auch einige Israeliten ihr Leben verlieren, was in dieser Phase des Auszugs nicht ermutigend wäre.
Es bleibt nur die Option, weiterzuziehen zum Berg Sinai, wo Gott aus den ehemaligen Sklaven ein Volk machen möchte und ihnen darum die Tora gibt. Das ist das Ziel des Auszugs aus Ägypten, die Volkwerdung. Zu diesem Ziel wird Gott sie mit Sicherheit bringen.
Die Kinder Israel sollen nun die Macht Gottes sehen, weshalb ER diese brenzlige Situation herbeiführt. Gott will für Seine Kinder streiten und noch das Ägypten, das noch in ihnen steckt, herausziehen aus ihnen. ER sagt den Hebräern, dass sie still sein können und es IHM überlassen, für sie zu streiten. Gott braucht keinen Krieg zu führen, ER setzt die Naturkräfte so ein, wie sie IHM dienlich sind.
Die Israeliten kommen nun direkt zu Gott; sie beten. So ein Gebet, eine Hinwendung zu Gott, ist ein Loslassen der eigenen Fantasien und Vorhaben, denn im Hebräischen ist es auch eine Selbstreflexion. Das Gebet konzentriert sich auf Gottes Pläne, bindet sich an Gott. Aber Gott will jetzt kein Gebet, denn sein Volk weiß, was es zu tun hat, und deshalb ist das Gebet überflüssig. Wenn Mose seinen Stab ausstreckt und seine Hand gegen das Meer streckt, will Gott das Meer spalten. ER braucht eine Tat des Glaubens, des Vertrauens von Seiten Seiner Kinder, um dann zu handeln. Die Kinder Israel brauchen ein Vertrauen, Hebräisch bitachon בִּטָּחוֹן, der Gottes Hilfe selbst im Unmöglichen erwartet. Das geht über die Hoffnung hinaus, die noch eine geringe Möglichkeit auf menschliche Hilfe sieht. Hier aber ist jede Hoffnung sinnlos, weil die Situation ausweglos ist. Es braucht das starke Vertrauen und das Wissen, die Sicherheit, dass die Hilfe Gottes in dieser absolut aussichtslosen Situation kommt.
Wir sollten nicht überlesen, dass Gott den Kindern Israel sagt: „Die Kinder Israel werden mitten durch das Meer im Trockenen gehen.“ Gott lässt Seine Kinder über einen trockenen Boden gehen, der sich wie Erde anfühlt, auf der niemals Wasser war. Er lässt Seine Kinder nicht durch Schlamm und Matsch waten, lässt sie sich nicht ihren Weg auf die andere Seite erkämpfen, sondern führt die über trockenen Boden. Das lesen wir noch einmal in Vers 29, dass die Kinder Israel trockenen Fußes durch das Meer zogen. Es war zur rechten und linken Seite eine Mauer. Daran ist das Wunder Gottes noch einmal zu sehen, denn es fließt nicht zu einer Seite ab, sondern beide Wände geben den fliehenden Menschen Orientierung.
Der Tod Pharaos und seiner Armee ist genauso wie die Errettung Israels aus Ägypten, dem Land der doppelten Enge (von צֵר zar = eng, Pl. zarim) die Tat Gottes. Wie schon erwähnt, stellt Gott die Naturereignisse durch Mose in Seinen Dienst. Gott lässt Ross und Reiter und Wagen in den rückkehrenden Fluten untergehen. Das können die Israeliten deutlich sehen, und dieses Untergehen ihres Unterdrückers ist sehr wichtig für sie. Der einst so mächtige Pharao geht unter, und damit sind sie wirklich und wahrhaftig frei. Die Feinde gehen im Wasser unter, von dem die Tora auch sagt, dass Gott dort unsere Sünden hinwirft. Wir kommen weder an den uns ängstigenden Verfolger noch an unsere Sünden heran. Sie sind überflutet vom reinigenden Wasser.
Nun haben die Kinder Israel ein sichtbares Zeichen von Gott bekommen, sodass sie an Gott und an Mose glauben. Sie dürfen an Mose glauben, denn er ist ihnen ein Vorbild in der Beziehung zu Gott. Deshalb konnte auch Jesus sagen: „Glaubt an Gott und glaubt an mich!“ (Joh. 14,1) Wie die Kinder Israel brauchen wir einen Menschen mit einer klaren Vision und einem klaren Weg, der dem Wort der Tora Folge leistet. Einem solchen Menschen können wir folgen, glauben und vertrauen.
Mose und seine Schwester Miriam leiten die geretteten Israeliten an, Gott zu loben und zu preisen. Sie haben erlebt, wie Gott ihr Gerettetsein schützte, wie die Macht im Inneren verloren hat, besiegt wurde durch Gottes wunderbares Handeln.
Miriam wird hier die Schwester Aarons genannt, weil die beiden die älteren sind und auf den kleinen Bruder aufpassten. Miriam gilt als Prophetin, weil sie laut jüdischer Tradition wusste, dass dieser nachgeborene Knabe der Erlöser Israels sein würde. Darum setzte sie alles daran, ihn vor dem Tod durch Pharaos Dekret zu schützen. Durch sie konnte Mose ein Überlebender sein und ein Volk von Überlebenden retten und in die Freiheit führen.
Es sprach alles gegen das Leben der Kinder Israel, doch die Hand Gottes bewirkte in der Ausweglosigkeit den Sieg und das Leben. Für dieses geschundene Volk war es eine Auferweckung zum Leben in Freiheit.
An diesem Sonntag ist übrigens auch der letzte Tag von Pessach außerhalb von Israel. Des Ereignisses vom Durchzug durch das Schilfmeer wird dann als das letzte Wunder des Auszugs in besonderer Weise gedacht. Christen und Juden sind also durch diesen Text verbunden.