vorgeschlagen für Sonntag, d. 25.04.2021

22 Da trat Scha‘ul in die Mitte des Areopags und sprach: Ihr Männer von Athen, ich sehe an allem, wie tief religiös ihr in jeder Hinsicht seid.
23 Denn als ich umherging und eure Heiligtümer besichtigte, fand ich auch einen Altar, an dem die Aufschrift stand: Einem unbekannten Gott. Was ihr nun in Unkenntnis verehrt – das verkündige ich euch. 
24 Der Gott, der das Universum und alles, was  geschaffen hat und alles, was darin ist, gemacht hat, er, der Herr des Himmels und der Erde, wohnt nicht in Tempeln, die mit Händen gemacht sind, 
25 noch dient man ihm mit Menschenhand, als ob ihm irgendetwas mangele; denn er selbst ist es, der allen Menschen Leben und Atem und alles gibt. 
26 Und er hat aus einem Menschen alle Nationen gemacht, die auf dem ganzen Erdboden leben, und er hat im Voraus ihre Zeiten und die Grenzen festgesetzt in denen sie auf der Höhe ihrer Macht stehen.
27 Gott tat das, damit die Menschen nach ihm suchen, und vielleicht die Hand nach ich ihm ausstrecken und ihn finden, da er doch nicht fern ist von einem jeden unter uns. 
28 ‚Denn in ihm leben, weben und sind wir‘, wie auch einige von euren Dichtern gesagt haben: ‚Wir sind wahrhaftig Gottes Kinder.‘ 
29 Da wir nun aber Gottes Kinder sind, dürfen wir nicht meinen, dass das Wesen Gottes Gold oder Silber oder Stein gleicht, einem Gebilde menschlicher Kunst und Phantasie. 
30 Über die Zeiten der Unwissenheit nun hat Gott hinweggesehen; jetzt aber gebietet er allen Menschen an allen Orten, dass sie sich von ihren Sünden zu ihm wenden.
31 Denn er hat einen Tag festgesetzt, an dem er den Erdkreis mit Gerechtigkeit richten wird durch einen Mann, den er (dafür) bestimmte. Und er hat ihn für jedermann öffentlich dadurch beglaubigt, dass er ihn von den Toten auferweckt hat. 
32 Als sie aber von einer Auferstehung der Toten hörten, spotteten die einen, die andern sagten: ‚Wir wollen dich darüber ein andres Mal wieder hören.‘
33 So ging Scha‘ul aus ihrer Mitte hinweg.
34 Einige Männer aber schlossen sich ihm an und wurden gläubig, unter denen auch Dionysius, ein Mitglied des Areopags, und eine Frau namens Damaris waren und andre mit ihnen.

Zürcher Bibel mit Einfügungen aus dem Jüdischen Neuen Testament, David Stern

Scha’ul ist auf seiner Missionsreise in Griechenland, im Herzen der Weisheit und Gelehrsamkeit nach griechischem Verständnis, in Athen. Er ist außer sich, als er den Götzenkult sieht und redet zuerst in der Synagoge von Athen. Auch Philosophen fanden sich dort, die mit ihm diskutierten und gern noch mehr von ihm hören wollten. Deshalb brachte man ihn zum Areopag.
Apg. 17,18 Es ließen sich aber auch einige der epikureischen und stoischen Philosophen mit ihm ein; und etliche sagten: Was will doch dieser Schwätzer sagen? andre aber: Er scheint ein Verkündiger fremder Gottheiten zu sein. 19 Und sie ergriffen ihn, führten ihn auf den Areopag und sagten: Können wir erfahren, was das für eine neue Lehre ist, die von dir vorgetragen wird?
In Griechenland wird sich Scha’ul unter seinem weltlichen Namen Paulus vorstellen, den seine Eltern ihm in der Diaspora zusätzlich zu seinem jüdischen Namen gaben. Den benutzte er in den Synagogen, die er überall besuchte. Bis heute ist es üblich, dass Diasporajuden zwei Namen tragen.
Apg. 13,9 Saulus aber, der auch Paulus heißt, blickte ihn an, erfüllt mit dem heiligen Geist, …

Paulus sah sich gut auf dem Areopag um, denn er brauchte einen Anknüpfungspunkt für seine Rede, die darauf abzielte, die Griechen für den einen Gott zu gewinnen. Die Griechen verehrten viele Götter, so dass in deren Götterhimmel eine gute Arbeitsteilung für all die Anliegen der Menschen herrschte. Andererseits waren sie in ihrer Gemütsverfassung unberechenbar. Sie mussten bei Laune gehalten werden.
Wie sollten also die Griechen, die wiederum scharfe Denker waren und bekannte Philosophen hervorgebracht hatten – immerhin gab es die Philosophie hier schon seit 600 v.d.Z. -, nun für den Monotheismus gewonnen werden? Der jüdische Glaube war für sie absurd. Sie suchten Weisheit und Wissen.
1. Kor. 1,22 Denn während Juden Zeichen fordern und Griechen nach Weisheit fragen, … 23 … den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit;
Der jüdische Gott ist ein unsichtbarer Gott, von dem man sich kein Abbild machen darf. Dagegen waren die griechischen Götter greifbar und darstellbar, wie Paulus auf dem Areopag sehen konnte. Außerdem war der Körper für die Griechen von ausgeprägter Schönheit. Ihre Götter und Helden stellten sie nackt dar, was der jüdische Glaube aus deren Sicht durch die Beschneidung verunstaltete.

So fand Paulus das Standmal „des unbekannten Gottes“. Es war leer und bot den idealen Anknüpfungspunkt für den unsichtbaren Gott. „Den verehrt ihr schon, ohne ihn zu kennen. Ich kann ihn euch vorstellen. ER ist der Gott der gesamten Schöpfung.“
Ps. 33,9 Denn er, er sprach, und es geschah; er gebot, und es stand da.
Ps. 78,69  Himmelshöhen gleich baute er sein Heiligtum, fest wie die Erde, die er auf ewig gegründet. 
Ps. 102,26 vor Zeiten hast du die Erde gegründet, und die Himmel sind deiner Hände Werk.

Nun kommt Paulus zu den Heiligtümern der Griechen, und er muss erklären, was der Unterschied zwischen ihren Heiligtümern ist und dem Tempel in Jerusalem.
1.Kön. 8,27 Aber sollte Gott denn wirklich auf Erden wohnen? Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel mögen dich nicht fassen, wieviel weniger dieses Haus, das ich gebaut habe!
Jes. 66,1 So spricht der Herr: Der Himmel ist mein Thron und die Erde der Schemel meiner Füße. Was wäre das für ein Haus, das ihr mir bauen wolltet, und welches wäre die Stätte meines Wohnens?

Der Tempel ist der Ort, in dem die Menschen ein Zeichen von Gottes Gegenwart haben, aber Gott wohnt dort nicht! ER braucht den Tempel und alle Opfer nicht, sondern die Menschen gebrauchen diesen Ort, wo sie ihre Feste feiern und ihre Opfer bringen, ihren Gottes-Dienst verrichten dürfen.
Aber Paulus will die Griechen nicht für neue Opfer gewinnen, sondern sie von ihren Götzenopfern abbringen. Gott braucht nichts vom Menschen und ihn hungert nicht!
Ps. 50,9 Ich mag nicht den Stier aus deinem Hause, noch Böcke aus deinen Hürden. 10 Mein ist ja alles Getier des Waldes, das Wild auf meinen Bergen zu Tausenden. 11 Ich kenne alle Vögel des Himmels, und was auf dem Felde sich regt, ist mir kund. 12 Wenn mich hungerte, ich brauchte es dir nicht zu sagen; denn mein ist der Erdkreis und was ihn erfüllt. 13 Sollte ich das Fleisch von Stieren essen und das Blut von Böcken trinken? 14 Bringe Gott Dank als Opfer dar und bezahle so dem Höchsten deine Gelübde. 

Paulus stellte vielmehr fest, dass alle Menschen Geschöpfe Gottes sind, alle von einem Menschen abstammen, nämlich von Adam und darum Geschwister sind. Alle haben sie ihren Wohnraum auf Erden von IHM.
Dtn. 32,8  Als der Höchste den Völkern ihr Erbe gab, als er die Menschenkinder schied, da setzte er fest die Gebiete der Völker nach der Zahl der Kinder Israels.
Und dieser Gott will wahrgenommen werden. Sowohl durch Seine faszinierende Schöpfung als auch dadurch, dass Menschen nach IHM fragen und mit IHM ins Gespräch kommen wollen. Ein dialogischer Gott also, nicht wie die griechischen Götter.
Dtn. 4,29 Dann wirst du von dort aus den Herrn, deinen Gott, suchen und wirst ihn finden, wenn du von ganzem Herzen und von ganzer Seele nach ihm fragst. 
Wenn man nach Gott fragt, wird man auch merken, dass ER und Seine Antwort nicht weit weg sind. Sie müssen nicht durch irgendeine Philosophie herbeigeholt werden oder durch Opfer oder Kult.
Dtn. 30,11   Denn dieses Gebot, das ich heuttags dir gebiete, nicht entrückt ist es dir, nicht fern ists. … 14 Nein, sehr nah ist dir das Wort, in deinem Mund und in deinem Herzen, es zu tun.

Gott ist ein Gott, der sich Seinen Kindern offenbart hat, deshalb kann Paulus Scha’ul sich so sicher sein. Paulus verschweigt den Griechen zuerst noch die Kritik an ihren Götzen und handgemachten Götterbildern, aber er wirbt für einen nahen und nahbaren Gott.
Dtn. 4,28 Daselbst werdet ihr Göttern dienen, die das Werk von Menschenhänden sind, Holz und Stein, die nicht sehen und nicht hören, nicht essen und nicht riechen können. 
Jer. 29,12 Wenn ihr mich ruft, so will ich euch antworten; wenn ihr zu mir betet, will ich auf euch hören.13 Wenn ihr mich sucht, so sollt ihr mich finden; wenn ihr nach mir fragt von ganzem Herzen, 14 so werde ich mich von euch finden lassen, spricht der Herr

Paulus weiß, dass diese Worte der Tora zuerst an die Kinder Israel gerichtet waren, aber ohne sie Israel aberkennen zu wollen, weitet er sie auf die Heiden aus. Er hat einen Auftrag von Gott, zu den Heiden zu gehen, darum benutzt er die ganze Palette des Wortes.

Desgleichen zeigt sich Paulus als Kenner der griechischen Literatur, wenn er griechische Dichter zitiert. Die beriefen sich noch auf ihren Göttervater Zeus, Paulus will aber ihre durchaus weisen Worte zu einer größeren Wahrheit und Weisheit lenken. So nimmt er auch in seiner Literatur Anleihe, wenn er zitiert: ‚Denn in ihm leben, weben und sind wir.‘
Hiob 12,9 Wer wüsste es nicht unter diesen allen, dass die Hand des Herrn dies gemacht hat? 10 in dessen Hand alles Lebenden Seele und der Odem aller Menschen ist… 13 Bei Ihm ist Weisheit und Stärke, sein ist der Rat und die Einsicht.

Paulus kennt seine Tora, denn er war ein Schüler Rabban Gamaliels und ist durch seine pharisäische Schulung den philosophierenden Gesprächspartnern gewachsen. Wenn Paulus nun auf den Menschen eingegangen ist und auf deren Kindschaft zu Gott, darf nicht der Verdacht im Raum stehen, Gott wäre deshalb den Menschen ähnlich. Das dürfte wohl mit die größte Hürde sein, einen Gott zu verkünden, der für die Menschen da und ansprechbar ist, der andererseits mit Seinen Kindern nicht vergleichbar ist. Wie soll  ein transzendenter Gott verkündet werden, der in der Höhe thront, und dennoch nicht fern ist einem jeden von uns? (V27) Paulus muss erklären, dass alle Götzenbilder nur mit Händen gemacht sind, die Gott ein Gräuel sind. Geschöpfe sind nicht mit dem Schöpfer gleichzusetzen.
Dtn. 4,15 So hütet euch nun wohl um eures Lebens willen – ihr habt ja keinerlei Gestalt gesehen an dem Tage, da der Herr am Horeb aus dem Feuer zu euch redete -, 16 dass ihr nicht frevelt und euch ein Gottesbild machet in Gestalt irgendeiner Bildsäule, das Abbild eines Mannes oder Weibes, 17 das Abbild irgendeines Tieres auf der Erde, das Abbild irgendeines beschwingten Vogels, der am Himmel fliegt, 18 das Abbild irgendeines Kriechtieres auf dem Boden, das Abbild irgendeines Fisches im Wasser unter der Erde, 19 und dass du, wenn du deine Augen gen Himmel aufhebst und Sonne, Mond und Sterne schaust, das ganze Heer des Himmels, dich nicht verführen lassest, sie anzubeten und ihnen zu dienen, da der Herr, dein Gott, sie doch allen Völkern unter dem ganzen Himmel zugeteilt hat.

Jetzt kann er von Sünde reden, da Paulus diese ganze Vorrede gehalten, Gott aus verschiedenen Perspektiven darstellte und Seine Beziehung zum Menschen als Seinem Geschöpf innerhalb der großen und guten Schöpfung. Die Umkehr von diesen Sünden bringt er mit einem Mann Gottes zusammen, den Gott von den Toten auferweckte. Damit will er den Griechen einerseits etwas Greifbares und Sichtbares geben, nämlich Jesus, andererseits will er sie überzeugen durch eine einzigartige Tat Gottes, die Auferweckung von den Toten.
Doch was den Juden gar nicht so fremd war durch die Auferweckungen, die Elija und Elischa vornahmen, überfordert die Griechen. Das Gehörte wollen sie auf sich wirken lassen, über die Auferweckung wollen sie Paulus ein anderes Mal hören.

So wird es Paulus des Öfteren ergangen sein, wenn er zu den Heiden sprach. Immer war er damit konfrontiert, dass das Menschen- und das Gottesbild korrigiert werden mussten, dass viele sichtbare Götter einen Ersatz forderten, den er ihnen in dem weitreichenden Kreuzigungstod Jesu und seiner Auferweckung anbot.

In heutiger Zeit, in der es zugegebener Maßen viel Neuheidentum gibt, haben wir es in der Verkündigung mit Monotheisten zu tun, die den Gott Jesu und der Juden anerkannt haben. So ist es heute Not-wendiger, sich auf eine stärkere Gottzentriertheit zu besinnen, die Jesus selbst lebte und lehrte, und der Scha’ul vor seinem Damaskus-Erlebnis verpflichtet war.

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