zur Paraschat Chaje Sara Gen. 23,1 – 25,18 am Schabbat 24. Cheschwan 5782; 30. Oktober 2021

König David, der einstige jugendliche Held, der mit seinem Gottvertrauen den Riesen Goliath zur Strecke gebracht hatte, ist ein alter Mann geworden. Die 40 Jahre seiner Königsherrschaft verlangten ihm viel ab, und so wurde er besonders innerlich alt und gebrochen. Dabei wurde er laut jüdischer Tradition nur 70 Jahre alt. 7 bedeutet eine weltliche Fülle, doch lassen sich die 70 Jahre kaum mit dem Alter anderer Greise vergleichen, wie wir noch sehen werden.
1.Kön. 1,1 Der König Dawid war alt, in die Tage hochgekommen, man hüllte ihn in Gewänder, aber ihm wurde nicht warm.
In Psalm 90 machte sich David schon Gedanken über die endlichen  Tage unseres Lebens, die uns zur Weisheit bringen können, wenn wir uns ihre Zählbarkeit, ihre Begrenztheit bewusst machen. Darin erwähnt er ebenfalls nur eine für biblische Verhältnisse vergleichsweise geringe Lebenszeit:
Ps. 90,10 Die Tage unsrer Jahre sind für sich siebzig Jahre, und wars in Kräften, sinds achtzig Jahre, und ihr Ungestüm ist Mühsal und Harm, wenns mäht, eilends, entfliegen wir. … 12 Unsre Tage zu bestimmen, laß es recht kennen, daß ein Herz der Weisheit einkomme uns!

David wurde demnach nicht alt, vergleicht man ihn mit anderen Gestalten der Tora, wie Abraham aus der dazugehörigen Parascha.
Gen. 24,1 Abraham war alt, hochgekommen in die Tage, und ER hatte Abraham in allem gesegnet.
Mit denselben Worten wird hier das Altwerden Abrahams genannt, doch in der Folge dieses Verses organisierte er noch über seinen Knecht Elieser eine Frau für Jizchak. So kam Rebekka zu Jizchak und tröstete ihn über den Tod Saras. Diese war im Alter von 127 Jahren gestorben, und Abraham kaufte die Höhle Machpela als Begräbnisort. Sara war einem Midrasch zufolge gestorben, als der Satan sie anlog und ihr erzählte, Abraham habe Jizchak bei der Bindung wirklich getötet.

Obwohl Sara bereits bei der Ankündigung von Jizchaks Geburt gesagt hatte, ihr Mann sei alt, zeigt er sich nach ihrem Tod recht rüstig. Er nahm sich eine zweite Frau namens Ketura, die laut jüdischer Tradition Hagar war. Mit ihr und weiteren Nebenfrauen bekam Abraham noch weitere Söhne und Töchter, die jedoch nicht den Stellenwert Jizchaks einnahmen. Sie bekamen von Abraham Geschenke, während Jizchak der rechtmäßige Erbe und Nachfahre als Patriarch war.

Von Abraham heißt es bei seinem Tod:
Gen. 25,7 Dies sind die Tage der Lebensjahre Abrahams, die er lebte: hundert Jahre und siebzig Jahre und fünf Jahre, da verschied er. 8 Abraham starb in gutem Greisentum, alt und satt, und wurde zu seinen Volkleuten eingeholt.

Abraham hatte ein Leben mit Gott gelebt. Am Ende seiner Tage konnte er auf eine reiche, bewegende Zeit, in der er selbst Menschen bewegt hatte, dankbar zurückblicken. Er hatte Seelen für den Einen Gott gewonnen, hatte mit Gott um die Einwohner von Sodom und Gomorra gerungen. Er war den Weg des Friedens gegangen, als er Lot die Wahl seines Aufenthaltes überließ, aber hatte für seinen Neffen ebenso gegen Könige gekämpft.  Es gab in seinem Leben Herausforderungen, aber nie lesen wir, dass er Gott ungehorsam war oder IHM nicht vertraut hätte. Zwar gab er seine Frau als seine Schwester aus, doch erfahren wir, dass er damit durchaus die Wahrheit gesagt hatte.

David war ebenso ein Freund Gottes. Als 8. und Jüngster wurde er aus den Söhnen Jischajs erwählt und zum König gesalbt, obwohl Scha’ul noch im Amt war, aber von Gott verworfen. Die Zahl 8 verweist auf die Ewigkeit, die Transzendenz Gottes, denn der Thron Davids wird in Ewigkeit bestehen und der Maschiach in den letzten Tagen aus seiner Linie hervorgehen.
דָּוִד David hat dieselbe Sprachwurzel wie דֹּד dod = Liebling oder Oheim. Er kämpfte mit und für Gott und ließ nicht zu, dass Gottes Feinde über IHN spotteten. Vor Gottes Entscheidungen hatte er Respekt, denn er wagte nicht, den Gesalbten des Ewigen, König Scha’ul, anzutasten. So durfte er die Jebusiterstadt Jerusalem einnehmen und alles für den Tempelbau durch seinen Sohn Schlomo vorbereiten. In den Jahren seiner Herrschaft festigte er das Reich. In seinen zahlreichen Psalmen sehen wir Davids Liebe zu seinem Gott.

Trotzdem zählten seine Lebenstage nur 70 Jahre und er fror so sehr, dass ihn kein Kleidungsstück wärmen konnte. Innerlich war ihm kalt, was vielleicht mit seinen schmerzlichen Lebenserfahrungen zu tun hatte. Immerhin waren der Ehebruch mit Batscheba und der Mord an ihrem Mann ein großer Einschnitt in seinem Leben und in seiner Beziehung mit Gott.
Drei seiner Söhne waren umgekommen, wobei er um Abschalom, der ihm den Thron streitig machen wollte, fast schon in krankhafter Weise trauerte. Nun, da David alt ist, will Adonija den Thron an sich reißen und sich über die Vorhersage Nathans hinwegsetzen, laut der Schlomo König werden würde.
1.Kön. 1,6 Sein Vater aber hatte ihn seiner Tage nicht betrüben wollen, …
David erzog seine Söhne nicht, vielleicht weil er wenig Zeit für sie hatte, weshalb auch Raschi sagt: „Sein Vater hat ihn nie verärgert. In dieser Episode lernt man, dass‚ wer es unterlässt, sein Kind zu tadeln, bringt es in den Tod‘.“
David hatte mehrere Frauen, und mit ihnen Kinder, aber diese kamen zu kurz. Die fehlende Erziehung, die fehlenden Grenzen, die den jungen Knaben nicht gesetzt wurden, zeigen nun ungute Folgen.

Am Ende seiner Tage sieht David auf sein Leben zurück und sieht, dass es schwere Brüche gab, von denen er sich nicht erholte. Sogar in den letzten Tagen ließ David sein Volk Israel zählen, womit er Gott sehr verärgerte.
2.Sam. 24,10 Aber Dawids Herz schlug ihn, nachdem er das Volk gezählt hatte Dawid sprach zu IHM: Ich habe sehr gesündigt in dem, was ich tat, jetzt aber, DU, lasse doch den Fehl deines Knechts vorbeigeschritten sein, denn ich war sehr betört.
Aufgrund dieses Hochmuts starben 70.000 Menschen an der Pest. David war für ihren Tod verantwortlich, auch wenn er die Seuche mit einem Opfer beendete. Ihm war in Ps. 99 etwas Wichtiges bewusst:
Ps. 99,6 Mosche und Aharon unter seinen Priestern, Schmuel unter denen, die rufen seinen Namen, – sie rufen zu IHM, und er, er antwortet ihnen.. 8 DU, unser Gott, du bists, der antwortete ihnen, tragende Gottheit bist du ihnen gewesen, die Händel wider sie ahndend.
Was Menschen auch tun, Gott ahndet Unrecht, ER richtet das gebeugte Recht wieder auf. נֹקֵם nokem = aufrichten. David wusste, dass sein Unrecht durch Ahndung, nicht durch Rache oder Strafe, wieder zum Recht aufgerichtet würde, weshalb er die Konsequenzen seines falschen Handelns zu tragen bereit war wie den Tod des Sohnes mit Batscheba. Nach der Volkszählung wusste David:
2.Sam. 24,14 Dawid sprach zu Gad: Ich bin sehr bedrängt – laß uns doch in SEINE Hand fallen, denn reich genug ist sein Erbarmen, aber in Menschenhand fallen möge ich nimmer!

All diese Fehltritte schmälerten nicht Gottes Barmherzigkeit und Liebe gegenüber David. Gott gereut nicht sein Vertrauen in David, nicht Seine Liebe zu ihm, auch nicht die Erwählung des Hauses Davids für den Maschiach. Allein diese Vergehen belasten Davids Seele an dessen Lebensende und lassen ihn frieren. Nur die Jungfrau Abischag kann ihn mit ihrem Körper erwärmen, mit der er jedoch keinen Geschlechtsverkehr hat. Sie ist die einzige Frau, die er nicht zur Gemahlin nimmt.

Auf seinem Sterbebett muss David noch seine Nachfolge regeln, um die er sich am liebsten nicht weiter gekümmert hätte. Doch der Prophet Nathan und Batscheba bewegen David in einer konzertierten Aktion dazu, Schlomo zu seinem Nachfolger auszurufen. So kam in den letzten Tagen alles auf ihn zu, das er nicht rechtzeitig geklärt hatte.

Davids Leben war sehr belastet, doch ist es tröstlich zu wissen, dass auch Biographien mit ihren Brüchen Gott nicht von unserer Seite weichen lassen, wenn wir unsere Sünden vor IHM bekannt haben.

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