zur Parascha Wajigasch Gen. 44,18 – 47,27 am Schabbat 7. Tewet 5782;  11. Dezember 2021

Hes. 37,16 Und du, Menschensohn, nimm dir ein Holz und schreibe darauf: »Des Jehuda und der Söhne Jissraels, die seine Gefährten sind.« Und nimm wieder ein Holz und schreib darauf: »Des Jossef«, als das Holz Efrajims und alles Hauses Jissrael, die seine Gefährten sind.

Menschensohn, diese Anrede findet man beim Propheten Hesekiel 93-mal, viel häufiger als im Neuen Testament. Ben Adam בֶן אָדָם heißt nicht Menschensohn, wie es meistens übersetzt wird, es heißt Adamssohn. Damit stellt Gott eine Verbindung zu Adam im Paradies her. Der Ben Adam führt zurück in die Zeit des Gartens Eden. Er erinnert an die Zeit vor dem Ungehorsam, an die Zeit der intakten und harmonischen Gemeinschaft des ersten Menschenpaares mit Gott, zu der wir wieder zurückgeführt werden sollen. Dieser Ben Adam führt uns durch seinen Namen zurück zur Urverbundenheit des Menschen mit der Erde, der Adama אֲדָמָה. In dieser Verbundenheit liegt gleichzeitig der Auftrag, die Erde zu bewahren, den Adam für den Garten Eden erhielt.

Hesekiel wird von Gott Ben Adam gerufen, weil er den Adamssohn in seiner eschatologischen Gestalt verkörpert. Als solcher bringt er die Botschaft für die Endzeit. Hesekiel soll zwei Hölzer nehmen, auf eines schreibt er den Namen Juda, auf das andere den Namen Efraim, beide sind verbunden durch die Nennung der Söhne Israels.

Judas und Josefs Beziehung ist seit dem Verkauf Josefs nach Ägypten angespannt, denn Juda hatte sich nicht stark und aufrichtig genug für seinen Bruder eingesetzt. Bis sie Benjamin mit nach Ägypten nehmen mussten, weil der strenge Herrscher ihnen sonst kein Getreide mehr verkauft hätte, hatte Juda dazu gelernt. Er übernahm Verantwortung für seinen jüngeren Bruder, den letzten Sohn Rachels. Judas Rede zugunsten Benjamins veranlasste Josef, sich zu erkennen zu geben.

Die Söhne Josefs, Menasche und Efraim, erhielten bei der Landnahme den Grundbesitz anstelle von Josef. Ihre Stämme gehörten mit zum Nordreich, das in die Verbannung geführt wurde und nicht zurückkam. Juda, Simeon und Benjamin bildeten das Südreich, welches nach Babylon verschleppt wurde. Es durfte zurückkehren, wurde aber 70 n.d.Z. wiederum unter die Völker der Welt verstreut.

Gott stellt nun in Aussicht, dass ER Juda und Josef wieder vereinen wird. Wie die beiden Hölzer in Hesekiels Hand zu einer Einheit werden, so verspricht Gott, sie aus den Völkern zu sammeln und in ihre Heimat zurückzuführen. Dort wird ER aus den Stämmen EIN Volk machen, so wie ER EIN Gott ist. Dieses Volk wird nicht mehr Götzen nachlaufen und ihnen dienen, wie es in der vorherigen Zeit geschah. Schon Hesekiels Hand bedeutet, dass er damit Beziehung ausdrückt, denn Hände dienen der Beziehung und dem Trost zwischen Menschen. Mit unseren Augen werden wir Gottes Wirken sehen.

Das EINE Volk kehrt zurück, und es wird EINEN König haben, der es wie ein Hirte weidet, nämlich König David. Dieser war selbst ein guter Hirte, der die Schafe seines Vaters treu und fürsorglich weidete, bevor er selber König wurde. Damals einte David die Stämme Israels als ein Volk, das in Frieden noch unter seinem Sohn Salomo leben durfte. David eroberte Jerusalem als Hauptstadt und Ort des Tempels, des Wohnorts Gottes. Das Reich zerfiel wegen des Ungehorsams Salomos, denn seine vielen Frauen praktizierten Götzendienst. Nun aber wird König David der Hirte und Lehrer des Volkes, denn er wird das Volk die Weisungen Gottes lehren.
Jer. 30,9 dienen sollen sie MIR, ihrem Gott, und ihrem König, dem Dawid, den ich ihnen erstehen lasse. 

Die Zurückgeführten, die Kinder Israels, werden im Land Jakobs siedeln. Bewusst wird der Stammvater mit seinem alten Namen genannt, denn als solcher wurde ihm bei seiner Flucht vor Esau schon der Segen Abrahams zuteil. Zum anderen weist der Name darauf hin, dass Jakob noch ein Werdender ist, der sich den Namen und den Segen noch erringen muss. Israel schwankt zwischen beiden Namen, weil er nie aufhörte, sich weiterzuentwickeln. Auch seine Kinder können sich nicht auf dem Sieg Israels ausruhen; sie müssen weiter ihren Weg mit Gott gehen, immer wieder den eigenen Wünschen widerstehen und sich zum Willen Gottes durchringen.

Hes. 37,26  Einen Bund des Friedens schließe ich ihnen, der bleibt mit ihnen als Weltzeitbund, ich pflanze sie ein, ich mehre sie. Mein Heiligtum gebe ich in ihre Mitte auf Weltzeit,
Gott wird mit Seinem Volk einen ewigen Bund, einen Friedensbund בְּרִית שָׁלוֹם Brit Schalom schließen. Dieser Bund meint mehr als Frieden, er meint Ganzheit. Israel wird mit sich in vollkommener Übereinstimmung sein und ebenso mit Gott. Es wird keine Zweifel mehr an Gott haben und an dem Sinn Seiner Gebote.

Jeder Bund wird geschnitten וְכָרַתִּי we’karati ich werde schneiden, denn zu einem Bundesschluss gehören immer Fleischstücke wie in Gen. 15 beim Bund zwischen den Fleischstücken mit Abram. Wenn Gott also hier den Bund der Ganzheit, der Integrität in Aussicht stellt, steht dahinter die Drohung, dass der vertragsbrüchige Bündnispartner zerschnitten wird wie die Fleischstücke. Der Orientale nimmt einen Bund sehr ernst und weiß, dass er in Fleisch und Blut übergehen muss.

Gott kündigt ebenso Seine Gegenwart inmitten Seines Volkes an und damit Sein Heiligtum. Wie der Tempel der Endzeit aussehen soll, wird ebenfalls von Hesekiel in den Kapiteln 40-48 beschrieben, doch wird dieser Tempel von spiritueller Qualität sein. Wie der Tempeldienst dort aussehen wird, ob es wieder Tieropfer geben wird, geht aus diesen Beschreibungen nicht eindeutig hervor. Doch durch die Gegenwart Gottes wird Israel geheiligt.

Israel weiß das, aber auch die Völker werden erkennen וְיָדְעוּ wejad’u, dass Israel durch Gottes Gegenwart ein besonderes Zeugnis für die Welt ist. Das Erkennen der Welt לדעת lada’at = erkennen ist im tieferen Sinn ein In-Beziehung-Treten mit dem Schöpfer.

Diese Chance haben nun die Weltvölker, sodass sie nicht mehr neidisch auf Gottes erwähltes Volk sein müssen.

Hesekiel war 2017 ein Seminarthema meines Mannes Yuval Lapide.

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