vorgeschlagen für Sonntag, d. 2. Mai 2021

Und als sie sich Jeruschalajim näherten, wo die Straße vom Ölberg hinabführt, fing die ganze Schar der Talmidim an zu singen und Gott mit lauter Stimme für all die mächtigen Werke, die sie gesehen hatten, zu loben: „Gesegnet ist der König, der im Namen Adonais kommt!“
 “Schalom im Himmel! ” und “ Ehre in den höchsten Orten! ”
Einige der Peruschim in der Menge sagten zu ihm: „Rabbi! Weise deine Talmidim zurecht!” Doch er antwortete ihnen:  „Ich sage euch, dass, wenn sie still bleiben, die Steine schreien werden!”

Das Jüdische Neue Testament, David Stern, Hänssler-Verlag

Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit  findet der Einzug Jesu in Jerusalem an Sukkot, dem Laubhüttenfest und dritten der drei Wallfahrtsfeste statt. Die Menschen – wie in der Schilderung des Matthäus Kap. 21 – hatten neben ihren Kleidern auch Zweige parat, die sie auf den Weg legten. So viele Menschen und die Zweige lassen keinen anderen Schluss zu. Man kann dagegen davon ausgehen, dass die Evangelien nicht präzise Zeitangaben machten oder eine Zeitspanne verkürzt wiedergegeben wurde. So mag der Eindruck entstanden sein, das Ereignis habe zu Pessach stattgefunden, dabei gab es in der Zeitspanne zwischen Sukkot und Pessach nichts weiter zu berichten.

Die Wallfahrtsfeste waren allesamt von messianischer Naherwartung geprägt. Besonders belastete die Israeliten die Bedrückung durch die Römer, was selbst unter der jüdischen Bevölkerung zu Spannungen führte. Man wusste, dass jüdische Feierlichkeiten von den Römern besonders beobachtet wurden. Die sollten nicht noch auffälliger werden durch provokante Gesänge.

Der Esel war den Peruschim (פָּרוּשׁ Pharisäern, Ausleger, Abgesonderter) aus ihrer Tora gut bekannt. Sie wussten, worauf Jesus damit anspielte.
1.Sam. 10,2 Wenn du heute von mir gehst, wirst du beim Grab der Rahel an der Grenze Benjamins, in Zelzah, zwei Männer treffen; die werden zu dir sagen: Die Eselinnen sind gefunden, die du zu suchen gegangen bist; und siehe, dein Vater denkt gar nicht mehr an die Eselinnen, sondern er sorgt sich um euch und spricht: Was soll ich wegen meines Sohnes tun? 
Scha’ul, der erste König Israel, war auf der Suche nach den zwei Eselinnen seines Vaters, als er den Auftrag bekam, sich zum König von Israel salben zu lassen (dich gesalbt hat מְשָׁחֲךָ meschachecha). Jeder König, jeder Priester wurde für sein Amt gesalbt und war damit ein מָשִׁיחַ Maschiach, ein Gesalbter.
Auch kannten sie die messianische Prophetie von Sacharaja, die sie angesichts der Unruhen in Sorge stürzte, besonders weil es aus ihren Anhängern auch Zustimmung für Jesus gab. Andere sagten: „Die Welt sieht noch zu unerlöst aus, als das der Maschiach unter uns sein könnte.“ Aber die Vision nahm Gestalt an.
Sach. 9,9 Frohlocke laut, Tochter Zion! Jauchze, Tochter Jerusalem! Siehe, dein König kommt zu dir; gerecht und siegreich ist er. Demütig ist er und reitet auf einem Esel, auf dem Füllen einer Eselin. 
Jehu hatte es geschafft, mittels eines Tricks Isebel zu besiegen. Er war ebenso willkommen geheißen und zum König erkoren worden wie jetzt Jesus.
2.Kön. 9,13 Da nahmen sie eilends ein jeglicher sein Gewand und legten es unter seine Füße auf die bloßen Stufen; dann stießen sie in die Posaune und riefen: Jehu ist König! 

All das musste die Pharisäer unruhig werden lassen. Dass die Römer nur im Entferntesten annahmen, es würde ein neuer König gesalbt, konnte blutige Krawalle auslösen. Dazu sangen die Jünger noch aus dem Hallel, dem großen Lobzyklus aus den Psalmen! Das war doch kein Straßengesang! Das war heiliger Gesang, der in den Bereich des Tempels gehörte!
Ps. 118,24 Dieser ist der Tag, den ER aufgetan hat. – Jauchzen wir und freuen uns sein! 25 – Ach doch, DU, befreie doch! – Ach doch, DU, laß doch gelingen! 26 – Mit SEINEM Namen gesegnet, der kommt! – Aus SEINEM Hause segnen wir euch!

Die Psalmen 113 – 118 bilden das Hallel, das heute noch an den drei Wallfahrtsfesten gesungen wird sowie an Rosch Chodesch (Neumondfeier), das nach biblischem Gebot ebenfalls bedacht wird.
Num. 10,10 Und an einem Tag eurer Freude und an euren Gezeiten und an euren Mondneuungsbeginnen blaset in die Trompeten, bei euren Darhöhungen, bei euren Friedmahlschlachtungen, sie seien euch zum Gedächtnis vor eurem Gott. ICH bin euer Gott. 
An Chanukka und Purim wird es gemäß talmudischer Überlieferung gesungen, und von modernen Juden an Jom Ha’atzmut, dem Unabhängigkeitstag Israels zum Dank für die Staatsgründung. Es ist ein großer Lobpreis auf den Schöpfergott, unseren barmherzigen Vater und König. ER wird immer als der wahre König angerufen und verehrt.

Jetzt wollen die Talmidim, bzw. Jünger, besser jedoch Schüler und Schülerinnen, ihrem Gott, Adonai, danken, für all Seine großen Taten. Zuletzt hatten sie miterlebt, wie Zachäus zurückfand zum Glauben der Väter. Er war Zöllner, und damit war er zum Kollaborateur der Römer geworden. Bei den Juden genoss er kein Ansehen mehr, auch weil er mit den Zolleinnahmen seinen eigenen Reichtum mehrte. Als Jesus ihm aber Ansehen schenkte, das Gott jedem Menschen und Seiner gesamten Schöpfung zumaß, kehrte er zurück. Als „Sohn Abrahams“ nimmt Jesus ihn wieder in die jüdische Gemeinschaft auf. Er hatte im Auftrag des wahren Königs und Vaters das verlorene Schaf wiedergefunden!
Jesus hatte einen Blinden geheilt. Nur sein Glaube hatte ihm das Augenlicht wieder geschenkt! Danach gab das Volk allein GOTT die Ehre. (Luk. 18,35-43)

Alles, was die Jünger bisher erlebt hatten und von ihm über Gott lernen durften in den Wirrnissen der Ansichten der verschiedenen religiösen Gruppen, packten sie mit in das Hallel! Sie wollten ihren großen Gott loben. Mit diesem Lob begannen sie schon außerhalb der Tempelmauer. Sie werden ebenfalls ihre Schriften gekannt haben. Sie hegten die Hoffnung auf den endzeitlichen Maschiach, denn nur so konnten sie in der düsteren Römerzeit  bestehen. Irgendwann musste ja Gottes Hilfe in Gestalt des Maschiach zu ihnen kommen! Aber selbst dafür gebührte der Dank und das Lob Adonai!

Aus besagter Angst forderten die Pharisäer Jesus auf, die Jünger zurechtzuweisen. Aber Jesus wusste, dass die Römer über kurz oder lang nicht mehr bereit waren, dem Treiben der Juden zuzusehen. Sie würden einen Schuldigen ausmachen und die ungeliebten Juden klein kriegen. Es war nur eine Frage der Zeit. Und warum sollte das Gott gebührende Lob bis dahin nicht laut und deutlich verkündet werden?!
Gott könnte sich aus den Steinen Lobsänger erwecken und Aufmerksamkeit schaffen! Dagegen könnte niemand etwas ausrichten. Und sogar die gesamte Natur preist Gott im Hallel.

1 Als Jissrael zog aus Ägypten, Jaakobs Haus aus dem stammelnden Volk,
2 ward Jehuda zum Heiligtum ihm, Jissrael sein Waltebereich.
3 Das Meer sah es und floh, der Jordan bog rückwärts aus,
4 die Berge hüpften wie Widder, Hügel wie die jungen Schafe.. 
5 Was ist dir, du Meer, daß du fliehst, du Jordan, biegst rückwärts aus,
6 ihr Berge, hüpfet wie Widder, Hügel, wie die jungen Schafe?
7 Vorm Antlitz des Herrn winde dich, Erde, vorm Antlitz des Gottes Jaakobs,
8 der den Fels in einen Wasserteich wandelt, einen Kiesel zum Wasserquell!

Psalm 114 in der Übersetzung von Martin Buber und Franz Rosenzweig

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