Schabbat  9. Kislew 5782;  13. Nov. 2021; Paraschat Wajeze Gen. 28,10 – 32,3

Erinnern Sie sich, wie Sie als Kind aufgewachsen sind, welche Hoffnungen Ihre Eltern in Sie legten? Wissen Sie noch um die erfolgreichen Anfänge, bevor der Stress des Alltags Sie einholte?

In unserem dieswöchigen Text schauen wir auf Jaakob und seine Familie. Auf Jaakob lag die Hoffnung der Eltern, da sein Bruder Esau aus Desinteresse sein Erstgeburtsrecht für den Genuss einer Linsensuppe verkaufte und heidnische Frauen heiratete. Rivka hatte sogar Gott befragt, warum ihre Schwangerschaft so schwierig war, und Gott hatte geantwortet:
Gen. 25,23 ER sprach zu ihr: Zwei Stämme sind in deinem Leib, zwei Haufen von deinem Schoß an getrennt, Hauf überwältigt Hauf, Älterer muß Jüngerem dienen.
Also half Rivka sehr trickreich ihrem Zweitgeborenen, den Erstgeburtssegen von seinem Vater Jizchak zu bekommen. Daraufhin raste sein Bruder vor Wut und Jaakob floh zum Bruder seiner Mutter nach Aram.

In der Toralesung, zu der die Prophetenlesung die Brücke schlägt, befindet sich Jaakob auf der Flucht und hat in Bet-El eine Gottesbegegnung, bei der er Zusagen für seine Zukunft erhält.
Gen. 28,13  Und da stand ER über ihm und sprach: ICH bins, der Gott deines Vaters Abraham und der Gott Jizchaks. Das Erdland, auf dem du liegst, dir gebe ich es und deinem Samen. 14 Dein Same wird sein wie der Staub der Erde. Ausbrechen wirst du westwärts, ostwärts, nordwärts, südwärts. Segnen werden sich mit dir alle Sippen des Bodens und mit deinem Samen. 15 Ich da bin bei dir, ich will dich hüten, wo all hin du gehst, und will dich heimkehren lassen zu diesem Boden, ja, ich verlasse dich nicht, bis daß ich tat, was zu dir ich geredet habe.

Am Jabbok wurde Jaakob schließlich zu Jissrael, denn dort kämpfte er mit Gott und siegte. Mit seiner Familie kehrte er schließlich heim, doch seine Söhne hassten Jossef wegen des bunten Rocks, den sein Vater ihm geschenkt hatte, sodass Jossef auf Umwegen nach Ägypten kam, während Jaakob ihn für tot hielt.
Hier in Ägypten, in Mizraim, dem Land der doppelten Enge, wollte Gott diesen jungen Mann haben, um seine Familie vor einer damals weltweiten Hungersnot zu bewahren. In diesem Land, fern der Heimat, wurden Jossef die Söhne Efrajim  und Menasche geboren.

In diese Familiengeschichte geht Gott im Propheten Hosea zurück, in die Anfänge Jaakobs und Efrajims. Bei der Geburt Efrajims sprach sein Vater:
Gen. 41,52 Und den Namen des zweiten rief er: Efrajim אֶפְרָיִם, Zwiefrucht, denn: Fruchten הִפְרַנִי hiprani machte mich Gott im Land meiner Bedrückung.
Efrajim ist mit der Berufung zum Fruchtbringen geboren, was er nur in der Gegenwart Gottes und im Achten auf Seine Gebote tun kann.

Gott liebt Jissrael, als Stammesoberhaupt und als Volk, das erfahren wir deutlich am Anfang des Kapitels, bevor Gott sich die Geschichte des Gewordenen anschaut:
Hos. 11,1 Als Jissrael jung war, liebte ich ihn, von Ägypten an rief ich meinem Sohn zu.
Diese Liebe ist das Thema der Haftara, denn wie abtrünnig das Volk Jissrael auch sein mag, es mindert nicht die Liebe des Vaters.
Hos. 11,8 Wie soll ich drangeben dich, Efrajim, ausliefern dich, Jissrael! wie soll ich hingeben dich wie Adma, dich zurichten wie Zwojim! Mein Herz dreht sich an mir um, mitsammen wallen meine Mitleiden auf.
Die Städte Zwojim und Adma wurden einst mit Sodom und Gomorra vernichtet, doch zu so einem Schritt kann Gott sich trotz Seines Zorns gegen Jissrael nicht entscheiden.
Efrajim, diesen Namen benutzt Gott für das Nordreich, um die Ambivalenz Seines Volkes aufzuzeigen. Es sollte Frucht bringen, den heidnischen Völkern der Umgebung ein Vorbild sein, sie locken zum Glauben an den Einen Gott. Doch was passiert im Nordreich? Gewalt, Betrug und Lüge vermehren sich Tag um Tag. Auf falsche Bündnisse vertraut Gottes Volk und versucht gerade Ägypten, Mizraim, mit feinsten Gaben zu bestechen. Sie stützten sich auf die Illusion menschlicher Hilfe anstatt auf die verlässliche Hilfe Gottes.

Hos. 12,6 – ER selber, der Gott der Scharen, ER WIRD DA SEIN יְהוָה JHWH, das ist sein Gedenken – :
Gott erinnert sich, ER erinnert sich an die guten Anfänge der Patriarchen und an das Leiden des Volkes in Ägypten = Mizraim מִצְרַיִם, von der Wurzel zar צַר = eng, im Land der doppelten Enge, von wo aus ER es in die Weite und in die Freiheit führte. Und ausgerechnet auf Mizraim setzt Jissrael nun seine Hoffnung anstatt auf seinen Retter und Befreier!

ER erinnert das Volk an Mosche und Seine Zusage am brennenden Dornbusch. Dort offenbarte Gott Mosche Seinen Namen:
Ex. 3,14 Gott sprach zu Mosche: Ich werde dasein, als der ich dasein werde אֶהְיֶה אֲשֶׁר אֶהְיֶה eheje ascher eheje. Und er sprach: So sprich du zu den Söhnen Jissraels: ICH WERDE DA SEIN אֶהְיֶה eheje schickt mich zu euch.
Gottes Name sagt den Kindern Jissrael für alle Zeit zu, dass ER immer da sein wird, so wie sie ihn brauchen. ER geht auf ihre jeweiligen Nöte ein, die im Verlauf der Zeit durchaus andere sein können. Gott weiß das und wird da sein. Auf diese Zusage ist in Ewigkeit Verlass.

Gott brachte Jissrael nach Hause, sei es Jissrael nach seinem Gotteskampf und nach dem Tod Rachels, dafür mit ihrem zweiten Kind, mit Benjamin, sei es als Volk, das in Mizraim als Sklaven dem Möchtegern-Gott Pharao dienen musste. ER brachte es durch die Hand Mosches heim ins versprochene Land, als freies Volk und als Diener des wahren Gottes.

All das hat Jissrael, hat Efrajim, vergessen, sodass Efrajim  sogar seine Schuld leugnet und weiter in den Wegen der Untreue, der Selbsttäuschung geht. Sich selbst kann ein Mensch täuschen, nicht aber Gott.

Hos. 11,10 – IHM nach werden sie gehn: wie ein Löwe brüllt er hin. Wenn er selber hinbrüllt, flattern Söhne vom Westmeer herzu, 11 flattern von Ägypten herzu wie ein Vogel, vom Land Assyrien her wie eine Taube: »In ihre Häuser siedle ich sie ein« ist SEIN Erlauten.
Gott verspricht trotzdem, das Exil Seines Volkes zu beenden und es nach Hause in seine eigenen Häuser zu holen. Seine Söhne werden heim kommen aus dem Philisterland, wie ein Vogel werden sie aus Ägypten herausfliegen, denn nichts kann sie in der Enge festhalten, wenn Gott brüllt. Wie eine Taube, die bei Noach den Ölzweig fand und schließlich trockenes Land zum Wohnen, wird Jissrael heimkommen und erneut eine Heimat finden in den einst zurückgelassenen Häusern.

Gott zürnt, aber ER ist nicht ein hitzköpfiger Mensch, der im Zorn alles kurz und klein schlägt. ER ist der heilige Gott, der zürnt, aber der sich von der Liebe zu Seinem Sohn leiten lässt und alles unternehmen will, um ihn auf den rechten Weg und zum Fruchtbringen (Efrajim) zurückzuführen.

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