Abrahams Brunnen in Beer Schewa
Schabbat Wajera, 20. Cheschwan 5781; 7. November 2020

Und Er ließ sich sehen

Gen. 18,2 Er hob seine Augen, sah: da, drei Männer, aufrecht über ihm.
Gen. 18,8b Er aber stand über ihnen unter dem Baum, während sie aßen.

Abraham bekommt Besuch, und das ist ein Krankenbesuch. Es ist kurz nach seiner Beschneidung, als drei Männer ihn aufsuchen. Er sah sie auf sich zukommen, und sie standen aufrecht über ihm, wie Martin Buber übersetzt. Abraham in seiner Gastfreundschaft bietet ihnen an, sich frisch zu machen, ihnen Speise und Trank zu servieren. Sarah backt Kuchen und sein Knecht bereitet ein Kalb zu. Nun, als die drei Männer essen, steht Abraham unter dem Baum über ihnen. Dadurch erkennen wir Leser, dass es sich um Engel handelt, die höher stehen als der Mensch, wenn sie kommen. Sie machen sich aber niedriger als Menschen, wenn sie Nahrung zu sich nehmen.
Die Männer fragen auch nach Sarah, weil es nun an der Zeit ist, dass sie selber die Verheißung hört, Mutter zu werden. Sie lacht nicht weniger als ihr Mann Abraham und hält sowohl sich als auch ihn für alt. Nachdem die Männer bemerken, dass Sarah lachte, leugnet sie. Ahnt sie, dass diese drei Männer Engel sind, die ihr Gottes Botschaft bringen? Sie fragen Abraham, warum Sarah lacht und denkt:
V13 Werde ich wahrhaftig gebären, und ich bin doch alt!? Die Engel verschweigen Abraham, dass Sarah ihn auch für alt hielt.
V14 Ist IHM ein Ding unmöglich?
Die Männer wollen wiederkommen, wenn der Sohn geboren ist.

Sodom und Gomorra

Wie eng die Beziehung zwischen Abraham und Gott ist, verrät uns Gen. 18,17: Werde ich vor Abraham verhüllen, was ich tun will? Darum wiederholt Gott zum einen sein Versprechen ihn zu einem großen Stamm werden zu lassen. ER erwartet, dass die Söhne Abrahams in den Wegen Gottes weitergehen, ganz im Gegensatz zu Sodom und Gomorra. Dass er diese Städte vernichten will, verrät er Abraham. Der aber tritt sofort für diejenigen ein, die gerecht sein könnten. Abraham hält Gott vor, dass er doch nicht den Gerechten mit dem Frevler umbringen wolle. Er beginnt mit Gott einen Handel, den er von 50 auf zehn Gerechte herunter handelt. Abraham erwartet nicht mehr viel Gerechtigkeit in dieser Gegend, aber auch um der wenigen Willen kämpft er mit Gott.
50 wird im Hebräischen mit dem Buchstaben נ (Nun) wiedergegeben, was ein altes Wort für Fisch ist. Der Fisch als Wassertier gilt als der stumme Diener Gottes, der die Augen immer geöffnet hat, immer umsichtig ist. 5 steht aber auch für das, was über die vier, das Weltliche und Zeitliche, hinausgeht, und somit rein ragt ins Göttliche. Wir kennen die 50 von Pfingsten bzw. Schawuot her.
Die 10 finden wir bei den zehn Geboten oder den zehn Plagen. Sie zeigt immer ein doppeltes Eingreifen Gottes in diese Welt. Aber von 50 bis 10, Gott findet die Gerechten nicht. Nicht die, die Ihm still dienen noch die, welche die Noachidischen Gebote einhalten, ein Mindestmaß an Observanz.
Von hier kommt auch die Erklärung, warum im jüdischen Gottesdienst zehn Männer anwesend sein müssen. Wenn zehn Gerechte gefunden worden wären, dann wären Sodom und Gomorra gerettet worden. Die Gebete von zehn Gerechten können die Welt verändern.
Aber die Engel, die auch zu Lot kommen, können nur ihn und seine Familie retten. Sie müssen zuerst einmal Lot vor den Sodomitern helfen. Aus Achtung vor den Gästen hätte Lot sonst noch seine Töchter geopfert. Sechs Leute gedenken die Engel rauszuführen, zum Schluss können sie aber nur Lot und seine zwei Töchter retten. Diese drei Menschen stehen für einen Neubeginn, für eine Transformation. Darum rechnet Gott es den Töchtern Lots auch zum Guten an, als sie mit ihrem Vater schlafen. Durch das grausame Spektakel mussten sie denken, dass außer ihnen niemand überlebt hat. Selbst ihre Mutter blieb zurück.
Wie war es wohl für Abraham, als er am nächsten Morgen Sodom und Gomorrha im Qualm eines Schmelzofens sah? (19,28) Was hat er wohl gedacht, empfunden, als er diese Zerstörung sah? Hatte er das Gefühl, umsonst mit Gott gehandelt zu haben?
Gen. 19,29: Gott gedachte Abrahams, er rettete Lot. Gott muss nicht gedenken, denn ER ist nicht vergesslich. Aber Abraham weiß, dass Gott gerecht handelte, dass die Städte aber gänzlich verdorben waren. Auch für drei Gerechte setzte Gott sich ein.

Abraham im Philisterland

Abraham, der immer unterwegs ist, gastet in Gerar. Hier im Philisterland  ist Abimelech König, und Abraham bittet Sarah wie in Ägypten, sich als seine Schwester auszugeben. Auch Abimelech nimmt Sarah zu sich. Ihm erscheint Gott in der Nacht und offenbart ihm die Lage. Am nächsten Tag fragt der Abraham:
Gen. 20,9 „Was hast du uns getan! Womit habe ich dir gesündigt, daß du über mich und mein Königreich so große Versündigung hast kommen lassen? Taten, die man nicht tun soll, hast du an mir getan.“
Jetzt ist Abraham am Zug, sich zu erklären. Warum hat er angenommen, dass hier keine Furcht Gottes sei? Abimelech erklärte Gott, dass er in der Einfalt seines Herzens gehandelt habe, und Gott wusste das. Es gab die eine Möglichkeit, dass Abimelech Abraham seine Frau zurückgab. Anders als der ägyptische Pharao schenkt Abimelech dem Abraham sogar Schafe und Rinder, Knechte und Dienstmägde, und lässt ihn in seinem Land siedeln.
Gott hatte wegen Sarah alle Frauen unfruchtbar werden lassen, die am Hof Abimelechs lebten. Abraham betete für sie und sie wurden geheilt. Dieses Zeichen ist sehr passend, denn auch Sarah soll schwanger werden von ihrem Mann und ein Kind bekommen. Ihre Unfruchtbarkeit ist beendet. Dass Gott dem Abimelech so zeitig im Traum erschien, lässt uns Leser wissen, das Abraham unzweifelhaft der Vater ist und nicht Abimelech.
Woher hätte Abraham wissen können, dass es im Philisterland doch Gottesfurcht gab? Abimelech heißt: Mein Vater ist König. Mit diesem Vater ist meistens Gott gemeint. Es gab also zumindest die Chance. Auch Abraham muss lernen, dass derselbe Trick nicht immer vonnöten ist.

Ein Sohn ist ihnen geboren

In Kapitel 21,1 wird in besonderer Weise betont, wie Gott an Sarah handelt. „Er ordnet Sarah zu wie er gesprochen hat, an Sarah tat ER, wie er geredet hatte.“ In einer Verdopplung wird gesagt, dass Gott nun sein Wort erfüllt. Sarah darf sich freuen!
V2 Sarah wurde schwanger und gebar Abraham auf sein Alter einen Sohn, zu der Frist, von der Gott geredet hatte.
Gott hält Wort. Es ist nun der Sohn Sarahs und Abrahams, aber nur Abrahams Alter wird betont. Auch lesen wir, dass Abraham seinen Sohn Jizchak nennt, er wird lachen, ganz so, wie Gott es ihm aufgetragen hat. Wir erinnern uns: Abraham hat gelacht, und dann Sarah. 100 Jahre war Abraham alt, als er Vater des verheißenen Sohnes wurde. Wieder ein doppeltes Eingreifen Gottes, das sich in der Potenzierung der Zahl 10 zeigt.
Aber auch Sarah ist einverstanden mit diesem Namen, denn sie weiß, dass jeder, der die Nachricht hört, über sie lachen wird. Ihr selber hat Gott ein Lachen zubereitet, denn wider alle Vernunft kann sie ein Söhnlein säugen. Dreimal lesen wir von der Betonung des Alters Abrahams:
V2 gebar Abraham auf sein Alter einen Sohn
V5 Abraham aber war hundert Jahre, als Jizchak sein Sohn ihm geboren wurde.
V7 Wohl, einen Sohn hab ich ihm auf sein Alter geboren!

Diese dreimalige Betonung des Alters zeigt, dass Abraham besonders auf die Geburt gewartet hat, und dass sich das Warten gelohnt hat. Der Sohn, über den die Verheißung weitergehen wird, ist geboren!
Jizchak wird groß und er wird entwöhnt. Zu diesem Anlass gibt Abraham ein Fest. Als der Sohn Hagars mit Jizchak seinen Spott treibt, ist das sehr schlimm für Sarah. Ob sie daran erinnert wird, wie Hagar ihr zusetzte, als diese mit Jischmael schwanger war? Auf jeden Fall will sie nun, dass die Magd und ihr Sohn verschwinden. Für Abraham muss das eine schwierige Situation gewesen sein, denn immerhin hatte er zwei Söhne. Aber Gott macht ihm klar, dass der Augenblick für die Trennung nun der richtige sei und er auf die Stimme Sarahs hören müsse. Hier steht ganz eindeutig und von Buber richtig übersetzt:
Gen. 21,12 „Höre auf ihre Stimme.“
Damit wird ausgedrückt, dass Sarah im Auftrag Gottes etwas ausspricht, denn „Stimme“ ist ansonsten belegt für Gott. Abraham erfährt aufs Neue, dass Jischmael, sein Sohn gesegnet sein wird.
In der folgenden Geschichte wird Jischmael immer als Kind dargestellt. Wir wissen aber, dass er mit 13 Jahren beschnitten wurde. Bei der Geburt Jizchaks war er 14 Jahre alt. Ein Kind wurde etwa mit drei Jahren entwöhnt, so dass er ein etwa 17-jähriger Jugendlicher war. Warum wird er also immer noch „Kind“ genannt? Es wird um die Beziehung von Abraham und Jischmael gehen, denn er schickt sein erstes Kind fort. Auch für die Mutter ist es in erster Linie ein Kind, das mit ihr Durst leidet. Sie kann nicht zusehen, wie ihr Kind stirbt.
Obwohl wir nichts lesen von Klageworten Jischmael oder von seinem Weinen oder Klagen, hört Gott die Stimme des Knaben. Wieder begegnet Hagar als erster Frau der Bibel ein Engel. Er erinnert sie an Gottes Versprechen, und wenn Gott etwas zusagt, hält er es gewiss. Endlich sieht sie den Brunnen, aus dem sie für sich und den Knaben Wasser schöpfen kann. Später holt sie ihrem Sohn eine Frau aus Ägypten, ihrer Heimat.

Beer-Schewa

Beer-Schewa ist der Name des Ortes, an dem Abraham und Abimelech einen Bund schlossen. Abimelech erlebt, dass Abraham ein Gesegneter ist, dem alles gelingt, was er anfasst. So möchte er die Gewissheit haben, dass Abraham ihm so wohlgesonnen ist wie Abimelech einst auch dem Abraham. Dieser erhebt auch Anspruch auf einen Brunnen, den er gegraben hat, und der ihm von den Knechten Abimelechs weggenommen wurde. Er stellt sieben Lämmer beiseite, die bezeugen sollen, dass Abraham der Eigentümer dieses Brunnens ist.
Beer heißt auf Hebräisch der Brunnen, Schewa heißt sowohl sieben oder Fülle als auch Schwur. Für diese sieben Lämmer, die den Schwur am Brunnen besiegeln, heißt die Stadt Beer Schewa.
Hier schließen zwei Männer einen Bund, der ihnen ein gutes Miteinander garantieren wird. Abimelech zeigt sich wiederholt als ein Mann, der Werte hat und an ihnen festhält.

Jizchaks Bindung

Zu dieser Geschichte erklärt mein Mann Yuval, das Gott Abraham herausforderte. Als Gott ihn anspricht, ist Abraham sofort zur Stelle mit dem bekannten Ausdruck hineni – Hier bin ich!, der die Antwort auf eine Berufung ist. Gott bittet Abraham, seinen Sohn zu nehmen, denn er benutzt die kleine Partikel נָא (na) für seine Anrede, das die Bedeutung von „bitte“ hat.
Seinen Sohn wird er nehmen, aber welchen, er hat doch zwei? Er soll den einzigen nehmen, den ihm seine Ehefrau Sara geboren hat. Er soll den nehmen, den er liebt. Jizchak ist der einzige, der bei ihm lebt und seine ganze Liebe erfährt. Er möge ihn auf einem Berg zur Darhöhung bringen. Und da gibt es eine große Ähnlichkeit mit seiner ersten Berufung, denn auch diesen Berg will Gott ihm noch zeigen.
Abraham wird lernen, wie eine Darhöhung aussehen kann. Das Land, in dem sich der Berg befindet, ist Morija! Das bedeutet: Gott ist mein Lehrer.
Für Abraham ist es ein Ansporn, morgens früh aufzustehen und alles vorzubereiten, seine Knechte und seinen Sohn mitzunehmen, um zu dem Ort zu gehen, den Gott ihnen zeigen würde. Am 3. Tag, das ist eine sehr deutliche Aussage, denn sie weist schon auf die transformatorische Erfahrung Abrahams hin. Am dritten Tag sieht er den Ort von Ferne. Er beschließt, mit Jizchak alleine zu gehen und auf die gemeinsame Rückkehr zu den Knechten zu vertrauen. Sie gehen gemeinsam, vertraut miteinander. Jizchak wundert sich über das fehlende Opfertier, und Abrahams Antwort ist, dass Gott sich das Lamm ersehen wird. Noch einmal wird auf das vertraute Miteinander von Jizchak und Abraham aufmerksam gemacht. Auch wenn Abraham seinem Sohn eine deutliche Antwort schuldig geblieben ist, teilt Jizchak doch den Glauben an Gott, der um das Opfertier weiß. Jizchak lässt sich binden. Dementsprechend heißt in der jüdischen Tradition der Abschnitt auch Bindung und nicht Opferung Jizchaks.
Abraham ist bereit, gemäß seiner Vorstellung und seiner Erfahrung, die er im heidnischen Land gemacht hatte, seinen Sohn Gott zu geben, auch wenn er lange auf ihn warten musste. Er weiß, dass Gott seine Verheißung wahr machen wird, er glaubt an die Auferstehung und an Gottes Allmacht. Aber Gott gebietet ihm Einhalt durch seinen Engel und ruft ihn zweimal. Ein zweimaliges Rufen zeigt, wie wichtig die Angelegenheit ist.
Gott hat Abraham gezeigt, dass er grenzenlosen Glauben hat. Gott wusste es, aber Abraham musste diese Gewissheit gewinnen. Und Gott ersieht sich wirklich einen Widder, der sich im Gestrüpp verfangen hat, zur Darhöhung. Diesen bringt Abraham nun dar mit dem Holz und dem Feuer, wie er es wusste. Er musste aber lernen, dass es kein Menschenopfer geben darf. In der Beziehung zu Gott kann man IHN nicht gewinnen mit dem Blut von Menschen wie im Götzendienst. Ein Mensch darf nur insofern dargebracht werden, wie es ein Berg ermöglicht. Auf einem Berg Gott nahe zu kommen heißt, ihm in besonderer Weise zu begegnen und sein Herz für Gott zu öffnen. Der Berg ist ebenfalls ein Ort des Lernens, wie ich es an anderem Ort ausgeführt habe. (Bitte Wort anklicken.)
Auf diese Weise durfte er seinen Sohn zu Gott bringen, dass er die Gebote und Treue Gottes lerne, aber nicht durch das Töten zum Zweck des Opferns. Diese Maxime gilt im Judentum sehr streng, und damit ist jegliches Menschenopfer obsolet. Bezüglich der Erlösung von Sünden hat Gott immerhin gesagt, dass ER selber die Sünden sühnen wird, dass ER die Menschen reinwaschen wird, dass ER vergeben wird. Nirgends hat ER davon gesprochen, dass ein Mensch dafür sterben muss.
Ps. 65,4 Missetaten überwältigen mich; unsere Übertretungen — du wirst sie sühnen.
2.Chro 7,14  und mein Volk, über dem mein Name ausgerufen worden ist, demütigt sich, und sie beten und suchen mein Angesicht und kehren um von ihren bösen Wegen, so will ich es vom Himmel her hören und ihre Sünden vergeben und ihr Land heilen.
Ps. 85,3 hast vergeben die Schuld deines Volkes, hast alle ihre Sünde zugedeckt.
Hos. 1,6 Und als sie wiederum schwanger wurde und eine Tochter gebar, da sprach Er zu ihm: Nenne sie »Lo-Ruchama«; denn ich werde mich über das Haus Israel künftig nicht mehr erbarmen, dass ich ihnen vergeben würde!
Jes. 1,18  Kommt doch, wir wollen miteinander rechten!, spricht der Ewige. Wenn eure Sünden wie Scharlachsind, sollen sie weiß werden wie der Schnee; wenn sie rot sind wie Karmesin, sollen sie weiß wie Wolle werden.

Nochmals spricht Gott seinen Segen und seine Verheißung über Abraham aus, dass sich alle Völker der Erde mit seinem Namen segnen werden. Das verheißt eine große Gemeinsamkeit der Völker und könnte Frieden bedeuten. Einen gemeinsamen Vater zu haben, der einen so großen Glauben vorgelebt hat, könnte ein Ansporn für alle Völker sein, ohne sich bekriegen zu müssen. Abraham war gastfreundlich, bescheiden und stark im Glauben. Ein gutes Vorbild!
Abraham kehrt allein zu seinen Knechten zurück, Jizchak ist auf dem Berg geblieben. Der jüdische Midrasch kennt zahlreiche Geschichten, wie Jizchak dort oben auf dem Berg Begegnungen mit Gott hatte und von Gott lernte.

Wenn Sie mehr erfahren wollen, lesen Sie: https://www.synagoge-karlsruhe.de/parshah/default.htm
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