Predigtvorschlag für Sonntag, d. 23.01.2022

5 Als Jesus aber nach Kapernaum kam, trat ein Hauptmann zu ihm, bat ihn 6  und sprach: Herr, mein Knecht liegt daheim gelähmt danieder und ist furchtbar geplagt! 7 Und Jesus spricht zu ihm: Ich will kommen und ihn heilen! 8 Der Hauptmann antwortete und sprach: Herr, ich bin nicht wert, dass du unter mein Dach kommst, sondern sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht gesund werden! 9 Denn auch ich bin ein Mensch, der unter Vorgesetzten steht, und habe Kriegsknechte unter mir; und wenn ich zu diesem sage: Geh hin!, so geht er; und zu einem anderen: Komm her!, so kommt er; und zu meinem Knecht: Tu das!, so tut er’s. 10 Als Jesus das hörte, verwunderte er sich und sprach zu denen, die nachfolgten: Wahrlich, ich sage euch: Einen so großen Glauben habe ich in Israel nicht gefunden! 11 Ich sage euch aber: Viele werden kommen vom Osten und vom Westen und werden im Reich der Himmel mit Abraham, Isaak und Jakob zu Tisch sitzen, 12 aber die Kinder des Reiches werden in die äußerste Finsternis hinausgeworfen werden; dort wird Heulen und Zähneknirschen sein. 13 Und Jesus sprach zu dem Hauptmann: Geh hin, und dir geschehe, wie du geglaubt hast! Und sein Knecht wurde in derselben Stunde gesund.

Schlachter-ÜBersetzung 2000

Jehoschua hält sich wieder einmal in Kapernaum auf, in Kfar Nachum כְּפַר-נַחוּם, dem Ort des Trostes. Gott ist der Tröster, was auf das Prophetenort zurückgeht:
Jes. 40,1 Tröstet, tröstet נַחֲמוּ נַחֲמוּ [nachamu, nachamu] mein Volk!, spricht euer Gott.
Jes. 51,12  – Ich selber, ich selber bins, der euch Tröstende:

Jehoschua besucht diesen Ort, an dem er Trost findet und Kraft tankt. Gott ist sein Tröster und Kfar Nachum so etwas wie sein „Kraftort“.

Ein Römischer Hauptmann sucht ihn gerade hier auf. Der darf sich eigentlich nicht mit einem Juden einlassen, denn er vertritt die mächtige, arrogante Besatzungsmacht. Andererseits treibt ihn die Not zu einem Rabbi, von dem er hat schon so viel hörte. Von Rabbi Jehoschua verspricht er sich in seiner großen Not Hilfe, sodass er seinen Rat erbittet.

Er wendet sich damit der Wirkkraft des jüdischen Gottes durch Jehoschua zu, doch ist es Ausdruck seiner persönlichen Demut, dass er sich gegenüber einem Rabbi, dem ein großer Ruf vorauseilt, wertlos vorkommt. In Bezug auf seinen Glauben an den Einen Gott weiß er sich klein und unbedeutend. Er wagt zaghafte Schritte aus übergroßer Sorge um seinen treuen Knecht. Diesen Glauben macht er an seinen alltäglichen Erfahrungen fest, nämlich am Gehorsam seiner Untergebenen. So wie sie gehorchen, muss nach seiner Vorstellung auch die Krankheit dem Wort Gottes durch Jehoschua gehorchen.

Gemäß Yuvals tiefgründigen Erklärungen wird der Hauptmann hier zum Hebräer, denn er überschreitet die Grenze des römischen Vielgottglaubens hin zum Eingottglauben, er überschreitet die Grenze vom Unglauben zum Glauben, von der römischen Überheblichkeit, in Juden nur Steuerzahler zu sehen, hin zu der Bereitschaft, einen potentiellen Widersacher in Gestalt Rabbi Jehoschuas zu konsultieren.

Jehoschua bescheinigt dem Hauptmann einen seltenen Glauben = Emuna אֱמוּנָה. In diesem Glauben sieht der bereits das Licht, obwohl es rundherum noch dunkel ist. Diese Emuna meint, dass der Hauptmann sich festigte in Gott, noch stärker, als es das Wort vertrauen wiedergibt. Er gewann durch diesen Glauben eine unerschütterliche Festigkeit und Gewissheit, dass es hier Hilfe und Heilung für seinen Knecht gebe.

Jehoschua vermisst so eine Festigkeit in Gott in Israel, in seinen Brüdern und Schwestern. Er kontrastiert nun zwei Reich miteinander: Das erste ist das Reich Gottes מַלְכוּת הַשָּׁמָיִם Malchut ha’schamajim, das Reich der Himmel, welches ein Synonym für Gott ist. Im Hebräischen heißt dieses Reich auch Olam ha’ba עולם הבא, die auf die Menschheit zukommende Welt, die neue Gesellschaftsordnung, die sich in dieser Welt manifestieren wird.

Dem ersten Reich gegenüber steht die hiesige Welt, die Olam ha’se עולם הזה. Viele Menschen haben sich in dieser Welt eingerichtet und sich mit allen Unwägbarkeiten arrangiert. Sie wissen die fremden Machthaber zu nehmen und zu beschwichtigen. Sie sind in der Lage, sich wegzuducken, wenn es Ärger gibt. Sie sind geschickt darin, sich unerreichbare Dinge zu beschaffen. Sie verhalten sich bigott in Glaubensfragen, um niemanden zu verärgern. So lässt es sich im Großen und Ganzen aus ihrer Sicht gut leben.

Der römische Hauptmann, welcher seine für ihn geltenden Grenzen überschritten hat, gehört für Rabbi Jehoschua zur kommenden Welt dazu, in der die Patriarchen mit allen Glaubenden sitzen und Gott feiern. Abraham gilt in besonderer Weise als Bundesträger, denn er praktizierte als erster gehorsam den Bund der Beschneidung (Gen. 17), nachdem Gott mit ihm bereits den Bund zwischen den Fleischstücken (Gen. 15) geschlossen hatte. Die kommende Welt ist wie ein großer Festsaal, in dem sich die Gerechten zum Festmahl treffen, während die hiesige Welt eine Vorbereitung darauf ist, wie es in den „Sprüchen der Väter“ heißt:

21  Rabbi Jakob sagte: Diese Welt ist gleichsam der Vorhof der künftigen Welt.
Bereite dich im Vorhof darauf vor, daß du in den Speisesaal eintreten kannst!
22 Derselbe sprach: Besser eine Stunde in Buße und guten Werken auf dieser Welt als alles Leben in der künftigen Welt. Besser eine Stunde der Erquickung in der künftigen Welt als alles Leben in dieser Welt.

Sprüche der Väter, Kap. 4

Dagegen erben die Schüler unseres Vaters Abraham das Paradies und die kommende Welt; denn es heißt (Spr. 8, 21): „Die mich lieben, sollen Ewiges erben, und ihre Scheunen fülle ich an.“

Sprüche der Väter, Kap. 5,22

Rabbi Eleazar aus Modein sagte:  Wer das Heilige entheiligt, die Festtage verachtet, seinen Nächsten öffentlich beschämt, den Bund unseres Vaters Abraham bricht und das Gesetz frech behandelt, hätte er auch gute Werke getan, der hat keinen Teil an der künftigen Welt.

Sprüche der Väter, Kap. 3,16

Die Kinder des Reiches sind all diejenigen, die im Unglauben verhaftet bleiben; alle die, welche es sich in dieser Welt bequem gemacht haben und zu Jehoschuas Zeit mit den Römern kollaborierten. Für sie ist in der neuen Gesellschaftsordnung der kommenden Welt kein Platz.

Rabbi Eleazar, der Gummihändler, sagte: Neid, Wollust und Ehrgeiz bringen den Menschen aus der Welt.

Sprüche der Väter, Kap. 4,28

Für den Hauptmann und seinen Knecht gibt es bereits jetzt einen Vorgeschmack auf die kommende Welt durch die Heilung durch Gottes Wort. Er und sein Knecht haben laut Jehoschua Anteil an der kommenden Welt und werden mit an der Festtafel sitzen.

Kommentar verfassen