1.09.2025
Nach den Trauerwochen um die Zerstörung der beiden Tempel, die vom 17. Tammus bis zum 9. Aw dauern, folgen die letzten sieben Wochen des Jahres, die Trostwochen vom 11. Aw und den Monat Elul bis Rosch haSchana. Sie heißen Trostwochen wegen der zweiten Lesung nach dem Toraabschnitt in der Synagoge. Die erste Trosthaftara wird aus dem Propheten Jeschajahu gelesen Kap. 40 und heißt: Tröstet, tröstet mein Volk.
Am 1. Elul ging Mosche wiederholt auf den Berg Sinai, um Gott um Vergebung für die Sünde des Volkes mit dem goldenen Kalb zu bitten. Er blieb dort 40 Tage und trat für das Volk Israel inniglich ein, denn Gott wollte es vernichten und mit Mosche ein neues Volk gründen.
Doch was würde über Gott gesagt werden, der doch bereits den Vätern ein großes Volk – so zahlreich wie die Sterne am Himmel und der Sand am Meer-, versprochen hatte. Mosche sprach:
Ex. 34,9 und er sprach: EWIGER, wenn ich Gnade gefunden habe vor deinen Augen, so ziehe mein Herr in unserer Mitte, obwohl es ein halsstarriges Volk ist; und vergib סָלַחְתָּ (salachta) uns unsere Schuld לַעֲוֹנֵנוּ (la’awonenu) und Sünde לְחַטָּאתֵנוּ (la’chatatenu), und nimm uns an als dein Eigentum!
Gott ließ sich umstimmen und sagte an Jom Kippur, dem 40. Tag:
Ex. 34,10 Da sprach ER: Siehe, ich mache einen Bund: Vor deinem ganzen Volk werde ich Wunder tun, wie sie nicht gewirkt worden sind auf der ganzen Erde und unter allen Völkern; und das ganze Volk, in dessen Mitte du bist, soll MEIN Werk sehen; denn furchterregend wird es sein, was ICH mit dir tun will.
Gott ist autonom und ist bereit, indirekt dem Volk zu vergeben, indem ER den Bund mit ihm erneuert. Diesen Bund muss das Volk auch von seiner Seite her halten und darf ihn nicht brechen:
Ex. 34,14 Denn bete keinen anderen Gott an. Denn der EWIGE, dessen Name »Der EIFERNDE« ist, ist ein eifernder Gott.
Nach der Sünde mit den 12 Kundschaftern muss Mosche wieder für das Volk Israel eintreten:
Num. 14,19 Vergib nun die Schuld dieses Volkes nach deiner großen Gnade, wie DU auch diesem Volk verziehen hast von Ägypten an bis hierher!
Immer wieder bedarf es des Bekenntnisses vor Gott und ER ist bereit, zu verzeihen – ohne Opfer und spektakuläre Rituale. Gott sagt einfach:
Num. 14,20 „Ich habe vergeben סָלַחְתִּי (salachti) nach deinem Wort כִּדְבָרֶךָ (kidewarecha).“
Der Monat Elul ist darum ein großer Vorbereitungsmonat auf das jüdische neue Jahr und die ehrfurchtgebietenden Feiertage inklusiv Jom Kippur, den Tag der Bedeckung am 10. Tischrei. Es ist ein Monat, um Bilanz im eigenen Leben zu ziehen und sich mit Menschen zu versöhnen, mit denen wir uns überworfen haben. Wo wir uns an Menschen versündigt haben, müssen wir es mit diesen Menschen bereinigen. Wo wir gegenüber Gott sündigten, müssen wir das mit IHM in Ordnung bringen durch aufrichtige Reue und Umkehr תשְׁובעָה Teschuwa, womit wir Gott letztlich eine „verantwortende Antwort“ (Martin Buber) für unser Handeln geben. Das meint Teschuwa neben der Umkehr לָשׁוּב laschuw (antworten) auch.
Teschuwa ist ebenso die Heimkehr zur Geborgenheit des Vaters. Nicht nur von bösen Wegen sollen wir umkehren, wir dürfen einfach spüren, dass wir uns entfernt haben und heimkehren müssen. Vielleicht haben wir Gottes Wort nicht oft genug gelesen, vielleicht keine Zeit gefunden für Gebete. Dann ruft Gott, unser Vater: „Komm nach Hause!“
Das ist außerdem die Grundlage von Jehoschuas Gleichnis vom verlorenen Sohn in Luk. 15. Dieser Sohn macht die Erfahrung, dass er auf Abwege gerät, aber er weiß um die Liebe des Vaters. Er erinnert sich, wie geborgen er beim Vater war, wie heimelig er sich in jedem Moment dort fühlte. Er verstand selbst nicht mehr, warum er das alles aufgegeben hatte. Der Vater würde auch in dieser verfahrenen Situation Rat für ihn wissen. Selbst die Knechte es Vaters hatten es besser als er in der Fremde. Also kehrte er um und kehrte heim in die offenen Arme des Vaters, der auf ihn wartete.
Mit dem Gleichnis sind nicht die herumirrenden Juden gemeint, die endlich Jesus annehmen, wie es über Jahrhunderte gepredigt wurde. Es sind Juden, die aus dem Judentum raus in die Fremde und zum Götzendienst gelaufen sind, aber heimkehren zum Judentum und zu ihrem Gott und Vater.
Die Namen der jüdischen Monate sind babylonischen Ursprungs, doch haben ihnen die jüdischen Weisen spirituelle Bedeutung beigemessen. So bildet der Name Elul אֱלוּל das Akronym aus dem Hohenlied der Liebe von König Schlomo: Ani le dodi we dodi li. אני לדודי ודודי לי Mein Freund ist mein, und ich bin sein. Zweimal kommt dieser zentrale Satz im Hohenlied der Liebe vor. Dieses Akrostichon ist damit zum Motto für den Monat Elul geworden. Es drückt eine innige Beziehung zwischen Gott, unserem König und jedem Gläubigen aus. Darum ist Gott im Monat Elul besonders empfänglich für unsere Bußgebete und Gespräche mit IHM.
Natürlich ist Gott, der Vater, an jedem Tag des Jahres für Seine Kinder da. ER möchte, dass es ihnen gut geht, dass sie den rechten Weg wählen. Doch gibt es Gleichnisse dafür, wie nah Gott uns speziell in diesem Monat ist: Der König ist im Feld, so heißt es im Elul. Ganz nahbar, ganz auf jeden einzelnen eingestellt, ganz zugewandt. Jeden Morgen wird bereits das Schofar geblasen, um uns für diese besondere Nähe wachzurütteln und zum Bußgebet aufzurufen. Wie es heißt:
Jes. 55,6 SUCHET den EWIGEN, solange er zu finden ist; ruft IHN an, solange ER nahe ist.
Jetzt ist der König nah, jetzt ist der König im Feld und lässt sich von uns finden. Jetzt ist ER in einzigartiger Weise bereit für unsere Gebete.
Die aramäische Übersetzung von Elul bedeutet „erkunden“ oder „suchen“. Die Kundschafter in Num. 13 durchsuchten das Land, stellten jedoch fest, dass es ihnen an Sicherheit בִּטָחוֹן bitachon und Glauben אמונה Emuna mangelte. Während wir selbst versuchen, Unrecht wiedergutzumachen, Fehler einzugestehen, Reue zu empfinden und einen Plan zu schmieden, wie wir es noch besser machen können, dürfen wir nicht vergessen, die letzten Zutaten Bitachon und Emuna in den Allmächtigen einzubeziehen! Nur mit Glauben und Sicherheit, Vertrauen können wir mit Seiner Hilfe unsere inneren Bruchstücke wirklich heilen.
Der Monat Elul ermutigt dazu, dass jeder mit sich selbst ins Gericht geht, denn somit können wir sicher sein, dass Gott uns nicht richten muss. Dazu brauch es schlichtweg das Beten, denn beten heißt auf Hebräisch: lehitpalel לְהִתְפַּלֵּל = mit sich ins Gericht gehen, Seelenbilanz ziehen.
Wir lassen also das vergangene Jahr Revue passieren und versöhnen uns mit jedem Menschen, mit dem wir Schwierigkeiten hatten. Wir gehen selbstkritisch mit uns um. Wir fragen uns nach Unterlassungen und überlegen, wem wir etwas Gutes tun können. Wir haben bis Jom Kippur 40 Tage Zeit. Und so kann der Elul, in dem es keine Feiertage gibt, als großer Advent gelten.
Wir erwarten Gott in großer Nähe zu uns, der uns immer wieder sagt: Wenn es nur dich gäbe, für dich allein hätte ich diese Welt geschaffen, weil du MIR so wichtig bist.
Wenn du zu MIR kommst mit deinem Versagen, mit deinem Irrtum, so helfe ICH dir, auf den geraden Weg zurückzukommen.
Wenn du mit deinen Anliegen, deinen Schmerzen zu mir kommst, so bin ich der Gott, DER dich heilt!
Wenn du MIR vertraust, dass ich die Welt lenke und nicht aus dem Blick verliere, dann vertrau MIR genauso, dass ICH dich nicht aus dem Blick verliere.
Ps. 103,2 Lobe den EWIGEN, meine Seele, und vergiss nicht, was ER dir Gutes getan hat! 3 DER dir alle deine Sünden vergibt und heilt alle deine Gebrechen; 4 DER dein Leben vom Verderben erlöst, DER dich krönt mit Gnade und Barmherzigkeit;
Wir erwarten, unseren VATER zu sehen, vertraulich mit IHM zu sprechen. Selbst wenn unsere Seelenbilanz dürftig ausfällt, erwarten wir, unseren VATER zu sehen, DER sich Seinen Kindern voll Erbarmen und Liebe zuwendet.
Wir sind gut vorbereitet, wenn das neue Jahr beginnt und damit die zehn Bußtage, die ihren Höhepunkt in Jom Kippur finden. Wir sind nicht überrascht von unseren Sünden, weil wir bereits Bilanz gezogen haben. Gott, unser König und Vater hält Gericht, aber wir wissen, dass unser VATER uns liebt, dass unser Gott barmherzig und gnädig ist. Das zeigt er uns in Seine 13 Eigenschaften:
Ex. 34,6 Der EWIGE, der EWIGE, der starke Gott, DER barmherzig und gnädig ist, langsam zum Zorn und von großer Gnade und Treue; 7 DER Tausenden Gnade bewahrt und Schuld, Übertretung und Sünde vergibt, aber keineswegs ungestraft lässt, sondern die Schuld der Väter heimsucht an den Kindern und Kindeskindern bis in das dritte und vierte Glied!
Aufgrund solcher Zusagen dürfen wir uns freuen, dass Gott Freude an uns hat und uns aus allem Dunkel erretten wird.
Zef. 3,17 Der EWIGE, dein Gott, ist in deiner Mitte, ein Held, DER rettet; ER wird sich über dich freuen mit Wonne, er wird still sein in seiner Liebe, ER wird über dich jubelnd frohlocken.