Vorgeschlagen für Sonntag, 14.02.2021

1 Rufe aus der Kehle, dämpfe nimmer, posaunengleich erhebe deine Stimme, vermelde meinem Volk ihre Abtrünnigkeit, Jaakobs Haus ihre Sünden!
2 Zwar mich beforschen sie tagtäglich, gelüsten meine Wege zu wissen, als wären sie gleich einem Stamm, der Wahrhaftiges tat, seines Gottes Recht nicht verließ, heischen von mir Gerichte der Bewahrheitung, gelüsten nach Gottesnähe:
3 Wozu haben wir uns kasteit – du hast es nicht angesehn, unsre Seelen wir gebeugt – du willst es nicht wissen! – Wohl: am Tag eurer Kasteiung findet ihr doch ein Gelüst aus und treibt all euren Erwerb bei!
4 wohl: zu Streit und Gerauf kasteiet ihr euch, mit frevler Faust dreinzuschlagen, – nicht kasteit ihr euch, wies heutzutag ist, in der Erhabenheit eure Stimme hören zu lassen.
5 Soll dergleichen die Kasteiung sein, die ich erwähle, der Tag, an dem der Mensch seine Seele beugt?! Daß er seinen Kopf binsengleich hangen läßt, Sackleinen und Asche sich unterbettet, willst du dazu ausgerufen haben: Kasteiung! Gnadentag IHM!?

Mt. 6,16 WENN ihr fastet, sollt ihr nicht sauer dreinsehen wie die Heuchler; denn sie verstellen ihr Gesicht, um sich vor den Leuten zu zeigen mit ihrem Fasten. Wahrlich, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn schon gehabt. … 18 damit du dich nicht vor den Leuten zeigst mit deinem Fasten, sondern vor deinem Vater, der im Verborgenen ist; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir’s vergelten.

Der Prophet hat die Aufgabe, das alltäglich Leben des Volkes Gottes zu kritisieren, wenn es sich nicht in Übereinstimmung mit dem Willen Gottes befindet. Er ist ein Sprachrohr Gottes. Das griechische Wort Prophet heißt allerdings eher, etwas wahrsagen. Darum benutzt Buber für das hebräische Wort Navi die Übersetzung Künder, ein Mahner, ein Korrektiv, ein Warnender im Auftrag Gottes. Er rüttelt die Menschen auf und warnt vor den Konsequenzen ihres Fehlverhaltens. Diese Warnungen weisen in die Zukunft, sowohl im Guten wie im Bösen. Der Navi kündet immer aus der Beziehung mit seinem Gott. Er steht treu zum Wort Gottes und ist durchlässig für IHN. Damit macht er sich unbeliebt bei Menschen und beliebt bei Gott. Auch erhebt er keinen Absolutheitsanspruch.
Jesaja und die Neviim kennen ihre Tora in- und auswendig. Von der Tora bis zu den Neviim gibt es eine rote Linie, weshalb das intertextuelle Arbeiten mit der Bibel aufschlussreich ist. Dabei wissen die Neviim, dass der Mensch mit Götzendienst und Lieblosigkeit gegen sich selbst handelt, nämlich gegen seine von Gott geschaffene Konstitution. Es ist Gottes Liebe, dass er den Propheten (Seher) ins Volk schickt, der die Missstände sieht und die Folgen kündet (Navi – Künder). Alle möglichen Missstände und deren Folgen stehen im 5. Buch Mose, woran sich die Neviim orientieren.
Für Israel war es problematisch,  dass es in einem völlig heidnischen Umfeld lebte und sah, wie die umliegenden Völker ihren Kult praktizierten. Überall fanden sich Skulpturen und wurden heidnische Bräuche ausgeübt, die verführerisch wirkten. Gott erwartet von seinem Volk bis heute, dass es sich deutlich von den anderen Völkern unterscheidet.
Jesus weist selbst wie ein Navi auf unangenehme Wahrheiten hin, wenn er sich fragt, wie lange er sich über den Ungehorsam seiner Mitmenschen wird ärgern müssen. Mt. 17,17 (Lut 84): Jesus aber antwortete und sprach: O du ungläubiges und verkehrtes Geschlecht, wie lange soll ich bei euch sein? Wie lange soll ich euch erdulden?

Hier erhebt Jesaja seine Stimme gegen die Verlogenheit des Volkes. Laut wie mit einem Schofar ruft er es aus; es muss „ausposaunt“, nicht hinter vorgehaltener Hand gesagt werden. Wie Jesus sagte: Mt. 10,27 WAS ich euch sage in der Finsternis, das redet im Licht; und was euch gesagt wird in das Ohr, das predigt auf den Dächern.
Gott will, dass Seine Mahnungen jeder hört, denn es sind nicht einzelne, die sich versündigten, sondern das ganze Haus Jaakobs orientierte sich an schlechten Vorbildern und muss umkehren. Gott meint wirklich die Sünde, nicht ein kleines Versehen. Die Menschen treiben ihre Geschäfte voran, sind dabei in Streit und Zerwürfnisse verstrickt, aber behaupten, nach Gottes Willen zu fragen. Sie behaupten, gerecht zu sein und Gott zu befragen, interessieren sich aber weder für Gottes Willen noch für das Ergehen ihrer Mitmenschen.
Sie kreisen nur um sich selbst, sind egoistisch darauf bedacht, dass sie vor ein Gott wohlgefälliges Fasten an den Tag legen. Sie überbieten sich, wer am auffälligsten und in ihren Augen am besten fastet und Gott so vermeintlich nahe kommt. Dabei machen sie ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter und tragen Bußgewänder, sodass sie bei all ihren Mitmenschen auffallen. Sie sind wie einige Pharisäer, die Jesus kritisiert: Mt. 23,23 Wehe euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler, dass ihr die Minze und den Anis und den Kümmel verzehntet und die gewichtigeren Stücke des Gesetzes außer Acht gelassen habt: das Recht und die Barmherzigkeit und die Treue. Diese Dinge aber sollte man tun und jene nicht unterlassen. 
Äußerlich handeln sie richtig, wenn sie selbst die kleinsten Gewürze verzehnten und wenn sie Buße tun. Dagegen ist ein Bußgewand nicht zuträglich. Es wurde lediglich als Trauergewand angezogen oder wenn Gott es wie bei Jona in Ninive befahl. Hier aber wollten die Büßer nur gesehen werden, blickten verärgert und düster drein und hatten die Liebe vergessen. Ihre Selbstdarstellung war eine einzige Heuchelei.
Gott mahnt: Joel 2,13 Zerreißt euer Herz, nimmer eure Gewänder, und kehret um zu IHM eurem Gott! denn gönnend und erbarmend ist er, langmütig und reich an Huld, leidsein läßt er sichs des Übels.
Da brauchten sie sich nicht zu wundern, dass ihre vermeintliche Buße vergeblich war und der doch als gütig und voll Erbarmen bekannte Gott nicht reagierte. Nur ihr Kopf hängt, aber die Seele ist nicht involviert. Die „Büßer“ haben sich gut im Griff, wenn sie innerlich so wenig ergriffen sind. Kein Opfer und keine Buße nimmt Gott an, bei der das Herz nicht dabei ist. In Opfer und Buße müssen wir uns selbst Gott hingeben, sonst ist der Dienst vertan! Eine Bibel in der Hand und das Herz beim eigenen Erfolg und Ansehen – Augenwischerei! Segensworte im Mund und die Kranken ihrem Schicksal überlassen – Heuchelei! Dank predigen und Arme ihrer Not überlassen – Lieblosigkeit.

6 Ist nicht erst dies die Kasteiung, die ich erwähle: die Klammern des Frevels zu öffnen, der Jochstange Bande zu sprengen und Geknickte auszuschicken ledig? alljedes Joch solltet ihr zertrümmern!
7 Ists nicht: für den Hungernden brechen dein Brot, daß schweifende Gebeugte du ins Haus kommen lassest, wenn du einen Nackenden siehst daß du ihn hüllest: vor deinem Fleisch verstecke dich nicht! –
8 Dann dringt dein Licht hervor der Morgenröte gleich, eilends wächst deine Wundhaut zu, deine Wahrhaftigkeit geht vor dir einher, Nachhut dir ist SEIN Ehrenschein.
9 Rufst du dann, antwortet dir ER, schluchzest du auf, spricht er: Hier bin ich. Räumst du aus deiner Mitte Unterjochung, Fingerstrecken, Arggered (gehässiges Reden),
10 reichst dem Hungernden dein eignes Seelenbegehr, sättigst eine niedergebeugte Seele: da strahlt dein Licht in der Finsternis auf, sonnenhöhgleich wird dein Düster,
11 stetig geleitet dich ER, sättigt in der Wildnis deine Seele, ermuntert dein Gebein, daß du gleich wirst einem erfrischten Garten, einem Wasserborn gleich, dessen Wasser nie versagt.
12 Trümmer der Vorzeit bauen die Deinen auf, Grundmauern von Geschlecht für Geschlecht errichtest du wieder, rufen wird man dich Rißverzäuner, Rückbringer der Pfade für die Besiedlung.
13 Hältst du zurück deinen Fuß wegen der Wochenfeier, vom Tun nach deinen Gelüsten am Tag meiner Heiligung, rufst die Feier du: Erquickung, die MIR heilig ist: Ehrwürdige, ehrst du sie, statt deine Wege zu tun, statt zu finden dein Gelüst und Gerede zu reden,
14 dann wirst du dich laben an MIR, ich fahre dich über Kuppen des Lands, ich atze (nähre) dich mit Jaakobs deines Vaters Eigen. Ja, geredet hats SEIN Mund.

Nun erklärt Gott, worauf ER antworten wird. Nicht auf Äußerlichkeiten, sondern auf ein mitfühlendes Herz, das bereit ist zu liebendem Handeln, erweicht IHN. Ein wahres Fasten ist es, wenn Menschen aus der Unterdrückung befreit werden, wie Gott es machte, als ER die Hebräer aus Ägypten befreite. Der Hungernde soll Brot bekommen, so wie ER den Israeliten in der Wüste das Manna gab. Der Nackte soll Kleidung erhalten, wie Gott Adam und Eva bekleidete.
Gott lässt das Licht Israels wie die erfrischende Morgensonne scheinen, die jeder voll Freude nach der Nacht sieht, wie in der Wüste die Feuersäule. ER wird hinter Seinem Volk stehen mit Seinem Ehrenschein wie einst in der Wolkensäule.
Wenn der Egoismus aufhört, wird ein jeder sein Haupt erheben, eine jede Dunkelheit wird licht, jede Seele wird erhoben, als würde sie aus einer Quelle mit frischem Wasser getränkt.
Wir haben die Gelegenheit, Nachahmer Gottes zu werden. Das hätte gesellschaftliche Auswirkungen und würde nicht beim einzelnen bleiben. Wenn üble Nachrede aus unserer Gesellschaft verschwände, das Zeigen mit dem Finger auf die mutmaßlichen Sündenböcke – auch in der Politik! -, dann könnte der Segen Gottes ungehindert fließen.
Wenn Gottes Volk am Schabbat und Christen am Sonntag wieder Gott die Ehre gäben und nicht alltäglichen Dingen nachgingen, wenn Gott und Sein Wort wieder im Mittelpunkt stünden und wir darin unsere Erfüllung fänden, dann würde ER uns segnen mit den Segnungen Jaakobs.
Gen. 27,28 So gebe dir Gott vom Tau des Himmels und von den Fetten der Erde, Korns und Mostes die Fülle! 29 Völker sollen dir dienen, Haufen sich dir neigen, Herr sei deinen Brüdern, dir neigen sich deiner Mutter Söhne. Die dir fluchen, verflucht! die dich segnen, gesegnet!

Aus dem jüdischen Morgengebet:
Gepriesen seist Du Ewiger unser G-tt und König der Welt, der den Blinden Sehkraft verleiht.
Gepriesen seist Du Ewiger unser G-tt und König der Welt, der Gefesselten befreit.
Gepriesen seist Du Ewiger unser G-tt und König der Welt, der die Gebeugten aufrichtet.
Gepriesen seist Du Ewiger unser G-tt und König der Welt, der dem Erschöpften neue Kraft verleiht.

Aus dem 18-Bitten-Gebet:
Du ernährst die Lebenden mit Gnade,
belebst die Toten in großem Erbarmen,
stützest die Fallenden, heilst die Kranken,
befreist die Gefesselten
und hältst die Treue den im Staube Schlafenden.
Wer ist wie du, Herr der Allmacht, und wer gleichet dir, König, der tötet und belebt und Rettung erwachsen lässt.
Wer ist wie du, Vater des Erbarmens, der du deiner Geschöpfe zum Leben gedenkst in Barmherzigkeit.

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