zur Parascha Nasso am Schabbat , d. 11. Siwan 5781; 22. Mai 2021

Die Ankündigung der Geburt Schimschons ist die Vorlage für die Geburtsankündigung an Maria bei Lukas 1,26ff. Man sollte den Text in der bekannten Lutherübersetzung lesen, um die Parallelen zu hören.
Teilweise entnommen von den Aufzeichnungen des Seminars meines Mannes Yuval Lapide zu außergewöhnlichen Geburten.

Die Geburt Schimschons fällt in die Zeit der Richter in Israel. Gott setzte sie ein, weil Israel eine Theokratie sein sollte. Doch in dieser Zeit ging es im Volk drunter und drüber. Die Gebote Gottes wurden nicht beachtet, die Söhne Israels taten Böses רַע ra, weshalb Gott auch diesmal Israel 40 Jahre in die Hand der Philister פְּלִשְׁתִּים plischtim, der Eindringlinge (von liflosch לִפְלוֹשׁ eindringen), gab.
40 ist die Zahl mit universeller Bedeutung, besonders mit zeitübergreifender Bedeutung, für das Volk. Israel wurde beauftragt, sich an die 40jährige Wüstenwanderung jedes Jahr zu erinnern und zu verstehen, dass es während dieser Jahre zur inneren Einheit finden musste und muss.

Nun will Gott den Weg für einen neuen Richter bahnen. Dazu wird uns EIN Mann aus Zora genannt.
Ri. 13,2 Ein Mann war aus Zora, aus der Dansippe, sein Name war Manoach, sein Weib war wurzelverstockt: sie hatte nicht geboren.
וַיְהִי אִישׁ אֶחָד מִצָּרְעָה = wajihi isch echad mizora. Im Hebräischen steht nicht nur der unbestimmte Artikel, sondern die Zahl eins, der eine Mann. Damit weiß der Leser, dass Gott gegenwärtig ist, dass Gott Seine Hände im Spiel hat bei allem, was jetzt kommt.
Der Ort Zora hat zu tun mit צָרַעַת Zara‘at Aussatz, der durch רָעָה ra‘a das Böse im Menschen entsteht, dem er Raum gibt, und wodurch er in צֵר zar die Enge und Isolation gerät. Diese Isolation führt zur üblen Nachrede, was wiederum den Aussatz zur Folge hat. Wahrscheinlich gab es in Zora solche Vorfälle.

Dieser eine Mann ist Manoach aus dem Stamm Dan. Dan war der fünfte Sohn Jakobs, den er mit seiner Nebenfrau Bilha hatte. Sein Name bedeutet: Rechtsspruch, Urteil. Rachel, Bilhas Herrin, gab ihm den Namen und sagte dabei
Gen. 30,6 Rachel sprach: Geurteilt hat Gott über mich und auch erhört hat er meine Stimme, er hat mir einen Sohn gegeben. Darum rief sie seinen Namen: Dan, Urteiler.

Manoach heißt: der Ruhespender, von מָנְוֹחַ manoach = Ruhe. Er teilt seinen Namen mit Noach, dem Erbauer der Arche. Allerdings sind die Erwartungen an ihn größer als die Realität. Wir werden das noch an seinem Verhalten sehen. Er ist derzeit gar nicht wichtig, sondern seine unfruchtbare Frau. Sie bekommt im Verlauf der Geschichte keinen Namen, weil sie sich durch ihre Handlung auszeichnet.
In der Bibel sehen wir wichtige Frauen ohne Namen, wie z.B. in
2.Sam. 14,2 da schickte Joab nach Tekoa, er ließ von dort eine weise Frau (אִשָּׁה חֲכָמָה ischa chachama) holen
2.Sam. 20,16 Da rief eine weise Frau (אִשָּׁה חֲכָמָה ischa chachama) aus der Stadt: Hört! hört! sprecht doch zu Joab: Nahe hierher, daß ich zu dir reden kann!
1.Sam. 28,7 Schaul sprach zu seinen Dienern: Sucht mir ein Weib, Meisterin eines Elben, des Wissens der Altvorderen אֵשֶׁת בַּעֲלַת אוֹב Eschet ba’alat ow

Diese Frauen bekommen den Zusatz „weise“, auch die als Hexe verschriene Frau von Endor. Sie verfügte über das Wissen der Väter (אוֹב ow von Aw אָב Vater) und war keinesfalls eine Hexe oder ging mit Toten in Form von Beschwörung um. Ein Grund, warum Gott sie vor der Vernichtung bewahrt hatte.

So hat nun die Frau Manoachs keinen Namen, wie auch der Bote Gottes nicht. Sie sind sich durch ihr Hören auf Gott und Handeln im Auftrag Gottes bereits nahe. Wenn auch der Bote sich nicht mit Namen vorstellt, so erkennt sie in ihm den Engel Gottes, der als solcher auch dem Mose am brennenden Dornbusch erschienen war. Er wird bei der Frau mit denselben Worten vorgestellt wie bei dem großen Lehrer Mose.
Ex. 3,2 SEIN Bote מַלְאַךְ יְהוָֹה (mal’ach Adonai) ließ von ihm sich sehen in der Lohe eines Feuers mitten aus dem Dornbusch.
Ri. 13,3 SEIN Bote מַלְאַךְ יְהוָֹה (mal’ach Adonai) ließ sich von dem Weibe sehen und sprach zu ihr: Merk wohl auf, wurzelverstockt bist du, hast nicht geboren, schwanger wirst du werden, gebären wirst du einen Sohn, …

Der Bote wiederum weiß alles über die Frau und ihre Not. Er kündigt ihr die Geburt eines Sohnes an, der beginnen soll, Israel zu erretten (לְהוֹשִׁיעַ lehoschi’a = erretten; יוֹשִׁיעַ joschi’a er wird retten).  Von Mutterleib an ist er ein Gott geweihter Knabe (Nasiräer). Seine Mutter bekommt genaue Anweisungen von dem Boten für ihr Verhalten, für ihre Ernährung und für den Umgang mit dem Kind: Kein Alkoholgenuss, keine unreinen Speisen, und dem Jungen sollen die Haare nicht geschnitten werden. In der Zeit der Ausschweifigkeit, die zur Zeit der Richter herrschte, ist nun Enthaltsamkeit angesagt. Dreimal lesen wir die Botschaft des Engels (V4, V7, V14), was bedeutet, dass Transformation angesagt ist.

Die Frau ist von Ehrfurcht ergriffen und berichtet ihrem Mann das Erlebte.
Ri. 13,6 Das Weib kam und sprach zu ihrem Mann, sprach: Ein Mann Gottes ist zu mir gekommen, sein Aussehn wie eines Gottesboten Aussehn, sehr furchtbar, ich habe ihn nicht gefragt, woher er sei, seinen Namen hat er mir nicht vermeldet,
Manoach aber teilt diese Ehrfurcht nicht im Geringsten und hat nichts anderes zu tun, als den Boten nochmals herbei zu bitten. Er benimmt sich kindisch. Er will den Engel sehen unter dem Vorwand, die Weisung für den Jungen bekommen zu wollen, dabei hatte seine Frau ihm doch alles, was sie erfahren hatte, gesagt. Das zeigt sein Misstrauen gegenüber seiner Frau. Vielleicht kommt er sich auch benachteiligt vor, in jedem Fall zeugt sein Verhalten weder von Glauben an Gott noch von Respekt gegenüber einer Botschaft des Himmels.

Gott ist gnädig, darum erhört ER Manoachs Gebet. Trotzdem geht der Engel wieder zur Frau, sodass sie ihren Mann dazu holen muss. Gott und die Frau arbeiten zusammen, indem sie ihren Mann nun zu der Botschaft hinzuzieht. Und der folgt ihr. Doch er misstraut seiner Frau noch immer, darum fragt er den Engel:
Ri. 13,11  Manoach erhob sich und ging seinem Weibe nach, er kam zu dem Mann und sprach zu ihm: Bist du der Mann, der zu dem Weibe geredet hat? Er sprach: Ich.
So despektierlich spricht man nicht mit einem Engel. Manoach versteht nichts. Die Antwort des Engels „Ich“  ist sehr unterkühlt und kurz, eine Abfuhr an Manoach. „Ich“ kann eine Anspielung sein auf das Tetragram, das im Hebräischen jedoch nicht verwendet wird, aber es steht fest: Manoach ist ignorant.
Manoach fragt wieder respektlos und ungläubig:
Ri. 13,12 Manoach sprach: Jetzt also, kommt es nach deiner Rede, was soll die Richte des Knaben und das Tun an ihm sein?
Er befragt den Boten, doch der hatte doch der Frau bereits alles gesagt und vertraute ihr.
Ri. 13,13 SEIN Bote sprach zu Manoach: Vor allem, wovon ich zu dem Weibe gesprochen habe, soll sie sich hüten, …
Trotzdem erkannte לֹא יָדַע lo jad’a Manoach den Engel nicht. Er bedeutet Manoach deutlich: „Ich habe schon alles der Frau gesagt! Sprich mit ihr und höre auf sie! Wachse an der Glaubensstärke deiner Frau!“ Dem Engel ist klar, dass Manoach alles von seiner Frau weiß, doch da er so ungläubig ist, drückt der Engel sein Missfallen gegen Manoach deutlich aus.
Dieses Nicht-Erkennen war sicher auch das Problem zwischen ihm und seiner Frau und somit für ihre Kinderlosigkeit. Zwischen den Eheleuten gab es keine Vertrautheit, kein Vertrauen. So konnte es kein Eins-werden, kein Erkennen zwischen ihnen geben. (לדעת lada’at = erkennen, eins werden) Das mangelnde Vertrauen scheint eine Charaktereigenschaft Manoachs zu sein, die sein Verhältnis zu Gott und zu seiner Frau kennzeichnet. Darum musste Gott eingreifen.

Manoach ist indifferent und auf Äußeres bedacht. Er bereitet das Essen nicht einfach vor wie Abraham beim Besuch der drei Engel, sondern fragt.
„Wer viel fragt, kriegt viel Antwort.“ Der Engel lässt sich nicht von ihm aufhalten, weil Manoach einfach nur konformistisch ist.
Ri. 13,16 SEIN Bote sprach zu Manoach: Hieltest du mich auf, ich äße nicht von deiner Speise, aber willst du IHM eine Darhöhung bereiten, magst du sie höhen. Denn Manoach wußte nicht לֹא יָדַע lo jad’a, daß es SEIN Bote war.

Er ist unangemessen ruhig, fast apathisch. Die Frau braucht seinen Namen nicht einmal als „Frau des …“, wie wir es z.B. von Debora kennen, weil sie sich innerlich von seiner Trägheit und Lethargie getrennt hat. Sie ist eine Nonkonformistin und entscheidet die Namensvergabe autonom.
Der Engel braucht keinen Namen, weil es um Berufung geht, trotzdem fragt Manoach danach.
Ri. 13,18 SEIN Bote sprach zu ihm: Warum doch fragst du nach meinem Namen, wunderhaft ist der!
Die Frau hat die Namenlosigkeit und Heiligkeit des Boten verstanden. Dadurch wird sie auf die Höhe des Engels erhoben. Man könnte ihr die Namen geben: die Verstehende, die Wunderbare in Anlehnung an V18.

Manoach braucht erst das Außergewöhnliche, dass der Engel auffährt in der Flamme seines Opfers.
Ri. 13,21 SEIN Bote wurde fortan nicht mehr von Manoach und von seinem Weibe gesehn, aber nun wußte Manoach, daß es SEIN Bote war.
Doch da kommt ihn plötzlich die Furcht an, die ihm vorher fehlte. Nun ist es sogar eine Furcht um sein Leben.
Ri. 13,22 Manoach sprach zu seinem Weib: Todes sind wir, Todes, denn wir haben Gottheit gesehen!
Die Größe der Frau wird jetzt klar und deutlich darin, dass sie keine Angst vor dem Tod hat. Sie hat verstanden, dass Gott sie berufen und nicht töten wollte.
Ri. 13,23  Sein Weib sprach zu ihm: Begehrte ER uns zu töten, hätte ER nicht aus unsern Händen Darhöhung und Hinleite angenommen, hätte uns nicht all dies sehen lassen, uns derzeit nicht derlei hören lassen.
Frauen haben eine größere Fähigkeit, mit Engeln zu sprechen, weil sie intuitiv verstehen. Manoach zitiert dagegen in seiner unbegründeten Angst nur zusammenhanglos sein Torawissen, obwohl selbst die Tora das Gegenteil bezeugt:
Dtn. 4,33 … ob ein Volk Gottes Stimmenschall hörte redend mitten aus dem Feuer, wies hörtest du, und blieb leben,
Dtn. 5,21 und spracht: Da hat ER unser Gott uns seine Erscheinung und seine Größe sehen lassen, seine Stimme haben wir mitten aus dem Feuer gehört, an diesem Tag haben wir gesehn, wie Gott mit dem Menschen redet und der bleibt leben, …

Seine Frau dagegen steht in der Kraft der Drei, denn drei Dinge verbietet ihr der Engel in
V4 und V14 Wein und Rauschsaft trink nimmer, allerart Makliges iß nimmer.
Diese Botschaft wird dreimal wiedergegeben: durch den Engel an die Frau, durch die Frau an Manoach und durch den Engel an Manoach. Es steht eine Transformation an, die mit Schimschon beginnen soll. Schimschon (שִׁמְשׁוֹן = der kleine Diener von לְשַׁמֵּשׁ leschamesch = dienen) wird nur ein kleiner Diener werden, darum kann er nur beginnen, Israel zu retten. Er wird seine Schwächen haben, die ihn selbst zu Fall bringen. Wenigsten sein Werk gegen die Feinde Israels kann er zu Ende bringen. Der Name Schimschon kommt in der Quersumme ebenfalls auf 3, sodass die Transformation durch ihn in Gang gesetzt wird.
Ri. 13,25 SEIN Geistbraus begann ihn umzutreiben im Lager Dans, zwischen Zora und Eschtaol.
Gottes Geist wirkte in Schimschon und begann in ihm Sein Werk. Schimschon spürt, dass Gott ihn für Seinen Urteilsspruch (Dan) braucht. Aber er ist ein Mann, der immer unruhig hin und her getrieben wird. Die Orte sprechen eine deutliche Sprache, denn er pendelt zwischen Zora, dem Bösen, der Versuchung durch die Frauen und seiner Berufung. Eschtaol  bedeutet: das Feuer des Sche’ol  אש של שאול Esch schel Sche’ol. Dieser Ort deutet das Oszillieren zwischen Gefahr und Untergang an und schließlich seinen eigenen Untergang im Tempel des Dragon.

Der Talmud sagt, es sei nicht unsere Aufgabe ein Werk zu vollenden, aber es zu beginnen. Es dürfen mehrere an dem großen Werk Gottes beteiligt werden, jedoch vor dem Werk selber dürfen wir uns nicht drücken. Es ist eine Sache des Vertrauens, dass Gott Sein Werk zum Ende bringt.

„Nicht liegt es an dir, das Werk zu vollenden, aber du bist auch nicht frei, von ihm abzulassen.“

Rabbi Tarphon, Sprüche der Väter 2,16

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