Yuval Lapide und Christel Holl mit Pater Mauritius im Oktober 2018 auf der Frankfurter Buchmesse

Lesung zur Parascha KI TISA am 22. Adar 5781; 6. März 2021

Gott erbarmt sich

Das Wort Gottes ergeht an den Menschensohn, den Ben Adam בֶּן אָדָם, den neuen Adam, der eine neue Schöpfung Gottes darstellt und durch den Gott SEINE immerwährende Botschaft ausruft. Eigentlich muss der Menschensohn, also Hesekiel, den Kindern Israel Gottes Zorn verkünden, da sie trotz Exil weiter uneinsichtig sind. Aber der Schwerpunkt des Wortes, das der Prophet zu verkünden hat, liegt auf etwas anderem, nämlich auf der Rückführung des Volkes in das versprochene Land, in die Heimat.

Gott hat sich nicht durch das Volk bewegen lassen, durch Umkehr und Gebet. Nein, die blieben ja aus! Nun geht es IHM allein um SEINEN heiligen Namen, der diskreditiert wird, wenn die anderen Völker sehen, wie das Volk Gottes im Exil leben muss. Die Lästerung SEINES Namens kann ER nicht zulassen.
Hes. 36,22  Darum sprich zum Haus Jissrael: So hat mein Herr, ER, gesprochen: Nicht um euretwillen tue ichs, Haus Jissrael, sondern für den Namen meiner Heiligung, den ihr preisstelltet unter den Stämmen, wohin ihr gekommen seid.
Jes. 48,11Um meinetwillen, um meinetwillen tue ich es – denn wie wird mein Name entweiht! – und meine Ehre gebe ich keinem andern.
Es war Gottes Gebot, das SEIN Name nicht entweiht werden dürfe, weshalb Juden diesen heiligen Namen, den der Hohepriester lediglich einmal im Jahr im Allerheiligsten des Tempels ausrief, an Jom Kippur, umschreiben mit Adonai (mein Herr) oder mit HaSchem (der Name).
Lev. 22,32 Und ihr sollt meinen heiligen Namen nicht entweihen, damit ich heilig gehalten werde unter den Israeliten; ich bin der Herr, der euch heiligt,
Gottes Name, Mosche am brennenden Dornbusch offenbart, war heilig und würde den Kindern Israel dienen, ihren Gott zu benennen und anzurufen in ihrer Not.
Ex. 3,15 Und Gott sprach weiter zu Mose: So sollst du zu den Israeliten sagen: «Jahwe, der Gott eurer Väter, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs, hat mich zu euch gesandt.» Das ist mein Name ewiglich, und so will ich angerufen sein von Geschlecht zu Geschlecht.

אֶהְיֶה אֲשֶׁר אֶהְיֶה eheje ascher eheje, ICH werde sein als der ICH da sein werde. So stellte Gott sich dem Mosche vor und diesen Namen trug Mosche weiter zu den Kindern Israel. Gott würde immer entsprechend ihrer Not für sie da sein; ER hat kein in Stein gemeißeltes Wesen. Und dieser Name würde in aller Welt bekannt werden, wozu selbst der Pharao beitragen würde:
Ex. 9,16 aber deswegen habe ich dich bestehen lassen, dass du meine Macht erfahrest und dass mein Name in aller Welt verkündet werde. 

Um dieses Namens willen würde Gott sich jetzt über SEIN Volk erbarmen. Gott selbst ist es, der ohne Blutvergießen das Volk reinwäscht von Sünden und Götzendienst. Und das sind keine „kleinen“ Sünden, denn sie fordern immer wieder den Eifer Gottes heraus, weil es neben IHM keinen anderen Gott geben kann.
Hes. 36,25 Dann werde ich euch mit reinem Wasser besprengen, dass ihr rein werdet; von all eurer Unreinheit und von all euren Götzen werde ich euch rein machen.
Gott geht noch einen Schritt weiter: Nicht nur Wasser dient IHM bei der Reinigung. ER gibt ein ganz neues Herz! Ein Herz aus Fleisch statt des Herzens aus Stein. ER gibt SEINEN Geist in das Innere SEINES Volkes. Und dieser Geist führt es hin zur Tora, zu Gottes „Gesetzen und Rechtsgeheißen“, nicht in ein nebulöses Scheinwissen von Gottes Wort.
Hes. 36,27  Meinen Geist gebe ich euch in das Innre, ich mache, daß ihr geht in meinen Gesetzen und meine Rechtsgeheiße wahret, sie tut.
Gott geht es um das TUN SEINES Wortes, weil darin Leben und Weisheit ist.
Gott rechnet damit, dass SEIN Volk durch diese unverdienten Gnadenerweise zur Einsicht kommt: Hes. 36,31 Dann gedenkt ihr eurer bösen Wege, eurer Geschäfte, die nicht gut gewesen sind, ekeln wird es euch vor euch selber um eure Verfehlungen, um eure Greuel. 32 Nicht um euretwillen tue ich, Erlauten ists von meinem Herrn, IHM, das sei euch kund! Errötet, schämt euch ob euren Wegen, Haus Jissraels!

Und SEINE Taten werden die Heiden zur Erkenntnis führen. Sie werden ebenfalls in ihrem Inneren eine tiefe Einsicht bekommen und eine Beziehung zu dem, der hier gewirkt hat.
Hes. 36,36 Dann werden die Stämme erkennen, die rings um euch überblieben, daß ICH es bin, der die geschleiften auferbaute, der das Verstarrte wiederbepflanzte: ICH bin es, ders redet, ders tut.
„sie werden erkennen“ וְיָדְעוּ we jad’u meint dieses innere, sichere, unverbrüchliche Wissen, das in eine innige Beziehung führt. Somit sind über Gottes Volk auch die Heiden mit im Boot. Sie sehen das Volk Gottes, sehen Gottes Fürsorge und Liebe, die die Sünde überwindet und sehen, wie das Volk Gottes neu erstarkt, wie Schafe auf Gottes saftiger Weide.

Mit dem neuen Herzen denken

Yuval Lapide

Das erneuerte menschliche Herz ist das zentrale Thema des Exils Propheten Ezekiel. Wie kein anderes menschliches Organ ist das Herz in den abendländischen Sprachen besungen und besprochen worden. Im jüdisch-biblischen Denken verkörpert es den Sitz der demütigen Gotteserkenntnis und der göttlich getragenen, universellen Weisheit dem irdischen und jenseitigen Leben gegenüber. Das versteinerte Herz symbolisiert im Deutschen wie im Hebräischen geistig-seelische Verhärtung, Wachstumsstillstand und Unbelehrbarkeit. Die im Exil angekommenen heimatvertriebenen Juden beharren noch immer auf ihr altes, egozentriertes, gottfernes Denken und Verhalten – noch immer sind sie den weisen und wegweisenden Worten des Propheten gegenüber taub und blind. In dieser festgefahrenen geistigen Verfassung lässt Gott, der Gott der Verwandlung und Erneuerung, den Propheten verkünden, er werde den uneinsichtigen und ungehorsamen Kindern seines Volkes ein neues Herz aus Fleisch, ein neues Herz der Gottesliebe und Menschenliebe einpflanzen. Gott ist der erste „Herzchirurg“ auf Erden, der sich zu einer dramatischen Herzoperation entschieden hat, um seinem geliebten Volk eine neue Ausgangsbasis für eine neue Menschlichkeit zugeben.

Auch wir können, wenn wir unsere innere Verhärtung und Verstockung spüren, Gott den weisen, weiten Vater bitten, unser Herz durch seine göttlich überragende Herzoperation zu heilen und zu erneuern.

Es kann mit Gottes Gnade Herz-losigkeit verwandelt werden in Herz-lichkeit, Herzens-kälte in Herzens-wärme. Einzige Voraussetzung ist die nüchterne Erkenntnis, dass wir keinesfalls Schöpfer unseres Lebens sind, sondern vergängliche Gäste und vergängliche Geschöpfe des großen Schöpfers. Die Sehnsucht nach Verbindung mit unserem Schöpfer und die Sehnsucht nach erhellender Wegweisung durch ihn schlummert in jedem von uns Erdenkindern – wir müssen sie uns nur ehrlich und tiefgründig eingestehen. Dieser sehr nüchterne Wendepunkt unseres Denkens ist der Ruf, der dringende und drängende Schrei unseres ego-erdrückten Geistes an Gott, den „Kardiochirurgen“, den heilenden „chirurgischen“ Eingriff Gottes an unserem Herzen vorzunehmen.

Obigen Text habe ich aus Yuvals Buch zitiert, das er mit der Malerin Christel Holl herausgab.

Diese dialogbereite katholische Malerin arbeitet schon viele Jahre für den Beuroner Kunstverlag und hat den Texten meines Mannes ansprechende und passende Bilder hinzugefügt.

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